BT-Drucksache 16/4922

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 22. bis 26. Januar 2007 in Straßburg

Vom 30. März 2007


I. Teilnehmer
Der deutschen Delegation gehörten folgende Mitglieder
an:

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD), Amtierender Leiter
der Delegation,

Abg. Doris Barnett (SPD),

Abg. Hubert Deittert (CDU/CSU),

Abg. Detlef Dzembritzki (SPD),

Abg. Axel Fischer (CDU/CSU),

Abg. Angelika Graf (SPD),

die Reden und Fragen der Mitglieder der deutschen Dele-
gation im Anhang im Wortlaut abgedruckt.

Zu Beginn der Sitzung wurden neue Vizepräsidenten der
Versammlung für die Dauer einer Sitzungsperiode ge-
wählt.

Den Bericht des Ministerkomitees trug der Außenminis-
ter von San Marino und Vorsitzender des Ministerkomi-
tees, Fiorenzo Stolfi, vor. Zu der Versammlung sprachen
der belgische Premierminister Guy Verhofstadt, der grie-
chische Premierminister Konstantinos A. Karamanlis
und der ökumenische Patriarch Bartholomaios I.

Ann M. Veneman, Geschäftsführende Direktorin von
UNICEF, Martti Ahtisaari, Sondergesandter des VN-
Generalsekretärs für den zukünftigen Status des Kosovo,
Prinzessin Caroline von Hannover, Präsidentin der
Deutscher Bundestag Drucksache 16/4922
16. Wahlperiode 30. 03. 2007

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom
22. bis 26. Januar 2007 in Straßburg

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite

I. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

III. Schwerpunkte der Beratungen . . . . . . . . 2

IV. Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1. Entschließungen und Empfehlungen . . . . . 8
2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier . . . . 64
3. Mitgliedsländer und Funktionsträger . . . . . 78

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU),

Abg. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP),

Abg. Walter Riester (SPD),

Abg. Marlene Rupprecht (SPD),

Abg. Ingo Schmitt (CDU/CSU),

Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN),

Abg. Christoph Strässer (SPD).

II. Zusammenfassung

Die Entschließungen und Empfehlungen sind ebenso wie
Abg. Holger Haibach (CDU/CSU),

Abg. Jürgen Herrmann (CDU/CSU),

Abg. Prof. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE),

Abg. Harald Leibrecht (FDP),

Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP),

Weltvereinigung der Freunde der Kinder sowie der Präsi-
dent der Versammlung, René van der Linden und der
Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, gaben Er-
klärungen ab.

An der Tagung nahmen Parlamentarier aus den 46 Mit-
gliedstaaten des Europarates sowie Beobachter aus Israel,
Kanada und Mexiko teil.

Drucksache 16/4922 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dringlichkeits- und Aktualitätsdebatten

Im Rahmen einer Dringlichkeitsdebatte debattierten die
Abgeordneten über die Bedrohung für Leben und Mei-
nungsfreiheit von Journalisten. Im Rahmen einer Aktu-
alitätsdebatte diskutierte die Versammlung über die
Bedrohung des Europäischen Menschenrechtsge-
richtshofes: dringende Notwendigkeit für Russland
das Protokoll Nr. 14 zu ratifizieren.

III. Schwerpunkte der Beratungen
Dringlichkeits- und Aktualitätsdebatten

Im Rahmen der Dringlichkeitsdebatte debattierten die
Abgeordneten über die Bedrohung für Leben und Mei-
nungsfreiheit von Journalisten. Die Parlamentarische
Versammlung des Europarates zeigte sich entsetzt über
die zahllosen Angriffe auf Journalisten selbst und auf die
Meinungsfreiheit in Europa. Wo Journalisten um ihre Si-
cherheit fürchten müssen, befinde sich die Demokratie in
Gefahr. Berichterstatter Andrew McIntosh, Vereinigtes
Königreich, zeigte sich bestürzt angesichts der Ereignisse
in 2006 und 2007. Es gebe eine lange Liste von Personen,
die ermordet, angegriffen oder in anderer Weise bedroht
wurden, von denen er nur die russische Journalistin Anna
Politkowskaya sowie einen türkischen Journalisten
nannte, die in den letzten beiden Monaten ermordet wur-
den. Der Berichterstatter rief in Erinnerung, dass Arti-
kel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention für
den Schutz der Meinungsfreiheit in Europa eine Ver-
pflichtung beinhaltet, Morde und andere Akte physischer
Gewalt sowie Todesdrohungen gegen Journalisten zu ver-
folgen. Diese Verpflichtung folge ebenso aus dem indivi-
duellen Recht der Journalisten aus der Konvention wie
aus der Notwendigkeit für jede Demokratie, funktionie-
rende Medien zu haben, die nicht eingeschüchtert wer-
den.

In der Debatte wurde über viele Einzelfälle berichtet.
Zahlreiche Journalisten hätten täglich Angst. In Russland
gebe es 80 ungeklärte Fälle; seit 1993 seien 200 Morde an
Journalisten begangen worden. Die Gesellschaft, so eine
russische Delegierte, verfolge die Ermittlungen mit Span-
nung und hoffe auf Strafe. Auch auf die Schwierigkeit
von Schutzmaßnahmen für Journalisten wurde eingegan-
gen. Hervorgehoben wurde die Bedeutung des politischen
Klimas für die Möglichkeit solcher Taten. So habe sich
der ermordete türkische Journalist für die Anerkennung
des Völkermordes an Armeniern ausgesprochen, was in
der Türkei nicht gut geheißen werde. Ein weiterer Dele-
gierter verwies auf den Zusammenhang zwischen Me-
diengesetzen und der Sicherheit von Journalisten. Wenn
man ein Klima im Staat erzeuge, in dem Leute zum
Schweigen gebracht werden sollen, gefährde man gleich-
zeitig die Personen, die offen berichten sollten. Die
Presse sei ein maßgeblicher Faktor auch für das Funktio-
nieren des Rechtsstaates, da nur die sogenannte vierte Ge-
walt Fälle von Korruption etc. öffentlich mache und da-
mit auch verhindern könne. In der verabschiedeten
Entschließung ruft die Versammlung die Parlamente auf,

zuführen. Die russische Staatsduma soll den Mord an
Anna Politkowskya parlamentarisch untersuchen. Die
Versammlung beschloss außerdem einen speziellen Mo-
nitoring-Mechanismus, um Attacken auf Leben und Mei-
nungsfreiheit der Journalisten in Europa zu identifizieren
und analysieren ebenso wie die Fortschritte, die durch na-
tionale Strafverfolgungsbehörden und Parlamente in der
Untersuchung dieser Attacken gemacht werden.

Im Rahmen einer Aktualitätsdebatte beriet die Ver-
sammlung über die Bedrohung des Europäischen Men-
schenrechtsgerichtshofes: dringende Notwendigkeit
für Russland, das Protokoll Nr. 14 zu ratifizieren. Der
Berichterstatter erläuterte die Gefahr, dass der Europäi-
sche Menschenrechtsgerichtshof von der Arbeitslast er-
drückt werden könne. Das Protokoll Nr. 14 soll die Situa-
tion verbessern. Seit 2005 liege es zur Unterzeichnung
aus und alle Mitgliedstaaten bis auf Russland hätten es ra-
tifiziert. Diese Blockade mache alle Anstrengungen zu-
nichte. Die russische Delegation habe sich eingesetzt,
aber leider ohne Erfolg. Er unterstrich, dass die Unabhän-
gigkeit des Gerichtshofs unantastbar und dieses Prinzip
nicht verhandelbar sei. Der Schaden für den Europarat sei
insgesamt beträchtlich.

In der nachfolgenden Debatte wurde übereinstimmend
die Notwendigkeit der Ratifizierung des Protokolls durch
Russland betont. Die russische Delegation verwies auf
ihre Bemühungen, die leider keine Mehrheit in der Staats-
duma zustande gebracht haben. Im Dezember stünden
dort Parlamentswahlen an. Ein Delegierter wies darauf
hin, auch nach Unterzeichnung des Protokolls würden nur
25 Prozent der jetzt aufgelaufenen Fälle gelöst werden.
Die Unterzeichnung sei wichtig, aber würde vielleicht
nicht grundsätzlich etwas ändern. Man müsse es aber als
großes Problem ansehen, wenn ein Land eine grundlose
Blockade veranstaltet.

Weitere Themen

Der Präsident der Versammlung René van der Linden
ging auf die Aktivitäten der Versammlung in 2007 ein.
Die erste jährliche Debatte über den Status der Men-
schenrechte und Demokratie in Europa, die im April statt-
finde, werde den Europarat in einem neuen Licht darstel-
len, weil seine Mechanismen kombiniert werden. Er
erwarte einen neuen Anschub für die Kampagne zur welt-
weiten Abschaffung der Todesstrafe. Es würdigte die Tat-
sache, dass diese Versammlung als erste den Bericht von
Sonderbeauftragten Ahtisaari über den Kosovo disku-
tiere.

Die Versammlung befasste sich mit verschiedenen The-
men im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen.

Der monegassische Abg. Jean-Charles Gardetto (EPP/
CD) nannte bei der Vorstellung seines Berichts „Kinder
als Opfer: Ausmerzung aller Formen der Gewalt, der
Ausbeutung und des Missbrauchs“ zunächst Zahlen
aus dem Bericht der Vereinten Nationen. 175 Millionen
Kinder oder Jugendliche werden zu sexuellen Beziehun-
Untersuchungen zu den ungeklärten Morden an Journalis-
ten ebenso wie bei Angriffen und Todesdrohungen durch-

gen gezwungen, zwei Millionen in die Prostitution, eine
Million Kinder werden ge- und verkauft. Zwischen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4922

100 und 140 Millionen Frauen fallen Genitalverstümme-
lungen zum Opfer. Selbst in Europa werden 3 500 Kinder
im Jahr Opfer von Gewalt, Vernachlässigung etc. Trotz
eines umfassenden rechtlichen Rahmens gebe es Defizite
in der Praxis, weshalb die Regierungen hier tätig werden
müssten. Die bisherigen Ansätze seien zu fragmentarisch.
Er sprach sich für die Einrichtung eines Ombudsmannes
speziell für Kinder aus. Auch die Berichterstatterin des
Sozialausschusses, Karina Ohlsson, unterstützte die Not-
wendigkeit der Ächtung aller Formen von Gewalt.

In der anschließenden Diskussion wurde überwiegend der
Berichtstendenz zugestimmt. Eine kleine Minderheit
setzte sich dem entgegen für das Recht auf körperliche
Züchtigung in begrenztem Maße durch Familienangehö-
rige ein. Zu der Resolution und Empfehlung wurden ins-
gesamt über 40 Änderungsanträge eingebracht, die in ge-
wissem Maß eine Abschwächung der Kinderrechte
bedeutet hätten. Die Anträge wurden überwiegend zu-
rückgezogen, modifiziert oder abgelehnt. In der verab-
schiedeten Resolution fordert die Versammlung die Parla-
mente der Mitgliedstaaten auf, Strategien und nationale
Politiken zum Kinderschutz zu entwickeln, Gesetze zu er-
lassen oder zu erweitern, rechtliche Maßnahmen zu er-
greifen und spezialisierte Richter auszubilden. Ferner
solle man internationale und europäische Rechtsinstru-
mente ratifizieren und die Zusammenarbeit auf nationaler
und internationaler Ebene verstärken. Die Versammlung
erinnert an ihre Empfehlung zur Einrichtung eines euro-
päischen Ombudsmannes für Kinder und begrüßt die For-
derung des Menschenrechtskommissars, nach solchen In-
stitutionen in Mitgliedstaaten oder Ausweitung der
Kompetenzen der Ombudsleute, um Kinderrechte besser
zu vertreten. In der Empfehlung drängt die Versammlung
das Ministerkomitee zu enger Zusammenarbeit, um eine
Konvention zu entwerfen, die Kindern einen umfassen-
den effektiven Schutz gegen alle Formen der Gewalt,
Ausbeutung oder Missbrauch gewährt.

Prinzessin Caroline von Hannover, Präsidentin der
Weltvereinigung der Freunde der Kinder (AMADE)
erklärte, Ziel der von ihrer Mutter gegründeten Organisa-
tion sei der internationale Schutz von Kindern. Der
Verband mache kurz- wie auch langfristige Programme
für Kinder, die z. B. Opfer von Gewalt oder Kriegen
geworden sind. Geholfen werde mit verschiedenen
Mitteln: Nahrungsmittelprogramme, Schuleinrichtungen,
Programme für Straßenkinder oder Aidswaisen. Monaco
habe sich immer wieder maßgeblich engagiert. So wurde
dort 2006 ein dreijähriges Aktionsprogramm für die För-
derung der Kinderrechte und Schutz vor Gewalt auf den
Weg gebracht.

Heute werde eine gemeinsame Erklärung über die Zu-
sammenarbeit zwischen UNICEF und dem Europarat un-
terzeichnet; die VN halten eine Sondersitzung zu dem
Themenkomplex ab. Allgemein herrsche Einigkeit über
die Notwendigkeit von Aktionen, die Gewalt gegen Kin-
der sei aber Realität. Als wichtige Forderungen nannte
sie, dass strafrechtliche Verfolgung durch Verjährung

suchs, Gesundheitsschutz, Maßnahmen gegen Kinderar-
beit. Sie begrüßte das Vorliegen der Europaratskonven-
tion zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch.
AMADE werde diesen Entwurf unterstützen. Die Harmo-
nisierung des Strafrechts sei ein wichtiges Ziel.

Sie unterstrich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit
zwischen Regierungen, Zivilgesellschaft, Lehrern, Eltern
und Kindern, um eine Welt zu schaffen, die Kinder
respektiere

Ann M. Veneman, Geschäftsführende Direktorin von
UNICEF, begrüßte das dreijährige Aktionsprogramm
(2006 bis 2008) für die Förderung der Kinderrechte und
den Schutz von Kindern vor Gewalt, das in Monaco im
April 2006 in Kraft gesetzt wurde. Der Europarat sei pro
aktiv auf dem Gebiet. Sie lobte die Zusammenarbeit zwi-
schen Europarat und UNICEF im Bereich Schutz vor
Missbrauch, Menschenhandel, Gewalt etc. Auf Erfolge
im Kinderschutz eingehend, nannte sie die gesunkene
Mortalitätsrate sowie den erhöhten Anteil von Kindern,
die eine Schule besuchen. Natürlich gebe es Probleme,
die sich auch auf Kinder maßgeblich auswirken: mehr als
zwei Milliarden Menschen leben von weniger als zwei
Dollar pro Tag; Naturkatastrophen untergraben Frieden
und Stabilität. Alle 60 Sekunden erkranken neun Men-
schen an Aids, davon mindestens ein Kind. Kinder in In-
stitutionen wie Heimen seien besonders verwundbar; so-
ziale Ungleichheit treibe Kinder auf die Straße oder in
Institutionen. Es gebe alarmierend geringe Resonanz auf
das Problem; Statistiken unterschätzten noch das Problem
und sein Ausmaß. Ein Rechtssystem zum Schutz der Kin-
der und Strafe der Täter sei notwendig. Auch sie forderte
eine Partnerschaft zwischen Politik und Zivilgesellschaft,
um die Welt für Kinder besser zu machen.

Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar
des Europarates, würdigte die Zusammenarbeit mit
UNICEF. Alle Fakten lägen vor, nun müsse gehandelt
werden. Als gute Nachricht nannte er, dass Griechenland,
wie bereits viele andere Staaten, das Recht auf körper-
liche Züchtigung, und zwar auch in Familien, abgeschafft
hat. Ziel sei, Europa zur gewaltfreien Zone für Kinder zu
machen. Das Programm „Europa für und mit Kindern“
solle eine bessere Würdigung und mehr Bewusstsein für
Kinderrechte schaffen.

Verschiedene Berichte befassten sich außerdem mit HIV/
AIDS in Europa unter besonderer Berücksichtigung der
betroffenen infizierten Frauen und Kinder sowie soge-
nannte AIDS-Waisen. Auf der Grundlage der Berichte
von Christine McCafferty (Vereinigtes Könikreich,
SOC), Michael Hancock (Vereinigtes Könikreich,
ALDE), und Catherine Fautrier (Monaco, EPP/CD) dis-
kutierten die Abgeordneten in einer verbundenen De-
batte. Christine McCafferty, (Vereinigtes Königreich)
erklärte, bis 2010 gebe es voraussichtlich 100 Millionen
Waisen durch Aids. Prävention müsse der Eckpfeiler je-
der Arbeit sein, auch wenn es neue Behandlungsansätze
gebe. Wichtig sei der Zugang zu Verhütungsmitteln; HIV-
Prävention müsse Beratung, Tests und auch Verhütungs-
nicht behindert werde, den Ausbau des zivilrechtlichen
Schutzes z. B. bei Zwangsheirat, Kontrolle des Schulbe-

mittel wie Kondome umfassen. Man brauche einen neuen
ganzheitlichen Ansatz. Immer mehr Opfer seien Frauen

Drucksache 16/4922 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und Jugendliche, aber gerade Frauen wüssten wenig über
die Krankheit oder könnten ihr Wissen nicht umsetzen,
weil sie häuslicher Gewalt und Sexualität ohne Schutz
ausgesetzt werden. Ein großes Problem sei die Übertra-
gung von HIV/AIDS auf Kinder durch Stillen.

Abg. Michael Hancock (Vereinigtes Königreich, ALDE)
sprach über die Zukunft von HIV/AIDS-infizierten Kin-
dern und Aids-Waisen, die es auch in Europa gebe, aber
vor allem in Afrika. Die Kinder werden häufig stigma-
tisiert. Leider gebe es nicht immer Zugang zu Medika-
menten. Arme Länder könnten die Medikamente nicht fi-
nanzieren, so dass de facto mögliche Behandlungen
verweigert würden. Medikamente müssten, forderte er,
wenigstens für Kinder billig sein, was eine Geste der
Pharmaindustrie sein könnte.

Abg. Catherine Fautrier (Monaco) stellte den Bericht
„Die Ausbreitung von HIV/AIDS auf Frauen und
Mädchen in Europa“ vor. Insbesondere verbreite sich
Aids bei Frauen und Mädchen, auch in Europa. 50 Pro-
zent der Kranken seien mittlerweile Frauen, die Mehrheit
davon in Afrika. Die Berichterstatterin verwies auf die
Feminisierung der Krankheit. Mittlerweile sei klar, dass
Frauen auf Grund physiologischer Gegebenheiten eher
von dem AIDS-Virus befallen werden. In Kombination
mit sozialer und wirtschaftlicher Abhängigkeit sowie der
sexistischen Haltung vieler Männer, die den erforderli-
chen Schutz verweigern, ergebe sich eine tödliche Kom-
bination. Die mit der Krankheit verbundene soziale Aus-
grenzung betreffe Frauen besonders stark. Heute halte in
Europa der Leichtsinn im Sexualverhalten wieder Einzug,
weil es Medikamente gibt. Dies sei grundfalsch, Präven-
tion müsse an erster Stelle stehen. Entscheidend sei die
Rolle der Männer.

In vielen Beiträgen wurde der Leichtsinn im Umgang mit
Sexualität angesprochen und der Zusammenhang zwi-
schen der Krankheit und Stellung der Frau. Betroffene
Kinder müssten eine Zukunft haben und eine Ausbildung
erhalten. Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) verwies auf
den Zusammenhang zwischen Krankheit und Armut. Ei-
nerseits seien hauptsächlich arme Länder betroffen, ande-
rerseits komme die Krankheit dort ins Land, wo Geld ver-
dient werden könne: mit Drogenhandel oder mit
Prostitution. Dies führe dazu, dass auch Kinder verkauft
werden, die in die Prostitution gehen, so wie in Afrika,
China etc. Die Aktivitäten seien halbherzig, man müsse
die Ungerechtigkeiten untersuchen. Es sei absurd, wenn
der Gewinn der Pharmaunternehmen mit der Zahl der
Kranken steige. Mitglieder armer Völker würden häufig
nur als Testpersonen benutzt. Die Weltgesundheitsorgani-
sation diskutiere zurzeit zu Recht, ob Patentgebühren für
solche Medikamente möglich sein sollen, da Patente stra-
tegisch eingesetzt werden mit dem Ergebnis, dass teil-
weise die notwendige Behandlung verhindert wird. Frag-
lich sei, ob nicht besser öffentliche Forschungsgelder
investiert werden, was eine Verteilung an alle Bedürftigen
ermögliche. Die Medizin werde dort verkauft, wo bezahlt
werden kann und insofern werde von der Industrie mehr

Forschung/Impfung und Medikamenten betrage 1:10,
was die Schwerpunktsetzung zeige.

Abg. Angelika Graf (SPD) erklärte, es sei fünf nach
Zwölf. Die Zahlen, auch wenn sie leicht variieren, hätten
immer die gleiche Aussage. 50 Millionen Menschen wa-
ren 2006 AIDS-krank, davon ungefähr 50 Prozent
Frauen. Frauen würden z. B. im Krieg vergewaltigt oder
seien anderer Gewalt ausgesetzt. Die Auswirkungen auf
Familien und Kinder seien besonders schlimm. Das Wis-
sen über die Verhütungsmöglichkeiten sei schlecht. In
Deutschland gebe es seit 2001 fast doppelt so viele
Kranke wie vorher, davon 50 Prozent Frauen. Das Sexual-
verhalten sei eindeutig wieder nachlässiger geworden.
Das Thema müsste in die Schulen getragen werden. Auch
Abg. Angelika Graf verwies auf den Zusammenhang zwi-
schen Armut und AIDS und auf die Notwendigkeit, auch
infizierten Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Sie forderte einen Aktionsplan.

In den verabschiedeten Empfehlungen werden Maßnah-
men im Bereich der Vorbeugung, Behandlung und Be-
wusstseinsbildung gefordert; Gesetzgebung und Maßnah-
men, die den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und
Informationen über HIV/AIDS-Verhütung beinhalten.
Nationale Strategien sollen die Ausbreitung verhindern;
gefordert werden parlamentarische Gremien, die sich spe-
ziell mit dem Thema beschäftigen.

Jugendliche sind häufig von sexuellen Übergriffen un-
ter Benutzung von sogenannten Vergewaltigungsdro-
gen betroffen, wozu Abg. Maria Damanaki (Griechen-
land, SOC) einen Bericht vorgelegt hatte. Das Problem
besteht darin, dass Opfer durch Drogen wie z. B. Rohyp-
nol willensunfähig gemacht werden mit der Folge, dass
Vergewaltigungen oder sexuelle Handlungen ohne Zu-
stimmung des Opfers ermöglicht oder erleichtert werden.
Die äußeren Anzeichen sind oftmals ähnlich wie bei zu
hohem Alkoholgenuss; hinterher wissen die Opfer oft
nicht, was passiert ist. Oft wird die Vergewaltigung gar
nicht angezeigt oder Vergewaltigung wird als Problem
minimalisiert und die Schuld den Opfern gegeben. Man
müsse das Problem in Europa als solches deutlich machen
und für eine angemessene Behandlung der Opfer sorgen.
Notwendig sei ein übereinstimmender europäischer An-
satz. Abg. Marlene Rupprecht (SPD) erklärte, man de-
battiere ein Problem, das nicht quantitativ groß sei, aber
qualitativ. Es handele sich um eine Phase, wo junge Men-
schen sich und die Umwelt entdecken, gerade dort werde
Vertrauen missbraucht und Zwang zu sexuellen Handlun-
gen ausgeübt. Es reiche nicht, nur strafrechtliche Maß-
nahmen zu ergreifen.

In der verabschiedeten Empfehlung wurden Informati-
onskampagnen gefordert, bessere Kommunikation von
Informationen unter den zuständigen Behörden, Trai-
ningsprogramme für Personen, die Vergewaltigungsopfer
interviewen sowie das Recht auf Beendigung einer nach-
folgenden Schwangerschaft.

Bei der Vorstellung des Berichts des Ministerkomitees

in Medikamente gegen Zivilisationskrankheiten inves-
tiert. Das Verhältnis der eingesetzten Mittel zwischen

nannte der Außenminister von San Marino, Fiorenzo
Stolfi, ein Ziel des Vorsitzes seines Landes sei, das Men-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4922

schenrechtssystem über die Europäische Menschen-
rechtskonvention auszubauen. Dafür müsse das Protokoll
Nr. 14 in Kraft treten, um die Wirksamkeit dieses einzig-
artigen Systems der Konvention zu garantieren. Als wei-
tere Prioritäten nannte Fiorenzo Stolfi die Beziehungen
zwischen dem Europarat und der Europäischen Union so-
wie den interkulturellen Dialog. Er begrüßte die Initiative
der Versammlung, eine Debatte zum Thema Kosovo ab-
zuhalten. Der Europarat könne seine einzigartige Exper-
tise im Menschenrechtsschutz und bei der Förderung von
Demokratie und Rechtstaatlichkeit einsetzen und so einen
wichtigen Beitrag zu einer Lösung leisten, die mit inter-
nationalem Recht vereinbar sei und die Interessen aller
Seiten berücksichtigt. Das Ministerkomitee werde jede
Hilfe leisten, die die internationale Gemeinschaft für not-
wendig erachte. Weiterhin ging er auf Krisenregionen im
Südkaukasus ein und unterstrich die Bedeutung der Zu-
sammenarbeit mit den anderen internationalen Organisa-
tionen.

Der belgische Premierminister Guy Verhofstadt unter-
strich in seiner Rede die Unterstützung Belgiens für den
Entwurf der Konvention zum Schutz von Kindern gegen-
über sexueller Ausbeutung, der hoffentlich bis Ende 2007
fertig gestellt sein werde. Europa stehe für Freiheit, De-
mokratie und Rechtstaatlichkeit. Er ging auf die Instituti-
onen OSZE, EU und Europarat ein, die in unterschiedli-
cher Dimension und Methode arbeiten. Während die EU
auf Integration setze, sei Regierungszusammenarbeit das
Instrument der anderen Organisationen. Der Europarat
habe vor allem auf die Demokratie und Menschenrechte
in einer pluralistischen Gesellschaft zu achten. Dafür sei
notwendig, dass die Mechanismen funktionieren, was er
am Beispiel des Europäischen Gerichtshofes für Men-
schenrechte erläuterte. Die Urteile des Europäischen Ge-
richtshofes für Menschenrechte wie auch die Arbeit von
Menschenrechtskommissar und Folterkomitee müssten
respektiert und unterstützt werden. Das Gericht habe
90 000 offene Fälle. Belgien wünsche sich Maßnahmen
zur Verbesserung der Situation, z. B. die Ratifizierung des
Zusatzprotokolls Nr. 14. Er forderte eine Konzentration
des Europarates auf seine Kernkompetenzen; nach der
Warschauer Erklärung sind dies Schutz von Demokratie
und Rechtstaatlichkeit. Weiterhin nannte er die Koopera-
tion mit anderen Organisationen wichtig, z. B. beim En-
gagement im Kosovo. Zur Einrichtung der Grundrechte-
agentur erklärte er, diese werde sich stärker auf die EU
konzentrieren und keine Doppelarbeit produzieren. Bei
der Zusammenarbeit müsse jede Organisation ihren spe-
ziellen Beitrag zum gemeinsamen europäischen Projekt
leisten. Ziel sei es, nicht miteinander zu konkurrieren,
sondern sich gegenseitig zu unterstützen.

Der griechische Premierminister Konstantinos A.
Karamanlis betonte die bedeutende Rolle des Europara-
tes in Südosteuropa einschließlich Kosovo. Es sei essenti-
ell, eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden. Er
unterstützte die Zuerkennung des Status eines EU-Kandi-
datenlandes an die ehemalige jugoslawische Republik
Mazedonien, aber nur unter bestimmten Bedingungen

rechte bezeichnete er die Ratifizierung von Protokoll
Nr. 14 als äußerst wichtig. Er bedauerte den Stillstand bei
den Verhandlungen über einen Beitritt der EU zur Euro-
päischen Menschenrechtskommission. Ferner unterstrich
er die Bedeutung des interreligiösen Dialogs. Er betonte
außerdem die Rolle des Europarates bei der europäischen
Perspektive verschiedener Kandidatenländer wie die Tür-
kei etc.

Der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. rief zum
Dialog bei der Lösung interreligiöser Konflikte auf. Das
Patriarchat von Konstantinopel und Neu-Rom erhielt den
Titel im 6. Jahrhundert. Es durfte unter seiner Autorität
das Territorium außerhalb der Grenzen des byzantini-
schen Reiches haben, das nicht unter der Herrschaft eines
anderen Patriarchats stand. Das Patriarchat stehe in kon-
stantem Dialog mit der muslimischen Welt. Prognosen zu
einem blutigen Zusammenstoß der Religionen und religi-
ösen Populationen wollte der Patriarch sich nicht an-
schließen. Dialog sei notwendig wegen seiner Vorteile,
aber auch, weil er in der Natur des Menschen liege. Wer
es ablehne, am Dialog teilzunehmen, verleugne in Wahr-
heit die eigene menschliche Qualität. Interreligiöser Dia-
log sei eine der schwierigsten Formen des Dialoges; ein
wichtiges Ziel sei die Annäherung der Sichtweisen zum
Thema Menschenrechte, die sehr unterschiedlich bewer-
tet werden.

Ein weiterer Debattenschwerpunkt war die Lage im
Kosovo auf der Grundlage des Berichts von Lord
Russell-Johnston (Vereinigtes Königreich, ALDE). Die
aktuelle Situation im Kosovo ist determiniert durch den
Ausgang der Statusverhandlungen, die am Ende des Jah-
res abgeschlossen sein sollten. Der unentschiedene Status
des Kosovo bringt Unsicherheit in die politische Stabili-
sierung des gesamten westlichen Balkans. Die Versamm-
lung betrachtete dies Thema als besonders wichtig für die
geopolitische Balance, politische Stabilität und ökonomi-
sche Prosperität des westlichen Balkans, der eine Schlüs-
selregion für den Europarat sei. Der Berichterstatter ging
auf die Geschichte des Kosovo ein, wo die Albaner über-
wiegend die Opfer der Milosevic-Regierung waren. An-
gesichts dieser Betroffenheit der Albaner ist nach Auffas-
sung von Russell-Johnston eine Unterordnung unter
Serbien nicht Erfolg versprechend. In dem von ihm vor-
gelegten Entschließungsentwurf sprach er sich für die
Unabhängigkeit des Kosovo als die Lösung aus, die
wahrscheinlich die größten Chancen für Frieden und Sta-
bilität für den Kosovo und die gesamte Region bringe. Es
müsse eine schnelle Lösung kommen, die einen Kosovo
schaffe, der für alle sicher sei.

In der anschließenden Diskussion sahen sich die Dele-
gierten nicht in der Lage, sich für eine einzig richtige Lö-
sung auszusprechen angesichts der Tatsache, dass in Ser-
bien gerade Wahlen stattfanden und die Vorschläge Martti
Ahtisaaris erst im Februar vorgelegt werden. Eine Lösung
sollte weder eine Vorherrschaft Serbiens noch eine Unab-
hängigkeit des Kosovo propagieren. Die Versammlung
debattierte über mehr als 70 Änderungsanträge. Im Zen-
auch bezüglich der Namensfrage. Mit Blick auf die Über-
lastung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-

trum der Diskussionen stand die vom Berichterstatter vor-
geschlagene Formulierung, mit der sich die Versammlung

Drucksache 16/4922 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

für eine Unabhängigkeit des Kosovos ausspricht. Diese
Formulierung wurde nicht übernommen.

Martti Ahtisaari, Sondergesandter des VN-General-
sekretärs für den zukünftigen Status des Kosovo, wür-
digte die Rolle des Europarates seit 1999 in der Region.
Seit acht Jahren verwalte UNMIC das Kosovo. Ziel sei
es, Grundlagen für ein Kosovo zu schaffen, wo sich alle
ethnischen Gruppen sicher fühlen können. Eine tragfä-
hige Lösung müsse angestrebt werden, die funktionie-
rende Institutionen und wirtschaftliche Entwicklungen er-
mögliche. Die Lösungen, die er im Februar 2007
präsentieren werde, basieren auf Minderheitenrechten,
und sollen die Grundlagen für ein multiethnisches Ko-
sovo schaffen. Institutionen müssten auf rechtstaatlicher
Grundlage gebaut werden; militärische Präsenz ist aber
weiterhin nötig. Zu den Hauptherausforderungen gehöre
es, auch die Rolle der internationalen Gemeinschaft zu
definieren, die überragende Bedeutung habe. Der Über-
gang müsse in jedem Fall sorgfältig geplant werden. An
verschiedenen Treffen waren u. a. die EU, NATO und
OSZE beteiligt. Ein ziviles Übergangsteam unter Leitung
der EU sei vor Ort und versuche, die technischen Voraus-
setzungen zu schaffen. Entscheidend für den Erfolg seien
letztlich der politische Wille und auch ein finanzielles
Fundament. Der zukünftige Status werde auch unter Be-
teiligung des Europarates entwickelt.

Ein wichtiges Thema war ferner die Gefahr der Nutzung
der Energieversorgung als ein Instrument des politi-
schen Drucks. Die Versammlung bedauerte die Reduk-
tion von Russlands Gaslieferung an die Ukraine im
Januar 2006, die als Ergebnis einer einseitigen Entschei-
dung die Stabilität der ökonomischen Situation der
Ukraine bedroht habe. Sicherheit im Bereich der Energie-
lieferungen sei eine notwendige Vorbedingung für die
Entwicklung nationaler und regionaler Wirtschaft. In der
verabschiedeten Entschließung fordert die Versammlung,
den Anteil erneuerbarer Energien auf 12 Prozent in 2010
und auf 20 Prozent in 2020 zu erhöhen. Diese Ziele soll-
ten als Richtwerte für alle europäischen Länder gelten.
Auch die Rolle der Kernenergie soll neu bewertet wer-
den.

Abg. Detlef Dzembritzki (SPD) erklärte, Energie sei ein
bedeutender Faktor in der sozialen und wirtschaftlichen
Entwicklung. Es gebe eine gemeinsame Grundlage für
die Bedürfnisse von Energie produzierenden und Energie
verbrauchenden Ländern. Einige Energie produzierende
Länder seien arm, wie z. B. Angola, aber Europa habe das
Potential sicherzustellen, dass alle Beteiligten profitieren,
wenn die notwendigen politischen Prozesse eingeleitet
werden. Er begrüßte die Einrichtung einer neuen Arbeits-
gruppe zum Thema Energie, aber die Länder müssten
weiterhin eine Rolle spielen. Energienachschub werde ein
akutes Problem. Die sich entwickelnden Länder wie
China verbrauchten immer mehr Energie. Die Weltbevöl-
kerung werde voraussichtlich im Jahr 2050 auf neun Mil-
liarden Menschen angewachsen sein. Es bleibe nicht viel

baren Energien gedeckt, was auf 20 Prozent gesteigert
werden müsse.

Abg. Rainder Steenblock (Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
begrüßte, dass sich die Versammlung mit Klimapolitik
und verwandten Themen beschäftigt. Die Russische Fö-
deration habe große Energiereserven, die sie nicht nur für
Geld, sondern auch zur Erreichung politischen Einflusses
ausbeute, was man im Zusammenhang mit den Gescheh-
nissen in der Ukraine und Belarus feststellen könne. Das
Recht Russlands, einen Profit aus seinen natürlichen Res-
sourcen zu ziehen, sei nicht streitig, aber es sei die Frage,
wie die Verträge ausgehandelt würden. Russland habe
seine Industrien einschließlich der Energieindustrie ver-
staatlicht, aber dies habe nicht zu einer gesteigerten Effi-
zienz geführt. Politisch habe Russland versucht, andere
Länder über Energienetzwerke zu beeinflussen.

