BT-Drucksache 16/4820

Rechtssituation verschiedengeschlechtlicher Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft

Vom 23. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4820
16. Wahlperiode 23. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Kersten Naumann,
Elke Reinke, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtssituation verschiedengeschlechtlicher Paare in eingetragener
Lebenspartnerschaft

Im Unterschied zur Ehe ist die eingetragene Lebenspartnerschaft kein Hinde-
rungsgrund für die Personenstandsänderung nach § 8 i. V. m. § 9 des Trans-
sexuellengesetzes (TSG) eines/einer der beiden Beziehungspartners/Bezie-
hungspartnerin. Die Lebenspartnerschaft entfällt auch nicht mit dem Wegfall
ihrer Gleichgeschlechtlichkeit. Es „entsteht“ im Zuge der Personenstandsände-
rung also ein verschiedengeschlechtliches, gleichwohl aber immer noch verpart-
nertes Paar.

Die vor der Personenstandsänderung begründete Lebenspartnerschaft stellt die
Beteiligten vor nicht unerhebliche Probleme: Wegen der Verschiedengeschlecht-
lichkeit des Paares entstehen stets Irritationen und Erklärungsbedarf, wenn der
Familienstand anzugeben ist. Außerdem kollidiert diese Situation mit dem
Offenbarungsverbot hinsichtlich der Personenstandsänderung, weil ein Perso-
nenstandswechsel eines Partners/einer Partnerin der einzige Weg ist, auf dem
eine verschiedengeschlechtliche Lebenspartnerschaft entstehen kann, und dieser
insofern offengelegt werden muss.

Um dem zu entgehen, kann davon ausgegangen werden, dass in einem solchen
Fall die Beteiligten einen Übergang von der Lebenspartnerschaft zur Ehe an-
streben werden. Zudem ist es verschiedengeschlechtlichen Paaren nicht zuzu-
muten, in einer Lebenspartnerschaft zu verbleiben, wenn ihnen von ihrem Per-
sonenstand her der Zugang zur Ehe offenstünde.

Die Eheschließung stößt jedoch auf Schwierigkeiten. Zwar ist nach dem Wort-
laut des § 1306 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eine bestehende Lebenspartner-
schaft kein Ehehindernis, sofern die Lebenspartner miteinander die Ehe einge-
hen wollen; jedoch bestehen bei den Standesämtern erhebliche Unklarheiten
darüber, ob die verpartnerten Ehewilligen, die nach der erfolgten Personen-
standsänderung eines Beteiligten heiraten wollen, nicht dennoch vor einer Ehe-
schließung ihre Lebenspartnerschaft auflösen müssen.

Dies wiederum würde die Beteiligten nicht nur dazu zwingen, wahrheitswidrig
vor Gericht zu behaupten, dass sie die Lebenspartnerschaft beenden wollen,

sondern auch ein mindestens einjähriges Getrenntleben voraussetzen (§ 15
Abs. 2 Nr. 1 LPartG – Lebenspartnerschaftsgesetz). Da die Beteiligten ihre
Lebensgemeinschaft jedoch fortsetzen und sich gerade nicht trennen wollen, ist
dies unzumutbar.

Drucksache 16/4820 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie sieht die Bundesregierung die Rechtslage bei durch Personenstands-
änderung eines Partners/einer Partnerin entstandenen verschiedengeschlecht-
lichen eingetragenen Lebenspartnerschaften?

Inwieweit sieht die Bundesregierung im nachträglichen Entstehen verschie-
dengeschlechtlicher Lebenspartnerschaften einen Widerspruch zu § 1 LPartG?

2. Welche Möglichkeiten bestehen, und welche Schritte sind aus Sicht der Bun-
desregierung zur Umwandlung einer verschiedengeschlechtlichen Lebens-
partnerschaft in eine Ehe erforderlich?

3. Gibt es Dienstanweisungen, Durchführungshinweise oder Ähnliches für die
Standesämter in dieser Frage?

Falls ja, welche?

4. Wie viele Anträge auf Eheschließung von verschiedengeschlechtlichen ver-
partnerten Paaren hat es seit Inkrafttreten der eingetragenen Lebenspartner-
schaft gegeben?

Wie ist in solchen Fällen von den Standesämtern verfahren worden (Zulas-
sung zur Eheschließung/Ablehnung/Zweifelsvorlage nach § 45 Abs. 2 PStG –
Personenstandsgesetz)?

Wie haben gegebenenfalls die Gerichte entschieden?

5. Sieht die Bundesregierung rechtlichen Handlungsbedarf hinsichtlich der
Verbesserung der Rechtssicherheit der Betroffenen, was den Übergang von
einer verschiedengeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Ehe
anbetrifft?

Falls ja, welchen?

6. Hält die Bundesregierung die Rechtsauffassung, nach der bei einem verpart-
nerten verschiedengeschlechtlichen Paar die Eheschließung nicht ohne wei-
teres erfolgen kann, für vereinbar mit Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG) (Eheschließungsfreiheit)?

Falls nein, hält sie eine klarstellende gesetzliche Regelung für erforderlich,
oder sieht sie § 1306 BGB als ausreichend an?

Berlin, den 22. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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