BT-Drucksache 16/4862

Restkreditermächtigungen haushaltsrechtlich konkretisieren - Haushaltsgesetzgeber stärken

Vom 28. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4862
16. Wahlperiode 28. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Flach, Jürgen Koppelin, Otto Fricke, Dr. Claudia
Winterstein, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Restkreditermächtigungen haushaltsrechtlich konkretisieren –
Haushaltsgesetzgeber stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Dabei kommt den jähr-
lich haushaltsgesetzlich festgelegten Kreditermächtigungen für die Sicherung
des parlamentarischen Budgetrechts eine zentrale Bedeutung zu. Die Verfassung
legt die Entscheidungskompetenz über die Aufnahme von Krediten in die Hände
des Parlaments. Mithin ist der Haushaltsgesetzgeber auch von der Verfassung
her in erster Linie zur Finanzdisziplin aufgefordert. Relativiert wird diese Aus-
sage jedoch durch die Tatsache, dass nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigungen
(Restkreditermächtigungen) im folgenden Haushaltsjahr in Anspruch genom-
men werden können. Die Ermächtigung des Haushaltsgesetzes zur Aufnahme
von Krediten geht gemäß § 18 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung bis zum
Ende des nächsten Haushaltsjahres. Zwar steht diese Verfahrensweise formal
im Einklang mit dem Grundgesetz (Artikel 110 Abs. 4 Satz 2 des Grundgeset-
zes – GG), jedoch wird dadurch der Kreditrahmen für das laufende Jahr erhöht,
ohne dass das Parlament in seiner Eigenschaft als Haushaltsgesetzgeber über
die zusätzliche Kreditaufnahme beschließt.
Auch die Regelung im § 2 Abs. 9 des Haushaltsgesetzes schafft keine Abhilfe.
Das Parlament ist bei der Inanspruchnahme von weitergehenden Kreditermäch-
tigungen beteiligt, doch wird in der Praxis weiterhin im Haushaltsvollzug zu-
nächst die weitergeltende Kreditermächtigung des Vorjahres verbraucht mit der
Folge, dass Kreditermächtigungen im steigenden Umfang angesammelt werden
können.

Drucksache 16/4862 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Im Ergebnis hat dies dazu geführt, dass die Restkreditermächtigungen mittler-
weile auf nunmehr rund 20,1 Mrd. Euro im Haushaltsjahr 2007 angewachsen
sind. Wie bereits 1992 und 1995 verzichtet die Bundesregierung jedoch auf ei-
nen Teil der Restkreditermächtigungen. So stehen 2007 knapp 10 Mrd. Euro aus
dem vergangenen Jahr zur Verfügung. Dieses Vorgehen ist zu begrüßen, zeigt
jedoch auch, dass der Verzicht der Inanspruchnahme von vergangenen Ermäch-
tigungen weiterhin allein der politischen Willkür überlassen ist.

Der Bundesrechnungshof vertritt seit Jahren die Auffassung, dass eine nach
§ 18 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung grundsätzlich bis zum Ende des nächs-
ten Haushaltsjahres fortgeltende Kreditermächtigung aus dem Vorjahr nur dann
in Anspruch genommen werden kann, wenn die für das laufende Haushaltsjahr
veranschlagte Ermächtigung zur Nettokreditaufnahme verbraucht ist. Hierdurch
würde die Fortgeltung nicht ausgenutzter Kreditermächtigungen des Vorjahres
auch tatsächlich auf die gesetzlich vorgesehene Jahresfrist beschränkt.

Eine solche Vorgehensweise erscheint insbesondere im Hinblick auf die Siche-
rung des parlamentarischen Haushaltsbewilligungsrechts geboten. Denn durch
die Inanspruchnahme nicht ausgeschöpfter Kreditermächtigungen wird der
Handlungsspielraum der Exekutive in unzulässiger Weise ausgedehnt. Wie eine
Bugwelle werden so Restkreditermächtigungen aus den Vorjahren vor sich her
geschoben und Vorratskredite angesammelt.

Besondere Bedeutung erlangen angesammelte Restkreditermächtigungen in Be-
zug zur Wirksamkeit der „Goldenen Regel“ nach Artikel 115 GG. Im Haushalts-
jahr 2005 verhalfen 19 Mrd. Euro Restkreditermächtigungen dazu, die Grenze
des Artikels 115 GG zu umgehen. So konnte auf die Vorlage eines Nachtrags-
haushaltes verzichtet werden, obwohl die Nettokreditaufnahme im Haushalts-
vollzug von ursprünglich 22 Mrd. Euro auf 31,2 Mrd. Euro angestiegen ist.
Damit überstieg die Nettokreditaufnahme die Ausgaben für Investitionen um
8,3 Mrd. Euro. Die Darlegungserfordernis bei einer Störung des gesamtwirt-
schaftlichen Gleichgewichts nach Artikel 115 GG konnte somit umgangen
werden.

Zuletzt kritisierte der Sachverständigenrat dieses Vorgehen mit deutlichen Wor-
ten und forderte durch eine Verschärfung der Bundeshaushaltsordnung die er-
satzlose Abschaffung des Instruments „Restkreditermächtigung“.

Wortlaut und Regelungszweck des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bun-
deshaushaltsordnung erfordern daher eine klare zeitliche Begrenzung von Kre-
ditermächtigungen. Dies würde nicht zuletzt das parlamentarische Budgetrecht
stärken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in einer zentralen haushaltswirtschaftlichen Frage von der bisherigen Praxis
angesammelter Kreditermächtigungen abzurücken und die älter als ein Jahr
datierenden Kreditermächtigungen in Abgang zu stellen;

2. einen Gesetzentwurf mit Änderungen des Haushaltsgrundsätzegesetzes und
der Bundeshaushaltsordnung vorzulegen, um die bisher ausgeübte Haushalts-
praxis auszuschließen mit dem Ziel, die Rolle des Haushaltsgesetzgebers und
damit das Parlament wieder zu stärken.

Berlin, den 28. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.