Die Versammlung rief die Mitgliedstaaten auf, Energie-
lieferungen nicht als Instrument politischen Drucks aus-
zunutzen und setzte sich für ein stabiles und verlässliches
Energiesystem in Europa ein, basierend auf gegenseitigen
Verpflichtungen, Langzeitverträgen und transparenten
Wettbewerbsregeln. Solch eine Partnerschaft zwischen
Russland und anderen europäischen Ländern, die von rus-
sischen Energieimporten abhängen, sei strategisch für
alle Beteiligten von Vorteil, sagten die Parlamentarier. In
einer Resolution gaben sie außerdem ihrer Besorgnis an-
gesichts GASPROMs großem Monopol an Russlands
Gasmarkt Ausdruck und riefen die Mitgliedstaaten auf,
ihre Gastransportsysteme sowohl für inländischen wie
auch ausländischen Wettbewerb zu öffnen. Sie sprachen
sich weiterhin für die Ratifikation der Energiecharta aus
und Vervollständigung des Protokolls über Transit, ver-
besserte Energieeffizienz und den Gebrauch von erneuer-
barer Energie.

Die Versammlung befasste sich in einer verbundenen De-
batte mit dem Thema Landwirtschaft und illegale Be-
schäftigung in Europa sowie die Lage von Wanderar-
beitnehmern bei Zeitarbeitsagenturen. Berichterstatter
Abg. John Dupraz (Schweiz, ALDE) erklärte, es gebe
zwei Hauptprobleme bei illegaler Beschäftigung im
Landwirtschaftssektor. Das erste sei ein soziales Problem:
die Arbeiter haben kein Zugang zur Gesundheitsvorsorge
und Altersvorsorge. Das zweite ökonomische Problem
liege in der Tatsache, dass diejenigen, die illegal Arbeiter
beschäftigen, einen unfairen Wettbewerbsvorteil haben.
Zunehmend bedeute der Druck des Marktes, dass die Pro-
duzenten die Produktionskosten herabsetzen müssten.
Häufig sei die einzige Möglichkeit hierzu die niedrige
Bezahlung der Arbeitskraft. Menschenrechte würden ver-
letzt, vertraglich vereinbarte Löhne würden nicht bezahlt
und die Bedingungen seien oft nicht zumutbar. Es entwi-
ckele sich eine Art Menschenhandel im Bereich Arbeits-
markt. Migranten, die bereit sind, nahezu alles zu akzep-
tieren, um die Lebensbedingungen ihrer Familien zu
verbessern, würden ausgebeutet. Zeitarbeitsvermittlungen
spielten eine entscheidende Rolle in der Bewegung der
Menschen von einem Teil der Welt in einen anderen.
Zeit, um Lösungen für diese Probleme zu finden. In
Deutschland würden 10 Prozent des Bedarfs mit erneuer-

Abg. Prof. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) fand, man
müsse der Frage hohe Priorität beimessen. Die Äußerun-

eindeutige Sprache benutzen. Das Wort „Arbeitsmigrant“
treffe nicht auf Leute zu, die in ihrem Gastland seit Jahr-
zehnten leben. In der Europäischen Union hätten mehr als
25 Mio. Menschen einen Migrationshintergrund.

Viele hätten sich in ihren neuen Ländern akklimatisiert
oder seien dort geboren. Allein in Deutschland gebe es
7 Millionen Migranten, die keinen deutschen Pass hätten,
nicht wählen könnten, keine Bürgerrechte hätten und nur
begrenzte soziale Rechte. Die erlassenen Antidiskrimi-
nierungsgesetze hätten wenig Einfluss. Bei Migranten
gebe es mehr Arbeitslosigkeit, und deren Kinder seien bei
der Bildung benachteiligt.

Abg. Walter Riester (SPD) unterstrich, es gebe einen
Konsens, dass illegale Beschäftigung in der Landwirt-
schaft ein großes Problem sei. Angesichts der Globalisie-
rung könne illegale Beschäftigung in der Landwirtschaft
nicht von den Nationalstaaten allein gelöst werden. Der
Bericht wende sich zu Recht an das Ministerkomitee, um
eine gemeinsame Lösung zu finden. Er kritisierte die
mangelhafte Ratifizierung von Konventionen; so sei die
Konvention der IAO nur von vier Mitgliedstaaten ratifi-
ziert worden. Das Ministerkomitee könne nur dann Druck
auf illegale Arbeitgeber ausüben, wenn man sich auch für
die Implementierung solcher Konventionen einsetze.
Deutschland habe sie ebenfalls nicht unterzeichnet.

Die Versammlung sprach sich dafür aus, dass für die Be-
schäftigungsbedingungen in der Landwirtschaft ein ver-
bindlicher rechtlicher Rahmen gesetzt wird, der der Situa-
tion der Arbeitskräfte angepasst ist. Das Ministerkomitee
soll zu diesem Zweck eine Empfehlung aussprechen und
die Mitgliedstaaten einladen, gemeinsame Arbeitsabkom-
men für Landwirtschaft, Saisonarbeit etc. zu entwerfen,
sich für den fortschreitenden Erwerb von Rechten für In-
haber von erneuerten Arbeitserlaubnissen einzusetzen.
Bessere Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus soll
unterstützt werden, um die Menschenhändlerringe zu be-
kämpfen, die Arbeitskräfte schmuggeln. Die Wurzeln der
illegalen Arbeitsmigration einschließlich der ökonomi-
schen Faktoren sollen untersucht und es soll dafür gesorgt
werden, dass irregulären Migranten ein Minimum an
Rechten eingeräumt wird.

Terry Davis, Generalsekretär des Europarates, ging
auf Schwerpunkte der Arbeit des Europarates und der
Versammlung ein. Im Zusammenhang mit der Wahrung
der Menschenrechte nannte er als besonders wichtig den
Bericht von Dick Marty zur Aufklärung von geheimen
Gefängnissen und geheimen Flügen. Hier müsse die be-
gonnene Arbeit fortgesetzt werden. Wichtiges Ziel sei
weiterhin die Abschaffung der Todesstrafe, weshalb man
die italienische Initiative zu deren globalen Ächtung bei
den VN unterstütze.

2007 müsste man auch Wege finden, um den Europäi-
schen Gerichtshof für Menschenrechte vor einem Zusam-

richtshof 80 000 offene Fälle und Anträge, heute liege die
Zahl bei 90 000 trotz eines bedeutsamen Anwachsens so-
wohl im Bezug auf Personal als auch in Bezug auf
Finanzmittel. Man brauche kurz- und langfristige Lösun-
gen. Kurzfristig hoffe er, dass sich die russische Staats-
duma den Parlamenten der anderen 45 Mitgliedstaaten
anschließe, die das Protokoll Nr. 14 ratifiziert haben und
so einige Erleichterungen schaffen werde. Die Verzöge-
rungen in der Ratifizierung des Protokolls Nr. 14 seien
leider nicht einzigartig. Einige bedeutende neue Konven-
tionen, die auf dem 3. Gipfel des Europarates 2005 ver-
einbart wurden, sind noch nicht in Kraft getreten wegen
unzureichender Signaturen und Ratifizierungen. Sie be-
treffen so maßgebliche Bereiche wie Kampf gegen Terro-
rismus und gegen Menschenhandel. Dies sei unverant-
wortlich. Die Mitgliedsländer müssten sich für die
Ratifizierung der zuvor abgeschlossenen Übereinkom-
men auch national einsetzen.

2007 werde eine Kampagne zum Schutz von Kindern ge-
genüber häuslicher Gewalt, Diskriminierung etc. veran-
staltet. Nationale Strategien, die Kindern mehr Rechte
einräumen, sollen entwickelt werden. Ferner starte man
eine Antidiskriminierungskampagne und eine Kampagne
gegen häusliche Gewalt. Bei der EU-Grundrechteagentur
frage man sich, ob Doppelarbeit mit dem Europarat statt-
finde. Er selbst habe mehr Sorge, dass Geld verschwendet
werde. Angeblich solle sich die Agentur nur mit Proble-
men innerhalb der EU befassen. Zur Rolle des Europara-
tes im südlichen Mittelmeerraum erklärte er, der interreli-
giöse Dialog solle gefördert werden.

Der Haushalt des Europarates war ein weiteres Thema.
Abg. Doris Barnett (SPD) fragte, ob nicht mehr Mittel
notwendig seien, um auf Augenhöhe zu verhandeln, wo-
bei sie eine Abrechnung der Reisekosten in den nationa-
len Parlamenten zur Entlastung der Europaratsmittel an-
sprach. Terry Davis erläuterte, dass es jetzt einen
Kompromisshaushalt gebe, der Sparmaßnahmen auch bei
Reisen der Versammlungen vorsehe sowie beim Personal.

Das Jahr 2007 werde auch das Jahr sein, in dem man die
Gesetzgebung zu Nichtregierungsorganisationen in der
Russischen Föderation überprüfe. Er würdigte, dass die
russischen Behörden den Europarat um Analysen gebeten
haben, bevor die Gesetze verabschiedet werden. Der Eu-
roparat sei oft als Wachhund der Menschenrechte be-
schrieben worden, wenn auch mit unterschiedlichen Er-
wartungen: während die Öffentlichkeit und die Medien
sich einen Bullterrier wünschen, wünschten sich manche
Regierungen einen Pudel.

Dr. Wolfgang Wodarg
Amtierender Leiter der Delegation
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4922

gen des Europarates und die Entscheidungen sollten eine menbruch zu bewahren. Ein Jahr zuvor hatte der Ge-

Drucksache 16/4922 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

IV. Anhang
1. Entschließungen und Empfehlungen

Nummer Beschreibung Seite

Entschließung 1530
(2007)

Kinder als Opfer: Ausmerzung aller Formen der Gewalt, der Ausbeutung und
des Missbrauchs 9

Entschließung 1531
(2007)

Die Gefahr der Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel
13

Entschließung 1532
(2007)

Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Armenien
16

Entschließung 1533
(2007)

Die derzeitige Lage im Kosovo
22

Entschließung 1534
(2007)

Die Lage von Wanderarbeitnehmern bei Zeitarbeitsagenturen
25

Entschließung 1535
(2007)

Die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten
28

Entschließung 1536
(2007)

HIV/AIDS in Europa
31

Entschließung 1537
(2007)

Eine Zukunft für HIV/AIDS-infizierte Kinder und AIDS-Waisen
36

Entschließung 1538
(2007)

Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien
38

Empfehlung 1777
(2007)

Sexuelle Übergriffe in Verbindung mit „Vergewaltigungsdrogen“
44

Empfehlung 1778
(2007)

Kinder als Opfer: Ausmerzung aller Formen der Gewalt, der Ausbeutung und
des Missbrauchs 46

Empfehlung 1779
(2007)

Die Gefahr der Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel
47

Empfehlung 1780
(2007)

Die derzeitige Lage im Kosovo
49

Empfehlung 1781
(2007)

Die Landwirtschaft und illegale Beschäftigung in Europa
50

Empfehlung 1782
(2007)

Die Lage von Wanderarbeitnehmern bei Zeitarbeitsagenturen
54

Empfehlung 1783
(2007)

Die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten
54

Empfehlung 1784
(2007)

HIV/AIDS in Europa
55

Empfehlung 1785
(2007)

Die Ausbreitung der HIV/AIDS-Epidemie unter Frauen und Mädchen
in Europa 56

Empfehlung 1786
(2007)

Auf dem Wege zu einem verantwortungsvollen Lebensmittelkonsum
58

Empfehlung 1787
(2007)

Das Vorsorgeprinzip und verantwortungsvolles Risikomanagement
60

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/4922

Entschließung 1530 (2007)1

betr. Kinder als Opfer: Ausmerzung aller Formen der Gewalt, der Ausbeutung
und des Missbrauchs

1. Die Parlamentarische Versammlung ist, ganz wie die Staats- und Regierungschefs der
Mitgliedstaaten des Europarats in der Schlusserklärung und dem Aktionsplan, die auf dem
3. Gipfel (16./17. Mai 2005 in Warschau) angenommen wurden, der Auffassung, dass der
Europarat eine wichtige Rolle zu übernehmen hat, um in Fällen von Gewalt, Ausbeutung und
Missbrauch gegenüber Kindern, in welcher Form auch immer, konkrete und effektive
Lösungen zu finden.

2. Die Versammlung unterstützt in diesem Zusammenhang die Umsetzung des auf drei
Jahre (2006-2008) angelegten Aktionsprogramms „Aufbau eines Europas für Kinder und mit
Kindern“, zur Förderung der Rechte von Kindern und zum Schutz von Kindern vor Gewalt,
das am 4./5. April 2006 in Monaco eingeleitet wurde.

3. Sie macht sich weiterhin Sorgen über die große Zahl von Kindern in Mitgliedstaaten,
die insbesondere aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit, ihrer rechtlichen Nichtgeschäftsfähigkeit
als Minderjährige und der Unzulänglichkeit des rechtlichen und sozialen Schutzes, den sie
erhalten, Opfer von Gewalt, Misshandlungen, Ausbeutung, Menschen- und Organhandel,
Kinderprostitution und Kinderpornografie werden.

4. Die auf diesem Gebiet von internationalen Organisationen wie UNICEF und der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zusammengetragenen Informationen werden der
Realität immer noch nicht gerecht, da viele Kinder nicht in der Lage sind, den Behörden oder
spezialisierten Verbänden zu berichten, welche Formen der Gewalt und des Missbrauchs sie
erleiden müssen.

5. Die Versammlung erinnert an den auf internationaler Ebene verfügbaren umfassenden
rechtlichen Apparat zur Sicherstellung der Rechte der Kinder und zur Bekämpfung
bestimmter Formen der Ausbeutung, insbesondere das Übereinkommen der Vereinten
Nationen (VN) von 1989 über die Rechte des Kindes mit seinen Protokollen und die von der
VN-Generalversammlung am
19. Dezember 2006 angenommene jüngste Resolution 61/146 über die Rechte des Kindes, die
IAO-Konvention Nr. 182 über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit und das Yokohama
Global Commitment aus dem Jahre 2001, das auf dem 2. Weltkongress gegen kommerzielle
sexuelle Ausbeutung von Kindern verabschiedet wurde.

6. Auf europäischer Ebene erinnert die Versammlung insbesondere an die einschlägigen
Konventionen des Europarats, vor allem die Europäische Menschenrechtskonvention, die
geänderte Europäische Sozialcharta (CETS Nr. 163), die Europäische Konvention zur
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
(CETS Nr. 126), Spezialkonventionen wie das Übereinkommen über Computerkriminalität
(CETS Nr. 185), über Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels (CETS Nr. 197)
sowie viele ihrer eigenen Entschließungen und Empfehlungen in Bezug auf die Anerkennung,
die Förderung und den Schutz von Kinderrechten.
1 Debatte der Versammlung am 23. Januar 2007 (3. Sitzung) (siehe Dok. 11118, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Jean-Charles Gardetto).

Von der Versammlung verabschiedeter Text am 23. Januar 2007 (3. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Die Versammlung erinnert an die Antwort des Ministerkomitees vom 20. April 2005
auf ihre Empfehlung 1666 (2004) und unterstreicht die Bedeutung, die sie der Frage des
Schutzes von Kindern beimisst sowie an ihr Engagement für das Wohlergehen von Kindern
als eine Gruppe, die vor allen Formen von Gewalt besonders geschützt werden muss.

8. Es ist wichtig, dass die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee
sicherstellen, dass europaweit entschieden vorgegangen wird, um alle Formen von Gewalt
gegen Kinder auszumerzen. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist es unverzichtbar,
Kindern, die ja auch Rechtssubjekte sind, bei Bedarf auch außerhalb der Familie
angemessenen rechtlichen Schutz und rechtliche Vertretung zu gewähren.

9. Die Versammlung begrüßt es, dass vor kurzem mit den Arbeiten an dem Entwurf einer
Konvention des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem
Missbrauch begonnen worden ist.

10. Sie hält es für unverzichtbar, dass auf europäischer Ebene über die bereits ergriffenen
Normensetzungsmaßnahmen hinaus und angesichts der Vielzahl von Instrumenten, die sich
alle auf spezifische Formen der Gewalt beziehen, eine integrierte Vorgehensweise
beschlossen wird, um bei dem Schutz von Kindern vor den unerträglichen und äußerst
unterschiedlichen Situationen der Diskriminierung, der Gewalt, der Ausbeutung und des
Missbrauchs, die fortbestehen und in einigen Bereichen sogar zunehmen, größere Effektivität
und mehr Kohärenz zu erreichen. Sie ist dementsprechend der Auffassung, dass das derzeitige
auf Konventionen beruhende System durch die Wahl einer Vorgehensweise gestärkt werden
sollte, die auf den integrierten Schutz von Kindern unabhängig von der jeweils angewandten
Art der Gewalt, der Ausbeutung oder des Missbrauchs abzielt und dass die Zusammenarbeit
zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich ausgebaut werden sollte.

11. Die Zunahme von „grenzüberschreitenden“ Familienstreitigkeiten, bei denen Kinder
zu direkten Opfern werden, gibt der Versammlung ebenfalls Anlass zur Besorgnis. In diesem
Zusammenhang erinnert sie an das Übereinkommen des Europarats über den Umgang von
und mit Kindern (CETS Nr. 192) und bestärkt die Mitgliedstaaten in ihrer Absicht, dieses
Übereinkommen möglichst bald zu ratifizieren.

12. In diesem Zusammenhang hält es die Versammlung für dringend notwendig, die
Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten insgesamt zu verstärken, indem für Kinder
geeignete gerichtliche Eilverfahren soweit sie nicht bereits bestehen – zur Anwendung
kommen, insbesondere im Kontext von Familienangelegenheiten, und als zusätzliche
Maßnahme Mediationsverfahren, die zwar nicht immer erfolgreich sind, um zu verhindern,
dass Kinder zusätzlichen Belastungen ausgesetzt sind, die sich aus langwierigen und
belastenden streitigen Verfahren ergeben. Darüber hinaus fordert die Versammlung alle
Mitgliedstaaten auf, für einen Teil ihrer Richter spezielle Fortbildungsmaßnahmen anzubieten
in Bezug auf Kinderfragen.

13. Die Versammlung erinnert darüber hinaus an ihre Empfehlung 1460 (2000) über die
Einsetzung eines Europäischen Ombudsmanns für Kinder und begrüßt die Stellungnahme des
Menschenrechtskommissars des Europarats für die Schaffung weiterer derartiger Institutionen
in den Mitgliedstaaten oder die Erweiterung des Mandats der derzeitigen Ombudspersonen
auf die Aufgabe, die Rechte der Kinder zu fördern, zu sichern und auszubauen.

14. Im Lichte der obigen Darlegungen bittet die Parlamentarische Versammlung alle
Parlamente der Mitgliedstaaten des Europarats,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/4922

14.1. Strategien und nationale Politiken zum Schutz der Kinderrechte zu konsolidieren und
zu erarbeiten;

14.2. den bestehenden gesetzgeberischen Rahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu
erweitern, um den Schutz von Kindern vor allen Formen der Gewalt, der Ausbeutung und des
Missbrauchs zu gewährleisten und jede Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen
Unversehrtheit des Kindes zu einer Straftat zu erklären, die nach ihrem Schweregrad definiert
und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen nach sich zieht;

14.3. diese Bestimmungen zu harmonisieren, um eine allen Staaten gemeinsame
Kinderschutzgesetzgebung zu schaffen, insbesondere in Bezug auf Konzepte wie die
„wohlverstandenen Interessen“ des Kindes und die Definition strafrechtlich relevanter
Handlungen gegenüber Kindern;

14.4. gesetzliche Bestimmungen einzuführen,

14.4.1. um bei schweren Straftaten, wo diesbezüglich noch keine einschlägige
Regelung besteht, die Verjährungsfrist auszusetzen, bis das Opfer volljährig ist;

14.4.2. um festzulegen. dass die schwersten Straftaten gegenüber Kindern keiner
Verjährung unterliegen dürfen;

14.4.3. um die Zuständigkeit der Staaten auszuweiten, damit Straftäter, die sich
jenseits der Grenzen dieser Staaten an Kindern schwerwiegend vergangen haben,
wirksam verfolgt werden können;

14.4.4. um kindgerechte, zügige zivil- und strafrechtliche Verfahren einzuführen,
z.B. bei ausreichender Urteilskraft mit dem Recht auf Anhörung durch ein Gericht,
dem Recht auf Unterstützung durch einen vom Staat bezahlten Anwalt und dem
Anspruch auf angemessene Rechtshilfe;

14.4.5. um für die Durchführung der oben erwähnten Verfahren spezialisierte
Richter auszubilden, die insbesondere darin geschult sind, Kinder zu befragen, die
Opfer von Gewalt, Ausbeutung oder Missbrauch geworden sind und diese, soweit es
unbedingt erforderlich ist, auf eine Weise den Angeklagten gegenüberzustellen, die
die Interessen des Kindes ebenso wahrt wie die der Justiz;

14.4.6. um zivil- und strafrechtliche Verfahren auf Kinder abzustimmen und dabei
den Schwerpunkt auf Methoden zu legen, die den Kindern, was insbesondere ihre
Aussagen und ihr Erscheinen vor Gericht (z.B. über eine Videoschaltung) angeht,
unnötige Angst ersparen.

14.4.7. die Mitgliedstaaten zu ermutigen, Gesetze einzuführen, die es verurteilten
Kinderschändern verbieten, ins Ausland zu reisen.

15. Die Versammlung ruft die Mitgliedstaaten außerdem auf,

15.1. die zuvor aufgeführten internationalen und europäischen Rechtsinstrumente zum
Kinderschutz zu ratifizieren;

15.2. Mediationsmechanismen einzuführen oder, soweit es sie bereits gibt, zu fördern, die
das Leiden von Kindern lindern können – insbesondere nach einer Trennung der Eltern – und
einen Kinderombudsmann einzusetzen, der von den Kindern in schwerwiegenden Fällen
direkt angesprochen werden kann oder die Befugnisse der bestehenden Ombudspersonen auf

den Schutz der Kinder vor jeder Form von Gewalt auszuweiten;

Drucksache 16/4922 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

15.3. die nationale wie internationale Zusammenarbeit zwischen den Polizeistellen und den
Untersuchungsbehörden auszubauen, um wirksam gegen die Ausbeutung von Kindern und
den Kinderhandel in Europa und darüber hinaus vorzugehen;

15.4. sich für die Einrichtung einer nationalen Stelle einzusetzen, die Informationen über
Kinder, die Opfer von Gewalt, Ausbeutung oder Missbrauch geworden sind sowie über
Personen sammelt, die wegen entsprechender Straftaten verurteilt wurden, um auf diese
Weise eine Zentraldatei (zu der alle interessierten Parteien Zugang haben sollten) zu erstellen,
die einen Informationsaustausch ermöglicht, um so den Kampf gegen diese Phänomene zu
fördern und zu einer schnelleren Beilegung von Konflikten beizutragen, an denen Kinder
beteiligt sind – insbesondere von Familienkonflikten – und auf diese Weise in jedem Staat
und auf europäischer Ebene eine Beobachtungsstelle für Misshandlungen zu schaffen, die
zuverlässige Statistiken über Gewalt-, Ausbeutungs- und Missbrauchsfälle unter Beteiligung
von Kindern erstellt;

15.5. europäische Fachgremien sowie nationale und internationale Kooperations- und
Koordinierungsnetzwerke zwischen Regierungsbehörden, Justizverwaltungen, Polizeistellen,
nationalen Gremien und auf den Schutz von Kinderrechten spezialisierten NRO aufzubauen.

16. Schließlich ruft die Versammlung die Mitgliedstaaten auf, ihre Fürsorgepolitik in
Bezug auf Kinder mit folgenden Mitteln zu konsolidieren:

16.1. Aktionspläne auf lokaler und nationaler Ebene zur Beseitigung von Gewalt,
Ausbeutung und Missbrauch bei Kindern, insbesondere in der Familie, der Schule, in
Betreuungseinrichtungen und in der örtlichen Gemeinde;

16.2. nachhaltige Anwendung von Aufklärungs-, Informations- und
Bewusstmachungsmechanismen, die auf Kinder, Eltern, Fachpersonal und alle Stellen
abzielen, die besondere Verantwortung für den rechtlichen und sozialen Schutz von Kindern
tragen, was die Erkennung von Misshandlungen und aller Formen des Missbrauchs sowie
Möglichkeiten angeht, diesen Problemen zu begegnen;

16.3. Sicherstellung, dass kindliche Opfer und Gewalttäter regelmäßig genau beobachtet
werden, damit sie die Unterstützung sachgerecht geschulter Fachleute erhalten und wieder in
die Gesellschaft eingegliedert und rehabilitiert werden können;

16.4. Aufbau einer Struktur zur Überwachung von Kinderbetreuungseinrichtungen (z.B.
Schulen, Waisenhäuser, Heime, Jugendstrafanstalten) sowie Entwicklung von Methoden (z.B.
durch ärztliche Untersuchungen in der Schule oder Vorschule, Gespräche mit Psychologen)
zur Erkennung möglicher Gewalt-, Ausbeutungs- oder Missbrauchshandlungen, um auf diese
Weise jedes Verhalten zu erkennen oder zu ahnden, durch das ein Kind Gewalt, Ausbeutung
oder Missbrauch erfahren kann;

16.5. Einrichtung von kostenlosen Notrufnummern, Anrufbeantwortern und/oder Internet-
Websites, über die Kinder Fälle von Gewalt, Ausbeutung oder Missbrauch anonym melden
können und Förderung der umfassenden Verbreitung aufklärender Informationen an Kinder,
die Opfer einer Form von Misshandlung geworden sind, insbesondere in Bezug auf
Einrichtungen der Sozialfürsorge, spezialisierte Vereine, Stellen oder Institutionen wie den
Ombudsmann, bei denen sie sich direkt und anonym über an ihnen oder anderen Kindern
begangene Gewalthandlungen beklagen können.

17. Die Versammlung bestärkt ihren Überwachungsausschuss darin, das Gebiet der
Kinderfürsorge auch weiterhin in seine Überwachungstätigkeiten und seine Berichte mit

aufzunehmen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/4922

Entschließung 1531 (2007)2

betr. die Gefahr der Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel

1. Die Parlamentarische Versammlung ist sich bewusst, dass die sich verändernde
Energielandschaft für alle Regionen der Welt und insbesondere die meisten europäischen
Länder Anlass zur Besorgnis gibt. Die europäische Energienachfrage auf der Basis fossiler
Brennstoffe – mit dem größten Anteil bei Öl und Gas – steigt weiter und dürfte bis 2030 um
gut 60% zunehmen.

2. Angesichts der in den meisten europäischen Ländern begrenzten einheimischen
Energieressoucen bedeutet diese erwartete Wachstumszunahme unweigerlich einen deutlichen
Anstieg der Importabhängigkeit bei Öl und Gas. Insgesamt beträgt die Energieabhängigkeit
zurzeit in der Europäischen Union fast 50% und dürfte bis 2030 bei Öl 94% und bei Gas 84%
erreichen.

3. Eine sichere Energieversorgung – zu der stabile und zuverlässige Energielieferungen
und transparente Energiepreise gehören – ist eine notwendige Voraussetzung für die
reibungslose und nachhaltige Entwicklung nationaler und regionaler Vokswirtschaften. Vor
allem muss die Gefahr einer Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel
wirksam ausgeschlossen werden.

4. Die Versammlung bedauert den unglücklichen Zwischenfall vom Januar 2006, als die
Gaslieferungen aus der Russischen Föderation in die Ukraine infolge einer einseitigen
Entscheidung, die die wirtschaftliche Stabilität in der Ukraine bedrohte, beträchtlich
eingeschränkt wurde. Die Versammlung bringt zum Ausdruck, dass derartige Schritte künftig
außerdem in mehreren Mitgliedstaaten des Europarats zu Energieschwierigkeiten führen
könnten.

5. Die Versammlung glaubt, dass die Zeit dafür reif ist, die Frage der künftigen
Sicherheit der Energieversorgung in Europa anzusprechen, um eine mögliche Energiekrise in
Mitgliedstaaten des Europarats abzuwenden und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer
Volkswirtschaften auf den Weltmärkten zu fördern. In Europa wäre ein stabiles und
zuverlässiges Energiesystem, das auf gegenseitigen Verpflichtungen gemäß
Langzeitvereinbarungen sowie auf soliden und transparenten Wettbewerbsregeln beruht, für
alle Mitgliedstaaten des Europarats von Vorteil, ob es sich nun um Erzeuger-, Liefer- oder
Abnehmerländer handelt. Dies setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten ihre Märkte sowohl für
einheimische als auch für ausländische Investoren öffnen, damit der Markt garantieren kann,
dass ausreichende Investitionen vorgenommen werden und negative Auswirkungen von
irgendwelchen Irreguläritäten bei der Leistung eines Akteurs gemildert werden durch andere
Akteure.

6. Der Europarat, in dem Einfuhrländer ebenso vertreten sind wie Exportländer, kann
und sollte zur europäischen Energiesicherheit beitragen und dazu den Gedanken einer
Harmonisierung der nationalen Energiepolitiken in der Absicht zu fördern, eine gemeinsame
Energiestrategie auf der Grundlage der Solidarität und fairer und transparenter
wirtschaftlicher Standards zu schaffen und seine Mitglieder dazu anzuhalten,
marktwirtschaftlichen Prinzipien zu folgen.
2 Debatte der Versammlung am 23. Januar 2007 (4. Sitzung) (siehe Dok. 11116, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter Herr Marko Mihkelson).

Von der Versammlung verabschiedeter Text am 23. Januar 2007 (4. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Die Versammlung unterstützt alle Anstrengungen ihrer Mitgliedstaaten in dem
Bestreben, zukünftige Energiestabilität in Europa sicherzustellen, wie z. B. die Bemühungen
der Europäischen Union, sich mit der Frage der Stabilität der europäischen Energiemärkte
auseinanderzusetzen, und sie begrüßt insbesondere die Europäische Strategie für nachhaltige,
wettbewerbsfähige und sichere Energie, an der die EU arbeitet, um neue Herausforderungen
und Reaktionen in Bezug auf alle Aspekte der Energiepolitik zu ermitteln.

8. Unter den zahlreichen Faktoren, die sich auf die Sicherheit der Energieversorgung
auswirken, kommt der Diversifizierung der Energieeinfuhren entscheidende Bedeutung zu.
Die Notwendigkeit einer solchen Diversifizierung wird durch den Umstand belegt, dass die
Abhängigkeit von Gasimporten aus der Russischen Föderation, wenn die derzeitige Lage
anhält, bis 2020 recht hoch sein wird. Aus historischen Gründen weisen die Länder Mittel-
und Osteuropas eine deutlich größere Abhängigkeit von russischen Energieausfuhren auf. Für
Staaten wie Georgien, die Republik Moldau, die Ukraine, Belarus und mehrere neue
Mitglieder der Europäischen Union gibt dies Anlass zu beträchtlicher Besorgnis.

9. Die Frage der Diversifizierung der Energieversorgungsquellen lässt sich nicht von
dem Thema der Energietransport- und Energieverteilungsnetze trennen. Größere
Wahlmöglichkeiten bei den Versorgungswegen würden die Sicherheit der
Energieweiterleitung steigern. Die notwendigen Investitionen auf diesem Gebiet sollten durch
die einzelstaatliche Gesetzgebung und eine ebenso transparente wie faire Politik nach-
drücklich gefördert werden.

10. In diesem Zusammenhang kommt es entscheidend darauf an, dass die Vorschriften
über die Energieweiterleitung auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhen und nicht von
politischen Erwägungen bestimmt werden. Die Versammlung glaubt, dass das
Transitprotokoll der Energiecharta das Instrument sein könnte, um die Einhaltung dieser
Prinzipien sicherzustellen. Bedauerlicherweise ist den Verhandlungen über den Textentwurf
des Transitprotokolls der Energiecharta noch kein Erfolg beschieden gewesen.

11. Auch größerer Transparenz in der Preispolitik und mehr Effizienz und Wettbewerb auf
den Energiemärkten kommen beträchtliche Bedeutung für die europäische Energiesicherheit
zu. Die Versammlung stellt fest, dass die Preise auf dem Energiesektor zurzeit nicht auf
marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhen. Mit diesem Problem sollten sich die europäischen
Länder beschäftigen, um Preise zu erzielen, aus denen die Erzeugungs- und Transportkosten,
die Höhe der Nachfrage, der Versorgungsgrad oder die saisonalen Schwankungen
hervorgehen.

12. Die Versammlung betont die Notwendigkeit stabiler und nachhaltiger
Wirtschaftsbeziehungen auf dem Energiesektor zwischen dem wichtigsten europäischen
Energieexporteur – der Russischen Föderation – und anderen europäischen Staaten, die auf
die Einfuhr russischer Energie angewiesen sind. Das wäre für alle Beteiligten strategisch
gesehen von Vorteil.

13. Vor allem sollte ein substanzieller Dialog aufgenommen werden, um in Europa ein
faires und transparentes Energiesystem aufzubauen. Die Versammlung ist überzeugt, dass
dieser Dialog durch die Ratifizierung des Vertrags über die Energiecharta durch die Russische
Föderation und die Fertigstellung des Transitprotokolls der Energiecharta gestärkt würde. Die
im Jahre 2000 begonnene Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland zur
Förderung eines neuen Energiedialogs zwischen der EU und der Russischen Föderation sollte
ausgebaut werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/4922

14. Die Versammlung ist darüber besorgt, dass der Gasmarkt der Russischen Föderation
ganz stark durch Gazprom als Monopolist beherrscht wird. Sie ist der Auffassung, dass es im
Interesse aller Mitgliedstaaten liegt, sich darum zu bemühen, eine Öffnung des
Gastransportsystems durch sowohl innländischen als auch ausländischen Wettbewerb zu
erzielen und damit sicherzustellen, dass genügend Investitionen sowohl für die Gaserzeugung
als auch den Transport erfolgen mit dem Ziel, sowohl einheimische Bedürfnisse als auch
Exportverpflichtungen zu erfüllen.

15. Darüber hinaus unterstreicht die Versammlung die Notwendigkeit der weiteren
Erschließung neuer Energiequellen. Erneuerbare Energien werden für die Zukunft ganz
wichtig werden, sie werden jedoch unterschätzt und in den meisten europäischen Ländern
ungeachtet ihres großen Potenzials nicht ausreichend genutzt. Daher begrüßt die
Versammlung die von der Europäischen Union verkündete Entscheidung, den Anteil
erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch bis 2010 auf 12% und bis 2020 um 20 %
zu erhöhen.

16. Die Versammlung besteht darauf, dass es wichtig ist, die Energieeffizienz in den
europäischen Ländern zu verbessern. Dies ist sowohl für den Transport, die Bauindustrie und
hohe Energieverbrauchsprodukte von entscheidender Bedeutung. Es ist ebenfalls wichtig,
Energieverluste beim Energietransport und den Verteilungsleitungen zu verringern. Die
Versammlung ist daher erfreut darüber, dass die Europäische Kommission in ihrem
Aktionsplan für Energieeffizienz beabsichtigt, ihren Energieverbrauch bis zum Jahre 2020 um
20 % zu verringern.

17. Die Versammlung ist sich dessen bewusst, dass die Nutzung nuklearer Energie eine
heikle Angelegenheit für ihre Mitgliedstaaten ist. Dies sollte jedoch die Regierungen der
Mitgliedstaaten nicht davon abhalten, die mögliche Rolle dieser Technologie zur
Verbesserung der Energiesicherheit sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene
erneut zu überprüfen. Die von mehreren Mitgliedstaaten erzielten positiven Ergebnisse
sowohl hinsichtlich der Sicherheitsstandards als auch der Energieerzeugung sind ein Beispiel
für dieses Potenzial.

