BT-Drucksache 16/4843

Schutz der Wale sicherstellen

Vom 27. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4843
16. Wahlperiode 27. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Ingbert Liebing, Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam),
Peter Bleser, Michael Brand, Dr. Maria Flachsbarth, Josef Göppel, Ursula Heinen,
Uda Carmen Freia Heller, Franz-Josef Holzenkamp, Dr. Peter Jahr, Dr. Hans-
Heinrich Jordan, Andreas Jung (Konstanz), Julia Klöckner, Jens Koeppen,
Hartmut Koschyk, Katharina Landgraf, Dr. Max Lehmer, Philipp Mißfelder, Marlene
Mortler, Dr. Georg Nüßlein, Ulrich Petzold, Johannes Röring, Dr. Norbert Röttgen,
Kurt Segner, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Christoph Pries, Marco Bülow, Dirk Becker, Petra
Bierwirth, Volker Blumentritt, Gerd Bollmann, Dr. Gerhard Botz, Martin Burkert,
Elvira Drobinski-Weiß, Gustav Herzog, Ulrich Kelber, Dr. Matthias Miersch, Marko
Mühlstein, Detlef Müller (Chemnitz), Holger Ortel, Dr. Wilhelm Priesmeier,
Mechthild Rawert, Marianne Schieder, Heinz Schmitt (Landau), Olaf Scholz, Frank
Schwabe, Dr. Marlies Volkmer, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Manfred Zöllmer,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Schutz der Wale sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die meisten Wale haben mit maximal einem Nachkommen alle zwei Jahre eine
sehr geringe Vermehrungsrate. Nicht zuletzt durch diese Tatsache sind Wale ge-
genüber kommerziellem Jagddruck aber auch anderen menschlichen Aktivitä-
ten extrem empfindlich. Auf ihren Wanderungen durchkreuzen sie die Ozeane.
Internationale Kooperation ist für Schutz und Erhalt der Wale daher unerläss-
lich.

Bereits 1946 wurde das Internationale Übereinkommen zur Regulierung des
Walfangs (ICRW) geschlossen und die Internationale Walfangkommission
(IWC) zum Schutz der Walbestände und zur Regulierung des Walfangs einge-
setzt. Im Jahr 1982 beschloss die Kommission ein weltweites Moratorium für
den kommerziellen Walfang, um den Schutz und den Wiederaufbau der Be-
stände zu gewährleisten. Dies war nötig geworden, da viele Arten durch die
kommerzielle Walfangindustrie an den Rand ihrer Ausrottung gebracht worden
waren. Dennoch konnte sich die Mehrzahl der Walarten nicht von der Bejagung

im vergangenen Jahrhundert erholen. Das Wissenschaftskomitee der IWC
schätzt beispielsweise den ursprünglichen Bestand der südlichen Blauwale auf
über 200 000 Tiere, der Finnwalbestand belief sich auf 350 000, die Anzahl von
Buckelwalen lag bei 120 000 Exemplaren. Die heutigen geschätzten Bestands-
größen für die genannten Arten liegen bei unter 20 Prozent und zum Teil noch
sehr deutlich darunter.

Drucksache 16/4843 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wale spielen im marinen Ökosystem und Nahrungsnetz eine wichtige Rolle.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass auch die Be-
siedelung des Tiefsee-Ökosystems maßgeblich durch auf den Grund gesunkene
Walkadaver begünstigt wird. Durch die systematische Jagd auf Großwale, der
zu Spitzenzeiten über 46 000 Wale jährlich zum Opfer fielen, blieb diese Nah-
rungsquelle aus, was mit großer Wahrscheinlichkeit erhebliche Auswirkungen
auf das Tiefsee-Ökosystem hatte.

Die deutsche Bundesregierung hat das Walfang-Moratorium von Beginn an be-
fürwortet und setzt sich in den IWC-Verhandlungen zusammen mit anderen
führenden Walschutznationen für eine Beibehaltung ein.

Trotz des bestehenden Moratoriums für den kommerziellen Walfang und unter
dem Protest anderer Mitglieder betreiben drei Mitgliedstaaten der IWC weiter-
hin Walfang: Norwegen hat offiziell Vorbehalt gegen das Fangverbot eingelegt,
die japanischen Walfänger nutzen eine Ausnahmeregelung der Konvention und
betreiben den Walfang zu so genannten wissenschaftlichen Zwecken. Island hat
beim IWC-Beitritt offiziell Vorbehalt gegen das Moratorium eingelegt und be-
treibt außerdem so genannten wissenschaftlichen Walfang. Seit Bestehen des
Moratoriums wurden durch diese Nationen über 24 000 Großwale getötet.

Es besteht ein Unterschied zwischen kommerziellem bzw. so genanntem wis-
senschaftlichen Walfang und dem Walfang einiger indigener Bevölkerungs-
gruppen. Während ersterer kommerziellen Interessen dient, wird letzterer zur
Versorgung des Eigenbedarfs in traditioneller Weise in der nördlichen Polarre-
gion betrieben. Die IWC vergibt entsprechend so genannte Subsistenzwalfang-
Quoten unter anderem an die Inuit-Gemeinschaften Alaskas und Russlands.
Diese Art des Walfangs kann und soll nicht verurteilt werden, da es sich hierbei
um eine nachhaltige, den Walbestand nicht gefährdende Art des Walfangs han-
delt.

