BT-Drucksache 16/4788

Stellung der Abschlüsse an Berufsakademien im europäischen Bildungsraum

Vom 21. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4788
16. Wahlperiode 21. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Stellung der Abschlüsse an Berufsakademien im europäischen Bildungsraum

Vor über dreißig Jahren hat das Bundesland Baden-Württemberg mit der
Einführung eines dualen Studiums an Berufsakademien ein innovatives Stu-
dienmodell im tertiären Bildungssektor geschaffen. Dabei ließen sich die Grün-
derväter von dem Gedanken der „Beschäftigungsfähigkeit“ der künftigen Ab-
solventen in den jeweiligen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung leiten.

Das Erfolgsmodell „Berufsakademie“ hat heute auch in die Hochschulsysteme
von Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein
und Thüringen Einzug gehalten.

Heute nutzen über 29 000 Studierende der 48 deutschen Berufsakademien die
Möglichkeit, eine Ausbildung im Unternehmen mit dem Studium zu verbinden.
Fast die Hälfte der Studierenden an den Berufsakademien sind Frauen.

Allein in Baden-Württemberg sind heute rund 19 000 Studierende an Berufs-
akademien eingeschrieben und absolvieren den praktischen Teil ihres dualen
Studiums in mehr als 8 000 Betrieben und sozialen Einrichtungen.

80 bis 90 Prozent eines Absolventenjahrgangs treten unmittelbar nach
Abschluss des Studiums in eine adäquate Position im Ausbildungsbetrieb oder

in einem anderen Unternehmen ein. Es hat sich gezeigt, dass die Absolventen
der Berufsakademien durchaus gute Aufstiegswege in den Unternehmen vor-
zuweisen haben, wie die Beispiele bei Heidelberger Druck, Alcatel, Microsoft
Deutschland zeigen.

Eine umfassende Karriereverlaufsstudie bei IBM hat zudem gezeigt, dass die
Absolventen der Berufsakademie schneller als andere in Führungspositionen
aufsteigen.

Drucksache 16/4788 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Studierenden an den Berufsakademien erreichen schon nach drei Jahren
einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss. 85 bis 90 Prozent der Studien-
anfänger schließen nach drei Jahren erfolgreich ihr Studium ab. Aufgrund der
kurzen Studiendauer und der hohen Erfolgsquote der Studierenden sind die
Berufsakademien eine besonders leistungsfähige Institution und schonen die
staatlichen Ressourcen.

Der Erfolg der Berufsakademie begründet sich nicht zuletzt durch die enge Ver-
zahnung von Theorie und Praxis. In einem kurzen, effizienten Studium wech-
seln theoretische Studienabschnitte im Dreimonatsrhythmus mit Praxisphasen
in kooperierenden Unternehmen und sozialen Einrichtungen ab. Die praxis-
orientierte und zugleich wissenschaftsbezogene Ausbildung hat sich im Laufe
ihrer Entwicklung als herausragendes, berufsqualifizierendes Erfolgsmodell
erwiesen.

Die Kultusministerkonferenz hat im Oktober 2004 die überfällige hochschul-
rechtliche Gleichstellung der Berufsakademie-Abschlüsse vollzogen. Absol-
venten der Berufsakademien haben bundesweit die Möglichkeit, nach ihrem
Bachelor-Abschluss ein aufbauendes Master-Studium zu beginnen. Auch im
Hinblick auf die Möglichkeit einer späteren Promotion sind sie somit den Ab-
solventen der Hochschulen gleichgestellt und können, wie in der Vergangenheit
in Einzelfällen geschehen, formalrechtlich nicht mehr benachteiligt werden.

Für die Umsetzung des KMK-Beschlusses wurde eine Akkreditierung der Stu-
diengänge an den Berufsakademien erforderlich.

Mit der Akkreditierung der Berufsakademien wird der Weg für eine unein-
geschränkte hochschulrechtliche Anerkennung der Abschlüsse an den Berufs-
akademien frei gemacht.

Entsprechend der im Bologna-Prozess festgelegten Forderung nach einem
zweistufigen Studiensystem wird die Berufsakademie die Hochschullandschaft
künftig auch im Segment der Weiterbildung bereichern und ihre besonderen
Kernkompetenzen einbringen. Berufsbegleitende, in Teilzeit studierbare Mas-
terstudiengänge werden von Unternehmen und Absolventen gleichermaßen ge-
fordert.

Die Berufsakademien entsprechen dadurch nicht nur den Auflagen der Kultus-
ministerkonferenz, vielmehr setzen sie hierdurch die wesentlichen Anforderun-
gen des Bologna-Prozesses um. Hierfür wird das gesamte Studienangebot
modularisiert, durchgängig mit Leistungspunkten nach dem European Credit
Transfer System (ECTS) bewertet und auf Bachelor-Abschlüsse umgestellt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob und wie viel
Bachelorstudiengänge an Berufsakademien in jenen Bundesländern akkre-
ditiert sind, die in ihren Hochschulgesetzen diese Bildungseinrichtungen
aufgenommen haben?

2. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung derzeit, um die
hochschulrechtliche Gleichstellung der Bachelorabschlüsse an Berufsakade-
mien mit denen von Hochschulen gemäß KMK-Beschluss – auch innerhalb
der Europäischen Union – umzusetzen und inwieweit ist die hochschulrecht-
liche Gleichstellung heute schon erreicht?

3. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Abschlüsse der
Berufsakademien in internationale Abkommen über die Gleichwertigkeiten
im Hochschulbereich einzubeziehen?
4. Handelt es sich bei der staatlichen Abschlussbezeichnung zugleich um einen
akademischen Hochschulgrad?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4788

5. Setzt nach Ansicht der Bundesregierung der Zugang zu Bachelorausbil-
dungsgängen an Berufsakademien eine Hochschulzugangsberechtigung
zwingend voraus, oder gelten als Voraussetzung auch andere berufliche
Qualifikationen, wie z. B. der erfolgreiche Abschluss einer Meister- oder
Technikerausbildung, Teilnahme an Eignungsfeststellungsverfahren?

6. Sind die Ausbildungsgänge an Berufsakademien bereits alle modularisiert
und mit ECTS-Punkten versehen?

7. Liegen der Bundesregierung gesicherte Erkenntnisse darüber vor, ob alle
hauptberuflichen Lehrkräfte an Berufsakademien die Einstellungsvoraus-
setzungen für Professoren/Professorinnen an Fachhochschulen gemäß § 44
HRG erfüllen?

8. Besteht heute für Absolventen von Berufsakademien ein uneingeschränk-
ter Zugang zu Masterstudiengängen der Hochschulen unter den gleichen
Voraussetzungen wie für Bachelorabsolventen von Hochschulen zu ande-
ren weiterführenden Studienangeboten?

9. Welche Voraussetzungen müssen Absolventen von Berufsakademien heute
erfüllen, um zur Promotion an einer Universität zugelassen zu werden?

10. Ist nach Ansicht der Bundesregierung mit der akademischen Gleich-
stellung der Bachelorabschlüsse der Berufsakademien auch die berufs-
rechtliche Gleichstellung, so im öffentlichen Dienst, gewährleistet?

11. Warum werden Studierende an Berufsakademien bei der Vergabe von
Studienkrediten durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nicht
berücksichtigt?

12. Welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung gegen eine
Förderung von Studierenden an Berufsakademien durch die Studien-
stiftung des Deutschen Volkes?

Berlin, den 21. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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