18. Die Versammlung ist der Auffassung, dass zur Gewährleistung der Befolgung der
Prinzipien der Marktwirtschaft auf dem Energiesektor und zur Vermeidung einer Situation, in
der Energielieferungen als politisches Druckmittel eingesetzt werden, folgende Maßnahmen
nötig sind:

18.1. Einsetzung einer gesamteuropäischen Arbeitsgruppe (Think Tank) für die Aufnahme
eines Dialogs über Energiesicherheit in Europa mit dem Ziel, eine gemeinsame Strategie zu
erarbeiten, die auf Solidarität sowie der Achtung der Grundsätze der Marktwirtschaft und der
Interessen aller Beteiligten beruht;

18.2. Ausformulierung der Hauptleitsätze einer solchen Strategie und Behandlung von
Fragen wie Diversifizierung, Transport, Preistransparenz, Modernisierung und Errichtung der
Infrastruktur, verbesserte Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien;

18.3. Veranstaltung einer gesamteuropäischen Konferenz unter Beteiligung von
Exportländern und Abnehmerländern über das Thema der Sicherheit auf dem Energiesektor in
Europa;

18.4. Sicherstellung der Unterzeichnung des Vertrags über die Energiecharta durch die
Mitgliedstaaten des Europarats, die ihn noch nicht unterzeichnet haben: Andorra, Monaco und
Serbien;

Drucksache 16/4922 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

18.5. Sicherstellung der Ratifizierung des Vertrags über die Energiecharta durch die
Russische Föderation und Norwegen;

18.6. Sicherstellung der Fertigstellung des Transitprotokolls der Energiecharta.

19. Die Versammlung begrüßt die Entwicklung von umweltfreundlichen Technologien
und ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten eine Verantwortung für zukünftige
Generationen haben, diese Technologien so weit wie möglich umzusetzen.

Entschließung 1532 (2007)3

betr. die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Armenien

1. Armenien trat am 25. Januar 2001 dem Europarat bei und unterliegt seit seinem
Beitritt einem Überwachungsverfahren durch die Parlamentarische Versammlung, das zu der
Annahme der Entschließungen 1304 (2002), 1361 (2004), 1374 (2004) und 1405 (2004)
geführt hat. In der Entschließung 1458 über den Prozess der Verfassungsreform in Armenien,
die im Juni 2005 anlässlich einer Aussprache im Dringlichkeitsverfahren angenommen wurde,
rief die Versammlung die armenischen Behörden zur Abhaltung eines
Verfassungsreferendums bis spätestens November 2005 auf, da es nur dadurch möglich
würde, eine Reihe von grundlegenden Reformen umzusetzen, die eine Überarbeitung der
Verfassung voraussetzen, um sicherzustellen, dass die Verfassungsreform in Kraft treten
kann, sobald dies überhaupt möglich ist.

2. Das Verfassungsreferendum fand schließlich am 27. November 2005 statt und
ermöglichte die Annahme der Verfassungsreform. Die Versammlung begrüßt den
erfolgreichen Abschluss dieses Reformprozesses, während dessen Armenien stets die enge
Unterstützung des Europarats, insbesondere über die Venedig-Kommission, erhielt. Zugleich
bedauert die Versammlung die Unregelmäßigkeiten, die die Durchführung des Referendums
belasteten sowie das Ausbleiben einer Sanktionierung der festgestellten Betrugsfälle, durch
die die Glaubwürdigkeit der amtlichen Ergebnisse beeinträchtigt wurde.

3. Die armenische Regierung hat einen ehrgeizigen Aktionsplan zur Annahme oder
Änderung von rund 51 Gesetzen während eines Zweijahreszeitraums (2006-2007) genehmigt,
um die Verfassungsreform umzusetzen. Die Verfassungsreform selbst und die mit ihr
einhergehenden Gesetzesreformen haben den Weg für die Erfüllung einer Reihe von
Verpflichtungen geebnet, die Armenien mit dem Beitritt zum Europarat eingegangen war und
bei denen die meisten Erfüllungsfristen, die ursprünglich in Stellungnahme 221 festgelegt
worden waren, schon seit langem verstrichen sind. Sie haben es Armenien außerdem
ermöglicht, bei der Erfüllung der satzungsgemäßen Verpflichtungen des Landes wie auch
aller Mitgliedstaaten des Europarats auf den Gebieten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte Fortschritte zu erzielen.

4. Im Hinblick auf die Pflichten und Verpflichtungen Armeniens auf dem Gebiet der
pluralistischen Demokratie

3 Debatte der Versammlung am 23. Januar 2007 (4. Sitzung) (siehe Dok. 11117, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen, Ko-Berichterstatter: Herr Georges
Kolombier und Herr Mikko Elo).

Von der Versammlung verabschiedeter Text am 23. Januar 2007 (4. Sitzung)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/4922

4.1. begrüßt die Versammlung die Verfassungsänderungen, mit denen bei der Trennung
der Legislative, der Exekutive und der Judikative eine bessere Gewaltenteilung und ein
ausgewogenes Gleichgewicht erreicht worden sind. Die überarbeitete Verfassung entspricht
nun europäischen Standards und demokratischen wie rechtsstaatlichen Prinzipien und bietet
eine neue Grundlage für die Entwicklung der demokratischen Funktionsweise der
armenischen Institutionen. Die Versammlung weist jedoch darauf hin, dass eine wirksame
Umsetzung des neuen Regierungssystems eine Verbesserung des politischen Klimas und die
Einführung eines Dialogs zwischen der herrschenden Koalition und der Opposition erfordert;

4.2. misst die Versammlung der Abhaltung und Durchführung der anstehenden
Parlamentswahlen im Frühjahr 2007 und der Präsidentschaftswahlen 2008 besondere
Bedeutung bei. Sie ist enttäuscht darüber, dass seit dem Beitritt Armeniens zum Europarat
2001 keine einzige dort durchgeführte Wahl als uneingeschränkt frei und fair eingestuft
worden ist. Es kommt entscheidend darauf an, dass der nächste Urnengang zumindest den
europäischen Standards für freie und faire Wahlen als Beleg für die Fortschritte Armeniens
auf dem Wege zur Demokratie und zur europäischen Integration entspricht;

4.2.1. hält die Versammlung mit Genugtuung fest, dass die im Mai 2005
beschlossenen Änderungen des Wahlgesetzbuchs den rechtlichen Rahmen für Wahlen
verbessert haben. Die Versammlung erwartet, dass weitere Änderungen am
Wahlgesetz, die in enger Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission erarbeitet
und Ende Dezember 2006 verabschiedet wurden, eine gute Grundlage für die
Veranstaltung der bevorstehenden Wahlen sein werden.

4.2.2. können demokratische Wahlen über die Überarbeitung des Strafgesetzbuchs
hinaus nur gewährleistet werden, wenn sie in gutem Glauben umgesetzt werden und
auf höchster Ebene der entsprechende politische Wille besteht. Es muss die klare
Botschaft ergehen, dass Betrug bei den nächsten Wahlen ganz einfach nicht mehr
geduldet werden wird;

4.2.3. ruft die Versammlung, da die Genauigkeit der Wählerverzeichnisse eine
unverzichtbare Voraussetzung für die Abhaltung demokratischer Wahlen darstellt, die
armenischen Behörden dazu auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um
sicherzustellen, dass die Verzeichnisse rechtzeitig vor den anstehenden Wahlen
aktualisiert werden.

4.3. Was die lokale Selbstverwaltung angeht,

4.3.1. begrüßt es die Versammlung, dass die überarbeitete Verfassung nun die direkte
oder indirekte Wahl des Bürgermeisters von Eriwan vorsieht und die Möglichkeit
einschränkt, Bürgermeister ihres Amtes zu entheben und diese Möglichkeit auf die
gesetzlich vorgesehenen Fälle nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs
begrenzt;

4.3.2. nimmt die Versammlung zur Kenntnis, dass die Gesetze über die lokale Selbst-
verwaltung, die kommunalen Steuern und Abgaben und die staatliche Gebietsverwal-
tung zurzeit überarbeitet werden. Das Gesetz über den Status der Stadt Eriwan, in dem
das Verfahren der Wahl ihres Bürgermeisters und der Status ihrer 12 Bezirke
festgelegt sind, wird von dem neuen Parlament erst nach den Wahlen vom Frühjahr
2007 erarbeitet werden. Die armenischen Behörden müssen den Europarat zu allen
oben genannten Gesetzesentwürfen rechtzeitig konsultieren, um zu gewährleisten,
dass die beschlossenen Gesetze die lokale Selbstverwaltung entsprechend den

Drucksache 16/4922 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Empfehlungen des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas und der
Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung stärken.

5. Im Hinblick auf die Pflichten und Verpflichtungen Armeniens in Bezug auf den
Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit

5.1. setzt die Umsetzung der Verfassungsreform und der Gesetzesreformen, die mit dieser
einhergehen sollten, eine Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses voraus. Dennoch
sollte der Entwurf einer Gesetzgebung, die sowohl für den demokratischen Prozess in
Armenien als auch die Einhaltung der Verpflichtungen des Landes gegenüber dem Europarat
von Bedeutung ist, Gegenstand einer wirklichen Aussprache innerhalb wie außerhalb des
Parlaments sein, an der alle Parteien und die Zivilgesellschaft teilnehmen und die mit der
Unterstützung internationaler Experten durchgeführt wird. Außerdem reicht die bloße
Annahme von Gesetzen für die Umsetzung demokratischer Reformen nicht aus. Die
Versammlung ruft die armenischen Behörden auf, die erforderlichen Schritte einzuleiten,
damit das Gesetz tatsächlich angewandt wird, was zurzeit noch nicht immer der Fall zu sein
scheint;

5.2. begrüßt es die Versammlung, dass die geänderte Verfassung einfachen Bürgern, dem
Menschenrechtsombudsmann und Mitgliedern der Nationalversammlung, soweit mindestens
ein Fünftel ihrer Mitglieder einen Antrag unterstützen, Kommunalbehörden und den
Gerichten ein Recht auf Zugang zum Verfassungsgerichtshof eröffnet hat. Armenien ist seiner
diesbezüglichen Verpflichtung somit nachgekommen. Diese Möglichkeit wurde sehr bald von
hunderten von Einzelpersonen, dem Menschenrechtsombudsmann und der Opposition
benutzt, und der Verfassungsgerichtshof hat begonnen, als Garant der Institutionen des
Landes und der Menschenrechte eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Versammlung hofft,
dass er auch bei Entscheidungen über Beschwerden oder Einsprüche in Bezug auf die
anstehenden Wahlen eine wichtige Rolle spielen wird und auf diese Weise sicherstellen kann,
dass der Wahlprozess demokratischen Standards entspricht;

5.3. entspricht die Mitgliedschaft im „Judicial Council“ im Anschluss an die
Verfassungsreform mittlerweile europäischen Standards. Eine Reihe von Gesetzen sind
bereits geändert worden, um die neuen Verfassungsbestimmungen über die Unabhängigkeit
des Gerichtswesens umzusetzen. Andere Reformen, wie z.B. die über Ethik und die
Richterausbildung, sind in dem Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes enthalten, zu dem
der Europarat seine Sachverständigenmeinung abgegeben hat und welcher von der
Nationalversammlung in erster Lesung Ende Dezember 2006 verabschiedet wurde. Die
Versammlung ruft die armenischen Behörden auf, die Reform des Gerichtswesens und nicht
zuletzt die der Generalstaatsanwaltschaft möglichst bald umzusetzen und dabei den
Empfehlungen der Sachverständigen des Europarats Rechnung zu tragen. Zur Stärkung der
De-facto-Unabhängigkeit des Gerichtswesens und zur Ausrottung der Korruption wird neben
einer Reform des Gesetzes auch für die Probleme eine Lösung zu finden sein, die mit der
Finanzierung des Gerichtswesens und den Bezügen der Richter zusammenhängen und werden
die Ausbildungsbemühungen verstärkt werden müssen;

5.4. beklagt die Versammlung, dass weiterhin von Misshandlungen, insbesondere im
Polizeigewahrsam und von Erpressungen durch die Polizei und den Nationalen
Sicherheitsdienst die Rede ist. Die begrenzte Zahl von Beschwerden, die dazu führen, dass
Angehörige der Polizei eines Missbrauchs ihrer Befugnisse oder einer Befugnisüberschreitung
für schuldig befunden werden sowie die größere Zahl von Beschuldigungen, nach denen aus
Angst vor Repressalien keine Beschwerde eingereicht wird, geben weiterhin dem Eindruck
Nahrung, dass immer noch ungestraft auf diese Weise gehandelt werden kann. Die
Versammlung nimmt die jüngsten oder aktuellen Gesetzesreformen, die mit Unterstützung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/4922

des Europarats eingeführt wurden, zur Kenntnis und hofft, dass diese der armenischen Polizei
zu einem besseren Ansehen verhelfen werden und die Garantien für eine demokratische
Überwachung der polizeilichen Tätigkeit ausgebaut werden können. Sie weist darauf hin, dass
es in einem Rechtsstaat nicht ausreicht, gegen Polizeiangehörige, die Straftaten begangen
haben, Disziplinarstrafen zu verhängen; gegen sie muss auch ein Strafverfahren eingeleitet
werden;

5.5. ist die Versammlung darüber erfreut, dass Armenien beide Übereinkommen des
Europarats über die Bekämpfung der Korruption ratifiziert hat, also das zivilrechtliche
Übereinkommen, das am 1. Mai 2005 in Kraft trat und das strafrechtliche Übereinkommen,
das ein Jahr später, am 1. Mai 2006, Rechtskraft erlangte. Die Versammlung hält fest, dass die
Korruption, die sich zum Teil aus einer Schattenwirtschaft, ausgeprägter Steuerflucht und
dem Bestehen des organisierten Verbrechens nährt, ungeachtet einer Reihe institutioneller
Maßnahmen mit dem Ziel eines wirksameren Vorgehens in Armenien ein ernstes Problem
bleibt, das viele öffentliche Bereiche betrifft. Dazu gehören die Gerichte, die Polizei, der Zoll,
die Finanzämter, der Bildungs- und Gesundheitssektor, die Genehmigungsbehörde und der
Privatisierungsprozess. Die Versammlung fordert die armenischen Behörden nachdrücklich
auf, entsprechend den Empfehlungen der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) und
von MONEYVAL in Bezug auf die Bekämpfung der Geldwäsche zu handeln. Die neue
Strategie zur Korruptionsbekämpfung für den Zeitraum 2007-2009 sollte mit Unterstützung
des Europarats möglichst bald fertig gestellt werden.

6. Im Hinblick auf die Verpflichtungen Armeniens auf dem Gebiet der Menschenrechte

6.1. begrüßt die Versammlung den Umstand, dass dank der Verfassungsreform die
Institution des Menschenrechtsombudsmanns, die Wahl durch das Parlament und der
Grundsatz, wonach diese Person nicht abgesetzt werden kann, in die Verfassung Eingang
gefunden haben, sodass es dieser Person möglich ist, beim Schutz der Menschenrechte der
Armenier eine immer aktivere Rolle zu spielen. Die Versammlung ruft die armenischen
Behörden auf, das Gesetz über den Menschenrechtsombudsmann zu ändern, um die
anstehenden Empfehlungen der Sachverständigen des Europarats und der Venedig-
Kommission zu berücksichtigen;

6.2. misst die Versammlung wenige Monate vor den Parlamentswahlen dem Pluralismus in
den elektronischen Medien und der zurzeit laufenden Reform besondere Bedeutung bei, da
der gleiche Zugang aller politischen Parteien zu den elektronischen Medien eine absolute
Voraussetzung für die Abhaltung freier und fairer Wahlen darstellt;

6.2.1. stellt die Versammlung fest, dass die Überarbeitung der Verfassung den Weg
für eine größere Unabhängigkeit der Gremien bereitet hat, die die elektronischen
Medien regulieren. Dennoch sind Gesetzesänderungen, die von der Regierung
erarbeitet wurden, ohne zuvor Vertreter der Medien oder des Europarats zu
konsultieren, auf heftige Kritik gestoßen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Mitglied-
schaft in der Nationalen Fernseh- und Hörfunkkommission (NTRC) und die zur
Ernennung ihrer Mitglieder angewandte Methode. Die Versammlung fordert die
armenischen Behörden nachdrücklich auf, bevor Änderungen des Fernseh- und
Hörfunkgesetzes beschlossen werden, die Experten des Europarats zu konsultieren
und deren Empfehlungen zu berücksichtigen;

6.2.2 ruft die Versammlung Armenien außerdem auf, wie von der Venedig-
Kommission empfohlen, bei der Ernennung der Mitglieder der Nationalen Fernseh-
und Hörfunkkommission einen offenen, transparenten Prozess zu wählen;

Drucksache 16/4922 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6.2.3. neben der Reform der Gesetzgebung müssen die armenischen Behörden
Schritte einleiten, um die Freiheit und den Pluralismus des öffentlichen-rechtlichen
Rundfunks Tag für Tag zu gewährleisten;

6.2.4. gibt die Versammlung der Überwachung von Programmen der öffentlichen
Medien ihren vollen Rückhalt, um ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu
bewerten, wie dies in dem Aktionsplan zur Unterstützung der Parlamentswahlen in
Armenien im Jahre 2007 vorgesehen ist, dem das Ministerkomitee nach einem
Ersuchen der armenischen Behörden zustimmte;

6.3. stellt die Versammlung im Hinblick auf die Printmedien, die als frei und pluralistisch
gelten, wegen ihrer niedrigen Auflage bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit aber nur eine
unbedeutende Rolle spielen, mit Genugtuung fest, dass in den letzten Jahren keine
strafrechtlichen Verfahren wegen Beleidigung mehr gegen Journalisten angestrengt worden
sind. Seit der Reform des Strafgesetzbuchs von 2004 wird Beleidigung nur im
Wiederholungsfall mit einer Haftstrafe bedroht. Die Versammlung begrüßt diesen Fortschritt
und bestärkt die armenischen Behörden in der Absicht, Beleidigung ganz zu
entkriminalisieren und Art. 318 des Strafgesetzbuchs aufzuheben, in dem der Straftatbestand
der „Beleidigung eines Amtsträgers“ angeführt wird;

6.4. ist auch die Versammlungsfreiheit mit Blick auf die anstehenden Wahlen von großer
Bedeutung. In diesem Zusammenhang

6.4.1. stellt die Versammlung fest, dass bei den Änderungen des Gesetzes über
Veranstaltungen, Versammlungen, Zusammenkünfte und Demonstrationen, das am
4. Oktober 2005 verabschiedet wurde, die meisten Empfehlungen der Venedig-
Kommission berücksichtigt wurden und äußert ihre Genugtuung über Verbesserungen
im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit seit der Annahme dieser Änderungen;

6.4.2. bittet die Versammlung die armenischen Behörden, in der Praxis
sicherzustellen, dass das Gesetz – auch von den örtlichen Behörden – in einer mit den
Anforderungen von Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskommission vereinbaren
Art und Weise angewandt wird, gerade auch im Hinblick auf die anstehenden
Parlamentswahlen. Willkürliche Festnahmen und übermäßige Gewaltanwendung
seitens der Polizei dürfen nicht mehr geduldet werden, und die Verantwortlichen sind
zu bestrafen;

6.5. stellt die Versammlung mit Genugtuung fest, dass die Verfassungsreform der Praxis
der Verwaltungshaft endlich ein Ende gesetzt hat;

6.6. begrüßt die Versammlung die am 16. November 2006 erfolgte Veröffentlichung des
Berichts des Europäischen Antifolterkomitees (CPT) über seinen Ad-hoc-Besuch im April
2004 in Armenien. Sie bestärkt die armenischen Behörden darin, die Reform des
Strafvollzugs fortzusetzen und begrüßt die Einsetzung einer Überwachungsgruppe aus
Vertretern der Zivilgesellschaft, die die Lage in den Haftanstalten einer öffentlichen
Überprüfung unterziehen soll. Zur Anpassung des Strafvollzugs in Armenien an europäische
Standards fordert die Versammlung die armenischen Behörden nachdrücklich auf, die
einschlägigen Empfehlungen des CPT ernsthaft zu prüfen und zu ihrer Umsetzung einen
Aktionsplan anzunehmen. Obwohl einige der Schwierigkeiten in Verbindung mit der Reform
auf die verfügbaren Mittel zurückgehen, ist doch, was die Behandlung von Häftlingen angeht,
auf allen Ebenen der politische Wille erforderlich, Misshandlungen ein Ende zu setzen und
die Schuldigen vor Gericht zu stellen, was wiederum zur Verbesserung des Ansehens des
armenischen Strafvollzugs beitragen würde;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/4922

6.7. stellt die Versammlung im Hinblick auf die Verpflichtungen Armeniens, „in
Übereinstimmung mit europäischen Standards“ ein Gesetz über den Ersatzdienst zu
verabschieden und „alle zu Haftstrafen verurteilten Verweigerer aus Gewissensgründen zu
begradigen“, enttäuscht fest, dass das 2005 und dann noch einmal im Juni 2006 geänderte
aktuelle Gesetz Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen immer noch keine Gewähr
für einen „echten Ersatzdienst eindeutig zivilen Zuschnitts (bietet), der weder abschreckend
noch seinem Wesen nach als Strafe wirken sollte“, wie dies die Standards des Europarats
vorsehen. Sie ist zutiefst besorgt, dass wegen des Fehlens eines wirklichen Ersatzdienstes
Dutzende von Verweigerern aus Gewissensgründen, die meisten von ihnen Zeugen Jehovas,
weiterhin in Haft sind, da sie das Gefängnis einem nicht eindeutig zivilen Ersatzdienst
vorziehen. Die Versammlung fordert die armenischen Behörden nachdrücklich auf, das
Ersatzdienstgesetz entsprechend den Empfehlungen der Experten des Europarats, die diese
Frage zurzeit prüfen, zu überarbeiten und in der Zwischenzeit die jungen Verweigerer aus
Gewissensgründen zu begnadigen, die gegenwärtig Haftstrafen abbüßen.

7. Die Versammlung beglückwünscht die armenischen Behörden zu der am
14. November 2006 erfolgten Unterzeichnung eines Aktionsplans mit der Europäischen
Union im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, wodurch für das Land, aber auch
für die Region mit Blick auf die europäische Integration eine neue Ära beginnt.

8. Die Versammlung bedauert, dass ungeachtet der 2006 abgehaltenen drei Treffen
zwischen den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans und der verstärkten Bemühungen
der Kopräsidenten der Minsk-Gruppe bisher keine nennenswerten Fortschritte in Richtung auf
eine friedliche Beilegung des Bergkarabach-Konflikts zu verzeichnen sind. Sie stellt erneut
fest, dass es im Interesse beider Länder ist, diesen Konflikt unter Ausschluss von
Gewaltanwendung entsprechend der zum Zeitpunkt ihres Beitritts eingegangenen
Verpflichtung möglichst bald zu beenden. Ohne eine endgültige Regelung bleiben die
Aussichten auf Stabilität und Wohlstand in der gesamten Region fraglich. Die Versammlung
ist selbst verpflichtet, insbesondere über das „Ad-hoc-Komitee des Präsidiums für die
Umsetzung der Entschließung 1416 (2005) zu dem auf der Minsker OSZE-Konferenz
behandelten Konflikt in Bezug auf die Region Bergkarabach“, dazu beizutragen, ein positives
Verhandlungsklima zu erzeugen und auf parlamentarischer Ebene und zwischen den
Bevölkerungen der beiden beteiligten Staaten sowie mit den Einwohnern von Bergkarabach
den Dialog zu fördern, ohne sich in den Verhandlungsprozess einzumischen.

9. Die Versammlung erkennt die Fortschritte an, die Armenien insbesondere seit der
Annahme der Verfassungsreform bei der Erfüllung seiner Pflichten und Verpflichtungen
erzielt hat. Sie beschließt, ihr Überwachungsverfahren so lange fortzusetzen, bis die
gegenwärtigen oder vorgeschlagenen Reformen in den in dieser Entschließung genannten
Bereichen greifbare Ergebnisse erbracht haben. Die Versammlung misst der Umsetzung der
Reformen auf den Gebieten des Wahlrechts, der Medien und des Justizsystems besondere
Bedeutung bei und erwartet von Armenien, dass sich das Land als fähig erweist, die
Parlamentswahlen von 2007 und die Präsidentschaftswahlen von 2008 in Übereinstimmung
mit den internationalen Standards für freie und faire Wahlen durchzuführen – nicht zuletzt im
Hinblick auf eine pluralistische, unparteiische Wahlkampfberichterstattung in den Medien.

Drucksache 16/4922 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1533 (2007)4

betr. die derzeitige Lage im Kosovo

1. Seit der Entschließung 1453 (2005) der Parlamentarischen Versammlung betr.
die derzeitige Lage im Kosovo haben mehrere Veränderungen in der Provinz stattgefunden.
Dennoch haben der Wegfall einer symbolischen Figur wie Präsident Ibrahim Rugova und eine
Umbildung in der Führung der provisorischen Selbstverwaltungsinstitutionen (PISG) die
politische Kontinuität nicht beeinträchtigt; im Februar 2006 begannen Verhandlungen über
konkrete Fragen unter der Vermittlung des Sondergesandten der Vereinten Nationen Martti
Ahtisaari.

2. Die Parlamentarische Versammlung verweist darauf, dass die Staats- und
Regierungsoberhäupter der EU auf ihrem Gipfeltreffen in Thessaloniki am 21. Juni 2003 den
Staaten des westlichen Balkans eine „europäische Perspektive“ versprochen hatten, was
seitdem immer wieder bekräftigt wurde. Die Perspektive, sich dem europäischen
Integrationsprozess anzuschließen, ist ein ganz entscheidender Anreiz, um die notwendigen
politischen und wirtschaftlichen Reformen einzuleiten und die regionale Zusammenarbeit und
Stabilität zu fördern.

3. Der Beginn unmittelbarer Statusgespräche zwischen Serbien und Vertretern der
Kosovo-Albaner im Juli markierte eine neue Phase bei der Suche nach einer Lösung für die
Statusfrage des Kosovo. Die Versammlung bekräftigt erneut ihre Überzeugung, dass der
Status des Kosovo dringend definiert werden sollte, um den Menschen in der Region
Stabilität zu bringen, die Voraussetzungen für die Entwicklung uneingeschränkt
verantwortlicher, rechenschaftspflichtiger und repräsentativer Institutionen des Kosovo zu
schaffen, die das Vertrauen der gesamten Bevölkerung genießen, um die Demokratie zu
stärken, die Grundlagen für das wirtschaftliche Wachstum herzustellen und zur weiteren
Konsolidierung friedlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen auf dem Westbalkan mit
Blick auf seine schrittweise europäische Integration beizutragen.

4. Die Versammlung ist besorgt angesichts der Unwahrscheinlichkeit der
Erzielung einer vereinbarten Lösung über die Statusfrage in Anbetracht der Haltungen beider
Verhandlungsparteien: Einerseits gibt es von Seiten Serbiens kein Anzeichen für eine
Bereitschaft, von der Forderung abzurücken, dass das Kosovo autonom unter serbischer
Souveränität existieren sollte. Andererseits gibt es auch kein Anzeichen seitens der Kosovo-
Albaner, von der Forderung einer uneingeschränkten Unabhängigkeit des Kosovo abzulassen.

5. Die Versammlung ermutigt daher die serbischen Behörden und die PISG, einen
flexiblen und pragmatischen Ansatz während der Statusverhandlungen einzunehmen.

6. Die Versammlung ist sich bewusst, dass die letzten Monate für Serbien
besonders entmutigend waren angesichts des Todes von Slobodan Milosevic und der Art und
Weise, wie er in der serbischen Öffentlichkeit aufgenommen wurde, angesichts der
angespannten Beziehungen zum Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige
Jugoslawien (ICTY), weil Serbien Radko Mladic und andere Kriegsverbrecher nicht festnahm
und angesichts der daraus resultierenden Aussetzung des Stabilisierungs- und
4 Debatte der Versammlung am 24. Januar 2007 (5. Sitzung) (siehe Dok. 11018, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Lord Russell-Johnston).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 24. Januar 2007 (6. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/4922

Assoziationsabkommens (SAA) mit der Europäischen Union sowie der Auflösung der
Staatenunion mit Montenegro. In dieser heiklen Phase des Statusprozesses liegt es in der
Verantwortung der politischen Führung Serbiens, eine aktive Rolle dabei zu übernehmen,
dass sich das in der Öffentlichkeit verbreitete Gefühl, bestraft zu werden, nicht weiter
verschärft und sich die anti-europäische Einstellung nicht weiter verbreitet.

7. Eine verhandelte und von beiden Seiten akzeptierte Lösung für den Status des
Kosovo ist die beste Garantie dafür, dass das Ergebnis nicht in Frage gestellt werden wird.
Sollte jedoch ein Stillstand die Verhandlungen über einen vernünftigen Zeitrahmen hinaus
verzögern und somit Unsicherheit und Instabilität fortsetzen und eine Normalisierung des
Lebens der Menschen im Kosovo unmöglich machen, könnte es notwendig sein, die
Möglichkeit einer international auferlegten Lösung als letzten und extremen Ausweg in
Erwägung zu ziehen.

8. Ungeachtet des künftigen Status des Kosovo sollten zur Stabilisierung des
westlichen Balkans eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, darunter die Vereinbarkeit
des Verfassungsrahmens für das Kosovo mit den europäischen Standards für Demokratie,
gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz nationaler
Minderheiten; spezielle Schutzmaßnahmen für Minderheitengemeinschaften und das
kulturelle Erbe; die umfassende Anwendbarkeit der wichtigsten diesbezüglichen
internationalen Instrumente für sein gesamtes Staatsgebiet, einschließlich der Europäischen
Menschenrechtskonvention und des Rahmenübereinkommens zum Schutze nationaler
Minderheiten, sowie die Akzeptanz einer internationalen Präsenz. Dauerhafte Lösungen für
Flüchtlinge, Vertriebene und Staatenlose aus dem Kosovo sollten sichergestellt werden.

9. Was die unzureichende Umsetzung der Standards für das Kosovo betrifft, so
begrüßt die Versammlung die Fortschritte, die in der letzten „technischen Prüfung“ des
ehemaligen Sondervertreters Joachim Rücker des VN-Generalsekretärs hervorgehoben
worden waren und erwartet, dass der gleichzeitig stattfindende Prozess der Statusdefinition
weiter dazu beitragen wird, die Anstrengungen der provisorischen
Selbstverwaltungsinstitutionen (PISG) in Richtung auf die uneingeschränkte Erfüllung des
Standards zu kanalisieren.

10. Ausbleibende Fortschritte im Hinblick auf die Menschenrechtsstrategie für das
Kosovo sind ungünstig. Die Strategie sollte die Verpflichtung der PISG und die Prioritäten im
Menschenrechtsbereich im Kosovo festlegen ebenso wie die Mittel, mit denen sie
beabsichtigen, diese umzusetzen basierend auf den europäischen Menschenrechtsnormen und
den vom Sachverständigen des Europarates gemachten Vorschlägen. Die Versammlung ist
der Auffassung, dass die Menschenrechtsstrategie hohe politische Priorität erhalten sollte.

11. Die Lage der Serben, die sowohl im Kosovo als auch an anderer Stelle leben,
und die der Minderheitengemeinschaften im Kosovo ist eine Frage, die für die Versammlung
ein vorrangiges Anliegen darstellt, ungeachtet des Ausgangs der Statusfrage für das Kosovo.
In dieser Hinsicht begrüßt die Versammlung die Initiative zur Schaffung eines
Sicherheitsrates der Gemeinschaften als ein Zeichen dafür, dass die derzeitigen Institutionen
des Kosovo den interethnischen Beziehungen und der Aussöhnung anhaltende
Aufmerksamkeit widmen. Die Versammlung fordert die Kosovo-Serben jedoch nachdrücklich
auf, sich am öffentlichen und politischen Leben im Kosovo zu beteiligen.

12. Für die Herstellung guter interethnischer Beziehungen, das Entwickeln von
Vertrauen in die Institutionen und die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ist es von

Drucksache 16/4922 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

grundlegender Bedeutung, dass alle Minderheitengemeinschaften im Kosovo Zugang zu
wirksamen Rechtsbehelfen gegen Diskriminierung haben, dass ethnisch begründete Straftaten
angemessen untersucht und die mutmaßlichen Täter strafrechtlich verfolgt werden und, falls
sie für schuldig befunden werden, eine wirksame Strafe erhalten.

13. Schließlich bedauert die Versammlung, was die derzeitige Anwendbarkeit der
Instrumente des Europarates im Kosovo und das Funktionieren der Mechanismen zum Schutz
der Menschenrechte betrifft – wenngleich sie den Beschluss der Nato begrüßt, dem Ausschuss
zur Verhütung von Folter (CPT) Zugang zu den Haftanstalten im Kosovo zu ermöglichen -
dass das durch die UNMIK-Resolution 2006/6 reformierte Mandat zur Einsetzung einen
Ombudsmanns eingeschränkt wurde, und ist der Ansicht, dass Wirksamkeit, Autorität und
Unabhängigkeit des Mechanismus der Beratenden Gruppe für Menschenrechte genau verfolgt
werden sollten.

14. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ruft die Versammlung die beiden
Verhandlungsparteien dazu auf:

14.1. die Verhandlungen über den Status des Kosovo fortzusetzen, wobei das
vordringliche Ziel die Erreichung fairer Standards für alle Einwohner des Kosovo sein sollte
in Anerkennung dessen, dass die Aufrechterhaltung derartiger Standards eine Zeitlang eine
internationale Präsenz und Überwachung erfordern dürfte;

14.2. bei der Festlegung technischer Vereinbarungen im Hinblick auf die
Dezentralisierung der bosnischen Erfahrung nach dem Dayton-Vertrag sorgfältig Rechnung
zu tragen, bei der sich herausstellte, dass die uneingeschränkte Verknüpfung von Funktionen
an die ethnische Herkunft die Kohärenz eines Staates untergräbt und eine langfristige Hürde
darstellt für Aussöhnung, Integration und die Entwicklung eines Gemeinwesens, in dessen
Mittelpunkt nicht die ethnische Zughörigkeit, sondern ausschließlich der Bürger steht, so
dass, wenn ein solcher Weg eingeschlagen wird zur Beschleunigung einer Einigung und als
Rückversicherung, er zeitlich begrenzt sein sollte;

14.3. sicherzustellen, dass Verfahren festgelegt werden, um die technische
Zusammenarbeit zwischen den Parteien fortzusetzen, einschließlich hinsichtlich der Rückkehr
von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen und vermisster Personen.

15. Darüber hinaus fordert die Versammlung Serbien auf, sobald eine
Verständigung über die Dezentralisierung erzielt sein wird, die aktive Beteiligung der
Kosovo-Serben am öffentlichen und politischen Leben des Kosovo zu fördern.

16. Die Versammlung ruft sowohl Serbien als auch die provisorischen
Selbstverwaltungsinstitutionen (PISG) dazu auf, ihre Anstrengungen zur Stärkung des
Bewusstseins in der Öffentlichkeit über die jüngste Geschichte des Landes zu verstärken und
die Bedeutung und die Funktionen der verschiedenen europäischen Institutionen
einschließlich des ICTY zu erläutern sowie die Öffentlichkeit auf die verschiedenen
möglichen Ergebnisse der Statusfrage des Kosovo vorzubereiten; sie fordert beide auf, eine
Debatte innerhalb ihrer wichtigsten Institutionen, einschließlich des Parlamentes, im Hinblick
darauf wieder aufzunehmen, sich der Statusfrage des Kosovo auf flexible und pragmatische
Art und Weise zu nähern und in diesem Zusammenhang den Vorteilen einer rechtzeitigen
Verständigung entsprechende Berücksichtigung zu schenken.