Die Beteiligung am kommerziellen Walfang, sei sie unter Vorbehalt, offiziellem
Widerspruch oder durch tödliche, so genannte Wissenschaftsprogramme, unter-
läuft nicht nur das Schutzmandat der IWC, sondern verhindert auch eine effek-
tive Arbeit der Kommission. Das Töten von tausenden von Walen unter dem
Deckmantel der Wissenschaft und der Verkauf des Walfleischs und -specks
unterläuft das Walfangmoratorium und muss als illegal bezeichnet werden. 2003
beschrieb die IWC den so genannten wissenschaftlichen Walfang als „einen Akt
gegen den Geist des Moratoriums für kommerziellen Walfang und den Willen
der Kommission“ (vgl. Resolution 2003-2). 2005 wurde die japanische Regie-
rung per Resolutionsbeschluss dazu aufgefordert eines ihrer tödlichen so ge-
nannten Wissenschaftsprogramme zu beenden (vgl. Resolution 2005-1).

Obwohl die Nachfrage für Walprodukte stetig abnimmt, steigt der Druck der
Walfangnationen, das Fangmoratorium aufzuheben, den internationalen Handel
mit Walprodukten wieder aufzunehmen und die kommerzielle Walfangindus-
trie wieder zu beleben. Bei den 58. Vertragsstaatenverhandlungen der IWC im
Juni 2006 auf der Karibikinsel St. Kitts und Nevis wurde auf Vorschlag Japans
eine Resolution mit einfacher Mehrheit angenommen, die das Moratorium für
nicht länger notwendig erklärt. Da das Moratorium allerdings nur mit 3/4-Mehr-
heit gekippt werden kann, hat dies 2006 noch nicht zu einer Abschaffung des
Moratoriums geführt.

Eine besondere Bedrohung sowohl der Walbestände als auch der ähnlich emp-
findlichen Delfine besteht besonders durch Beifänge in der Fischerei, wodurch
jährlich etwa 300 000 Tiere umkommen. Aber auch die Meeresverschmutzung,
die Folgen des Klimawandels und der ständig ansteigende Unterwasserlärm
tragen zu einer zusätzlichen Belastung der Bestände bei. Eine Aufhebung des
Moratoriums ist daher unangebracht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4843

Während noch vor einigen Jahrzehnten eine Nutzung der Wale im Vordergrund
stand, die deren Tötung erforderte, gibt es heute ökonomisch interessante nach-
haltige und nicht tödliche Nutzungsformen wie Walsafaris (Whale-Watching)
und ernsthafte wissenschaftliche Forschung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Der Schutz der biologischen Vielfalt ist ein Schwerpunkt der deutschen EU- Rats-
präsidentschaft genau wie der Schutz mariner Arten ein Schwerpunkt der im
Juni 2007 in Den Haag stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner
Artenschutzübereinkommens CITES sein wird. Zudem wird Deutschland 2008
Gastgeber der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biolo-
gische Vielfalt sein. Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die
Bundesregierung beim 59. Jahrestreffen der Internationalen Walfangkommis-
sion, bei der 14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzab-
kommens in Den Haag, bei zukünftigen die Meeresumwelt und -ressourcen
betreffenden Konferenzen sowie im Rahmen des Abkommens zum Schutz der
Kleinwale in Nord- und Ostsee (ASCOBANS) dazu auf,

1. für die Beibehaltung des bestehenden Moratoriums für den kommerziellen
Walfang und die Ablehnung jeglicher Vorschläge, die zur Wiederaufnahme
des kommerziellen Walfangs führen, einzutreten;

2. weiterhin für eine einheitliche ablehnende Position der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union in der Frage des Walfangmoratoriums zu werben;

3. sich für die Beendigung des tödlichen so genannten wissenschaftlichen Wal-
fangs einzusetzen;

4. sich gegen den Verkauf von Walprodukten (Fleisch und Speck) aus dem so
genannten wissenschaftlichen Walfang auszusprechen und Resolutionen, die
den internationalen Handel mit Walprodukten zulassen würden, zu verhin-
dern;

5. sich für die Einrichtung weiterer Schutzgebiete für Wale und Delfine einzu-
setzen;

6. für konkrete Maßnahmen zum verbesserten Schutz aller Walarten, inklusive
kleinerer Wale und Delfine, vor negativen anthropogenen Einflüssen, wie
z. B. Verschmutzung, Beifang oder Lärm, sowie ein wirksames Monitoring
dieser Maßnahmen einzutreten;

7. im Rahmen diplomatischer Gespräche im Sinne der Erhaltung der biologi-
schen Vielfalt zu agieren;

8. aktiv für die Rekrutierung neuer IWC-Mitgliedstaaten zu werben, die zu der
Gruppe der Walfanggegner zählen.

Berlin, den 27. März 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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