17. Die Versammlung fordert ferner UNMIK und die PISG auf:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/4922

17.1. ihre Anstrengungen im Hinblick auf die vollständige Umsetzung der Standards
für das Kosovo zu verstärken und dabei der Lage aller Minderheitengemeinschaften Priorität
einzuräumen unter Beachtung der besonderen Schutzbedürftigkeit der Gemeinschaft der
Roma, Ashkali und Ägypter und insbesondere unverzüglich die Menschenrechtsstrategie für
das Kosovo, basierend auf den europäischen Menschenrechtsstandards und den vom
Sachverständigen des Europarates vorgelegten Vorschlägen, zum Abschluss zu bringen und
umzusetzen und

17.1.1. die umfassende und wirksame Umsetzung der Antidiskriminierungsgesetze
sicherzustellen;

17.1.2. alle Fälle mutmaßlicher ethnisch-motivierter Straftaten zu untersuchen und
Straflosigkeit für Täter zu bekämpfen;

17.1.3. alle Fälle von Entführung und Verschwindenlassen von Angehörigen von
Minderheiten, die vor und nach der Einsetzung der UNMIK in Kosovo
stattgefunden haben, zu untersuchen und sicherzustellen, dass die
Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;

17.1.4. alle Fälle von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die
vor 1999 begangen wurden, zu untersuchen und eine umfassende
Zusammenarbeit mit dem ICTY sicherzustellen;

17.2. Voraussetzungen zu schaffen für die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen
und Vertriebenen in Sicherheit und Würde und ihre dauerhafte Wiedereingliederung
sicherzustellen, insbesondere durch Garantien für ihre Sicherheit und den Schutz ihrer zivilen,
politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rechte.

18. Angesichts ihrer zukünftigen verstärkten Verantwortung im Kosovo während
der Stabilisierungsphase nach der Statusfestlegung ruft die Versammlung schließlich die
Europäische Union auf, den Europarat stärker in ihre Aktivitäten einzubinden und den
Überwachungsverfahren des Europarates gebührende Beachtung zu schenken, unter anderem
insbesondere der Umsetzung der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für das
Rahmenübereinkommen zum Schutze nationaler Minderheiten.

Entschließung 1534 (2007)5

betr. die Lage von Wanderarbeitnehmern bei Zeitarbeitsagenturen

1. Die zunehmende Mobilität von Arbeitnehmern und Dienstleistungen sowohl auf dem
europäischen Binnenmarkt als auch in den GUS-Staaten wird in einem größeren Europa
zwangsläufig zu neuen Beschäftigungsmustern führen. Probleme – wenn auch
unterschiedlicher Art – stellen sich bei regelmäßiger wie unregelmäßiger Beschäftigung und
5 Debatte der Versammlung am 24. Januar 2007 (6. Sitzung) (siehe Dok. 11109, Bericht des Ausschusses für
Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatter: Herr Doug Henderson).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 24. Januar 2007 (6. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dürften angesichts des Wachstums des Sektors nationaler und transnationaler
vorübergehender Beschäftigung noch zunehmen.

2. Armut, fehlende Rechtsstaatlichkeit, Senkung der Arbeitsstandards, die Tätigkeit
krimineller Gruppierungen und die Korruption in bestimmten Ländern gerade auch
Osteuropas sowie in vielen GUS-Staaten tragen allesamt zu einem Anstieg der irregulären
Beschäftigung, der Zwangsarbeit und des Menschenhandels bei.

3. Das Phänomen der regulären und der irregulären transnationalen vorübergehenden
Beschäftigung breitet sich auch in Mittel- und Osteuropa aus, und billigere
Wanderarbeitskräfte reisen aus dem entlegeneren Osten und Südosten an.

4. Die Einstellung über zugelassene Zeitarbeitsagenturen ist seit jüngerer Zeit in beiden
Regionen möglich. Da diese Büros nicht wie Sozialpartner zu einer effektiven
Selbstregulierung in der Lage sind, bedarf es einer Gesetzgebung, um das Ansehen dieser
Beschäftigungsform sowohl bei den als Kunden auftretenden Unternehmen als auch den
einzelnen Mitarbeitern von Zeitarbeitsagenturen zu verbessern. Gut ausgebaute Regulierungs-
und Durchsetzungsmechanismen (Zulassung und Gewerbeaufsicht) könnten dazu beitragen,
der Tätigkeit von Zeitarbeitsbüros in solchen Anfangssituationen Legitimität zu verleihen.

5. Im Rahmen der Europäischen Union stellen sich Probleme anderer Art, die dort in der
Regulierung des Hauptgeschäfts von Zeitarbeitsagenturen bestehen, um die
Arbeitsschutzstandards zu sichern und innerhalb des Binnenmarkts gleiche Bedingungen für
alle zu schaffen.

6. Das Vereinigte Königreich, Irland und Schweden wandten zum Zeitpunkt der
Erweiterung der EU auf 25 Mitglieder im Hinblick auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern
aus den neuen EU-Mitgliedstaaten eine Politik der offenen Tür an. Nun müssen mit Bulgarien
und Rumänien Übergangsregelungen gefunden werden. Es ist deshalb notwendig, klare
Vorschriften festzulegen und ein größeres Maß an Harmonisierung innerhalb des
Binnenmarkts anzustreben. In dieser Hinsicht begrüßt die Parlamentarische Versammlung die
Verabschiedung der Direktive 2006/123/EC des Europäischen Parlamentes und des Rates
vom 12. Dezember 2006 über die Dienstleistungen im Binnenmarkt.

7. Einige Mitgliedstaaten des Europarats haben bereits Vorschriften erlassen, die
gewährleisten, dass vorübergehende Wanderarbeitnehmer beim Entgelt, den
Arbeitsbedingungen und den sozialen Rechten genauso behandelt werden wie die lokalen
Arbeitskräfte der jeweiligen Länder. Es kommt deshalb darauf an – insbesondere angesichts
der gegenwärtigen und absehbaren Zunahme der Tätigkeit der Zeitarbeitsagenturen –, dass es
in allen Mitgliedstaaten des Europarats grundlegende Vorschriften gibt, die für die
Gleichbehandlung und die Grundrechte von Zeitarbeitern und Wanderarbeitnehmern sorgen.

8. Art. 19 der geänderten Europäischen Sozialcharta sieht bereits Leitlinien für einige der
grundlegenden Standards zum Schutz und zur Unterstützung von Wanderarbeitnehmern und
ihrer Familien vor, und zwar eine nicht weniger günstige Behandlung als Inländer beim
Entgelt und den Arbeitsbedingungen, Mitgliedschaft in Gewerkschaften, Inanspruchnahme
der Vorteile von Tarifverträgen und Unterbringung.

9. Darüber hinaus sehen das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller
Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, die IAO-Übereinkommen über
Wanderarbeitnehmer (C143) und über private Arbeitsvermittler (C181), die Protokolle von
Palermo und das Europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung von
Wanderarbeitnehmern sowie das Übereinkommen des Europarats gegen den Menschenhandel

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/4922

(CETS Nr. 197) die Festlegung zusätzlicher Standards und einen guten Rahmen für die
Zusammenarbeit und das gemeinsame Handeln zwischen Mitgliedstaaten des Europarats und
in noch größerem Rahmen vor.

10. Außerdem erinnert die Versammlung an ihre Entschließung 1509 (2006) und ihre
Empfehlung 1755 (2006) über die „Menschenrechte illegaler Migranten“ sowie die
Entschließung 1501 (2006) und die Empfehlung 1748 (2006) über „Arbeitnehmermigration
aus Staaten Mittel- und Osteuropas: derzeitige Lage und Ausblicke“.

11. Schließlich begrüßt die Versammlung den Beschluss des Europäischen Komitees für
Wanderung (CDMG), bei der Thematik der anstehenden 8. Ministerkonferenz der für
Migrations- und Integrationsfragen zuständigen europäischen Minister den Schwerpunkt auf
Arbeitskräftemigration und gemeinsame Entwicklung zu legen. Die Ministerkonferenz wird
dazu Gelegenheit bieten, die Kooperationsmechanismen zwischen den Herkunfts-, Transit-
und Bestimmungsländern auszubauen, um die Regelung und Steuerung der
Arbeitskräftemigration in Europa zu verbessern.

12. Im Lichte der obigen Darlegungen bittet die Parlamentarische Versammlung
diejenigen Mitgliedstaaten des Europarats, die dies noch nicht getan haben,

12.1. das Internationale Übereinkommen über den Schutz aller Wanderarbeitnehmer
und ihrer Familienangehörigen, die IAO-Abkommen über Wanderarbeitnehmer
(C143) und private Arbeitsvermittler (C181) sowie die Palermo-Protokolle zu
unterzeichnen, zu ratifizieren und umzusetzen;

12.2. das Europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung von
Wanderarbeitnehmern (CETS Nr. 93) und das Übereinkommen des Europarats zur
Bekämpfung des Menschenhandels (CETS Nr. 197) zu unterzeichnen, zu ratifizieren
und umzusetzen;

12.3. die geänderte Europäische Sozialcharta (CETS Nr. 163) und ihren Art. 19 zu
unterzeichnen, zu ratifizieren und umzusetzen;

12.4. die bestehenden Arbeitsgesetze und Vorschriften in Bezug auf die grenzüber-
schreitende Anwerbung von Arbeitskräften und den Schutz von Wanderarbeitnehmern
durchzusetzen;

12.5. den Grundsatz der Gleichbehandlung von Zeitarbeitern und
Wanderarbeitnehmern auf dem nationalen Arbeitsmarkt einzuführen;

12.6. die Anbieter (Zeitarbeitsagenturen) mithilfe von Registrierungs- und
Zulassungssystemen einer Regulierung zu unterwerfen;

12.7. in ihre nationale Gesetzgebung und Bestimmungen klare und umfangreiche
Definitionen darüber aufzunehmen, was ein privates Zeitarbeitsunternehmen oder
Anbieter ist und wie der Vertragsstatus der vorübergehenden Zeitarbeitnehmer
aussieht;

12.8. die Inanspruchnahme der Selbstregulierung und die Erarbeitung nationaler
Verhaltenskodizes zu fördern;

12.9. für Zeitarbeitsagenturen und deren Dienste in Anspruch nehmende
Unternehmen eine eindeutige Haftung einzuführen;

Drucksache 16/4922 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

12.10. sowohl für Zeitarbeitsagenturen als auch deren Dienste in Anspruch nehmende
Unternehmen bei einem Verstoß gegen die Vorschriften abschreckende und
verhältnismäßige Strafmaßnahmen anzuwenden;

12.11. zwischen der Gewerbeaufsicht, den Gewerkschaften, den Zeitarbeitsagenturen,
NRO und der Polizei eine Zusammenarbeit aufzubauen, um gegen nationale
Vorschriften verstoßende Bandenführer und missbräuchliche Praktiken aufzudecken;

12.12. der Gewerbeaufsicht mehr Mittel zur Verfügung zu stellen;

12.13 den Zeitarbeitsfirmen Anreize zu geben, damit sie einen Prozentsatz der
Ressourcen für die berufliche Weiterausbildung vorsehen;

12.14. die Bemühungen zur Bekämpfung der irregulären Einwanderung fortzusetzen;

12.15. eine internationale Zusammenarbeit zwischen der Gewerbeaufsicht, der Polizei
und dem Grenzschutz aufzubauen;

12.16. Wanderarbeitnehmern ohne Schwierigkeiten Informationen über ihre Rechte
und die nationalen Arbeitsvorschriften verfügbar zu machen;

12.17. es Wanderarbeitnehmern zu ermöglichen, mit den Mitteln der Rechtshilfe und
durch Kontaktierung des Büros eines Ombudsmanns leichter ihre Rechte einzufordern;

12.18. die Gewerkschaften aufzufordern, Wanderarbeitnehmer einzubeziehen und
ihre Rechte zu verteidigen.

13. Die Parlamentarische Versammlung lädt die Institutionen der Europäischen Union ein,
sich erneut mit dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Direktive hinsichtlich der
Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitern bei Zeitarbeitsagenturen zu befassen.

Entschließung 1535 (2007)6

betr. die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats ist zutiefst besorgt über die in Europa
im Jahre 2006 und im Januar 2007 festzustellenden zahlreichen Angriffe auf das Leben und
die Meinungsfreiheit von Journalisten und die Bedrohungen, denen diese ausgesetzt sind. Sie
verurteilt auf das Schärfste die Ermordung von Hrant Dink in der Türkei und von Anna
Politkovskja in Russland sowie die brutalen Angriffe auf Fikret Huseynli, Bahaddin Khaziyev
und Nijat Huseynov in Aserbaidschan, Ion Robu in Moldau und Ihor Mosiyshuck, Sergei
Yanovski und Lilia Budjurova in der Ukraine. Sie ist ebenfalls schockiert über kürzliche
Todesdrohungen durch religiöse Führer im Iran, die sich an Rafiq Tagi und Samir
Sedagetoglu in Aserbaidschan und Robert Redeker in Frankreich richten, sowie über die
Todesdrohungen gegenüber Mubarak Asani in Bosnien Herzegowina, Drago Hedl und

6 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (7. Sitzung) (siehe Dok. 11143, Bericht des Ausschusses für
Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatter: Andrew McIntosh).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (7. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/4922

Ladislav Tomicic in Kroatien, Slavicia Jovanovic und Jahja Fehratovic in Serbien und Vassil
Ivanov in Bulgarien wegen ihrer journalistischen Arbeit. Möglicherweise hat es weitere
Angriffe auf Journalisten in Europa gegeben, ohne dass sie von der großen Öffentlichkeit
wahrgenommen wurden. Die Versammlung bedauert es zutiefst, dass Journalisten in Europa
unter Angst um ihr Leben und ihre körperliche Sicherheit arbeiten müssen.

2. Die Versammlung würdigt alle Journalisten und Medien, die Demokratie und
Rechtstaatlichkeit durch einen investigativen Journalismus über politische und soziale Fragen,
die von öffentlichem Interesse sind, fördern und gleichzeitig die Standards der
journalistischen Ethik respektieren. Hassjournalismus, der Propaganda mit Berichterstattung
verwechselt, Einzelne diffamiert und die öffentliche Debatte keineswegs erhellt, sondern
negativ anheizt, hat ebenfalls zugenommen und muss angegangen werden.

3. Meinungs- und Informationsfreiheit in den Medien beinhaltet das Recht, politische
Meinungen zu äußern und Regierung und Gesellschaft zu kritisieren, Fehler der Regierung,
Korruption und organisiertes Verbrechen offen zu legen und religiöse Dogmen und Praktiken
in Frage zu stellen. Diese Freiheit wird durch Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention garantiert als eine der Grundvoraussetzungen einer
demokratischen Gesellschaft. Die Mitgliedstaaten des Europarates haben sich verpflichtet,
sich für Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit einzusetzen, und die große
Mehrheit der europäischen Bürger bekennen sich zu diesen Werten nach einer manchmal
langen und oft schmerzlichen Vergangenheit, in der sie von dem Genuss dieser Rechte
ausgeschlossen waren. Dort, wo Journalisten um ihr Leben und ihre Sicherheit fürchten
müssen, ist die Demokratie in Gefahr. Meinungsfreiheit ist einer der Grundpfeiler der
Demokratie in Europa.

4. Die Versammlung ist der Auffassung, dass in einer wahren Demokratie
Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit Hand in Hand gehen sollten. Gewalttätige Angriffe
und Drohungen durch irgendeine Gruppe unter Hinweis auf ihre Religion gegen mündlich
geäußerte Meinungsäußerungen, gegen Reden oder bildende Darstellungen haben in den
europäischen Demokratien keinen Platz.
5. Die Versammlung verweist auf die rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten im
Einklang mit Artikel 2 und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, jeden
Mord von Journalisten sowie Akte gravierender physischer Gewalt und ihnen gegenüber
geäußerte Todesdrohungen zu untersuchen. Diese Verpflichtung hat ihren Ausgangspunkt in
den in der Konvention festgelegten speziellen Rechten von Journalisten und basiert auf der
Notwendigkeit, dass jede Demokratie funktionierende Medien besitzen muss, die frei von
Einschüchterung und politischen Drohungen arbeiten können. Dort, wo Angriffe auf
Journalisten straffrei geschehen können, leiden Demokratie und Rechtstaatlichkeit.

6. Staatliche Behörden sollten Zurückhaltung üben und Verhältnismäßigkeit wahren,
wenn es darum geht, gesetzliche Einschränkungen für die Meinungsfreiheit vorzunehmen.
Verwaltungsakte, wie z. B. die Vergabe von Lizenzen für elektronische Medien oder die
Bereitstellung von Subventionen für Medien müssen auf faire Weise vorgenommen werden
und die Gleichbehandlung aller Journalisten und Medienunternehmen beinhalten. Dort, wo
willkürliche und politisch motivierte Diskriminierung von Journalisten und Medien
vorkommen, wird die Medienfreiheit verletzt.

7. Die Versammlung ist sich zum einen der Bedeutung von Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention für den Schutz der Medienfreiheit in ganz Europa bewusst, zum
anderen der Auffassung, dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um das Leben und

Drucksache 16/4922 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Meinungsfreiheit von Journalisten in Europa wirksam zu schützen. Beschwerden beim
Europäischen Menschenrechtsgerichtshof können erst eingereicht werden, nachdem die
Verletzung geschehen ist und nationale Rechtsmittel erschöpft sind, wogegen Urteile erst viel
später ergehen.

8. Die Versammlung würdigt es, dass mehrere Tausend Unterschriften gesammelt und
durch Reporter ohne Grenzen in Paris an den Präsidenten der Versammlung übermittelt
wurden, in denen eine Untersuchung des Mordes an Anna Politkovskaya gefordert wurde. Die
Versammlung begrüßt ferner die Initiativen des Internationalen Presseinstituts in Wien, von
ARTICLE 19 in London, der Glasnost Defence Foundation in Moskau und der
Südosteuropäischen Medienorganisation in Wien sowie von anderen Organisationen mit dem
Ziel, alle Morde an Journalisten und Angriffe auf sie wegen ihrer journalistischen Arbeit
öffentlich zu machen. Berufsverbände von Journalisten und Medien können ihren Mitgliedern
helfen, wenn sie Drohungen erhalten und angegriffen werden, indem sie Hilfe und
Ausbildung für Journalisten zur Verfügung stellen und das Bewusstsein von Politikern und
der großen Öffentlichkeit sensibilisieren. Die Arbeit derartiger Berufverbände wird von
Artikel 10 und Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention vor unangemessenen
Einschränkungen durch staatliche Behörden geschützt.

9. Die Versammlung hat sich regelmäßig für die Verteidigung der Medienfreiheit in
Europa eingesetzt. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Empfehlung 1506 (2001)
über die Medien- und Informationsfreiheit in Europa, die Empfehlung 1589 (2003) über die
Meinungsfreiheit in den Medien in Europa, die Entschließung 1372 und die Empfehlung 1958
(2004) über die Verfolgung der Presse in der Republik Belarus, die Entschließung 1438 und
die Empfehlung 1702 (2005) über die Freiheit der Presse und die Arbeitsbedingungen von
Journalisten in Konfliktgebieten, die Empfehlung 1706 (2005) über Medien und Terrorismus
und die Entschließung 1510 (2006) über die Meinungsfreiheit und die Respektierung
religiöser Auffassungen.

10. Die Versammlung fordert die nationalen Parlamente auf:

10.1. die Fortschritte derartiger strafrechtlicher Untersuchungen eingehend zu überwachen
und die Behörden zur Rechenschaft zu ziehen für jede nicht durchgeführte Untersuchung oder
strafrechtliche Verfolgung – z. B. das russische Parlament in Bezug auf die Ermordung von
Anna Politkowskaya;

10.2. Gesetze abzuschaffen, welche unverhältnismäßige Grenzen für die Meinungsfreiheit
setzen und Anlass zu Missbrauch geben und extremen Nationalismus und Intoleranz anregen
können – z. B. das türkische Parlament in Bezug auf Artikel 301 des türkischen
Strafgesetzbuches betreffend die „Verunglimpfung des Türkentums“.

11. Die Versammlung fordert alle betroffenen Parlamente auf, parlamentarische
Untersuchungen über ungeklärte Morde an Journalisten sowie Angriffe auf sie und
Todesdrohungen ihnen gegenüber durchzuführen, um Einzelfälle ins Licht zu rücken und
unverzüglich wirksame politische Maßnahmen für eine verstärkte Sicherheit von Journalisten
und für ihr Recht, ihrer Arbeit ohne Drohungen nachgehen zu können, zu erarbeiten.

12. Die Versammlung verurteilt das Verschwindenlassen im Jahre 2000 und den Mord an
dem ukrainischen Journalisten Georgiy R. Gongadze und fordert Untersuchungen durch die
zuständigen Behörden. Sie ist besorgt über ausbleibende Fortschritte bei diesen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/4922

Untersuchungen und betont die Notwendigkeit, ein Umfeld für unabhängige Äußerungen
sicherzustellen.

13. Nach der Festsetzung des mutmaßlichen Mörders von Hrant Dink fordert die
Versammlung nunmehr einstimmig die Entfernung von Artikel 301 aus dem türkischen
Strafgesetzbuch, nach dem Dink und andere Journalisten strafrechtlich verfolgt wurden. Der
Fortbestand einer derartigen die Meinungsfreiheit einschränkenden Bestimmung stellt nichts
Anderes dar als eine Bestätigung für Angriffe – rechtlicher oder anderer Art – auf
Journalisten.

14. Die Versammlung beschließt, einen speziellen Überwachungsmechanismus
einzurichten für die Feststellung und Analyse von Angriffen auf das Leben und die
Meinungsfreiheit von Journalisten in Europa sowie über die erfolgten Fortschritte durch
nationale Strafverfolgungsbehörden und nationale Parlamente bei ihren Untersuchungen
derartiger Angriffe und fordert Reporter ohne Grenzen, das Internationale Presseinstitut, die
Internationale Journalisten-Föderation und andere Organisationen auf, der Versammlung über
derartige Angriffe zu berichten. Die Versammlung ist der Auffassung, dass uneingeschränkt
repräsentative, unabhängige Organisationen und Journalistenverbände ein wichtiger Schutz
für die Meinungsfreiheit sind und widersetzt sich jeglichem Konzept einer staatlichen Zensur
oder Kontrolle gegenüber dem Berufstand des Journalisten.

Entschließung 1536 (2007)7

betr. HIV/AIDS in Europa

1. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an ihre Entschließung 812 (1983) über
das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS), die Empfehlung 1080 (1988) über eine
koordinierte europäische Gesundheitspolitik zur Verhinderung der Ausbreitung von AIDS in
Haftanstalten, die Empfehlung 1116 (1989) über AIDS und Menschenrechte sowie die
Entschließung 1399 (2004) und die Empfehlung 1675 (2004) über eine europäische Strategie
zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der entsprechenden Rechte
angesichts der verheerenden Auswirkungen von HIV/AIDS auf die menschliche, soziale und
wirtschaftliche Entwicklung.

2. Sie erinnert außerdem an die internationalen Leitlinien zu HIV/AIDS und den
Menschenrechten, die 1998 von dem Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für
HIV/Menschenrechte und dem VN-Hochkommissar (UNHCR) ausgegeben wurden und die
Verpflichtungserklärung zu HIV/AIDS der Sondertagung 2001 der Generalversammlung der
Vereinten Nationen zu HIV/AIDS sowie den Entwurf einer politischen Erklärung der
Sondertagung 2006 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS und die
Stellungnahme der Europäischen Union zur HIV-Prävention für eine AIDS-freie Generation
vom Dezember 2000.

3. Trotz der Bekräftigung der in der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen
enthaltenen Millenniumsziele (MDGs) ist sich die Versammlung bewusst, dass sich die
7 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (8. Sitzung) (siehe Dok. 11033, Bericht des Ausschusses für
Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatterin: Christine McCafferty).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (8. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

MDGs nur erreichen lassen werden, wenn die Herausforderungen sexuell übertragbarer
Infektionen einschließlich HIV/AIDS sowie der Gesundheit und der Rechte in den Bereichen
Sexualität und Fortpflanzung angenommen werden.

4. Die Versammlung ist darüber besorgt, dass

4.1. die Zahl der mit HIV infizierten Menschen mit jedem Jahr steigt;

4.2. Frauen rein physiologisch und aufgrund von Diskriminierung besonders anfällig für
HIV/AIDS sind;

4.3. Unwissenheit und Intoleranz immer noch einen Grund für die Marginalisierung
tatsächlich oder angeblich von HIV/AIDS betroffener Menschen darstellen, wodurch es bei
der ärztlichen Versorgung, Arbeitsmöglichkeiten, Bildung, Unterbringung und ganz allgemein
jedem mit ihrem sozialem Wohlergehen verbundenen Aspekt zu Diskriminierungen kommt;

4.4. einige Regierungen immer noch zögern, das Bestehen und den Schweregrad der
HIV/AIDS-Pandemie anzuerkennen und einzuräumen, dass die Stigmatisierung und
Diskriminierung von mit HIV/AIDS lebenden Menschen, gerade auch von Frauen, die
Effektivität der Reaktionen auf diese Pandemie einschränken.

5. Die Versammlung erkennt an, dass die weltweite HIV/AIDS-Pandemie eine gewaltige
Herausforderung für das menschliche Leben und die Menschenwürde sowie die
uneingeschränkte Inanspruchnahme der Menschenrechte bedeutet und dass die volle
Verwirklichung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten für die Betroffenen einen
wesentlichen Bestandteil der weltweiten Reaktion auf die Pandemie darstellt.

6. Sie erklärt außerdem, dass die Achtung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen
sowie der Schutz und die Erfüllung dieser Rechte notwendige und grundlegende Bestandteile
des Vorgehens gegen HIV/AIDS bilden. Darüber hinaus lässt sich der Kampf gegen
HIV/AIDS nicht von der Bekämpfung der Armut trennen, die in erster Linie Frauen und
Kinder betrifft, wodurch die Arbeitsleistung untergraben und die wirtschaftliche und
gesellschaftliche Entwicklung behindert wird.

7. Die Versammlung ist der Ansicht, dass der Einsatz antiretroviraler Präparate in
Verbindung mit geeigneten Therapien die Entwicklung von HIV/AIDS zwar zu verzögern
vermag, Millionen Infizierter sich solche Behandlungen jedoch nicht leisten können. In
diesem Zusammenhang unterstreicht sie, dass nach dem Abkommen über handelsbezogene
Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) der
Welthandelsorganisation (WTO) WTO-Mitglieder die Herstellung patentgeschützter
Arzneimittel in gesundheitlichen Notlagen gestatten können und bestärkt die Mitgliedstaaten
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der vollen Ausnutzung der in dem TRIPS-
Abkommen enthaltenen Flexibilität für die Förderung des Zugangs zu antiretroviralen
Präparaten und anderen wesentlichen Arzneimitteln.

8. In dem Bewusstsein, dass die Verwirklichung der Rechte mit HIV/AIDS lebender
Menschen diesen den nicht diskriminierenden Zugang zu Leistungen – darunter
Gesundheitsversorgung, medizinische Behandlung sowie soziale und rechtliche Betreuung in
einem stützenden sozialen Umfeld ermöglichen muss, ist die Versammlung der Überzeugung,
dass

8.1. die Erkennung des Grades der Infektion mit der HIV/AIDS-Pandemie in jedem der
Länder den jeweiligen Regierungen dabei helfen wird, ihre Präventions-, Therapie-,
Versorgungs- und Betreuungsprogramme auf ihren spezifischen Bedarf abzustimmen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/4922

8.2. der Aufbau von Kapazitäten im öffentlichen Gesundheitswesen für die effektive
Prävention und Therapie von HIV/AIDS von entscheidender Bedeutung ist;

8.3. jede Reaktion auf die Pandemie nur wirksam sein wird, wenn sie auf die Ursachen
ihrer Ausbreitung eingeht, darunter Menschenhandel, vor allem mit Frauen und Mädchen,
Drogenmissbrauch und verbotener Drogenhandel sowie geschlechtsbasierte Gewalt, und in
diesem Zusammenhang ist die entscheidende Rolle der Familie, der Religion und seit langem
bestehender grundlegender ethischer Prinzipien und Werte hervorzuheben.

9. Während die Parlamentarische Versammlung gleichzeitig unterstreicht, dass die
HIV/AIDS-Pandemie auch eine medizinische, soziale und wirtschaftliche Notsituation
bedeutet, ruft sie die Parlamente und Regierungen des Europarats dazu auf,

9.1. sicherzustellen, dass ihre Gesetze, politischen Maßnahmen und Praktiken in
Verbindung mit HIV/AIDS die Menschenrechte achten, insbesondere die Rechte auf Bildung,
Arbeit, Privatleben, Schutz und Zugang zu Prävention, Behandlung, Versorgung und
Betreuung;

9.2. mit HIV/AIDS lebende Menschen vor allen Formen der Diskriminierung im
öffentlichen wie im privaten Bereich zu schützen, die Gleichstellung der Geschlechter zu
fördern, bei Studien an menschlichen Probanden für den Schutz der Privatsphäre und der
Vertraulichkeit zu sorgen und schnelle und wirksame gerichtliche, administrative und zivile
Rechtsmittel für den Fall bereitzustellen, dass die Rechte von mit HIV/AIDS lebenden
Menschen verletzt werden;

9.3. für die Ausarbeitung und beschleunigte Umsetzung nationaler Strategien zur
Befähigung von Frauen zu sorgen, u.a. indem sichergestellt wird, dass sie Zugang zu
Eigentumsrechten erhalten, die volle Inanspruchnahme aller Menschenrechte durch Frauen
gefördert und geschützt wird und ihre Anfälligkeit für HIV/AIDS vermindert wird, indem alle
Formen der Diskriminierung sowie der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich
schädlicher traditioneller und gewohnheitsmäßiger Prak-tiken, von Missbrauch,
Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt abgestellt werden, und die Rechte von
mit HIV/AIDS lebenden Frauen zu schützen, über ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit
frei zu entscheiden, insbesondere durch Gewährleistung des Zugangs zu Leistungen, die eine
Übertragung des HI-Virus von der Mutter auf das Kind verhindern und schwangeren Frauen
eine antiretrovirale Langzeittherapie zugänglich machen;

9.4. die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen und zu finanzieren, um auf nachhaltiger
Grundlage und zugunsten aller Betroffenen (unbeschadet ihrer sozialen Stellung, ihrer
rechtlichen Lage, ihres Geschlechts, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung), die
Verfügbarkeit und Zugänglichkeit qualifizierter Dienstleistungen und Informationen in Bezug
auf Prävention, Management, Therapie, Versorgung und Betreuung bei HIV/AIDS
sicherzustellen, einschließlich der Bereitstellung von Verbrauchsmaterial zur HIV/AIDS-
Prävention wie Kondome für Männer und Frauen, sichere Injektionsspritzen und
Basispräventionsmaterial sowie erschwingliche antiretrovirale Präparate und andere sichere
und wirksame Arzneimittel, psychologische Betreuung, Diagnostik und verwandte Techno-
logien für alle, unter besonderer Beachtung anfälliger Bevölkerungsteile wie Frauen und
Kinder;

9.5. Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeit von Frauen und heranwachsenden
Mädchen umzusetzen, sich vor der Gefahr einer HIV-Infektion zu schützen, hauptsächlich
durch Aufklärung – auch durch Peers – und Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, auch in
Bezug auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit;

Drucksache 16/4922 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

9.6. die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen, um die nationalen und multinationalen
Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen mit dem Ziel der Entwicklung neuer Therapien
zur Bekämpfung von HIV/AIDS fortzuführen, zu verstärken, zu verbinden, gegenseitig
vorteilhaft zu gestalten und zu harmonisieren, und zwar unter Einschluss pädiatrischer
HIV/AIDS-Präparate speziell für den Einsatz bei mit HIV/AIDS lebenden Kindern, neuer
Präventionsmöglichkeiten und neuer diagnostischer Tests und Instrumente sowie von
Impfstoffen und von der Frau bestimmter Verhütungsmethoden wie Mikrobiziden;

9.7. die gesundheitlichen, sozioökonomischen und sonstigen Wirkungen von HIV/AIDS
bei Einzelnen, Familien, Gesellschaften und Nationen anzuerkennen und die angezeigten
gesetzgeberischen und exekutiven sozialen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Ausbreitung
aufzuhalten;

9.8. politische Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen, die die Menschenrechte von
mit HIV/AIDS lebenden Menschen achten und über alle verfügbaren Medien für ihre Rechte
einzutreten und das Bewusstsein für diese Rechte zu wecken;

9.9. auf nationaler Ebene eine Gesetzgebung und politische Maßnahmen zu erarbeiten und
umzusetzen, die sich mit den Bedürfnissen und Menschenrechten der immer zahlreicheren
Kinder beschäftigen, die durch die HIV/AIDS-Pandemie zu Waisen werden und anfällig
geworden sind;

9.10. obligatorische HIV/AIDS-Tests bei Personen abzuschaffen, die Reisevisa, die
Einschreibung an Universitäten, einen Arbeitsplatz oder die Gewährung von Asyl beantragen
und stattdessen freiwillige Tests vorzusehen;

9.11. koordinierte, partizipative, transparente und rechenschaftspflichtige nationale
politische Maßnahmen und Programme zur Reaktion auf HIV/AIDS zu erarbeiten, diese
einzelstaatlichen Maßnahmen auf Bezirksebene und lokal in konkrete Schritte umzusetzen
und dabei nach Möglichkeit Nichtregierungs- und Basisorganisationen, religiöse
Organisationen, die Privatwirtschaft und vor allem mit HIV/AIDS lebende Menschen und
unter ihnen die anfälligsten von allen – Frauen und Kinder – in die Erarbeitung und
Umsetzung einzubeziehen.

10. Die Parlamentarische Versammlung bittet die Mitgliedstaaten des Europarats darüber
hinaus,

10.1. nationale Strategien mit Zielvorgaben auszuarbeiten, um die Ausbreitung von
HIV/AIDS bis 2015 aufzuhalten und damit zu beginnen, die Entwicklung dieser Pandemie
umzukehren;

10.2. die offizielle Einleitung nationaler HIV/AIDS-Strategien und die regelmäßige
Erstellung nationaler und regelmäßiger Berichte mit einer Bestandsaufnahme der Erfolge bei
der Bekämpfung von HIV/AIDS und der Verwirklichung der Millenniumsziele, insbesondere
auf dem Gebiet der Bekämpfung von HIV-AIDS, zu fördern;

10.3. in Übereinstimmung mit der Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen über Frauen, Frieden und Sicherheit für eine angemessene Aufklärung von
Angehörigen des Militärs und der Polizei und von Mitgliedern von Friedensstreitkräften in
Bezug auf HIV/AIDS zu sorgen;

10.4. die Bemühungen mit den Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen und
anderen an der HIV/AIDS-Prävention beteiligten Gremien oder Institutionen zu koordinieren

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/4922

und deren Tätigkeit zu unterstützen, um zu gewährleisten, dass die Menschenrechte von mit
HIV/AIDS lebenden Personen gewahrt und geschützt werden;

10.5. sich ihrem Wesen nach mit HIV/AIDS zusammenhängenden Armutsproblemen zu
widmen und multisektorale Ansätze zu verfolgen, um die negativen Auswirkungen auf die
wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu bekämpfen;

10.6. ihren Gesundheitssystemen ausreichende Mittel, darunter auch Ressourcen für
Personal und die HIV/AIDS-Prävention, sowie entsprechende Therapien, Versorgung und
Betreuung zuzuteilen und dabei die „Three Ones“-Leitsätze von UNAIDS für die nationalen
Behörden und ihre Partner zu berücksichtigen;

10.7. die Maßnahmen umzusetzen, die in dem UNAIDS/WHO-Dokument „Guidance on
ethics and equitable access to HIV treatment and care“ empfohlen werden, um in Situationen
mit eingeschränkten Ressourcen eine gerechte Verteilung der Betreuung bei HIV zu
gewährleisten.

11. Die Parlamentarische Versammlung ruft die Parlamente dazu auf,

11.1. Gesetze zu entwerfen oder die bestehende Gesetzgebung zu ändern, um nationale
Schutzstandards für an HIV/AIDS erkrankte Menschen festzulegen, insbesondere für
Angehörige anfälliger Gruppen wie Frauen und Kinder, und unter besonderer
Berücksichtigung der Lage der Personen, die durch HIV/AIDS enge Angehörige verloren
haben;

11.2. Gesetze zu überprüfen und anzupassen, um sicherzustellen, dass sie den
Internationalen Leitlinien über HIV/AIDS und Menschenrechte entsprechen;

11.3. Gesetze zur Bestrafung von Personen zu verkünden, die vorsätzlich HIV/AIDS
übertragen.

12. Zur Erreichung dieser Ziele ruft die Versammlung die Parlamentarier dazu auf,

12.1. sich über HIV/AIDS informiert zu zeigen, als Interessenvertreter von mit HIV/AIDS
lebenden Menschen tätig zu werden und beim Umgang mit HIV eine „offene Einstellung“
unter Beweis zu stellen;

12.2. sich zu Wort zu melden, um Stigmatisierung, gesellschaftliche Tabus und
Diskriminierung abzubauen und einer Legendenbildung entgegenzutreten;

12.3. sichtbar den politischen Willen und das Engagement für die Bekämpfung von
HIV/AIDS unter Beweis zu stellen, sich in nationalen HIV-Gremien zu beteiligen und NRO
zu unterstützen, darunter auch NRO mit einem Glaubenshintergrund und gemeindenahe
Organisationen, die sich mit der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und damit
verbundenen Rechten, sexuell übertragbaren Infektionen, HIV/AIDS und Drogenfragen
beschäftigen sowie Privatunternehmen, die auf dem Gebiet von HIV/AIDS tätig sind;

12.4. Parlamentsausschüsse und/oder andere Gremien einzusetzen, die formell mit
Parlamenten verbunden sind und die spezifische Aufgabe haben, die Frage anzugehen, wie
sich die Ausbreitung von HIV/AIDS aufhalten und umkehren lässt, Erfahrungen,
Informationen und beste Praktiken auszutauschen und alle Teile der Gesellschaft über
Partnerschaftsprogramme an hochrangigen Entscheidungsprozessen zu beteiligen;

12.5. die parlamentarischen Prozesse wirksam zu nutzen, um für vermehrte
Rechenschaftslegung zu sorgen und einzelstaatliche Mechanismen wie Kommissionen,

Drucksache 16/4922 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Tribunale, die Gesetzgebung und koordinierte Strategien zu stärken, um in den jeweiligen
Staaten die Menschenrechte von Personen zu schützen, durchzusetzen und zu überwachen, die
mit HIV/AIDS infiziert oder davon betroffen sind und gerade auch bei anfälligen
Gruppierungen alle Formen der Stigmatisierung und Diskriminierung zu beseitigen.

13. Schließlich fordert die Parlamentarische Versammlung besondere Beachtung für die
Verhütung von HIV/AIDS durch Verbreitung angemessener, zielgruppenorientierter
Informationen unter Nutzung aller verfügbaren Medien und Multiplikatoren, wobei das
Bewusstsein geschärft werden soll und ebenso Frauen wie Männer aufgeklärt werden sollen,
mit besonderer Berücksichtigung heranwachsender Jungen und Mädchen und bittet als
Vorbeugungsmaßnahme um den Einschluss der Sexualaufklärung in die Lehrpläne der
Schulen; sie fordert die jeweiligen nationalen und lokalen Stellen dazu auf, schwangere und
stillende Frauen, die an HIV/AIDS leiden, mit hoher Priorität zu versorgen und Müttern eine
ARV-Therapie zu ermöglichen, um die fortschreitende HIV-Infektion zu verlangsamen und
ihnen auf diese Weise ein längeres und gesünderes Leben zu ermöglichen.

14. Die Versammlung ist der Auffassung, dass es nützlich wäre zu untersuchen, ob und
wie die in dieser Entschließung sowie die in der Entschließung 1537 (2007) betr. eine Zukunft
für HIV/AIDS-Kinder und AIDS-Waisen und in der Empfehlung 1785 (2007) über die
Ausbreitung der HIV/AIDS-Epidemie unter Frauen und Mädchen in Europa festgelegten
Prinzipien außerhalb des europäischen Kontextes angewandt werden können und beschließt
daher, ihre Untersuchungen über HIV/AIDS in Bezug auf Entwicklungsländer und
insbesondere in Bezug auf das Afrika südlich der Sahara fortzusetzen, möglichst in enger
Zusammenarbeit mit dem Panafrikanischen Parlament (P.A.P.), der Vereinigung Europäischer
Parlamentarier für Afrika (AWEPA) sowie mit den zuständigen Standesorganisationen.

Entschließung 1537 (2007)8

betr. eine Zukunft für HIV/AIDS-infizierte Kinder und AIDS-Waisen

1. Die Welt steht mittlerweile im 25. Jahr nach dem Auftreten von HIV/AIDS. Die
Epidemie breitet sich aus, und die Statistik über die Zahl der Fälle und die erwartete Zunahme
der Krankheit ist alarmierend. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats muss bei
den derzeitigen Bemühungen, das Bewusstsein für AIDS zu verstärken und dem notwendigen
Ausbau und der Optimierung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie eine aktive
Rolle spielen. Das erfordert politischen Willen und die Koordinierung der Aktivitäten aller
Beteiligten.

2. Arme Länder sind genau wie Kinder am schwersten von HIV/AIDS betroffen. Es ist
dringend erforderlich, dass alle, insbesondere aber die Entscheidungsträger, sich mit den
spezifischen Problemen der Bekämpfung der Krankheit bei HIV/AIDS-Kindern beschäftigen
und ebenso die Notwendigkeit erkennen, sich um Kinder zu kümmern, deren Eltern zu AIDS-
Opfern werden.
8 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (8. Sitzung) (siehe Dok. 11113, Bericht des Ausschusses für
Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatter: Michael Hancock).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/4922

3. Informationen internationaler Organisationen zufolge wird weltweit jede Minute ein
Kind unter 15 Jahren mit dem HIV-Virus infiziert, leben 5 Millionen Kinder unter 15 mit HIV
und haben rund 15 Millionen Kinder ein Elternteil oder beide Eltern durch AIDS verloren,
davon 12 Millionen in Afrika. Die Katastrophe betrifft jeden Kontinent, doch erleidet Afrika,
gerade auch das Afrika südlich der Sahara, die bei weitem tragischsten Folgen.

4. Auch Europa wird nicht verschont. Es erlebt nämlich zurzeit eine beunruhigende
Zunahme der Zahl von HIV/AIDS-Fällen, insbesondere in Osteuropa und den ehemaligen
Sowjetrepubliken. Viele junge – bisweilen sehr junge – Menschen sind an HIV/AIDS
erkrankt, und das Phänomen der AIDS-Waisen zeigt sich allmählich auch in Europa, wenn
auch bei weitem nicht in dem gleichen Maßstab wie in Afrika. In Westeuropa ist die
Übertragung von der Mutter auf das Kind so gut wie verschwunden, doch hat es infolge von
Wanderungsbewegungen einen Anstieg der Fälle infizierter Kinder gegeben.

5. Die Mitgliedstaaten müssen in ihre nationale und internationale HIV/AIDS-Politik und
ihre Entwicklungshilfeprogramme für die Dritte Welt, insbesondere Afrika, auch die
Dimension des Kindes einführen. Das bedeutet, dass die Rechte und wohlverstandenen
Interessen der Kinder und die Ansichten sachkundiger Spezialisten sowie nach Möglichkeit
der Kinder selbst berücksichtigt werden müssen.

6. Bei solchen politischen Maßnahmen, die ggf. an die jeweiligen Kontinente und Länder
angepasst werden müssen, ist folgenden Schritten Vorrang einzuräumen:

6.1. systematische kostenlose Vorfelduntersuchung (Screening) von Kleinkindern vor dem
Alter von 18 Monaten;

6.2. Verhütung der Übertragung von der Mutter auf das Kind, was bedeutet, dass alle
werdenden Mütter automatisch Zugang zu einer Vorsorgefrühuntersuchung erhalten müssen;

6.3. freier Zugang zu einer antiretroviralen Therapie für Mütter und Kinder, die eine
Senkung der Kosten von HIV/AIDS-Präparaten und den Zugang zu generischen und
geeigneten pädiatrischen HIV/AIDS-Arzneimitteln für alle voraussetzt;

6.4. Maßnahmen zur Verhinderung der Aussetzung infizierter Kinder und zur Schaffung
geeigneter Aufnahme- und Versorgungszentren für sehr kleine Kinder;

6.5. Unterstützung für Einzelpersonen bei der Aufnahme und Fortführung der Behandlung
und angemessene Ernährung infizierter Kinder. Dabei handelt es sich, gerade auch in Afrika,
um sehr bedeutsame Maßnahmen;

6.6. psychologische Betreuung und begleitende medizinische Behandlung
opportunistischer Infektionen bei HIV/AIDS-Kindern;

6.7. Weiterentwicklung der Forschungsarbeiten an pädiatrischen HIV/AIDS-
Arzneimitteln, -Impfungen und Diagnosehilfsmitteln.

7. Das Recht von HIV/AIDS-Kindern auf Bildung ist anzuerkennen, und die Kinder
müssen dieses Recht ohne Diskriminierung genauso wahrnehmen können wie das Recht auf
eine Berufsausbildung, das wesentlich dazu beiträgt, jungen HIV/AIDS-Opfern bei der
Arbeitssuche zu helfen. Sexualerziehung und -aufklärung und Mittel zur Verhütung der
Krankheit und ihrer Übertragung sind gerade auch bei jungen Menschen von entscheidender
Bedeutung.

8. Es sind Strategien erforderlich, um je nach den Umständen vor Ort für AIDS-Waisen
zu sorgen. Dabei muss die erste Priorität darin bestehen, die Kinder in ihrer örtlichen

Drucksache 16/4922 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Gemeinschaft und ihrem dortigen Umfeld zu belassen und zugleich die potenziellen Vorteile
einer – vor allem internationalen – Adoption im Auge zu behalten. Der Grundschulbesuch
muss – gerade auch in Afrika – für HIV/AIDS-Kinder kostenlos sein.

9. Die Schulung von Gesundheitsarbeitern sollte dabei nicht vernachlässigt werden, um
Vorurteile und Unwissenheit in Bezug auf die Krankheit und jede mögliche Ablehnung der
Therapie zu bekämpfen, die bestraft werden sollte. Spezifische Informationskampagnen und
Aufklärungsmaßnahmen – vorzugsweise auf Peer-Basis – sind erforderlich, um Minderheiten
und Migranten zu erreichen und ihr Bewusstsein im Hinblick auf die Übertragung des Virus
zu schärfen.

10. Die Entwicklungspolitik sollte insbesondere in Afrika den Kindern den Vorrang
einräumen und darf nicht zulassen, dass Finanzmittel von einer ausufernden Bürokratie
verschlungen werden. Die Effektivität und der Endverbleib der Mittel müssen überwacht
werden, wobei praxisnahe Projekte bevorzugt werden sollten, vor allem wenn sie von NRO –
entscheidenden Partnern der Regierungen wie der Spender – geführt werden.

11. Die afrikanischen Regierungen müssen beim Aufbau ihrer Gesundheitssysteme
Unterstützung erhalten, und es müssen mit ihnen Maßnahmen vereinbart werden, um der
Abwanderung von Gesundheitspersonal ein Ende zu setzen.

12. Schließlich müssen die Mitgliedstaaten des Europarats wesentliche Beiträge zu der
Arbeit des Weltweiten Fonds für den Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria leisten.

13. Die Versammlung ist der Auffassung, dass es nützlich wäre zu untersuchen, ob und
wie die in dieser Entschließung sowie die in der Entschließung 1536 (2007) betr. HIV/AIDS
in Europa und in der Empfehlung 1785 (2007) über die Ausbreitung der HIV/AIDS-Epidemie
unter Frauen und Mädchen in Europa festgelegten Prinzipien außerhalb des europäischen
Kontextes angewandt werden können und beschließt daher, ihre Untersuchungen über
HIV/AIDS in Bezug auf Entwicklungsländer und insbesondere in Bezug auf das Afrika
südlich der Sahara fortzusetzen, möglichst in enger Zusammenarbeit mit dem
Panafrikanischen Parlament (P.A.P.), der Vereinigung Europäischer Parlamentarier für Afrika
(AWEPA) sowie mit den zuständigen Standesorganisationen.

Entschließung 1538 (2007)9

betr. Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien

1. Albanien trat am 29. Juni 1995 dem Europarat bei. Bei seinem Beitritt nahm Albanien
die satzungsmäßigen Verpflichtungen an, die allen Mitgliedstaaten des Europarats obliegen.
Außerdem übernahm Albanien eine Reihe spezifischer Verpflichtungen, die innerhalb
angegebener Fristen (siehe Stellungnahme Nr. 189 (1995) der Versammlung) einzuhalten es
zusagte.
9 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (8. Sitzung) (siehe Dok. 11115, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss),
Ko-Berichterstatter: Herr Leo Platvoet und Herr David Wilshire).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/4922

2. In dem letzten von der Versammlung geprüften Überwachungsbericht und der im
April 2004 angenommenen Entschließung 1377 (2004) wurden die Fortschritte begrüßt, die
seit 2001 auf dem Wege hin zu einer funktionierenden pluralistischen Demokratie und einem
von Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte geprägten Staat erzielt werden
konnten. Die Versammlung gelangte zu dem Schluss, dass „das Überwachungsverfahren so
lange offen bleiben sollte, bis die albanischen Behörden bei der Einhaltung allgemeiner
Verpflichtungen und spezifischer Zusagen, die sich aus der Mitgliedschaft im Europarat
ergeben, weitere Fortschritte erzielt haben, insbesondere um greifbare Ergebnisse bei der
Verhütung und Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität nachzuweisen
und ihre Ergebnisse bei der Umsetzung der Gesetzgebung und der Durchführung von Wahlen
nach internationalen Standards zu verbessern“.

3. Die Versammlung begrüßt es, dass die Wahlen vom Juli 2005 den ersten friedlichen
und reibungslosen Machtwechsel in Albanien seit dem Fall des Kommunismus und den ersten
Parlamentswahlen 1991 bezeichneten: Eine von der Demokratischen Partei und kleineren
Parteien gebildete neue Regierung übernahm die Macht von der vorherigen Sozialistischen
Partei und wurde am 11. September 2005 vereidigt.

4. Allerdings wird das politische Leben in Albanien von Konfrontationen und einer
Blockadepolitik vergiftet. Das schlechte politische Klima führt, gerade auch bei der
Wahlgesetzgebung und in den Medien, zur Verzögerung von Reformen, die angesichts der
anstehenden Kommunalwahlen vom Februar 2007 dringend erforderlich sind. Eine am
30. August 2006 mit internationaler Hilfe erzielte Vereinbarung zwischen den beiden Seiten
wurde nachdrücklich begrüßt, muss aber erst noch umgesetzt werden.

5. Albanien unterhält gute und sich stetig verbessernde Beziehungen zu seinen Nachbarn,
hat seine offene und konstruktive Politik gegenüber dem Kosovo beibehalten und sich für die
Regelung des endgültigen Status des Kosovo im Rahmen seiner Integration in die
Europäische Union eingesetzt. Außerdem weist Albanien ein stabiles Wirtschaftswachstum
und einen ständigen Rückgang der Armut auf.

6. Die Versammlung beglückwünscht Albanien zur Unterzeichnung des Stabilisierungs-
und Assoziierungsabkommens mit der EU im Juni 2006 und stellt fest, dass die politischen
Anforderungen an einen EU-Beitritt weit gehend mit den Pflichten und Verpflichtungen
Albaniens gegenüber dem Europarat auf den Gebieten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte übereinstimmen.

7. Was die Verpflichtungen Albaniens gegenüber der Demokratie angeht,

7.1. erinnert die Versammlung daran, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission
einschließlich des Ad-hoc-Ausschusses des Präsidiums zu dem Schluss gelangt ist, dass die
Parlamentswahlen in Albanien am 3. Juli 2005, auch wenn sie auf der Grundlage eines
verbesserten Wahlgesetzes durchgeführt wurden, „… nur zum Teil den internationalen
Verpflichtungen und Standards für demokratische Wahlen (entsprachen)“;

7.1.1. ist die Versammlung der Auffassung, dass die albanischen Behörden
insbesondere die Genauigkeit der Standesamtsregister und Wählerlisten verbessern
und ein einheitliches System der Gebäudeadressierung erarbeiten sollten; ferner
sollten neue Ausweisdokumente eingeführt, die übermäßige Rolle der politischen
Parteien bei Wahlvorgängen beschränkt und die Durchführung von Wahlen überprüft
werden;

Drucksache 16/4922 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7.1.2. begrüßt es die Versammlung, dass alle Parteien sich darüber einig sind, die
Kontroverse anzugehen, die aufgrund der Möglichkeit einer taktischen Stimmabgabe
nach der derzeitigen Wahlgesetzgebung entstanden ist, bittet die Parteien, diesen Streit
mit Hilfe internationaler Experten unter Einschluss der Venedig-Kommission des
Europarats in dem laufenden Wahlreformprozess beizulegen und ihr ernsthaftes
Engagement für eine Beschleunigung der Wahlreform in anderen Fragen zu zeigen,
um ihre eigene Vereinbarung vom 30. August 2006 und die übrigen Empfehlungen
internationaler Beobachter umzusetzen;

7.2. begrüßt es die Versammlung, dass das Parlament seinen Einfluss und seine Rolle
weiter gesteigert und trotz Meinungsverschiedenheiten über Abstimmungsverfahren bei den
technischen Abläufen ständig Verbesserungen erzielt hat;

7.3. bedauert es die Versammlung, dass die Beziehungen zwischen den Parteien weiterhin
polarisiert und belastet sind, was die parlamentarische Reformarbeit verzögert. Alle Parteien
sind gemeinsam dafür verantwortlich, die Befugnisse und die Rolle des Parlaments zu
stärken. Größere Reformen erfordern einen breiten politischen Konsens, der im Parlament
angestrebt werden sollte;

7.4. stellt die Versammlung fest, dass dem Kongress der Gemeinden und Regionen
Europas zufolge „trotz der von der derzeitigen Regierung erklärten Absicht eines ehrgeizigen
Reformprozesses an der zurzeit ergangenen Gesetzgebung gemessen bisher wenig geschehen
ist, um das System der kommunalen und regionalen Verwaltung in Albanien zu reformieren“;

7.4.1. begrüßt die Versammlung die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen:
Erhöhung der ohne Auflagen gewährten Kredite für die Kommunalverwaltung;
Übertragung der Zuständigkeit für die Einziehung und Verwaltung von Steuern bei
Kleinunternehmen sowie für die Verwaltung von Kanalisations- und
Wasserversorgungssystemen und die Übertragung auf im Staatsbesitz befindliche
kommunale Liegenschaften;

7.4.2. fordert die Versammlung die albanischen Behörden nachdrücklich auf, die
Empfehlungen des Kongresses, insbesondere in Bezug auf den derzeitigen Stand der
kommunalen und regionalen Selbstverwaltung und ihre Einhaltung der Europäischen
Charta der kommunalen Selbstverwaltung, ebenso die Finanzautonomie lokaler und
regionaler Stellen, die administrative Überwachung kommunaler Behörden, das
Wahlsystem und anstehende Kommunalwahlen umzusetzen;

7.4.3. misst die Versammlung den anstehenden Kommunalwahlen, die sie als
wichtige Prüfung der Fähigkeit der albanischen Behörden ansieht, freie und faire
Wahlen abzuhalten, große Bedeutung bei. Angesichts der ausgebliebenen
Verabschiedung einer umfassenden Wahlrechtsreform entsprechend den
Empfehlungen, die zuvor von internationalen Beobachtern gemacht worden waren,
müssen rechtzeitig vor den Kommunalwahlen einige vorrangige Fragen angesprochen
werden, wie z.B. Empfehlungen zu den Wählerverzeichnissen, der Durchführung der
Wahlen, der Stimmenauszählung, den tabellarischen Aufstellungen und dem
Einspruchsverfahren.

8. Im Hinblick auf die Verpflichtung Albaniens, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu
gewährleisten,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/4922

8.1. begrüßt die Versammlung die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Einführung und
Durchsetzung einer Null-Toleranz-Politik bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität,
des Menschenhandels und der Korruption. Die Versammlung hält insbesondere fest, dass

8.1.1. entsprechend ihrer Entschließung 1377 (2004) das Gesetz über den Gerichtshof
für schwere Straftaten so geändert wurde, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs auf
Fälle organisierter Kriminalität und von Menschenhandel beschränkt wurde. Der
Gerichtshof und die Staatsanwaltschaft für schwere Straftaten haben sich als wirksame
Waffe im Kampf gegen die organisierte Kriminalität erwiesen;

8.1.2. die Regierung bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität bedeutsame
Erfolge erzielt und gegenüber 33 Gruppen von Straftätern mit hunderten von
Mitgliedern Anklage erhoben hat;

8.1.3. gegen eine große Zahl von öffentlichen Bediensteten unter dem Vorwurf der
Korruption Ermittlungen, Strafverfolgungen und Verurteilungen durchgeführt werden.
Die Prüf- und Kontrollstellen haben ihre Tätigkeit in Bezug auf die Verwendung
öffentlicher Gelder in der Staatsverwaltung intensiviert;

8.2. fordert die Versammlung, obwohl Reformen in der öffentlichen Verwaltung zur
Bekämpfung der Korruption und zur Kostensenkung zu begrüßen sind, die albanischen
Behörden nachdrücklich auf, bei der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern das Gesetz
über den öffentlichen Dienst in vollem Umfang einzuhalten. Die Effektivität der öffentlichen
Verwaltung sollte weiter gestärkt werden, was sich nicht einfach durch Abbau oder
Auswechselung von Personal erreichen lässt. Ebenso muss die Professionalität leitender
Beamter erhöht und politisch motivierten Besetzungen ein Ende gesetzt werden;

8.3. bedauert die Versammlung, dass Bemühungen um schnelle Fortschritte bei der
Korruptionsbekämpfung bisweilen zu unzureichend ausformulierten Gesetzen geführt haben,
von denen einige anschließend für verfassungswidrig erklärt wurden. Gesetze sollten unter
uneingeschränkter Achtung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sorgfältig erarbeitet
werden, und sowohl inländische als auch internationale fachliche Beratung – auch seitens des
Europarats – sollte mehr als bisher in Anspruch genommen werden. In Verbindung mit ihrem
Kampf gegen die Korruption sollten Regierung und Parlament außerdem die
uneingeschränkte Achtung unabhängiger und verfassungsmäßig garantierter Institutionen, wie
z.B. der Generalstaatsanwaltschaft und des „Obersten Justizrats“, gewährleisten;

8.4. stellt die Versammlung fest, dass Bemühungen zur Umsetzung von Gesetzen in Gang
sind, aber noch keine greifbaren Ergebnisse vorliegen. Eine effektive Umsetzung könnte
durch eine Erhöhung der Transparenz des Prozesses zur Erarbeitung von Gesetzen weiter
verbessert werden;

8.5. begrüßt die Versammlung die Fortschritte bei der Vollstreckung endgültiger
Gerichtsurteile infolge einer Reorganisation der Zustellungsverfahren und von
Verbesserungen in der Funktionsweise des Gerichtswesens und bekundet ihre Genugtuung
darüber, dass neue Richter nur ernannt werden, wenn sie Absolventen der Richterakademie
sind;

8.6. fordert die Versammlung die albanischen Behörden nachdrücklich auf, die
Justizreform weiterzuführen. Insbesondere sollten die albanischen Behörden

8.6.1. sachkundigen Rat des Europarats zu Änderungen an dem Gesetz zur
Organisation des Gerichtswesens berücksichtigen, um die Unabhängigkeit und
Professionalität der Richter zu stärken;

Drucksache 16/4922 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8.6.2. sich dem Problem der Besoldung der Richter widmen und die Haushaltsmittel
für das Gerichtswesen aufstocken;

8.6.3. Gesetze über die Stellung, Anwerbung, Befugnisse und Vergütung von
Verwaltungspersonal an Gerichten verabschieden;

8.6.4. die Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten an der Richterakademie
fortsetzen und bei Neueinstellungen wettbewerbsgeprägte Prüfungen abhalten;

8.6.5. sachkundigen Rat des Europarats zu dem Gesetz über die Organisation der
Staatsanwaltschaft berücksichtigen und ein System zur Bewertung von Staatsanwälten
einführen, wie dies vor kurzem bei den Richtern geschehen ist.

9. Im Hinblick auf die Verpflichtung Albaniens, die Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten zu gewährleisten,

9.1. bekundet die Versammlung ihre Genugtuung darüber, dass die albanische Regierung
im Juli 2006 die Veröffentlichung von zwei Berichten des Komitees zur Verhütung von Folter
und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) zuließ und fordert die
albanischen Behörden nachdrücklich auf,

9.1.1. die in diesen und früheren Berichten enthaltenen Empfehlungen schnell durch-
zusetzen und entschlossene Maßnahmen zu ergreifen, um Misshandlungen im Polizei-
gewahrsam ein Ende zu setzen und zugleich die Effektivität der entsprechenden
Ermittlungen zu steigern, damit die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und bestraft
werden können;

9.1.2. die Übergabe der Zuständigkeit für Untersuchungshaftanstalten an das Justiz-
ministerium wirksam abzuschließen, die Verhältnisse in den Gefängnissen zu
verbessern und neue Vollzugsanstalten zu bauen;

9.2. begrüßt die Versammlung die zur Erhöhung der Transparenz der Tätigkeit der
Regierung ergriffenen Maßnahmen und unterstützt die gegenwärtigen Anstrengungen, die
Umsetzung der Gesetze über den Zugang zu Informationen zu verbessern und das
Bewusstsein der Bürger für ihre Rechte zu steigern. Sie bekundet ihre Genugtuung über die
Annahme eines neuen Ethikcodes für Journalisten und die Einrichtung eines Rats für Ethik in
den Medien sowie die Annahme einer staatlichen Politik, wonach das geltende Recht über
Verleumdung nicht als Mittel zur Einschüchterung von Journalisten verwendet werden darf;

9.3. bittet die Versammlung die albanischen Behörden,

9.3.1. unverzüglich Änderungen des Strafgesetzbuchs und des Zivilgesetzbuchs zu
verabschieden, um Verleumdung zu entkriminalisieren und die zivilrechtlichen
Bestimmungen über Verleumdung mit Hilfe des Europarats zu reformieren;

9.3.2. die Vorschriften über den Besitz und die Finanzierung von
Medienunternehmen zu verbessern;

9.4. begrüßt es die Versammlung, dass nach einer Auseinandersetzung über Gesetzes-
änderungen in Bezug auf die Zusammensetzung der beiden Regulierungs- und
Aufsichtsbehörden für elektronische Medien zwischen der Mehrheit und der Opposition
Anfang August Einvernehmen darüber erreicht wurde, sachkundige Hilfestellung des
Europarats zu der Entwicklung von Gesetzesreformen auf die Mediensektor zu erbitten;

9.5. bittet die Versammlung die albanischen Behörden,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/4922

9.5.1. die Mediengesetzgebung in Übereinstimmung mit den Anmerkungen der
Experten des Europarats zu überarbeiten;

9.5.2. sicherzustellen, dass jeder künftige Gesetzesentwurf zur Medienreform nach
Beratungen mit Medienvertretern sorgfältig und transparent erarbeitet wird;

9.5.3. die Umwandlung des albanischen Fernsehens von einer staatlich kontrollierten
Einrichtung in einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu vollziehen;

9.6. bittet die Versammlung die albanischen Behörden, den Vorgang der Eintragung und
Rückgabe von unter dem kommunistischen Regime beschlagnahmten Vermögenswerten zu
beschleunigen und in Übereinstimmung mit der verfassungsmäßigen Garantie des
Eigentumsrechts und von Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur Europäischen
Menschenrechtskonvention Schadenersatz zu gewähren;

9.7. begrüßt die Versammlung die vor kurzem erfolgte Unterzeichnung von „Memoranda
of Understanding“ zwischen zentralstaatlichen Behörden und lokalen Stellen in Regionen, in
denen Minderheiten stark vertreten sind;

9.8. bittet die Versammlung die albanischen Behörden,

9.8.1. unverzüglich an einer landesweiten Volkszählung im Hinblick auf die
Zugehörigkeit zu Minderheiten zu arbeiten;

9.8.2. die Rolle des neuen geschaffenen Staatskomitees für Minderheiten durch
Festlegung klarer Vorschriften und Leitlinien für dessen Tätigkeit zu stärken;

9.8.3. die wirksame Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler
Minderheiten sicherzustellen und dazu die bestehenden Gesetze zu verbessern und
spezifische Durchführungsvorschriften zu verabschieden, um für Unterricht in
Minderheitensprachen und deren Gebrauch im Behördenverkehr zu sorgen und
traditionelle lokale Namen zu verwenden;

9.8.4. ihre Bemühungen fortzusetzen, die Empfehlungen des Berichts 2004 der
Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) umzusetzen,
insbesondere im Hinblick auf die Lage der Roma und der „Ägypter“ (Aschkali);

9.9. stellt die Versammlung fest, dass häusliche Gewalt gegen Frauen und der Schutz der
Rechte von Kindern weiterhin Anlass zu großer Besorgnis geben und bittet die albanischen
Behörden,

9.9.1. ein Gesetz über die Verhütung häuslicher Gewalt zu verabschieden und
effektiv umzusetzen;

9.9.2. die aktive Teilnahme von Frauen am politischen Leben des Landes zu fördern;

9.9.3. zügig Maßnahmen umzusetzen, um die Probleme des Schulbesuchs, der
Kinderarbeit und nicht eingetragener Kinder wirksam anzugehen;

9.10. fordert die Versammlung die albanischen Behörden auf, gegen alle Formen der
Diskriminierung vorzugehen;

9.11. begrüßt die Versammlung die deutliche Abnahme des Menschenhandels in den letzten
Jahren sowie vor kurzem unterzeichnete oder geplante Vereinbarungen mit Nachbarländern
über die Wiedereinreise verschleppter Kinder;

Drucksache 16/4922 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

9.12. bittet die Versammlung die albanischen Behörden, die wirksame Verfolgung von
Menschenhändlern und die Unterstützung von Opfern des Menschenhandels weiter zu
verbessern.

10. Im Hinblick auf die förmlichen Verpflichtungen, die mit dem Beitritt Albaniens zum
Europarat eingegangen wurden, wiederholt die Versammlung ihre Bitte, möglichst bald die
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (ETS Nr. 148) zu
unterzeichnen und zu ratifizieren.

11. Angesichts der bisher erzielten Fortschritte beschließt die Versammlung, ihre
Überwachung der Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien so lange
fortzusetzen, bis auf den in dieser Entschließung erwähnten Gebieten ergriffene oder geplante
Maßnahmen zu greifbaren Ergebnissen geführt haben.

Empfehlung 1777 (2007)10

betr.: sexuelle Übergriffe in Verbindung mit „Vergewaltigungsdrogen“

1. Die Parlamentarische Versammlung ist zutiefst besorgt über die immer häufigeren
Berichte über Fälle sexueller Gewalt, bei denen die Opfer sich, ohne es zu wissen, unter dem
Einfluss von Substanzen wie Rohypnol, GHB und Ketamin befanden, die als
„Vergewaltigungsdrogen“ („date-rape drugs“) bezeichnet werden. Bei den Opfern der
unfreiwilligen Einnahme solcher Rauschmittel handelt es sich ganz überwiegend um Frauen
und Mädchen, von denen die meisten vergewaltigt werden, wobei jedoch auch Berichte über
sexuelle Übergriffe auf Männer mithilfe dieser Drogen – sowie über Beraubungsdelikte –
vorliegen.

2. Jeder sexuelle Übergriff, insbesondere jedoch eine Vergewaltigung, ist eine
unentschuldbare Straftat, die das Opfer einem schweren physischen und psychischen Trauma
aussetzt. Die Traumatisierung wird noch verstärkt, wenn der sexuelle Übergriff unter dem
Einfluss so genannter „Vergewaltigungsdrogen“ erfolgt, da das Opfer das Mittel
eingenommen hat, ohne es zu wissen. Darüber hinaus ist das Opfer oft viele Stunden lang
außer Gefecht gesetzt, während die Substanzen seinen Körper sehr schnell durchlaufen,
wodurch es für das Opfer sehr schwer wird, die Straftat rechtzeitig zu melden, solange die
Substanzen in seinem Körper noch physisch nachgewiesen werden können.

3. Zu der Schädigung kommt noch die Schmach hinzu, da die Folgen dieser Substanzen
für das Verhalten nach der Einschätzung von Zuschauern den Wirkungen freiwilligen
Alkoholkonsums sehr ähnlich sehen können, wobei die natürlichen Hemmungen der Opfer
ebenfalls vermindert sein können. Es lässt sich also nur sehr schwer nachweisen, dass der
Täter ohne Einwilligung des Opfers sexuelle Beziehungen aufgenommen hat, selbst wenn das
Opfer den Verantwortlichen identifizieren kann (was angesichts der arzneimittelbedingten
Bewusstlosigkeit und/oder des Gedächtnisverlusts nicht unbedingt der Fall ist).
10 Debatte der Versammlung am 22. Januar 2007 (2. Sitzung) (siehe Dok. 11038, Bericht des Ausschusses für die
Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau Maria Damanaki)
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 22. Januar 2007 (2. Sitzung)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/4922

4. Demzufolge gehören sexuelle Übergriffe in Verbindung mit „Vergewaltigungsdrogen“
zu den am wenigsten angezeigten Straftaten – selbst in Ländern, in denen diese Erscheinung
relativ gut untersucht worden ist, Gegenstand einer breiten Veröffentlichung ist und von der
Polizei ernst genommen wird. Die Zahl erfolgreicher Strafverfolgungen ist zum Beispiel im
Vereinigten Königreich vernachlässigbar gering, auch wenn eine neue Gesetzgebung, wonach
ein sexueller Übergriff als sexuelle Beziehung definiert wird, bei der das Opfer nicht die
„Freiheit und Fähigkeit zur Einwilligung“ gehabt hat, positive Auswirkungen zu zeigen
beginnt.

5. Es besteht die Notwendigkeit, das Bewusstsein für „Vergewaltigungsdrogen“ in ganz
Europa zu steigern – in der breiten Öffentlichkeit ebenso wie bei den Strafverfolgern. Opfern
eines sexuellen Übergriffs in Verbindung mit „Vergewaltigungsdrogen“ muss geeignete
Hilfestellung zur Verfügung stehen, und sie müssen Unterstützung und Förderung erhalten,
um diese in Anspruch nehmen zu können.

6. Die Parlamentarische Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee angesichts des
spezifischen Charakters dieser Straftat und ihrer Folgen für die Opfer sowie des allgemein
mangelnden Bewusstseins für dieses Problem bei den Behörden wie auch in der breiten
Öffentlichkeit,

6.1. die zuständigen Einrichtungen des Europarats im intergouvernementalen Bereich
anzuweisen, die Erscheinung zu untersuchen und zu ihrer Behandlung ein harmonisiertes
europäisches Vorgehen auf fachlich-wissenschaftlicher Ebene wie auch in der Strafverfolgung
und im Gerichtswesen zu empfehlen;

6.2. den Mitgliedstaaten des Europarats in der Zwischenzeit zu empfehlen,

6.2.1. verstärkt das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit und der zuständigen
Stellen in Bezug auf „Vergewaltigungsdrogen“ und die mit ihrer Verwendung
verbundenen spezifischen Probleme zu wecken, Informationskampagnen
einschließlich Fernsehspots zu organisieren und alle Behörden zu ermutigen,
einschlägige Informationen und Erfahrungen untereinander auszutauschen;

6.2.2. spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Opfer schnell
medizinische und psychologische Betreuung erhalten, von der Möglichkeit zur
Durchführung von Tests sowie der Meldung der Straftat in Kenntnis gesetzt
werden, zum Beispiel durch Schulung von Mitarbeitern an der Öffentlichkeit
zugänglichen Orten (Bars, Gaststätten) und die Verteilung geeigneter
Urinteststäbchen an die Polizei und die ärztlichen Dienste sowie die
Einrichtungen, in denen Alkohol verkauft werden darf;

6.2.3. Ausbildungsprogramme für diejenigen einzurichten, die Opfer von
Vergewaltigungen befragen und ihnen zur Seite stehen;

6.2.4. die polizeilichen Methoden und die gerichtsmedizinischen Verfahren zum
Nachweis solcher Substanzen in Blut, Urin oder Haar zu standardisieren;

6.2.5. das unveräußerliche Recht der Opfer von Vergewaltigung anzuerkennen, aus
der Vergewaltigung entstehende Schwangerschaften abzubrechen, falls sie dies
wünschen;

6.2.6. die Gesetzgebung über Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe zu
überarbeiten, um hieraus eine geschlechtsneutrale Straftat zu machen und,

Drucksache 16/4922 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

soweit dies noch nicht geschehen ist, eine Bestimmung einzuführen, die
verlangt, dass das Opfer die „Freiheit und Fähigkeit zur Einwilligung“ in
sexuelle Beziehungen gehabt hat, auch in Fällen einer Vergewaltigung in der
Ehe.

6.2.7. Vergewaltigungsdrogen auf die Listen der kontrollierten Drogen zu setzen;

6.2.8. die Pharmaunternehmen nachdrücklich aufzufordern, Methoden zu entwickeln,
mit denen einschlägige Drogen leichter identifiziert werden können, wenn sie
in Flüssigkeiten aufgelöst werden.

Empfehlung 1778 (2007)11

betr. Kinder als Opfer: Ausmerzung aller Formen der Gewalt, der Ausbeutung
und des Missbrauchs

1. Die Parlamentarische Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee unter
Bezugnahme auf ihre Entschließung 1530 (2007) über „Kinder als Opfer: Ausmerzung aller
Formen der Gewalt, der Ausbeutung und des Missbrauchs", die Mitgliedstaaten des
Europarats, die dies noch nicht getan haben, zu bitten, die bestehenden internationalen und
europäischen Rechtsinstrumente über den Kinderschutz, insbesondere die in der
Entschließung genannten, möglichst bald zu unterzeichnen und zu ratifizieren und ein
Verfahren zur Überwachung der in den Mitgliedstaaten vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen
einzuführen und ihr innerhalb von 6 Monaten zu bestätigen, dass entsprechende Maßnahmen
ergriffen wurden.

2. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee, alle geeigneten Schritte einzuleiten, um
dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten des Europarats

2.1. im Inland rechtliche und soziale Verfahren im Sinne der Entschließung 1530 (2007)
erarbeiten und einführen, um den Schutz von Kindern vor allen Formen der Gewalt, der
Ausbeutung oder des Missbrauchs zu gewährleisten;

2.2. die zuständigen nationalen Behörden darin bestärken, bei Kindern und Erwachsenen
für die weite Verbreitung von Informationen und Ratschlägen zur Verhütung, Aufdeckung
und Verfolgung von Missbrauchshandlungen an Kindern zu sorgen und die diesbezügliche
fachliche Weiterbildung von Berufspraktikern, die mit Kindern umgehen, auszubauen;

2.3. Partnerschaften und Zusammenarbeit auf nationaler, europäischer und internationaler
Ebene fördern, um effektive Strukturen zum Schutz von Kindern zu errichten, wie z.B.
Zentralregister, die eine Erfassung der verschiedenen Formen begangener Gewalttaten und
von deren Opfern, die Aufdeckung und Zerschlagung bestehender Netzwerke zur Ausbeutung
von Kindern sowie die Aktivierung geeigneter und effektiver strafrechtlicher Strukturen
ermöglichen;
11 Debatte der Versammlung am 23. Januar 2007 (3. Sitzung) (siehe Dok.11118, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Jean-Charles Gardetto).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 23. Januar 2007 (3. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/4922

2.4. materiell und personell ausreichend ausgestattete Aktionspläne aufzustellen, um alle
Formen der Gewalt, der Ausbeutung und des Missbrauchs von Kindern zu bekämpfen.

3. Darüber hinaus fordert die Versammlung das Ministerkomitee nachdrücklich auf,
seine zuständigen Regierungsausschüsse, insbesondere den Europäischen Ausschuss für
rechtliche Zusammenarbeit (CDCJ), anzuweisen, in enger Zusammenarbeit mit der
Parlamentarischen Versammlung den Entwurf einer Konvention vorzulegen, durch die
Kindern umfassender Schutz vor allen Formen von Gewalt, Ausbeutung oder Missbrauch
geboten werden soll und ein Gesetzesmodell zu unterbreiten, das die Bestimmungen der
vorgenannten Konvention umsetzt, in allen Mitgliedstaaten anwendbar ist, insbesondere
Konzepte wie die „wohlverstandenen Interessen“ des Kindes definiert, strafrechtliche
Definitionen von Straftaten an Kindern harmonisiert und bestrebt ist, Kinder – unabhängig
von der Ursache und der Form dieser Handlung – umfassend vor jeder Beeinträchtigung ihrer
körperlichen oder psychischen Unversehrtheit zu Beschützen.

4. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee, die zuständigen Regierungsausschüsse
anzuweisen Maßnahmen vorzuschlagen, um den Zugang von Kindern zur Klageeinreichung
und Beschwerdeführung zu erleichtern und zu verbessern im Hinblick auf die Wahrung der
ihnen zugesicherten Rechte durch die Rechtsinstrumente des Europarates, insbesondere die
Europäische Menschenrechtskonvention und die überarbeitete Sozialcharta.

5. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee, Mittel und Wege zu finden, die es
ermöglichen, Kinder soweit wie möglich im Sinne dieser Empfehlung in die geleistete Arbeit
entsprechend miteinzubeziehen.

Empfehlung 1779 (2007)12

betr. die Gefahr der Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel

1. Unter Verweis auf ihre Entschließung 1531 (2007) über die Gefahr der Nutzung der
Energieversorgung als politisches Druckmittel sieht die Parlamentarische Versammlung es als
wesentlich für die Organisation an, die Demokratie, Rechtstaatlichkeit und freie
Marktprinzipien in Bezug auf die Sicherheit der Energieversorgung zu stärken.

2. Die Parlamentarische Versammlung empfiehlt deshalb dem Ministerkomitee,

2.1. eine gesamteuropäischen Arbeitsgruppe einzusetzen, um einen Dialog über
Energiesicherheit in Europa einzuleiten und einer gemeinsamen Strategie auf diesem Gebiet
auf der Grundlage der Solidarität und der Achtung marktwirtschaftlicher Prinzipien sowie der
Interessen aller Beteiligten aufzunehmen;

2.2. Leitsätze einer solchen Strategie auszuformulieren und Fragen wie Diversifizierung,
Transport, Preistransparenz, Modernisierung und Errichtung der Infrastruktur, verbesserte
Energieeffizienz sowie Nutzung erneuerbarer Energien zu behandeln;
12 Debatte der Versammlung am 23. Januar 2007 (4. Sitzung) (siehe Dok.11116, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Herr Marko Mihkelson).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 23. Januar 2007 (4. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2.3. alle Mitgliedstaaten zur Teilnahme an der Erarbeitung einer gemeinsamen gesamt-
europäischen Strategie einzuladen zur Förderung einer neuen gemeinsamen Politik, bei der
bei Energiefragen mit einer Stimme geprochen wird;

2.4. eine gesamteuropäische Konferenz zu diesem Thema abzuhalten;

2.5. die Mitgliedstaaten des Europarats nachdrücklich aufzufordern,

2.5.1. ihren internationalen Verpflichtungen auf dem Gebiet der Energie
nachzukommen;

2.5.2. die Energieversorgung nicht als ein Instrument des politischen Drucks
einzusetzen;

2.5.3. den Vertrag über die Energiecharta zu unterzeichnen und zu ratifizieren, wenn
sie dies noch nicht getan haben;

2.5.4. im Hinblick auf die Umsetzung des Transitprotokolls der Energiecharta ein
Höchstmaß an gutem Willen unter Beweis zu stellen;

2.5.5. auf dem Energiesektor marktwirtschaftliche Prinzipien (fairer Wettbewerb,
Transparenz, nicht diskriminierender Transit) zu beachten;

2.5.6. die Verwendung erneuerbarer Energien auf ihren nationalen Energiemärkten zu
ermutigen;

2.5.7. mehr zu tun, um Maßnahmen zu entwickeln mit dem Ziel, die Energieeffizienz
in der Industrie, beim Transport und bei Dienstleistungen zu verbessern;

2.5.8. Dritten den Zugang zu ihrem Rohrleitungsnetz zu erlauben;

2.5.9. einen ernsthaften gesamteuropäischen Dialog über Sicherheit auf dem
Energiesektor in Europa aufzunehmen;

2.5.10. ihre eigenen Energiemärkte zu liberalisieren und in den europäischen
Energiemarkt zu integrieren und die Beseitigung von fehlenden Verbindungen zu
beschleunigen, die auch sehr wichtig sind, um Stromausfälle oder –unterbrechungen
zu vermeiden;

2.6. im Rahmen einer Sonderkonferenz des Europarats den Gedanken einer Eurasischen
Wirtschaftsgemeinschaft zu untersuchen, um mit Blick auf eine mögliche Teilnahme aller
Mitgliedstaaten des Europarats einen gemeinsamen Energieraum zu schaffen.

3. Die Versammlung ist sich dessen bewusst, dass die Gewährleistung von wirklichem
Wettbewerb und die Schaffung eines echten Energiemarktes in Europa von einer
Diversifizierung der importierten Energiequellen abhängen. Dies wiederum trägt dazu bei, die
Gefahr zu verringern, dass die Energieversorgung als ein Instrument des politischen Drucks
verwendet wird. In diesem Zusammenhang fordert die Versammlung die Europäische Union
und die Europäische Investitionsbank auf, europäische Projekte, die dieses Ziel verfolgen, zu
fördern und ihnen Priorität einzuräumen, wie es bei der NABUCCO-Gaspipeline der Fall war.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/4922

Empfehlung 1780 (2007)13

betr. die derzeitige Lage im Kosovo

1. Unter Hinweis auf ihre Entschließung 1533 (2007) betr. die derzeitige Lage im
Kosovo verweist die Parlamentarische Versammlung erneut auf die historische Rolle des
Europarates bei der Verbesserung einer guten Regierungsführung, der Stärkung von
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, der Weiterentwicklung der Standards für die
Menschenrechte und der Verbesserung des Schutzes nationaler Minderheiten in Europa. Die
Versammlung ist überzeugt, dass sie eine ähnliche Rolle im Hinblick auf das Kosovo spielen
sollte, um zur uneingeschränkten Umsetzung der Standards für das Kosovo beizutragen.

2. Die Versammlung ist ebenfalls der Ansicht, dass der Europarat Serbien, einem
Mitgliedstaat, der eine heikle politische Phase durchläuft, besondere Unterstützung anbieten
sollte, und auch die Entwicklung freundlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen zwischen
allen wichtigen Akteuren auf dem Westbalkan unterstützen sollte.

3. Die Versammlung fordert daher das Ministerkomitee auf sicherzustellen, dass
der Europarat, in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren, einschließlich der
EU, eine Schlüsselrolle dabei übernimmt, Maßnahmen umzusetzen, die den Schutz der
Menschenrechte aller Personen im Kosovo sicherstellen, einschließlich:

3.1. der Erweiterung der Rolle des Europarates im Kosovo, insbesondere im
Hinblick auf:

3.1.1. den Schutz der Menschenrechte;

3.1.2. die freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde der
Flüchtlinge und Vertriebenen und ihre dauerhafte
Wiedereingliederung;

3.1.3. den Schutz nationaler Minderheiten;

3.1.4. die Verwendung von Minderheitensprachen;

3.1.5. den Dialog zwischen den Kulturen und das kulturelle Erbe;

3.1.6. die Bekämpfung von Korruption, organisiertem Verbrechen,
Geldwäsche und Menschenhandel;

3.1.7. die Demokratisierung und Finanzierung von politischen
Parteien;

3.1.8. die Rechenschaftspflicht der Polizei;

3.1.9. die Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz;
13 Debatte der Versammlung am 24. Januar 2007 (5. Sitzung) (siehe Dok. 11018, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Lord Russel-Johnston).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 24. Januar 2007 (6. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3.2. sich mit dem Amt des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten
Nationen für den künftigen Statusprozess für das Kosovo (UNOSEK) in Verbindung zu
setzen, um sicherzustellen, dass die Standards und Mechanismen der Europäischen
Menschenrechtskonvention vollständig in der Statusvereinbarung für das Kosovo zur
Anwendung gebracht und dort integriert werden;

3.3. die in Serbien durchgeführten oder an Serbien gerichteten
Informationsaktivitäten des Europarates zu verstärken ebenso wie Aktivitäten in Bezug auf
Geschichtsunterricht, Menschenrechtsbildung, Jugend und interkulturellen Dialog;

3.4. angesichts ihres verstärkten Engagements im Kosovo während der
Stabilisierungsphase nach der Statusfestlegung einen Dialog mit den zuständigen Stellen der
Europäischen Union einzuleiten, um eine verstärkte Rolle für den Europarat sicherzustellen,
auch durch Entsendung eines vom Europarat zu ernennenden Menschenrechtsberaters, der im
Rahmen der zukünftigen erweiterten EU-Präsenz im Kosovo tätig werden soll;

3.5. im Einklang mit der Empfehlung 1588 (2003) über Bevölkerungsvertreibungen
in Südosteuropa mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
(UNHCR) und, soweit angebracht, mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM),
zusammenzuarbeiten um dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge, Vertriebene und staatenlose
Personen zu finden;

3.6. die Anfrage des Justizministeriums und des Innenministeriums des Kosovo
(PISG), für ihre Institutionen sachverständige Beratung des Europarates durch
vorübergehende Ernennung eines Beraters für Menschenrechte zu erhalten, erneut zu prüfen;

3.7. eine verstärkte Rolle der Institution des Menschenrechtskommissars des
Europarates bei der Mitwirkung an einem Ausbau der Schutzrolle des Ombudsmanns im
Kosovo vorzusehen.

Empfehlung 1781 (2007)14

betr. Landwirtschaft und illegale Beschäftigung in Europa

1. Die Parlamentarische Versammlung ist über die vielen Fälle der Nichteinhaltung der
Sozialvorschriften in den Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen besorgt, vor allem im
Hinblick auf ausländische Arbeitskräfte auf dem landwirtschaftlichen Sektor. Sie erinnert an
eine Reihe von Arbeiten zu diesem Thema, vor allem ihre Entschließung 1509 und
Empfehlung 1755 über die Rechte irregulärer Migranten, Empfehlung 1767 (2006) und ihre
Entschließung 1521 (2006) über Massenankünfte irregulärer Einwanderer an den Südküsten
Europas, ihre Entschließung 1501 (2006) und ihre Empfehlung 1748 (2006) über die
Zuwanderung von Arbeitskräften aus den Ländern Mittel- und Osteuropas: derzeitiger Stand
und Ausblicke sowie ihre Empfehlung 1618 (2003) über irregulär in der Landwirtschaft
südeuropäischer Staaten beschäftigte Migranten (2006).

14 Debatte der Versammlung am 24. Januar 2007 (6. Sitzung) (siehe Dok. 11114, Bericht des Ausschusses für
Umwelt und Landwirtschaft, kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter: Herr John Dupraz).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 24. Januar 2007 (6. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/4922

2. Die Versammlung erinnert an die Europäische Konvention über den sozialen Schutz
von Landwirten (ETS 83) und insbesondere deren Artikel 3, in dem es heißt: „Jede
Vertragspartei stellt für Landwirte, deren Familienangehörige und gegebenenfalls ihre
bezahlten Beschäftigten einen sozialen Schutz sicher, der mit dem vergleichbar ist, den andere
Bevölkerungsgruppen genießen […]“. Die Versammlung verweist auf die in der revidierten
Europäischen Sozialcharta festgelegten Prinzipien, welche vorsehen, dass „alle Arbeiter das
Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen“ und „auf Würde am Arbeitsplatz haben“ (Teil 1,
Artikel 2 und Artikel 26) sowie auf das Übereinkommen zur Bekämpfung des
Menschenhandels. Sie erinnert darüber hinaus an die Konvention 184 des Internationalen
Arbeitsamts, die im Juni 2001 angenommene Empfehlung 192 über Sicherheit und
Gesundheit in der Landwirtschaft sowie die im März 2003 in Kraft getretene Internationale
Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und
ihrer Familienangehörigen und bedauert, dass nur drei Mitgliedstaaten des Europarates
(Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina sowie die Türkei) dieses Instrument ratifiziert
haben.

3. Seit gut 10 Jahren wirkt sich das System der schlanken Produktion auf die Versorgung
mit Obst und Gemüse aus, und die Agrarmärkte stehen unter einem ständigen
Liberalisierungsdruck. Das hat dramatische Folgen für die Erzeuger, die mit dem Zustrom
von Billigprodukten nicht mithalten können und der allgemeine Trend geht in Richtung der
Verdrängung von Kleinbauern durch große Lebensmittelkonzerne. Das Rennen um die
niedrigsten Preise wirkt sich unmittelbar auf die Beschäftigten auf diesen Sektoren aus, die
sich in ihrer Arbeit auf den Markttrend einstellen müssen, um nicht ihren Lebensunterhalt zu
verlieren und die Arbeitskraft ist mittlerweile zu einer bloßen „adjustable variable“ geworden.

4. Die Landwirtschaft ist nicht der einzige wirtschaftliche Sektor in Europa, der stark von
der Ausbeutung nicht angemeldeter Arbeitskräfte abhängt, bei denen es sich oft um Illegale
aus dem Ausland handelt, doch die Obst- und Gemüseerzeugung ist der einzige Bereich der
Intensivlandwirtschaft, die trotz aller Mechanisierung eine große Zahl von Arbeitskräften
benötigt. Der Einsatz nicht angemeldeter Arbeitskräfte ist mittlerweile ein Merkmal der
Landwirtschaft, vor allem bei der Saisonarbeit. Hieraus entstehen wirtschaftliche Vorteile und
eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten weniger gesetzestreuer Unternehmer, was mit dem
Missbrauch oder der völligen Verweigerung der sozialen Rechte landwirtschaftlicher
Arbeitnehmer einhergeht.

5. Die Versammlung ist sich bewusst, dass das Problem den gesamten Kontinent betrifft
und über die innerstaatlichen Befugnisse der Länder hinausgeht. Es entstehen internationale
Systeme für die Einschleusung illegaler Arbeitskräfte, die sich die Schwäche des Staates
zunutze machen, in dem die Arbeit suchenden Migranten sich aufhalten, die bereit sind,
nahezu alles zu tun, um für sich selbst und ihre Angehörigen in ihren Herkunftsländern eine
Chance für bessere Lebensverhältnisse zu erhalten. Dabei werden die Unterschiede in den
verschiedenen einzelstaatlichen Gesetzgebungen und das Fehlen europäischer Vorschriften zu
dieser Frage ausgenutzt.

6. Die Versammlung hat festgestellt, dass die illegale Beschäftigung leider Formen der
Ausbeutung aufweisen kann, die sie in einer modernen Gesellschaft angesichts der
Menschenrechte und der von dem Europarat verteidigten Werte als abstoßend empfindet.

7. Die Versammlung stellt fest, dass diejenigen, die illegal beschäftigt sind, auch oft
diejenigen sind, die sich in einer irregulären Situation befinden und dass sie damit auf
doppelte Weise als illegale Arbeitnehmer und als irreguläre Wanderarbeitnehmer einer
Ausbeutung ausgesetzt sind.

Drucksache 16/4922 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Die Versammlung ist der Auffassung, dass alle landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, ob
sie nun ständig oder saisonal beschäftigt werden, Männer und Frauen sind, die einen
Anspruch auf Achtung und Menschenwürde besitzen. Dementsprechend sollten ihnen durch
Anwendung einzelstaatlicher und internationaler arbeitsrechtlicher Gesetzgebungen die
gleichen Rechte wie anderen Beschäftigten gesichert werden.

9. Um den unterschiedlichen Regelungen ein Ende zu setzen, sollten die Beschäftigungs-
bedingungen in der Landwirtschaft einem verbindlichen rechtlichen Rahmen unterliegen, der
der jeweiligen Situation der Arbeitskräfte angepasst ist, ob es sich nun um ständig oder
saisonal beschäftigte, ausländische oder inländische Arbeitnehmer handelt. Damit würde es
auch möglich, das häufig unzureichende innerstaatliche Arbeitsangebot zu beleben. Dieser
gesetzliche Rahmen sollte mit Strafmaßnahmen für Verstöße und geeigneten und effektiven
Mitteln der Überwachung einhergehen.

10. Hierzu empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee, eine Empfehlung zu
erarbeiten und die Mitgliedstaaten darin zu bitten,

10.1. kollektive Arbeitsverträge für die Landwirtschaft insbesondere in Bezug auf die
Saisonarbeit zu erstellen und umzusetzen und den Besonderheiten des Sektors sowie dem dort
erforderlichen Arbeitstempo Rechnung zu tragen. Darin müssten die
Sozialversicherungsregelungen, die Löhne, die normale Arbeitszeit, Überstunden und die
Unterbringungssituation festgelegt werden, während gleichzeitig sicherzustellen wäre, dass
die Regelungen für die Verlängerung von Verträgen von einer unabhängigen Stelle überwacht
werden, um jede Art von Druck auf die Beschäftigten zu verhindern;

10.2. dafür zu sorgen, dass die Inhaber erneuerter Arbeitsgenehmigungen allmählich Rechte
erwerben, darunter auch das Recht auf verlängerten Aufenthalt, Familienzusammenführung
und eine Altersrente;

10.3. strenge und wirksame Systeme zur Überwachung dieser Vorschriften zu schaffen, die
für Verstöße gegen das Arbeitsrecht prompte und abschreckende Strafmaßnahmen vorsehen;

10.4. einer bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufzubauen, um die auf dem
Gebiet des Handels mit Arbeitskräften tätigen Schleuserringe zu bekämpfen und dazu
insbesondere das Netz nationaler Kontaktzentren zur Verbesserung der Aufklärung über die
Migration auszuweiten, das auf Staaten ausgedehnt werden könnte, die nicht der
Europäischen Union angehören, um auf diese Weise die gegen die Schleuserringe und ihre
illegalen Migrationswege eingesetzten Instrumente zu koordinieren;

10.5. sicherzustellen, dass irreguläre Migranten, einschließlich jene, die in der
Landwirtschaft arbeiten, mindestens die in der Entschließung 1509 (2006) der Versammlung
betreffend die Rechte von irregulären Migranten festgelegten Rechte erhalten;

10.6. die Hintergründe für den Einsatz irregulärer Wanderarbeitnehmer in der
Landwirtschaft, auch als Wirtschaftsfaktoren zu behandeln, das mangelnde Angebot von
Arbeitskräften vor Ort, Einschränkungen für die Beschäftigung von ausländischen Personen,
komplizierte Verwaltungsverfahren und unskrupelöser Arbeitgeber;

10.7. sich mit der Lage der irregulären Migranten, auch in der Landwirtschaft auf faire und
menschliche Art und Weise zu befassen und Optionen zu prüfen für ihre Legalisierung oder
für ihre Rückkehr in ihre Herkunftsländer;

10.8. für irreguläre Einwanderer Wiederaufnahmevereinbarungen zwischen den
Aufnahmeländern und den Herkunftsländern zu schließen, die mit spezifischen Aufklärungs-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/4922

und Schulungsprogrammen sowie Modellen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung in den Herkunftsländern verbunden sein sollten;

10.9. in Zusammenarbeit mit den Landwirtschaftsverbänden und den Gewerkschaften der
Landarbeiter groß angelegte Informationskampagnen über landwirtschaftliche Berufe
durchzuführen, die Ausbildung und Einstellung örtlicher Arbeitskräfte zu fördern und dabei
angemessene Arbeitsbedingungen in einem Geiste der Achtung und Anerkennung geleisteter
Arbeit einzuführen.

10.10. die nationalen und regionalen Ombudsmänner einzuladen, die gefährliche Lage
illegaler Arbeitnehmer, die in der Landwirtschaft beschäftigt werden, zu prüfen;

11. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee außerdem, das Europäische
Komitee für sozialen Zusammenhalt (CDCS) anzuweisen,

11.1. die Erarbeitung eines Zusatzprotokolls zu der Europäischen Konvention über den
sozialen Schutz von Landwirten (ETS 83) zu erwägen und für die Konvention einen
Überwachungsmechanismus aufzubauen;

11.2. ein Zusatzprotokoll zu der oben erwähnten Konvention zu erstellen, das sich mit dem
sozialen Schutz von Saisonarbeitern im landwirtschaftlichen Sektor beschäftigt.

12. Darüber hinaus bittet die Versammlung die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan
haben,

12.1. die Konvention über den sozialen Schutz von Landwirten (ETS 83) zu unterzeichnen
und/oder zu ratifizieren;

12.2. die Konvention 184 des Internationalen Arbeitsamts über Sicherheit und Gesundheit
in der Landwirtschaft zu unterzeichnen und/oder zu ratifizieren und die damit verbundene
Empfehlung 192 umzusetzen;

12.3. die Internationale Konvention der Vereinten Nationen über den Schutz der Rechte
aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu unterzeichnen und/oder zu
ratifizieren.

12.4. die revidierte Europäische Sozialcharta zu unterzeichnen und/oder zu ratifizieren;

12.5. das Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels zu unterzeichnen
und/oder zu ratifizieren.

13. Die Versammlung lädt auch den Menschenrechtskommissar des Europarates ein, die
Ausbeutung von Arbeitnehmern in der Landwirtschaft im Verlaufe seiner individuellen
Länderarbeit zu prüfen.

14. Abschließend bittet die Versammlung die nationalen und europäischen
Gewerkschaften, die Rechte von Saisonarbeitern, vor allem im landwirtschaftlichen Sektor, zu
fördern und zu schützen.

Drucksache 16/4922 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Empfehlung 1782 (2007)15

betr. Die Lage von Wanderarbeitnehmern bei Zeitagenturen

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1534 (2006) betr.
die Lage der Wanderarbeitnehmer bei Zeitarbeitsagenturen.

2. Darum empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee, die einschlägigen
intergouvernementalen Gremien zu bitten, zusammen mit der Internationalen
Arbeitsorganisation (IAO) und der Europäischen Union Kooperationsprogramme
auszuarbeiten, um

2.1. die derzeitigen Muster missbräuchlicher Praktiken bei grenzüberschreitender
Anwerbung von Zeitarbeitskräften zu untersuchen;

2.2. die Mitgliedstaaten, insbesondere die nicht der EU angehörenden, dabei zu
unterstützen, Strategien zur Bekämpfung der irregulären Anwerbung und des
Menschenhandels auszuarbeiten und durchzusetzen;

2.3. insbesondere die nicht der EU angehörenden Mitgliedstaaten dabei zu unter-
stützen, die Einstellung von Arbeitskräften zu regeln und wirksame
Durchsetzungsmechanismen (Gewerbeaufsicht, Abschreckung, Strafmaßnahmen
einschließlich der Strafverfolgung) anzuwenden;

2.4. die Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung von Aufklärungskampagnen über die
Rechte und Arbeitsbedingungen von Wanderarbeitnehmern zu unterstützen.

Empfehlung 1783 (2007)16

betr. Die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates verweist auf ihre Entschließung
1535 (2007) über Bedrohungen des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten sowie
auf ihren Beschluss, einen gezielten Überwachungsmechanismus für die Feststellung und
Analyse von Angriffen auf das Leben und die Meinungsfreiheit von Journalisten in Europa
einzusetzen.

2. Sie empfiehlt dem Ministerkomitee;

2.1. nach den Erklärungen des Präsidenten der Versammlung, des Generalsekretärs des
Europarates und des Kommissars für Menschenrechte des Europarates nach der Ermordung

15 Debatte der Versammlung am 24. Januar 2007 (6. Sitzung) (siehe Dok. 11109, Bericht des Ausschusses für
Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatter Herr Doug Henderson).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 24. Januar 2007 (6. Sitzung).

16 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (7. Sitzung) (siehe Dok 11143, Bericht des Ausschusses für
Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatter: Andrew McIntosh).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (7. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/4922

von Anna Politkovskaya und den jüngsten Erklärungen nach der Ermordung von Hrant Dink
einstimmig Angriffe auf Journalisten in Europa zu verurteilen,

2.2. Polizei- und Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten aufzufordern, rasch auf
Bedrohungen von Journalisten, die in Verbindung mit ihrer Arbeit stehen, zu reagieren und
spezielle Strategien für den Schutz von Journalisten, gegen die ernsthafte Bedrohungen
geäußert wurden, zu entwickeln, ohne dabei jedoch ihre Arbeit zu behindern;

2.3. seinen zuständigen Lenkungsausschuss anzuweisen, politische Richtlinien zu
erarbeiten für mögliche Maßnahmen durch Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zum
Schutze von Journalisten, die ernsthafte Bedrohungen erhalten haben;

2.4. einen Mechanismus für die Feststellung und Analyse von Angriffen auf Journalisten
und andere schwerwiegende Verletzungen der Meinungsfreiheit in Europa zu schaffen mit
dem Ziel, politische Empfehlungen für die Mitgliedstaaten darüber auszuarbeiten, wie
Journalisten und Meinungsfreiheit besser geschützt werden können und der Versammlung
regelmäßig in dieser Angelegenheit Bericht zu erstatten.

2.5. Arbeiten zu dieser Frage auf der Ebene der Vereinten Nationen zu fördern, gleichzeitig
die Standards des europäischen Ansatzes gegenüber dieser Frage im Einklang mit der
Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen einschlägigen Gesetzestexten des
Europarates aufrecht zu erhalten.

Empfehlung 1784 (2007)17

betr. HIV/AIDS in Europa

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats verweist auf ihre Entschließung
1536 (2007) betr. HIV/AIDS in Europa und empfiehlt dem Ministerkomitee,

1.1. die vorliegende Entschließung an die Regierungen der Mitgliedstaaten weiterzuleiten
und diese zu bitten, sie bei der Formulierung der Gesetzgebung und der Erarbeitung
nationaler HIV/AIDS-Strategien zu berücksichtigen;

1.2. das entsprechende Gremium, und zwar den Europäischen Gesundheitsausschuss
(CDSP), anzuweisen, in Zusammenarbeit mit einschlägigen europäischen Partnern

1.2.1. einen Erfahrungsaustausch zwischen Mitgliedstaaten über erfolgreiche nationale
HIV/AIDS-Strategien und -Ansätze zu fördern;

1.2.2. den Dialog über HIV/AIDS sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit in der
öffentlichen Gesundheitspolitik zu fördern, die Rechte der Betroffenen unter einem
europäischen Menschenrechtsblickwinkel zu schützen und sich mit der Entwicklung und
Prüfung von speziell für mit HIV lebende Kinder gedachten Arzneimitteln sowie neuen
Technologien wie Mikrobiziden und HIV/AIDS-Impfstoffen zu beschäftigen;

17 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (8. Sitzung) (siehe Dok. 11033, Bericht des Ausschusses für
Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatterin: Frau Christine McCafferty).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (8. Sitzung).

Drucksache 16/4922 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.2.3. die Erarbeitung von HIV/AIDS-Indikatoren für vergleichbare Daten zu fördern;

1.2.4. Leitlinien für die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Entwicklung nationaler
HIV/AIDS-Strategien zu erstellen;

1.2.5. die Regierungen der Mitgliedstaaten um Antworten zu ihren Fortschritten bei der
Bekämpfung von HIV/AIDS zu ersuchen.

Empfehlung 1785 (2007)18

betr. die Ausbreitung der HIV/AIDS-Epidemie unter Frauen und Mädchen in Europa

1. Die Parlamentarische Versammlung ist darüber besorgt, dass die HIV/AIDS-Pandemie
sich 25 Jahre nach ihrem ersten Auftreten auch in Europa weiter ausbreitet. Die anscheinende
Unfähigkeit europäischer Regierungen, die Ausbreitung der Krankheit unter Kontrolle zu
bringen, ist besonders beunruhigend, da diese wohl durchaus wissen, wie HIV übertragen
wird und welche Verhaltensweisen mit der Übertragung in Verbindung stehen.

2. Insbesondere hat die HIV/AIDS-Epidemie – in Europa wie auch weltweit – immer
mehr unter Frauen und Mädchen um sich gegriffen. Obwohl die Epidemie innerhalb
europäischer Staaten und zwischen diesen ein hohes Maß an Heterogenität aufweist (die
wichtigste Übertragungsweise in Osteuropa ist der Gebrauch von Drogeninjektionen, während
die sexuelle Übertragung in dem übrigen Teil Europas stärker ins Gewicht fällt), gibt es einen
gemeinsamen Faktor: Immer mehr neu diagnostizierte HIV-Infektionen betreffen – vor allem
junge – Frauen.

3. In gewisser Weise kann das nicht überraschen, da die Epidemie schon vor langer Zeit
aus Hochrisikogruppen (Homosexuelle, injizierende Drogenkonsumenten und Prostituierte)
auf die Gesamtbevölkerung überzugreifen begann. Allerdings scheint die Entwicklung einer
Therapie, die die Entwicklung des Virus weit gehend zu verzögern vermag – die Tritherapie –
vor allem viele junge Erwachsene zu größerer Unachtsamkeit verleitet zu haben. So lässt sich
ein großer Teil der Zunahme der Infektionen bei jungen Frauen erklären.

4. Das ist jedoch nicht die einzige Erklärung. Rein physiologisch sind Frauen für das
Virus anfälliger als Männer. In Verbindung mit sozialer und wirtschaftlicher Abhängigkeit,
sexistischen Einstellungen und häuslicher Gewalt kann sich ein tödlicher Cocktail entwickeln:
Für Frauen, die – auf die eine oder andere Weise – von den Männern abhängig sind, mit
denen sie sexuelle Beziehungen unterhalten, kann die Verweigerung dieser Beziehungen oder
das Bestehen auf der Verwendung eines Kondoms unter Umständen keine Option sein.

5. Die Befähigung der Mädchen und Frauen in Europa zu einem anderen Verhalten ist
deshalb ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung von HIV/AIDS. Mädchen und Frauen
in Europa müssen angemessen über die Risiken informiert sein, die mit bestimmten
Verhaltensweisen verbunden sind und zugleich in eine Lage gebracht werden, in der sie stark
genug sind, um entsprechend diesen Informationen zu handeln. Auch Männer haben bei der
18 Debatte der Versammlung am 25. Januar 2007 (8. Sitzung) (siehe Dok. 11108, Bericht des Ausschusses für die
Gleichstellung von Frauen und Mädchen in Europa, Berichterstatterin: Frau Chatherine Fautrier).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2007 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/4922

Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Epidemie eine Rolle zu spielen: Sie müssen auf
bestimmte schädliche, typisch männliche Verhaltensformen verzichten und mit den Frauen
daran arbeiten, den Zyklus der Ungleichheit der Geschlechter und der geschlechtsbasierten
Gewalt zu durchbrechen.

6. Gleichzeitig kommt es darauf an, gegen die Diskriminierung HIV-positiver Frauen
und Mädchen vorzugehen. HIV-Tests müssen, insbesondere vor einer Geburt, vertraulich
erfolgen, setzen eine Einwilligung nach Aufklärung voraus und sollten mit einer Beratung und
Informationen über Therapieoptionen einhergehen (darunter einer Therapie zur Verhütung
einer Übertragung von der Mutter auf das Kind). Der Zugang zu solchen Leistungen sollte
nicht geschlechtsabhängig sein.

7. Die Versammlung erinnert an die Empfehlungen in ihrer Entschließung 1536 (2007)
und der Empfehlung 1784 (2007) über HIV/AIDS in Europa und empfiehlt dem
Ministerkomitee, dafür Sorge zu tragen, dass bei allen HIV/AIDS betreffenden Aktivitäten
innerhalb des Europarats und seiner Mitgliedstaaten eine Geschlechterperspektive
eingenommen wird.

8. Die Versammlung empfiehlt dem Europarat, um in der nächsten Zukunft AIDS zu
bekämpfen, eine europäische Bewusstmachungskampagne durchzuführen, ähnlich der
Kampagne, die in diesem Jahr zur Bekämpfung häuslicher Gewalt stattfindet.

9. Die Versammlung empfiehlt dem Europarat und seinen Mitgliedstaaten darüber
hinaus, ihre Anstrengungen darauf zu konzentrieren, die Ausbreitung der HIV-AIDS-
Epidemie unter Frauen und Mädchen in Europa durch folgende Maßnahmen aufzuhalten:

9.1. Förderung und Ausbau von Schulprogrammen unter Einschluss der Sexual-
aufklärung, die den Besonderheiten beider Geschlechter Rechnung tragen;

9.2. Unterstützung der Einführung von Präventionsprogrammen und
Bewusstmachungskampagnen zu HIV/AIDS, insbesondere durch Sicherstellung der
Verbreitung angemessener und gezielter Informationen unter jungen Erwachsenen
über die Medien und andere verfügbare Informationskanäle;

9.3. Umsetzung geschlechtssensibler und auf den Menschenrechten aufbauender
Test- und Therapiepraktiken, einschließlich des kostenlosen Zugangs zu umfassender
medizinischer Versorgung, um sicherzustellen, dass Menschen, die HIV-positiv sind,
von der Sozialversicherung anerkannt werden;

9.4. Bekämpfung der Diskriminierung HIV-positiver Menschen, insbesondere von
Frauen; Aufbau von Wiedereingliederungsprogrammen für HIV-positive Opfer dieser
Form der Diskriminierung

9.5. sowie Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene zur Schaffung des
erforderlichen gesetzlichen und institutionellen Rahmens für die Gewährleistung der
Einhaltung, des Schutzes und der Ausübung der Grundrechte von Frauen und
Mädchen auch in Europa.

10. Darüber hinaus erkennt die Versammlung an, dass derartige Programme und politische
Maßnahmen, wie sie in Absatz 9 oben aufgeführt werden, wahrscheinlich erfolgreicher sein
werden, wenn sie sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene die diesbezügliche
organisierte Zivilgesellschaft als auch Menschen, die mit HIV/AIDS leben, miteinbeziehen.

Drucksache 16/4922 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Empfehlung 1786 (2007)19

betr. den Weg zu einem verantwortungsvollen Lebensmittelkonsum

1. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an die vom Ministerkomitee am 31. März
2004 angenommene geänderte Strategie des Europarats für sozialen Zusammenhalt, in der der
soziale Zusammenhalt als „die Fähigkeit einer Gesellschaft [definiert wird], das Wohlergehen
aller ihrer Mitglieder sicherzustellen, Disparitäten zu minimieren und eine Polarisierung zu
vermeiden“ und empfiehlt ein auf den Menschenrechten beruhendes Herangehen an den
sozialen Zusammenhalt, wobei sie feststellt, dass der gesetzliche Rechtsschutz von
entschlossenen sozialpolitischen Maßnahmen flankiert werden muss, um sicherzustellen, dass
in der Praxis jeder seine Rechte wahrnehmen kann.

2. Während es Landwirten in armen Ländern oft nicht gelingt, ihre Erzeugnisse
ausreichend zu vermarkten, um eine angemessene Lebensqualität zu erreichen, will eine
zunehmende Zahl von Verbrauchern in reichen Ländern nicht mehr, dass ihre Käufe für die
Erzeuger und die Umwelt ethisch unvertretbare Folgen haben.

3. Während die Verbraucher im Hinblick auf Qualität und gesundheitliche
Unbedenklichkeit eindeutige Sicherheit anstreben, macht der Verkauf solcher Produkte in
gewaltigem Maßstab eine unmittelbare oder enge Verbindung zwischen Verbrauchern und
Erzeugern fast unmöglich, wodurch vor allem Kleinbauern benachteiligt werden.

4. Die Versammlung bezieht sich auf ihre verschiedenen Arbeiten zur nachhaltigen
Entwicklung und insbesondere ihre Entschließung 1292 (2002) zum Weltgipfel über
nachhaltige Entwicklung: zehn Jahre nach Rio; ihre Entschließung 1318 (2003) zur
Globalisierung und nachhaltigen Entwicklung sowie ihre Entschließung 1319 (2003) und ihre
Empfehlung 1594 (2003) betr. die Weiterverfolgung des Weltgipfels über nachhaltige
Entwicklung: eine gemeinsame Herausforderung.

5. Die Versammlung bezieht sich auf verschiedene von ihr veröffentlichte Texte zur
Erzeugung und Vermarktung von Agrarprodukten, insbesondere ihre
Empfehlung 1636 (2003) über die Förderung des ökologischen Landbaus, ihre
Empfehlung 1575 (2002) über die Einführung eines Gütezeichens für aus der
Berglandwirtschaft stammende Lebensmittel und ihre Entschließung 1419 (2005) betr.
gentechnisch veränderte Organismen (GVO).

6. In verantwortungsvollem Konsum spiegelt sich ein auf „nachhaltiger Entwicklung“ und
Verantwortungsethik beruhendes neues Bewusstsein – in dem Bemühen, die wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und ökologischen Bedürfnisse der Menschen von heute wie auch die
künftiger Generationen zu decken, ohne die Auswirkungen der Konsumentscheidungen auf
Gesellschaft und Umwelt außer Acht zu lassen.

7. Die Landwirtschaft war und ist immer noch die am weitesten verbreitete wirtschaftliche
Tätigkeit, die eng mit einem menschlichen Grunderfordernis – Nahrung – verknüpft ist.
Verantwortung beim Lebensmittelkonsum ist mit spezifischen Vorstellungen verbunden und
besitzt besondere Bedeutung. Zahlreiche Bürgerinitiativen entstehen auf diesem Gebiet.
Verbraucher, die sich engagieren, um zu klären, wo ihre Interessen und die der Erzeuger

19 Debatte der Versammlung am 26. Januar 2007 (9. Sitzung) (siehe Dok. 11010, Bericht des Ausschusses für
Umwelt und Landwirtschaft, kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter: Herr Renzo Gubert).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 26. Januar 2007 (9. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/4922

zusammengehen und Partnerschaften mit letzteren aufbauen, werden mittlerweile von den
Behörden anerkannt und bisweilen sogar unterstützt.

8. Die Versammlung unterstreicht, dass die verschiedenen wirtschaftlichen und
politischen Akteure mit ihrer auch auf den Konsum bezogenen Entscheidung für nachhaltige
Entwicklung und ein Verantwortungsethos anhaltenden wirtschaftlichen Wohlstand und
größere Achtung des Menschenrechts auf Gesundheit, ein angemessenes Einkommen und
eine vielfältige, hohe ökologische Qualität garantieren.

9. Fairer Handel ist ebenfalls eine ganz besondere Form verantwortungsvollen Konsums,
insoweit als er das Wesen und die Merkmale der Produktionsprozesse berücksichtigt, dabei
über die dem Produkt innewohnenden Eigenschaften hinausgeht und nachhaltigen Konsum
mit der Achtung der Umwelt und der Menschenwürde verbindet.

10. Die Versammlung begrüßt die Schaffung der Europäischen Dialogplattform zu den
ethischen und solidarischen Bürgerinitiativen im Rahmen der Strategie des sozialen
Zusammenhalts des Europarats, um auf diese Weise den Dialog zwischen den Behörden und
den Bürgerorganisationen zu fördern, die sich für ethische, verantwortungsvolle und
solidarische Initiativen einsetzen.

11. Die Versammlung ist der Auffassung, dass das Engagement der Bürger für
Wirtschaftsfragen für die staatlichen Stellen von größtem Interesse ist, da sich hierdurch
allmählich das Wirtschaftssystem verändert, indem sich zum Beispiel in den Beziehungen
zwischen den Bürgern und der Gesellschaft, den Bürgern und der Umwelt sowie den Bürgern
und der Welt im Allgemeinen neue Ausblicke eröffnen. Diese Vorgehensweise ist für die
europäischen Staaten und eine Organisation wie den Europarat angesichts der Werte, die er
verteidigt und für die er eintritt, besonders bemerkenswert.

12. Sie ist darüber hinaus der Ansicht, dass die Behörden verpflichtet sind, die Bürger auf
ihre Verantwortung als Konsumenten, insbesondere von Lebensmitteln, aufmerksam zu
machen – ebenso auch die übrigen Partner des Agrar- und Lebensmittelsektors wie Landwirte,
Transportunternehmer, Vertriebsfirmen usw.

13. Dementsprechend empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee, die
Mitgliedstaaten zu bitten,

13.1. Bürgerinitiativen zu unterstützen, denen es um Solidarität und Partnerschaft zwischen
Produzenten und Konsumenten geht und verantwortungsvolles Verhalten und Engagement
der Verbraucher zu fördern;

13.2. den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den verschiedenen
an verantwortungsvollem Konsum beteiligten Akteuren auszubauen;

13.3. legislative, regulatorische und sozioökonomische Maßnahmen zu ergreifen, um das
soziale Engagement nachdrücklich zu fördern, das die solidarische Wirtschaft voranbringt und
ein Verantwortungsethos bei wirtschaftlichen Tätigkeiten aufzubauen;

13.4. Zuschüsse für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum bereitzustellen, die den
wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen der verschiedenen Systeme der
Nahrungsmittelproduktion besser Rechnung tragen;

13.5. das wachsende Bewusstsein der Öffentlichkeit für andere Werte als sofortigen
wirtschaftlichen Nutzen zu berücksichtigen und Schritte einzuleiten, um

Drucksache 16/4922 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

13.5.1. wachsende Synergieeffekte im Verhältnis zwischen Staat, Unternehmen und
Bürgern in Bezug auf dieses neue Bewusstsein zu fördern, das fortbestehen wird;

13.5.2. steuerliche Anreize zugunsten von Vereinen und Organisationen einzuführen,
die sich für den Aufbau einer solidarischen Wirtschaft und fairen Handel einsetzen;

13.5.3. die Verbraucher durch Aufklärungskampagnen zu informieren, damit sie
sachkundig entscheiden können und die Bemühungen von
Nichtregierungsorganisationen um die Information der Verbraucher zu unterstützen;

13.5.4. die Vernetzung dieser Initiativen zu fördern und Verbindungen zu anderen
Sektoren der solidarischen und bürgergestützten Wirtschaft zu erleichtern;

13.5.5. die Gründung „ethischer Banken“ zu erleichtern, die den sozialen und
wirtschaftlichen Folgen des Bankenkreditsystems größere Beachtung schenken;

13.5.6. Unternehmen, insbesondere Großkonzerne des Agrofood- und Lebensmittel-
vertriebssektors, dazu anzuhalten, „Ethikbilanzen“ ihrer Aktivitäten aufzustellen.

13.6 Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee außerdem,

13.6.1. die Arbeit des Europäischen Komitees für sozialen Zusammenhalt (CDCS) und
insbesondere die Tätigkeit der Europäischen Dialogplattform über ethische und
solidarische Initiativen für die Bekämpfung von Armut und gesellschaftlicher
Ausgrenzung bei der Durchführung ihres dreijährigen Aktionsplans zu unterstützen,
mit dem unter anderem die Bewusstseinsbildung bei Kindern, der Zugang der ärmsten
Bevölkerungsgruppen zu verantwortungsvollem Konsum, die Verbindungen zwischen
Solidarität und verantwortungsvollem Konsum und Methoden der Produktinformation
unterstützt werden sollen;

13.6.2. das Europäische Jugendzentrum anzuweisen, den verantwortungsvollen
Nahrungsmittelkonsum in seine Bemühungen einzuschließen, die Beteiligung der
Jugend und den demokratischen Bürgersinn, den sozialen Zusammenhalt und die
gesellschaftliche Inklusion junger Menschen zu fördern.

Empfehlung 1787 (2007)20

betr. das Vorsorgeprinzip und verantwortungsvolles Risikomanagement

1. Nie zuvor lebte die Menschheit in einer so sicheren und geschützten Umgebung wie
heute. Das gilt ganz besonders in den Mitgliedstaaten des Europarats, in denen wir ein
deutlich längeres und gesünderes Leben führen als unsere Vorfahren.

2. Paradoxerweise hat sich die Risikowahrnehmung verstärkt, und die europäische
Öffentlichkeit möchte industrielle und technologische Risiken weiter vermindern. Eine
20 Debatte der Versammlung am 26. Januar 2007 (9. Sitzung) (siehe Dok. 11119, Bericht des Ausschusses für
Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatter: Herr Johannes Randegger).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 26. Januar 2007 (9. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/4922

vermehrte Bezugnahme – auch in internationalen Abkommen – auf das Vorsorgeprinzip oder
einen vorsorgeorientierten Ansatz entspricht diesem Wunsch.

3. Angesichts des Fehlens einer einheitlichen Definition des Vorsorgeprinzips und der
Voraussetzungen für seine Anwendung ist dieses Konzept jedoch umstritten, schwer
anzuwenden und bisweilen ineffektiv. Es sollte deshalb eine Übereinkunft erreicht werden,
mit der sich Risiken minimieren lassen, ohne Forschung und Innovation in unvertretbarer
Form einzuschränken.

4. Das Vorsorgeprinzip sollte Regulierungsmaßnahmen ermöglichen oder in einigen
Fällen rechtfertigen, wenn noch keine vollständigen wissenschaftlichen Erkenntnisse über ein
bestimmtes Risikoszenario vorliegen. Das bedeutet nicht, dass Regulierungsmaßnahmen
gerechtfertigt sind, wenn überhaupt keine wissenschaftlichen Risikoerkenntnisse vorhanden
sind. Maßnahmen sollten stets auf vernünftigen, wenn auch nicht vollständigen Erkenntnissen
über beträchtliche potenzielle Risiken beruhen.

5. Das Vorsorgeprinzip sollte jedoch nicht dazu führen, dass ein potenziell gefährliches
Produkt oder eine entsprechende Tätigkeit verboten wird, bis der Befürworter eines solchen
Produkts oder einer derartigen Tätigkeit nachweist, dass das Produkt oder die Tätigkeit mit
keinem (oder nur einem begrenzten) Risiko verbunden ist. Wenn das der Fall wäre, wie einige
Verfechter des Prinzips behaupten, könnten die wissenschaftliche Forschung und der
Fortschritt der Wissenschaft in ernste Gefahr geraten. Darüber hinaus bedeutet „bei Fehlen
vollständiger wissenschaftlicher Erkenntnisse”, dass es unmöglich ist, das Risiko oder dessen
Abwesenheit nachzuweisen.

6. Die Parlamentarische Versammlung unterstützt die meisten der von der Europäischen
Kommission in ihrer Mitteilung vom 2. Februar 2000 über die Anwendung des
Vorsorgeprinzips aufgestellten Kriterien: Wo Maßnahmen als notwendig erachtet werden,
sollten sie nach dem Vorsorgeprinzip im rechten Verhältnis zu dem gewählten Schutzgrad
stehen, bei ihrer Anwendung nicht diskriminierend wirken, mit bereits ergriffenen ähnlichen
Maßnahmen vereinbar sein, auf einer Prüfung der potenziellen Vorteile und Kosten des
Tätigwerdens oder Untätigbleibens beruhen und überprüft werden können. Die Versammlung
billigt es jedoch nicht, dass die Verantwortung für das Vorlegen wissenschaftlicher
Erkenntnisse denen zugewiesen wird, zu deren Lasten das Prinzip geltend gemacht wird.

7. Behörden sollten die Freiheit der Forschung achten und die verantwortungsvolle
Hinnahme von Risiken akzeptieren. Die Öffentlichkeit muss aufgeklärt werden, damit sie sich
hiermit einverstanden erklärt. Bemühungen der Behörden sind bei der Aufklärung ebenso
notwendig wie Anstrengungen der Wissenschaft und der Wirtschaft in den Bereichen
Transparenz und Kommunikation. Darüber hinaus sollte das Vorsorgeprinzip nicht als
Rechtfertigung für Handelsprotektionismus dienen.

8. In diesem Zusammenhang erinnert die Versammlung an ihre Empfehlung 1762 (2006)
zur akademischen Freiheit und der Autonomie der Universitäten sowie ihre Entschließung
1528 (2006) zur Unbeliebtheit naturwissenschaftlicher Studien bei Studierenden. Der
Grundsatz der akademischen Freiheit der Forscher, Studierenden und Lehrenden sollte
bekräftigt werden. Die Wissenschaft sollte heute mehr denn je ein Kernbestandteil der
Allgemeinbildung sein, da sie es ermöglicht, sich eine hinreichend kritische Geisteshaltung zu
bewahren, um die Worte falscher Propheten an sich abprallen zu lassen. Bemühungen in
dieser Richtung tragen auch zur Verteidigung der Menschenrechte – also der eigentlichen
Aufgabe des Europarats – bei.

Drucksache 16/4922 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

9. Die Versammlung ruft das Ministerkomitee deshalb zur Erstellung einer Empfehlung
auf, die

9.1. die Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarats um die Erarbeitung politischer
Maßnahmen bittet,

9.1.1. um den naturwissenschaftlichen Unterricht ab der Grundschule zu fördern;

9.1.2. ethik- und vorsorgebezogene Denkweisen als integrierende Bestandteile in
naturwissenschaftliche Studien aufzunehmen;

9.1.3. in der Gesellschaft für eine Kommunikation über Wissenschaft zu sorgen;

9.1.4. in der Forschung Inter- und Transdisziplinarität zu fördern;

9.1.5. die Technologiebewertung (einschließlich partizipativer Methoden) voran-
zubringen;

9.1.6. spezifische Bereiche und Sektoren der angewandten Forschung bei Bedarf zu
regulieren;

9.1.7. die Risikobewertung und das Risikomanagement in Verbindung mit
Forschungsprojekten zu überprüfen;

9.1.8. die Ergebnisse einschlägiger Risikostudien effektiv mitzuteilen;

9.2. die akademische Welt (öffentliche und private Hochschuleinrichtungen) auffordert,

9.2.1. ethik- und vorsorgebezogene Denkweisen als integrierende Bestandteile in
naturwissenschaftliche Studien aufzunehmen, um unter Wissenschaftlern eine
Vorsorgekultur zu fördern;

9.2.2. in der Forschung Inter- und Transdisziplinarität zu fördern;

9.2.3. einen Dialog mit den verschiedenen Gruppen von Stakeholdern aufzunehmen;

9.2.4. die Ergebnisse ihrer Tätigkeiten effektiv zu kommunizieren;

9.3. andere Forschungseinrichtungen und die Wirtschaft in den Mitgliedstaaten auffordert,

9.3.1. mögliche negative Folgen und Ergebnisse neuer Produkte und Tätigkeiten zu
bedenken;

9.3.2. Maßnahmen zur Schadensverhütung anzuregen;

9.3.3. eine Risikobewertung und risikobezogene Forschungsarbeiten vorzunehmen
und deren Ergebnisse effektiv zu kommunizieren;

9.3.4. unter Wissenschaftlern eine Vorsorgekultur aufzubauen;

9.3.5. mit den verschiedenen Gruppen von Stakeholdern einen Dialog aufzunehmen.

10. Die Versammlung empfiehlt den Parlamenten der Mitgliedstaaten außerdem,

10.1. sicherzustellen, dass die Grundsätze der akademischen Freiheit von Forschern,
Studierenden und Lehrenden und die institutionelle Autonomie von Universitäten gesetzlich
oder verfassungsrechtlich angemessen gewährleistet werden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/4922

10.2. wo dies noch nicht der Fall ist, parlamentarische Technologiebewertungsverfahren
einzuführen und Verbindung mit dem European Parliamentary Assessment Network (EPTA)
aufzunehmen;

10.3. die Förderung der naturwissenschaftlichen Ausbildung als Priorität festzulegen.

Drucksache 16/4922 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Doris Barnett (SPD):
(Fragen an Terry Davis)
Vielen Dank Herr Davis!
Ist es nicht so, dass wir auf gleicher Augenhöhe mit dem Ministerrat sein sollten und
deswegen auch die gleichen notwendigen Mittel zur Verfügung haben müssen? Und können
wir dabei nicht Kosten verringern, indem wir die Reisekosten zuhause abrechnen und so den
Haushalt des Europarates entlasten? Sind wir denn nicht mehr als bloß die Wächter der
Menschenrechte, weil wir auch hinter die Kulissen blicken und die Ursachen für
Menschenrechtsverletzungen prüfen?

Sexuelle Übergriffe in Verbindung mit „Vergewaltigungsdrogen“

Marlene Rupprecht (SPD):
Herr Vorsitzender,
liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir debattieren heute ein Problem, das sicher von der Quantität her nicht notwendigerweise
in dieser Runde diskutiert werden müsste, von der Qualität her jedoch sehr wohl. Wir
sprechen über die Phase, in der junge Menschen beginnen, sich vom Elternhaus zu lösen,
offen zu sein für Neues, und sich selbst ausprobieren und entdecken möchten, eine Phase, in
der die Ratschläge der Eltern häufig nicht mehr so ziehen wie in der Kindheit. Und genau in
dieser Phase, wo man eigentlich offen ist, glaubt, völlig frei zu sein, genau dort wird das
Vertrauen schmählich missbraucht.

Ich rede davon, dass man junge Menschen gegen ihren Willen zur Sexualität zwingt. Dazu
kommt noch, dass sie hinterher sich selbst nicht mehr trauen – habe ich das bewusst erlebt,
habe ich es nicht erlebt? Und wenn ich es erlebt habe, war ich einverstanden oder nicht? Diese
Selbstzweifel führen dazu, dass sie auch vor Gericht bzw. bei der Polizei nicht mit der
Vehemenz auftreten, wie wenn es bei vollem Bewusstsein geschehen wäre, was natürlich bei
den Behörden wiederum zu Zweifeln Anlass gibt.

In dieser Situation reicht es meines Erachtens nicht, das Strafrecht zu überprüfen, sondern wir
brauchen wirklich, wie es vorgeschlagen wurde, eine öffentliche Diskussion über diese
Geschehnisse. Meistens geschehen solche Verbrechen nicht im stillen Kämmerlein, in dem
niemand sonst beteiligt ist, sondern sehr häufig im Beisein anderer Menschen, in Bars, in
Diskos, was bedeutet, dass andere aufmerksam werden und nicht weg-, sondern unbedingt
hinschauen müssen, wenn so etwas passiert.

Ich will das an einem Beispiel zeigen: Wir hatten an Silvester den Beginn der
Tausendjahrfeier unserer Stadt und den Gastwirten gingen die Getränke aus. Es kamen viele
freundliche Menschen, die überall, auf dem Marktplatz etc., Getränke anboten. Es waren
30000 Menschen da. Bei dieser Gelegenheit wurde manchen jungen Frauen mit dem Getränk,
das ihnen angeboten wurde, eine Droge verabreicht. Weil diese jungen Frauen sich
unmittelbar danach auffällig stark veränderten und sogar ihre Bekannten, die sie begleiteten,
nicht wieder erkannten, ging man am nächsten Tag zur Polizei und in ihren Gläsern ließen
sich noch Spuren der Droge nachweisen, die sie verabreicht bekommen hatten. Ich halte es für
sehr wichtig, dass die Menschen in der Umgebung die Augen aufmachen und sich nicht
sagen, es gehe sie nichts an, wenn ein Mädchen angemacht wird bzw. etwas verabreicht
bekommt.

Wenn ich mit jungen Menschen spreche, sagen sie, sie trinken schon gar nichts mehr aus dem
Glas, sondern nehmen nur noch Cola- oder andere Flaschen mit Deckel an, denn sie haben

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/4922

Angst, etwas in ihr Getränk gemischt zu bekommen. Ich halte es aber nicht für die richtige
Lösung, dort, wo man sich eigentlich entspannen möchte, ständig Angst zu haben. Deshalb
begrüße ich diese Initiative und die Tatsache, dass wir dieses Problem zum Thema machen,
wohl wissend, dass es rein zahlenmäßig nicht um viele Personen geht, die hiervon betroffen
wären, dass es jedoch um ganz gravierende Menschenrechtsverletzungen geht, und es jeder
einzelne Fall wert ist, dass wir dagegen angehen, dass die Fachleute dafür geschult werden
und dass vor allem das dadurch entstandene Trauma hinterher auch wirklich behandelt wird.
Denn auch wenn ein solches Trauma jahrelang verdrängt wird, kommt es später mit umso
größerer Wucht wieder.

Ich bedanke mich bei der Berichterstatterin, und bei den Kolleginnen und Kollegen für ihre
Offenheit, vor allem auch die der männlichen Kollegen. Ich hoffe, Sie werden bei Ihren
Geschlechtsgenossen dafür werben, dass Männer auch Verantwortung für das Wohlergehen
von Frauen tragen, und wir nicht den Ball zurückspielen an die jungen Mädchen, für sich und
ihre Sicherheit allein verantwortlich zu sein.

Danke.

Eduard Lintner (CDU/CSU):
(Vertagung der Armenien-Debatte)
Zur Geschäftsordnung: Wir haben folgende Lage, dass beide Berichterstatter am Freitag nicht
da sein werden. Auch die armenische Delegation wird nicht anweisend sein können.
Allerdings können wir den Bericht auch nicht auf April verschieben, weil dann Wahlen in
Armenien stattfinden. Es liegen nur drei Änderungsanträge vor die völlig unstrittig sind, so
dass wir darum bitten, diesen Bericht heute am Ende der Sitzung zu behandeln.

Die Gefahr der Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel

Detlef Dzembritzki (SPD):
Herr Präsident, vielen Dank.
Zunächst gilt unser Dank Herrn Mihkelson vom politischen Ausschuss aber auch Herrn
Ivanov und Herrn Wille für die geleistete Berichterstattung und insbesondere für die Ideen aus
dem Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss.

Energie ist ein Faktor für Wohlstand und Entwicklung und die Teilhabe daran sollten wir als
Menschenrecht verstehen. Energie-Förderländer und -Verbraucherländer müssen gemeinsam
Nutzen und Vorteile haben. Leider machen wir die bittere Erfahrung, dass bodenschatzreiche
Länder trotz dieses Reichtums ernsthafte Probleme haben; denken Sie in diesem Fall nur an
die afrikanischen Länder Kongo, Nigeria, Angola oder Sudan.

Wenn wir gemeinsam Verantwortung wahrnehmen, dann hat Europa alle Chancen ein Modell
der gerechten Teilhaber und des gemeinsamen Vorteils bei der Nutzung von
Energieressourcen zu werden. Nur mit vernünftigem und präventivem Verhalten wird es
möglich sein, Konfliktpotentiale auszuschalten. Dies ist ein politischer Prozess und wir
unterstützen daher insbesondere den Einsatz einer gesamteuropäischen Arbeitsgruppe, die
sich dieser Problematik annimmt.

Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen, auch die parlamentarische Versammlung selbst und
wir als Parlamentarier hier und in unseren nationalen Parlamenten bleiben weiterhin

Drucksache 16/4922 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gefordert, dieses entscheidende Zukunftsthema im Auge zu behalten, denn die Energie-Frage
wird sich unvermeidlich weiter zuspitzen. Der Energiehunger der Schwellenländer ist – wir
haben darauf hingewiesen – groß, und er ist legitim. Zum Beispiel China, Indien und
Brasilien: Auf tausend Einwohner in China kommen heute zehn Autos. In den
Industrieländern sind es zum Teil 700 Autos auf 1000 Einwohner. Sie sehen allein aus
solchen winzigen Zahlen, wie sich zukünftige Entwicklungen aussehen werden.

Wir haben heute eine Weltbevölkerung von 6,6 Milliarden Menschen, mit einem jährlichen
Zuwachs von 80 Millionen; das macht täglich 220000 Menschen, die dazu kommen. 2025
werden es dann 7,8 Milliarden Menschen sein, 2050 9 Milliarden. Der Anteil des Wachstums
in den Schwellenländern liegt allein für diesen Zeitraum bei 3 Milliarden.

Die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe – die zum verbrennen viel zu schade sind - zwingen
uns zu Alternativen. Vielleicht bleiben uns noch maximal 30 Jahre: das ist ein sehr kurzer
Zeitraum. Denken meine Altersgenossen an die Zeit, als wir vor dreißig Jahren angefangen
haben, dann sehen wir, wie wenig Zeit uns letztendlich zur Verfügung stand, um Politik zu
gestalten.

Politik und „Think Tanks“ müssen Alternativen und Antworten finden. Natürlich muss der
Nutzen der regenerativen Energie verstärkt werden – wir haben beispielsweise in der
Bundesrepublik heute einen Anteil von 10%, er soll auf 20% gesteigert werden. Bei solchen
Zahlen wissen wir aber alle, dass dies nicht ausreicht, um die hier inspizierten Grundprobleme
in den Griff zu bekommen. Deswegen wird sich auch die Arbeitsgruppe massiv dafür
einzusetzen haben, dass Forschung verstärkt wird, um tatsächliche Alternativen
herauszuarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Große Anstrengungen sind notwendig, um Konflikte zu
vermeiden und zu entschärfen – aber insbesondere, um die Interessen unserer Kinder und
Enkelkinder im Auge zu behalten.

Ich wünsche uns gemeinsam dabei viel Erfolg und Stehvermögen.

Die Gefahr der Nutzung der Energieversorgung als politisches Druckmittel

Rainder Steenblock (Bündnis 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Vorsitzender,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte mich sehr herzlich bei dem Berichterstatter bedanken; er hat ein ganz wichtiges
Thema bearbeitet - über Klimawandel und Energiepolitik wird zu Recht im Moment überall
diskutiert – und einen sehr kompetenten und diplomatisch ausgewogenen Bericht darüber
vorgelegt.

Als ehemaliger Umweltminister möchte ich mich aber auch sehr herzlich bei Herrn Ivanov
bedanken, weil er mit seiner Stellungnahme die Breite und die Wichtigkeit des Themas
deutlich gemacht hat, um das es insgesamt geht. Aber heute liegt der Schwerpunkt natürlich
vorrangig bei der politischen Gestaltungsmöglichkeit von Energiepolitik und der
Abhängigkeit, die dadurch erzeugt werden kann.

Ich muss sagen, dass sich leider in den letzten Jahren zunehmend der Verdacht aufdrängt,
dass die Russische Föderation mit ihren gewaltigen Energievorräten nicht nur gutes Geld
verdienen, sondern auch ihren politischen Einfluss insbesondere auf ihre Nachbarländer

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/4922

verstärken will. Dafür wurden die Beispiele Ukraine und Belarus genannt. Ich möchte
deutlich sagen, dass ich nicht die Bestrebungen Russlands kritisiere, faire Preise für seine
Produkte zu erzielen, die auch die ökologischen Folgekosten miteinbeziehen. Dies ist normal.

Aber hier geht es nicht um das Ziel, sondern um die Art, wie man mit seinen Nachbarländern
umgeht, wie man die Verhandlungen führt und zu Vereinbarungen kommt. Und ich habe die
Sorge, dass die politischen Subventionen, die es in der Vergangenheit im Energiebereich
gegeben hat und die Abhängigkeiten geschaffen haben, jetzt so verhandelt werden, dass neue
Abhängigkeiten entstehen.

Russland hat seine strategischen Bereiche verstaatlicht, allen voran den Energiebereich, was
nicht zu mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit geführt hat. Doch nicht dies ist entscheidend,
sondern die politische Einflussnahme. Ich habe den Verdacht, dass mit dieser politischen
Einflussnahme, dieser politischen Handelspolitik, andere Länder diszipliniert werden sollen.
Dafür gibt es ja nicht nur Beispiele aus dem Energiebereich, sondern auch aus anderen
Bereichen, wie z.B. bei den Handelsbeziehungen zu Georgien im Bereich Wein, beim Handel
mit Polen im Bereich Fleisch.

Für jeden dieser Konflikte mag es Gründe geben, aber die Summe dieser Konflikte macht aus
meiner Sicht deutlich, dass die Russische Föderation leider versucht, politische
Dominanzbestrebungen gegenüber ihren Nachbarländern zu realisieren. Im Gegenzug für
günstige Preise wird dann häufig die Einflussnahme auf Energienetze verhandelt. Ich halte
das für hoch gefährlich. Gerade Russland, welches seine eigene Energiepolitik, seine eigenen
Energiekonzerne gegen alle Kooperationsbestrebungen mit anderen europäischen Firmen
abschottet, versucht auf der anderen Seite genau auf diese Energienetze in anderen Ländern
Einfluss zu nehmen.

Wenn dies nicht klappt, wie im Beispiel Litauens, wo der Kauf einer Raffinerie durch
russische Unternehmen nicht zustande gekommen ist sondern an Polen verkauft wurde,
kommt es zu Zwischenfällen: Plötzlich ging die Pipeline kurz vor der Abzweigung nach
Litauen kaputt.

Ich kann an solche Zufälle nicht glauben und hielte es für gut, wenn die Russische Föderation
an dieser Stelle ihre Glaubwürdigkeit dadurch unter Beweis stellt, dass sie die Energiecharta
tatsächlich unterzeichnet. Das wäre der richtige Schritt, um Vertrauen zu schaffen und meines
Erachtens ein gutes Zeichen, um zu einer Neuordnung der Energiepolitik im Sinne von
Solidarität zu kommen.

Aber ich möchte auch betonen, dass es genauso wichtig ist - und hier unterstütze ich das, was
Herr Ivanov gesagt hat - grundsätzlich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu
verringern. Investitionen in erneuerbare Energien, in Energieeffizienz-Technologien, und ins
Energiesparen helfen nicht nur, die politische Abhängigkeit zu reduzieren, sondern sind
dringend notwendig, um den Klimawandel zu stoppen und unseren Kindern, über die wir
heute morgen schon diskutiert haben, eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen. Dies ist das
Allerwichtigste.

Vielen Dank.

Eduard Lintner (CDU/CSU):
Herr Präsident, ich darf mich darauf beschränken, den beiden Berichterstattern herzlich für
ihre gründliche und nachhaltige Arbeit zu danken, sowie natürlich auch beim Sekretariat, das
hier so wirksam und wirklich hervorragend mitgearbeitet hat.

Drucksache 16/4922 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ingo Schmitt (CSU/CSU):
Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Für die deutsche Delegation darf ich zunächst erklären, dass wir die Entschließung ebenso
wie die Empfehlung begrüßen und unterstützen. Auch die deutsche Bundesregierung hat die
Frage einer europäischen Energiestrategie zu einem Hauptthema ihrer EU-Ratspräsidentschaft
erklärt. Wohlstand und Fortschritt in Europa können ohne eine verlässliche
Energieversorgung nicht dauerhaft gesichert werden.

Gleichwohl hätten wir uns an der einen oder anderen Stelle noch deutlichere Akzente
gewünscht.

Richtigerweise stellt der Bericht fest, dass die Erschließung neuer Energiequellen notwendig
ist. Unbestreitbar werden erneuerbare Energien in den meisten europäischen Ländern noch
nicht ausreichend genutzt. Jedoch führen die Schlussfolgerungen aus diesem Umstand unseres
Erachtens in eine Richtung, die sich zu sehr mit dem Status quo abfindet. Dabei geht es nicht
allein um die Tatsache, dass europäische Energiestrategie und Umwelt- und Klimaschutz –
nebenbei ein weiterer Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft – zwei Seiten ein- und
derselben Medaille bilden.

Vielmehr wird an dieser Stelle übersehen, dass die Gefahr der Nutzung eines Versorgungsguts
als politisches Druckmittel immer nur in dem Maße besteht, in dem man von diesem Gut
abhängig ist. Wir hätten uns daher gewünscht, deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass es in
den kommenden Jahren unabdingbar sein wird, den Bedarf an Öl und Gas zu reduzieren. Die
notwendigen Anlaufinvestitionen erscheinen heute zwar hoch. Angesichts knapper werdender
Ressourcen und damit zunehmender Abhängigkeit wird es langfristig hierzu jedoch keine
Alternative geben. Vor diesem Hintergrund muss uns allen klar sein, dass die Kosten in zehn
oder zwanzig Jahren um ein vielfaches höher liegen werden. Daher hätten wir uns gewünscht,
hier die politischen Notwendigkeiten deutlicher herauszustellen.

Ein weiterer Punkt hätte aus unserer Sicht stärkere Beachtung finden sollen:

Nicht allein nur Deutschland, sondern nahezu der gesamte europäische Kontinent ist heute
glücklicherweise in Frieden und Freiheit vereint. Die Wunden des kalten Krieges verheilen,
und auch die Russische Föderation ist für die Europäische Union und die Mitgliedstaaten des
Europarates zu einem Freund und Partner geworden. Für uns besteht daher kein ernsthafter
Zweifel daran, dass die Russische Föderation ebenso wie Norwegen in Kürze den Vertrag
über die Energiecharta ratifizieren wird.

Diese Freundschaft und Partnerschaft basiert auf dem gegenseitigen Vertrauen, welches in
den letzten Jahren durch stetige aufrichtige Bemühungen aller Seiten gewachsen ist. Dennoch
hat es in der jüngeren Vergangenheit vereinzelte Irritationen gegeben. Ebenso wie der im
Bericht genannte Zwischenfall mit der Ukraine haben die Mitgliedstaaten die neuerlichen
Unstimmigkeiten im Verhältnis zu Weißrussland mit einer gewissen Besorgnis zur Kenntnis
genommen.

Ausdrücklich möchte ich betonen, dass wir nicht den Fehler begehen sollten, die
Verantwortlichkeiten für diese Vorfälle ausschließlich auf der einen oder der anderen Seite zu
suchen. Auch hier gilt wie überall im Leben: Zu jeder Auseinandersetzung gehören
mindestens zwei Beteiligte.

Gleichwohl sind für eine Partnerschaft Vertrauen und Verlässlichkeit unverzichtbar. Wir
haben Vertrauen zu der Russischen Föderation und begegnen ihr als Partner auf gleicher

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/4922

Augenhöhe. Gerade daher würden wir es jedoch begrüßen, wenn Konflikte über Fragen der
Energieversorgung künftig unaufgeregter und im Geiste gegenseitigen Respekts gelöst
würden. Europa braucht die Russische Föderation, und die Russische Föderation braucht
Europa. Dies sollten wir alle für unser Handeln verinnerlichen./

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Derzeitige Lage im Kosovo
Änderungsantrag 29

Detlef Dzembritzki (SPD):
Wir haben mit diesem Formulierungsvorschlag noch einmal den Versuch unternommen, beide
Seiten zu beschreiben und darauf hinzuweisen, dass... (Unterbrechung auf Englisch)

Derzeitige Lage im Kosovo
Änderungsantrag 31

Detlef Dzembritzki (SPD):
Wir halten diese Ergänzung mit dem Hinblick auf die Europäische Union und die Perspektive,
die insgesamt für den Westbalkan aufgezeigt wird, für notwendig. Das zeigt auch den
eigentlichen Rahmen, der hier politisch gesehen wird.
Vielen Dank.

Derzeitige Lage im Kosovo
Änderungsantrag 37

Detlef Dzembritzki (SPD):
Wir wollen mit diesem Antrag Punkt 12.2 ergänzen und darauf hinweisen, dass auch die
Kooperation, besonders im Bereich der Flüchtlingsrückführungen weitergeführt wird.

Die Landwirtschaft und illegale Beschäftigung in Europa
Die Lage von Wanderarbeitnehmern bei Zeitarbeitsagenturen

Prof. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident,
Meine Damen und Herren!
Aus Zeitgründen werde ich mich auf wenige Punkte zum Thema Migration konzentrieren, die
für die Vereinigte Europäische Linke die höchste Priorität haben.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass der Europarat bei seinen Äußerungen und
Beschlüssen Begriffe verwenden sollte die unmissverständlich sind.

Beispielsweise trifft der Begriff „Wanderarbeiter“ nicht für diejenigen zu, die bereits seit
Jahrzehnten in den EU-Staaten als Migrantinnen und Migranten leben.

Drucksache 16/4922 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Heute leben allein in den EU-Staaten weit mehr als 25 Millionen Menschen mit
Migrationshintergrund. Der größte Teil dieser Menschen hat sich in diesen Ländern dauerhaft
niedergelassen oder ist in diesen Ländern geboren und aufgewachsen. Diese Menschen sind
definitiv keine Wanderer, sie sind längst fester Bestandteil der Gesellschaften in denen sie
leben.

Der Begriff Wanderarbeiter impliziert bewusst das Vorhaben, für Immigrantinnen und
Immigranten keine Dauerrechte gewähren zu wollen. Wer zwischen Ländern Wanderer ist,
kann keine Dauerrechte verlangen. Deshalb rate ich dringend; diesen Begriff
„Wanderarbeiter“ für Immigranten nicht mehr zu verwenden.

Der Entschließungsentwurf, der uns vorliegt bleibt in wichtigen Bereichen entweder ohne
Aussage, viel zu vage oder lässt unterschiedliche Interpretationen zu.

Wir können mit den Lebensbedingungen von mehr als 25 Millionen Menschen, die die
Staatsbürgerschaft des jeweiligen EU-Landes nicht besitzen, keinesfalls zufrieden sein: Diese
25 Millionen leben immer noch mit einem Ausländerstatus, also mit verminderten Rechten
innerhalb der jeweiligen Gesellschaft.

Allein in der BRD sind es 7 Millionen Menschen, die noch immer keinen deutschen Pass
haben. Nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil die vorhandenen Hürden ihnen dies
verwehren.

Dies bedeutet, dass die Immigranten und ihre Familienangehörigen, die die Staatsbürgerschaft
der jeweiligen Länder nicht besitzen, in denen sie leben, keine vollen Bürgerrechte haben. Sie
dürfen, egal wie lange sie in diesen Ländern leben, an den allgemeinen, ja sogar in manchen
Ländern selbst an den kommunalen Wahlen nicht teilnehmen.

Ohne Staatsbürgerschaft müssen sie mit gravierenden Einschränkungen im Aufenthalts- und
Arbeitsrecht rechnen. Auch viele der sozialen Rechte stehen ihnen nur begrenzt zu.

Obwohl in einigen der EU-Staaten bereits Anti-Diskriminierungsgesetze existieren, sind diese
Menschen nicht genügend vor Diskriminierung geschützt.

Von Arbeitslosigkeit und von fehlenden Ausbildungsplätzen sind Menschen mit
Migrationshintergrund weit häufiger betroffen als die einheimische Bevölkerung. Im
Bildungsbereich sind Kinder von Immigranten wegen unzureichender Unterstützung weitaus
stärker benachteiligt.

Der Europarat und die Parlamentarische Versammlung sollten diese, den sozialen Frieden in
den EU-Staaten gefährdenden Missstände klar benennen und die politischen Parteien sowie
die nationalen Regierungen zu einer Lösung drängen.

Wir in Europa sollten viel gezielter mit konkreten Projekten und humanitären
Hilfsmassnahmen für die Menschen sorgen, die legal einreisen, und wir sollten eine „Festung
Europa“ vermeiden. Die Vereinigte Linke in Europa ist entschieden gegen Lohn- und
Sozialdumping und somit für gleiche Löhne bei gleicher Leistung.

Ich danke Ihnen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/4922

Die Landwirtschaft und illegale Beschäftigung in Europa
Die Lage von Wanderarbeitnehmern bei Zeitarbeitsagenturen

Walter Riester (SPD):
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sprechen über ein sehr ernstes Problem. Die Berichterstatter und alle, die sich an der
Diskussion beteiligt haben, sind sich einig: Wir sind gegen illegale Beschäftigung und
Ausbeutung im Arbeitsleben. Insofern sind wir uns alle einig. Der Bericht spricht meines
Erachtens zu Recht davon, dass im Rahmen der Globalisierung diese Probleme
nationalstaatlich allein nicht zu lösen sind. Auch da stimme ich zu. Der Bericht fordert den
Ministerrat auf, Empfehlungen für kollektive Vereinbarungen auszusprechen, und auch das
halte ich für richtig.

Bei so viel Übereinstimmung möchte ich aber jetzt einen Appell an uns richten: In dem
Bericht wird auf die Konvention Nr. 83 hingewiesen, die dieser Europarat vor mehr als
dreißig Jahren beschlossen hat. Seit dreißig Jahren versuchen wir in unseren nationalen
Regierungen, die Zustimmung dafür zu bekommen, doch nur 8 von 44 Ländern dieses
Europarates haben die Konvention bisher unterschrieben, 80% nicht. Im Bericht weisen wir
zu Recht auf die wichtige Entschließung der ILO zum Schutz von Wander- und Landarbeitern
hin. Diese ILO-Konvention ist inzwischen von 4 Ländern, also von 10% des Europarats,
unterschrieben worden; 90% haben nicht unterschrieben. Und die Konvention der Vereinten
Nationen ist von einem einzigen Mitgliedsland des Europarats unterschrieben worden, also
von 95% nicht.

Ich bin überzeugt, dass der Ministerrat nur dann den Druck empfinden wird, für kollektive
Vereinbarungen Empfehlungen auszusprechen, wenn wir selbst, d.h. die Repräsentanten von
44 Ländern, in unseren eigenen Ländern diese Dinge, die wir hier beschließen, und die seit
Jahrzehnten bestehen, mit dem notwendigen Ernst auch durchsetzen. Alles, was ich gesagt
habe, gilt genauso für mich und mein eigenes Land; denn auch mein Land, dieses große
Deutschland, hat nicht unterschrieben. Also nehmen Sie dies als einen Appell der
Verantwortung für Beschlüsse hin, die wir für so wichtige Dinge, wie sie zu Recht von dem
Berichterstatter aufgeführt worden sind, selbst treffen.

Herzlichen Dank.

Derzeitige Lage im Kosovo

Rainder Steenblock, Deutschland, SOC
Der Zerfall Jugoslawiens dauert immer noch an und wird die internationale Gemeinschaft auf
lange Zeit als Begleiter und mit militärischer Präsenz zur Friedenssicherung brauchen. Aber
bei aller Mühseligkeit des Prozesses: Es gibt keine Alternativen zu diesem Engagement, das
Europa aus ethischen Gründen und aus eigenen Interessen aufrechterhalten muss.

Jeder, der sich länger mit dem Kosovo befasst hat, weiß, dass die Kosovoalbaner niemals
unter das Dach Serbiens zurückzukehren bereit sind. Natürlich wird versucht, das Kosovo
zum Präzedenzfall zu machen. Aber Kosovo ist ein einzigartiger Fall insofern, als die NATO
dort militärisch interveniert und die UN dieses Gebiet zu einem Protektorat erklärt haben.
Deshalb sind die UN für die Entscheidung zuständig. Aber die EU ist in der
Mitverantwortung für die Entwicklung danach.

Drucksache 16/4922 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Zeit ist überreif, Entscheidungen zu fällen und den Schwebezustand zu beenden. Eine
klare und endgültige Trennung von Serbien ist notwendig. Und die Perspektive auf die EU.
Gleichzeitig geht es darum, Serbien zu stabilisieren, nicht zu demütigen. Erschwerend dafür
ist aber, wie wenig sich Serbien mit der historischen Last des Milosevic-Erbes bisher
auseinandersetzt. Die hoffnungsvollen Wahlergebnisse vom letzten Sonntag sind vielleicht
ein Zeichen für eine allmähliche Veränderung in der serbischen Gesellschaft. Aber die
Ergebnisse für die rotbraunen Parteien der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Seselj und
Milosevic deuten auf eine noch zunehmende Polarisierung hin. Der Prozess des
gesellschaftlichen Bewusstseinswandels weg von der Fixierung auf die nationale Opferrolle
hin zu einem offenen und demokratischen europäischen Anspruch steht immer noch am
Anfang.

Die Entwicklung leidet aber vor allem im Kosovo unter der ungeklärten Situation. Die
Albaner betrachten die UN-Hoheit über das Kosovo zunehmend eher als Besatzung denn als
Schutz vor Serbien; die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, die sozialen Spannungen
nehmen zu. Deshalb drängen auch UNMIK und die OSZE auf eine Klärung der Statusfrage.

Die Entscheidung über den zukünftigen Status muss eine Unabhängigkeit des Kosovo
ermöglichen. Angesichts der unvereinbaren Positionen Serbiens und des Kosovo sowie der
gravierenden politischen, wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Defizite im Kosovo ist
eine solche aber nur mit Einschränkungen möglich: eine internationale sicherheitspolitische
Präsenz, die jetzt von den UN-mandatierten KFOR-Truppen wahrgenommen wird, bleibt
notwendig, ebenso eine zivile Aufsicht über die politische Entwicklung des Landes. Hierbei
geht es vor allem um die Situation der Minderheiten – der Serben, Roma, Ashkali und
weiterer Gruppen. Rechte und Schutz der Minderheiten müssen nicht nur festgeschrieben,
sondern ihre Umsetzung auch garantiert werden.

Denn der Status löst keineswegs alle Probleme. Wir müssen daher vor allem die Forderung an
die Kosovo-Albaner stellen, die Minderheiten tatsächlich zu schützen, und ein
Strafrechtssystem aufzubauen, das dem eines Rechtsstaates gleicht. Das Rechtswesen des
Kosovo enthält auch nach sieben Jahren viele Unzulänglichkeiten. Eine strafrechtliche
Verfolgung der Übergriffe des Jahres 2004 hat es zum Beispiel kaum gegeben. Hier kann
gerade der Europarat eine wichtige Rolle.

Die Perspektive für das Kosovo kann – wie für den gesamten westlichen Balkan – nur der
Beitritt zur EU sein. Diese Aussicht ist eine Bedingung für eine nachhaltige politische
Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, auf
dem die EU und auch der Europarat weit reichende Unterstützung leisten müssen.

Die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten
Änderungsantrag 11

Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Es handelt sich hier um eine Empfehlung an die Regierungen. Ich möchte nicht die Regierung
auffordern, das Parlament aufzufordern, etwas zu tun; das können wir selber machen. Daher
denke ich, wir würden uns selber kleiner machen, als wir sein können und deshalb bin ich
entschieden gegen diese Änderung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/4922

Die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten
Änderungsantrag 11

Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Wir haben vorhin erlebt, dass es zu einer sehr misslichen Situation gekommen ist. Der
Ausschuss hatte sich gegen ein Amendement ausgesprochen, welches sehr umfangreich war,
und die Meinung des Ausschusses ist durch den Trick eines kleinen Oral Sub-amendments
hier nicht genannt worden, welches der Ausschuss natürlich nicht vorhersehen konnte und
über welches er nicht abgestimmt haben konnte. Trotzdem war das gesamte Amendement
gegen den Willen des Ausschusses, das ist dann hier nicht mehr vorgetragen worden. Dies ist
ein schlechter Trick, den wir in Zukunft unterlassen sollten.

Die Bedrohung des Lebens und der Meinungsfreiheit von Journalisten
Änderungsantrag 11

Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Es ist hier dasselbe Problem. Hier wird wieder die Regierung aufgefordert, etwas zu
unternehmen, und es wird durch dieses Oral Sub-amendment nicht besser. Von daher würde
ich sowohl dieses Oral Sub-amendment ablehnen, als auch das Amendement insgesamt.

HIV/AIDS in Europa
Eine Zukunft für HIV/AIDS-infizierte Kinder und AIDS-Waisen
Die Ausbreitung der HIV/AIDS-Apidemie unter Frauen und Mädchen in Europa

Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Herr Präsident,
Meine Damen und Herren!
AIDS ist eine Krankheit, die vorwiegend Schwache und Arme trifft. AIDS ist aber auch eine
Erkrankung, die mit dem Geld kommt. Arme Länder hatten kein Aids, bis Menschen mit Geld
dorthin kamen und die dortigen Einwohner ihre Frauen und Kinder an Fremde verkauften und
zur Prostitution benutzten. Auch als die eigenen Leute anfingen, Drogen zu handeln, um Geld
zu verdienen, da kamen die Opfer in die Länder. Dadurch hat sich Aids in Afrika ausgebreitet
und so breitet es sich jetzt in China, Indien und Europa aus. AIDS hat etwas mit dem
Unterschied zwischen arm und reich zu tun, und was wir bisher dagegen tun, ist halbherzig.

Ich war auf beiden großen Versammlungen in Genf und New York, und habe dort die vielen
verschiedenen möglichen Maßnahmen gesehen. Hier wiederholen wir das ein wenig. Aber wir
sind eine Menschenrechtsinstitution und müssen unser Augenmerk auf Europa richten, die
Ungerechtigkeiten aufspüren und uns überlegen, wo wir mit unseren Regierungen, die hier in
diesem Hause ja durch die Abgeordneten kontrolliert werden, etwas erreichen können. Und
hier können wir Menschenhandel und Drogenhandel verhindern bzw., wenn der
Drogenhandel nicht zu verhindern ist und es eben Drogenabhängige gibt, dafür sorgen, dass
diese wenigstens saubere Nadeln haben.

Wir müssen diese Probleme ganz offen und ehrlich in unseren Ländern analysieren. Die
Politiker an der Spitze müssen sie zur Chefsache machen und als Problem anerkennen, anstatt
sie länger zu verleugnen. Ich freue mich, dass Herr Putin zum ersten Mal gesagt hat, „ja,

Drucksache 16/4922 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

AIDS ist ein Problem in Russland“. Das ist der Anfang für die Hilfe, ein erster Schritt, der in
allen europäischen Ländern getan werden muss.

In der kurzen Zeit möchte ich noch etwas erwähnen, was ich bei uns für verlogen halte,
nämlich den Umgang mit der Therapie:

Wenn wir sehen, wie die Gewinnzahlen der großen Unternehmen, die diese Medikamente
herstellen, steigen, je mehr Aidskranke wir haben, wenn ich sehe, wie hoch die Preise für
diese Medikamente sind und wie die Verteilungsmechanismen aussehen, wie arme Völker
benutzt werden, um Medikamente auszuprobieren, die ihnen hinterher vorenthalten werden,
dann kann das nicht hingenommen werden.

Auf diesem Gebiet hat sich einiges verändert; es gibt NGOs und Regierungen, die sich im
internationalen Rahmen stark machen und dafür kämpfen, dass dieser Zustand aufhört. Ich
freue mich sehr, dass die Weltgesundheitsorganisation eine Kommission eingesetzt hat, die
sich endlich darüber Gedanken macht, ob Patentgebühren oder Patente für die Pharma-
Unternehmen wirklich die richtige Belohnung sind.

In der Kommission, die von der ehemaligen Schweizer Gesundheitsministerin Frau Dreyfus
geleitet wurde, wird darüber nachgedacht, ob es nicht andere Belohnungsmechanismen gibt,
ob man nicht besser öffentliche Mittel in die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten
investieren sollte, um die Medikamente dann gleich für alle billig zur Verfügung zu haben
und nicht durch strategisch eingesetzte Patente erpresst werden zu können. Denn Patente
werden strategisch eingesetzt: Die alten Medikamente werden ausverkauft, so lange sie noch
gut gehen, und dann erst wird das neue auf den Markt gebracht.

Man kauft Medikamente und hält sie zurück, und versucht sie vor allem für Krankheiten zu
entwickeln, die zahlungskräftige Kunden betreffen, nämlich Zivilisationskrankheiten. Das
Verhältnis der Investitionen in die Impfstoffentwicklung zur Medikamentenentwicklung ist
1:10. Dies ist zynisch, wenn man die Forschung ansieht.

Nur dadurch, dass wir z.B. Mikrobiozide für Frauen entwickeln, können wir diese Frauen,
wenn der Mann Gewalt anwendet, wie das in Afrika, aber auch in Europa und weltweit ja
ausgesprochen häufig passiert, in die Lage versetzen, trotzdem selbst geschützt zu sein,
unabhängig vom Mann. Dafür brauchen wir Mikrobiozide, für die massiv geforscht werden
muss, wenn wir es mit dem Schutz von Frauen ernst meinen.

Oder wir müssen Impfstoffe entwickeln, wobei wir in Europa vorbildlich sein sollten: Diese
Impfstoffe sollten so entwickelt werden, dass es keine Patente für sie gibt, damit sie nicht
wieder strategisch ausgenutzt werden.

Diese Impfstoffe müssen allen Menschen die sie brauchen zur Verfügung gestellt werden, und
das sind meist gerade wieder die Ärmsten, die sie sonst nicht bezahlen können.

Und das hat etwas mit Menschenrechten zu tun.

HIV/AIDS in Europa
Eine Zukunft für HIV/AIDS-infizierte Kinder und AIDS-Waisen
Die Ausbreitung der HIV/AIDS-Apidemie unter Frauen und Mädchen in Europa

Angelika Graf (SPD):
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/4922

Ich möchte mich bei den Berichterstatterinnen für die gute Arbeit, die sie geleistet haben
bedanken.

Ich denke, die Berichte die sie uns vorgelegt haben sind eine ganz wichtige Grundlage für die
weitere Arbeit.

Sie beschreiben die Ausbreitung dieser schrecklichen Krankheit mit sehr viel Tiefgang und
machen uns gute Vorschläge, was getan werden kann und was getan werden muss. Immerhin
infizieren sich jährlich etwa fünf Millionen Menschen und jeden Tag sterben 8000 Menschen
an der Seuche. Es ist sozusagen nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf und die Zeit
drängt nun wirklich.

Die Zahlen unterscheiden sich etwas aber sie sind im Endeffekt alle gleichermaßen
schrecklich: Circa 50 Millionen Menschen waren Ende 2006 HIV-infiziert und darunter sind
immer mehr Frauen, weltweit rund 50%.

Überall auf unserem Planeten werden in kriegerischen, ethnischen und religiös motivierten
Konflikten unserer Zeit Frauen als Mütter der Kriegsführung vergewaltigt: auch so wird
AIDS verbreitet. Und Herr Hancock hat die Auswirkungen auf Familien und Kinder sehr
beeindruckend beschrieben. Ich danke Ihnen dafür sehr herzlich, weil Sie damit deutlich
gemacht haben wie sich die Seuche auch in diesem Bereich auswirkt.

Die immer weitere Ausbreitung und Zunahme der Epidemie ist nicht nur in Afrika
festzustellen, wo die Zahl der infizierten Frauen die der Männer inzwischen deutlich
übertrifft. Die Ukraine ist bereits erwähnt worden, denn sie hat als erster europäischer Staat
die Einprozentmarke überschritten: ein Prozent der Bevölkerung ist in diesem Land, was ja
gar nicht so weit von Strassburg entfernt liegt, infiziert, davon sind viele Frauen.

Das Wissen über die Verhütung von AIDS ist nicht übermäßig gut ausgeprägt: Dies zeigt sich
unter anderem darin, dass in Libyen bulgarische Krankenschwestern vor Gericht stehen und
mit dem Tode bedroht sind, weil sie angeblich AIDS verbreitet haben. Der Mangel lag nicht
bei den Krankenschwestern, der Mangel lag an der Hygiene in diesem Krankenhaus. Hier
findet eine Hexenverbrennung statt, und wir sollten als Europarat fordern, dass diese
Krankenschwestern freigelassen werden.

In meinem eigenen Land, in Deutschland, hat sich seit 2001 die Anzahlt der Neuinfizierten
nicht nur fast verdoppelt, es sind zur Zeit auch etwa 25% davon Frauen. Ihnen, Frau Vermot-
Mangold möchte ich an dieser Stelle sagen, dass, der Politiker, den Sie da zitiert haben
schlicht und einfach ignorant ist, denn er hätte von diesen Zahlen wissen müssen.

Wir müssen – und das wird in den Berichten ganz deutlich angesprochen – feststellen, dass
seit der Zeit als der AIDS-Tod von Rock Hudson oder von Freddy Mercury die Leute
aufrüttelte und ihnen zeigte, dass sie etwas ändern müssen, das Ganze wieder abgeflaut ist:
denn das Sexualverhalten hat sich wieder verändert, und zwar in Richtung Nachlässigkeit und
Sorglosigkeit.

Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass sich insbesondere junge Frauen die oft kein
Selbstbewusstsein haben und zu wenig über Verhütung wissen, über die Folgen eines
ungeschützten Geschlechtsverkehrs im klaren sind, und dass sie sich stärker mit der Thematik
auseinandersetzen.

Für Emigrantinnen ist die Situation noch komplizierter. Wir müssen dafür sorgen, dass HIV
und AIDS in den Schulen Thema ist, zwar altersangepasst, aber die Kinder müssen von klein
auf lernen, was es mit dieser Krankheit auf sich hat und wie man sich davor schützt.

Drucksache 16/4922 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Hier dürfen wir uns nicht von denen aufhalten lassen, die aus religiösen und
weltanschaulichen Gründen Sexualität und Gender aus dem Unterricht verbannen wollen.
Diese Themen gehören in den Unterricht hinein, wenn schon das Elternhaus diese Aufklärung
nicht leisten kann.

Armut und HIV/AIDS sind weltweit eng mit Bildungsarmut verbunden: Frauen brauchen
einen verbesserten Zugang zur Bildung, zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsvorsorge
und Schwangerschaftsvorsorge. Ich möchte die Anregung aus dem Bericht aufnehmen, dass
wir einen Aktionsplan auf der Ebene des Europarates erstellen, den wir miteinander
durchführen und mit dem wir deutlich machen können, dass wir dieses Thema aus der
„Schwuchtelecke“ herausholen und in den Mittelpunkt der Gesellschaft stellen wollen, mit
dem Ziel eine ehrliche Diskussion darüber zu führen.

Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien
Änderungsantrag 1

Eduard Lintner (CDU/CSU):
Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich im Grunde nur um eine technische Anpassung
handelt, die völlig unstreitig war.

Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien
Änderungsantrag 4

Eduard Lintner (CDU/CSU):
Im ganzen Ausschuss war die Zufriedenheit darüber zu spüren, welche Entwicklung die
Dinge in Albanien genommen haben. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen darauf
hinzuweisen wie wertvoll und wichtig das Monitoring des Europarates ist, und auch, wie
hilfreich es bei der Entwicklung dieser Länder und ihrer durchaus schwierigen Situationen
sein kann.

Auch danke ich erneut den beiden Berichterstattern sowie dem Sekretariat welches eine
solche Leistung ermöglicht hat. Ich glaube, dies ist ein gutes Beispiel dafür wie wir auch in
anderen Fällen verfahren sollten.

Vielen Dank.

Das Vorsorgeprinzip und verantwortungsvolles Risikomanagement

Axel Fischer (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Fragen, die der Kollege Randegger an den Beginn seines Berichtes gestellt hat, sind
angesichts der Entwicklung, die wir seit geraumer Zeit beobachten können, berechtigt,
wichtig und vor allem auch wichtig. Die Entwicklung geht hin zu immer stärkerer Kritik an
der Technik, einer Einstellung der Technikfeindlichkeit und der Zukunftsangst.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/4922

Erstens müssen wir uns die Frage stellen, ob Risiken wirklich weiter gemindert oder gar
minimiert werden müssen, und was wir überhaupt meinen, wenn wir von minimiert sprechen.
Denken wir dabei eher an den technologischen Ansatz, der unter „minimieren“ das Senken
von Risiken versteht, oder den wirtschaftspolitischen Ansatz, der darunter versteht, Risiken
möglichst auszuschließen? Wenn wir dies beantwortet haben, müssen wir uns sodann die
Frage stellen, warum und zu welchen Kosten dies zu tun ist.

Welchen Preis müssen wir bezahlen, um Risiken weiter zu senken, welche Vorteile hat eine
Minderung des Risikos? Und was kostet uns dies volkswirtschaftlich in unseren einzelnen
Ländern? Dies muss in jedem Einzelfall auch entsprechend begründet werden. Denn, meine
Damen und Herren, ohne feste, substantielle Erkenntnisse kann nicht richtig gearbeitet
werden, auch nicht im Prinzip der Vorsorge, denn wir müssen bei den Anwendungen auch die
Verhältnismäßigkeit wahren. Ohne jegliche Kenntnis können Risiken letztlich nicht
verhindert werden.

Wichtig ist auch die Beurteilung der Auswirkungen, insbesondere vor dem Hintergrund
möglicher entgangener Chancen, weil entsprechende Techniken nicht eingesetzt wurden. Ich
denke da z.B. an die Entwicklungen bei der Biotechnologie. Die Aufklärung der
Öffentlichkeit über mögliche Chancen ist dabei ein besonders wichtiger Punkt. Wir müssen
die Öffentlichkeit sowohl über Chancen als auch Risiken informieren, und das bedeutet, dass
wir auch einen entsprechenden Wissensstand in der Bevölkerung brauchen.

Besonders positiv finde ich daher in dem vorliegenden Antrag die Punkte 9.1.1. bis 9.1.8., die
hier wichtige Impulse geben. Wir müssen wesentlich auch darüber nachdenken, welche
positiven Entwicklungen es gibt, wenn wir entsprechende Produkte einsetzen können, denn
wie wir alle eigentlich wissen, wird die Menschheit bei guter Gesundheit immer älter; so
schlecht kann es also mit dem technischen Einsatz bei uns zur heutigen Zeit gar nicht stehen.
Eigentlich geht es uns doch immer besser, daher sollten wir uns auch immer dieser positiven
Punkte bewusst sein.

Dies sollte in eine geeignete parlamentarische Beratung einmünden. Ich kann nur aus dem
deutschen Bundestag berichten, wo wir ein Institut für Technikfolgeabschätzung haben,
welches im Vorfeld von Entscheidungen den Bundestag intensiv darüber berät, welche
negativen wie positiven technischen Auswirkungen eine Entwicklung haben wird. Dies gibt
uns als Parlamentariern die Möglichkeit, abzuwägen und eine entsprechende Entscheidung in
die eine oder andere Richtung zu treffen.

Deshalb sage ich abschließend, lieber Kollege Randegger:

Ich finde, Sie haben einen hervorragenden Bericht vorgelegt, der in allen Punkten genau so,
wie Sie ihn vorgelegt haben, angenommen werden müsste. Eines, meine Damen und Herren,
ist uns allen ja auch klar. Um es an einem einfachen Beispiel darzustellen: Nur weil es im
Straßenverkehr möglicherweise Unfälle und Tote gibt, wollen wir ja nicht das Autofahren
verbieten, denn die positiven Aspekte überwiegen die negativen. Deshalb wünsche ich mir
heute, lieber Kollege Randegger, dass wir nachher Ihren Bericht so, wie Sie ihn vorgelegt
haben, annehmen, und kann Ihnen nur sehr herzlich danken für die viele Arbeit, die Sie sich
damit gemacht haben, dass Sie sich wirklich intensiv bemüht haben, einen ausgewogenen
Bericht vorzulegen. Ich möchte Ihnen sagen, aus meiner Sicht ist Ihnen dies in hervorragender
Weise gelungen. Herzlichen Dank für Ihren Einsatz.

Drucksache 16/4922 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Mitgliedsländer und Funktionsträger
Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (46)

Länder mit Sondergaststatus
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt

Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.

Beobachter (3): Israel, Kanada, Mexiko

Albanien

Andorra

Armenien

Aserbaidschan

Belgien

Bosnien und Herzegowina

Bulgarien

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Georgien

Griechenland

Irland

Island

Italien

Kroatien

Lettland

Liechtenstein

Litauen

Luxemburg

„ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“

Malta

Moldau

Monaco

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Portugal

Rumänien

Russland

San Marino

Schweden

Schweiz

Serbien

Slowakische Republik

Slowenien

Spanien

Tschechische Republik

Türkei

Ukraine

Ungarn

Vereinigtes Königreich

Zypern

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/4922

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Präsident René van der Linden (Niederlande – EPP/CD)
Vizepräsidenten 20, darunter Joachim Hörster (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU / EPP/CD)
Generalsekretär Mateo Sorinas (Spanien)

Politischer Ausschuss
Vorsitzender Abdülkadir Ateş (Türkei – SOC)

Stv. Vorsitzende Konstantin Kosachev (Russland – EDG)

Zsolt Németh (Ungarn – EPP/CD)

Giorgi Bokeria (Georgien – ALDE)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte
Vorsitzender Dick Marty (Schweiz – ALDE)

Stv. Vorsitzende Erik Jurgens (Niederlande – SOC)

György Frunda (Rumänien – EPP/CD)

Herta Däubler-Gmelin (Deutschland – SOC)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung
Vorsitzender Konstantinos Vrettos (Griechenland – SOC)

Stv. Vorsitzende Antigoni Pericleous Papadopoulos (Zypern – ALDE)

Márton Braun (Ungarn – EPP/CD)

Doris Barnett (Deutschland – SOC)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie
Vorsitzender Lajla Pernaska (Albanien – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)

Cezar Florin Preda (Rumänien – EPP/CD)

Michael Hancock (Vereinigtes Königreich – ALDE)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung
Vorsitzender Jacques Legendre (Frankreich – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Baroness Gloria Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)

Dr. Wolfgang Wodarg (Deutschland – SOC)

Anne Brasseur (Luxemburg – ALDE)

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten
Vorsitzender Walter Schmied (Schweiz – ALDE)

Stv. Vorsitzende Alan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)

Elsa Papadimitriou (Griechenland – EPP/CD)
Pasquale Nessa (Italien – EPP/CD)

Drucksache 16/4922 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender Mevlüt Çavuşoğlu (Türkei – EDG)

Stv. Vorsitzende Jean-Guy Branger (Frankreich – EPP/CD)

Doug Henderson (Vereinigtes Königreich – SOC)

Ibrahim Özal (Türkei – EPP/CD)

Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitäten
Vorsitzender Andreas Gross (Schweiz – SOC)

Stv. Vorsitzende Andrea Manzella (Italien – SOC)

Maria Postoico (Moldau – UEL)

Erol Aslan Cebeci (Türkei – EPP/CD)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Gülsün Bilgehan (Türkei – SOC)

Stv. Vorsitzende Anna Čurdová (Tschechische Republik – SOC)

Svetlana Smirnova (Russland – EDG)

José Mendes Bota (Portugal – EPP/CD)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)
Vorsitzender Eduard Lintner (Deutschland – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Hanne Severinsen (Dänemark – ALDE)

Mikko Elo (Finnland – SOC)

Tigran Torosyan (Armenien – EDG)

SOC Sozialistische Gruppe
EPP/CD Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
ALDE Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344
Inhaltsverzeichnis
I. Teilnehmer
II. Zusammenfassung
III. Schwerpunkte der Beratungen
IV. Anhang

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