BT-Drucksache 16/4738

Bekämpfung des Dopings im Sport vorantreiben und Optimierungsmöglichkeiten ausschöpfen

Vom 20. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4738
16. Wahlperiode 20. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter
Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Bekämpfung des Dopings im Sport vorantreiben und Optimierungsmöglichkeiten
ausschöpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Sport ist die größte „Bürgerbewegung“ in Deutschland. Weit über 30 Mil-
lionen Menschen treiben Sport und engagieren sich im sportlichen Bereich.
Dieses Engagement ist in keinem anderen Bereich der Gesellschaft so ausge-
prägt. Der Sport leistet unverzichtbare Dienste für unsere Gesellschaft. Dazu
gehört die Integration von Migrantinnen und Migranten. Auch bei der Einbe-
ziehung von Menschen mit Behinderungen und bei der Entwicklung sozialer
und emotionaler Kompetenz (insbesondere bei Kindern und Jugendlichen)
spielt der Sport eine herausragende Rolle. Er ist ein wichtiger Bestandteil drin-
gend notwendiger Werteerziehung. In der Gesundheitsprävention ist sportliche
Aktivität durch nichts zu ersetzen. Dadurch können viele Erkrankungen (z. B.
Diabetes) vermieden und dem Gesundheitssystem erhebliche Kosten erspart
werden. Das gilt auch für die Rehabilitation.

Diese Bedeutung des Sports muss auch in Zukunft weiter aufrechterhalten und
viele Menschen weiterhin für Sport begeistert werden können. Aber „der gute
Ruf“ und die Glaubwürdigkeit des Sports sowie die Gesundheit vieler Sportler

sind durch Leistungsmanipulationen bedroht. Doping hat aus den verschiedens-
ten Motiven heraus nicht nur im Bereich des Leistungssports, sondern auch im
Freizeitsport besorgniserregende Ausmaße angenommen. Seit Jahren werden
die Methoden des Dopings immer weiter fortentwickelt.

In den letzten Jahren haben die Bemühungen im Kampf gegen Doping national
und international zu beachtenswerten Erfolgen geführt. Nicht zuletzt die Schaf-
fung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und der nationalen Agenturen in

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den einzelnen Ländern (NADAs) haben einen bedeutenden Beitrag dazu leisten
können. Auch auf politischer Ebene konnten international Erfolge erzielt wer-
den. Das Internationale Abkommen vom 19. Oktober 2005 gegen Doping im
Sport wurde zwischenzeitlich in vielen Ländern ratifiziert, unter anderem auch
in Deutschland. Die Möglichkeiten, das Doping zu bekämpfen, sind allerdings
nicht ausgeschöpft und müssen weiter verfolgt werden.

Seit Jahren findet in diesem Zusammenhang auch in Deutschland eine lebhafte
Diskussion um die Notwendigkeit eines umfassenden Anti-Doping-Gesetzes
statt. Nach sieben Jahren Untätigkeit der rot-grünen Bundesregierung hat nun
die Große Koalition endlich eine Gesetzesinitiative eingebracht, die den Grund-
satz der „strict liability“ beachtet und die Besitzstrafbarkeit nur im Zusammen-
hang mit banden- und gewerbsmäßigem Vorgehen vorsieht. In Staaten, in
denen bereits umfassende Anti-Doping-Gesetze verabschiedet wurden, sind
nicht nur Erfolgsmeldungen zu verzeichnen: In Italien wurde kürzlich be-
schlossen, das dortige Anti-Doping-Gesetz grundlegend zu überarbeiten und
den gedopten Sportler lediglich der Sportgerichtsbarkeit zu unterstellen. Anti-
Doping-Gesetze sind nicht der Königsweg zur Lösung der Probleme.

Der Sport muss weiterhin die Federführung bei der Dopingbekämpfung behal-
ten. Ganz ohne staatliche Hilfe kommt man bei der Dopingbekämpfung aller-
dings auch nicht aus. Die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zur Doping-
bekämpfung müssen maßvoll fortentwickelt werden. Sport und Staat müssen
sich mit einem schlüssigen und funktionsfähigen Gesamtkonzept ergänzen.

Die Ergebnisse der Rechtskommission des Sports gegen Doping (ReSpoDo),
der zum Thema durchgeführten Anhörungen im Deutschen Bundestag und ver-
schiedener Arbeitsgruppen, wie der durch den DOSB eingesetzten Arbeits-
gruppe „Besitzstrafbarkeit“, liegen inzwischen vor. Bei der DOSB-Mitglieder-
versammlung am 10. Dezember 2006 wurde ein Zehn-Punkte-Aktionsplan
beschlossen. Prävention, höhere Kontrolldichte, Verbesserung der Standards
sowie die Verschärfung des WADA-Codes sind wesentliche Elemente des Kon-
zepts. Der Staat soll diese Vorhaben lediglich unterstützend begleiten und darü-
ber hinaus bei strafrechtlichen Vorschriften (z. B. bei der Bekämpfung des ban-
den- und gewerbsmäßigen Handels mit dopingrelevanten Mitteln) nachbessern.

Der autonome Sport hat erkannt, dass die Probleme im Anti-Doping-Kampf
sich nicht durch ein umfassendes Gesetz, sondern eher durch eine verbesserte
Praxis der Dopingkontrollen sowie Forschung und Aufklärung mildern lassen.
Prävention durch Information spielt eine primäre Rolle in der nachhaltigen
Dopingbekämpfung. Informationskampagnen sollten durch eine deutliche
Kennzeichnungspflicht bei Dopingsubstanzen flankiert werden. Dopingpräpa-
rate sollten mit einem für jeden deutlich erkennbaren und verständlichen
Hinweis (z. B. in Form eines Piktogramms) versehen sein.

Um eine spürbare Verbesserung in der Dopingbekämpfung zu erreichen, müs-
sen die Mittel für die Dopinganalytik und die Dopingkontrollen aufgestockt
werden. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) kann mit ihrer derzei-
tigen finanziellen Ausstattung mit den künftigen Entwicklungen im Bereich
Doping nicht mithalten. Um mit der rasanten Entwicklung auf dem „Doping-
Markt“ Schritt halten zu können und möglichst den entscheidenden Schritt
voraus zu sein, ist es unerlässlich, die Kenntnisse über Gen-Doping und Blut-
Doping wesentlich zu verbessern. Die Anti-Doping-Forschung weist leider
weltweit erhebliche Defizite auf. Ein Überdenken der Dopingkontrollsystema-
tik ist erforderlich. Mit der heute häufigsten Kontrollart, dem Urintest, sind
viele Dopingsünder gar nicht zu überführen. Der weitaus effizientere Bluttest
muss die Regel werden. Dafür müssen die notwendigen finanziellen Mittel zur
Verfügung gestellt werden. Nur auf diese Weise kann ein nationales und inter-

nationales Kontrollnetz entstehen, das in der Lage ist, Doping stark ein-
zuschränken.

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Um dieses Ziel zu erreichen ist ein deutlicher Schulterschluss von Sport und
Staat erforderlich. Jeder muss seinen Beitrag zur Dopingbekämpfung leisten –
auch die Sponsoren aus der Privatwirtschaft, im gemeinsamen Interesse einer
Verbesserung der Glaubwürdigkeit des Sports.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im Bereich der Dopinganalytik und Dopingkontrolle

– geeignete Maßnahmen zu ergreifen und die Rahmenbedingungen zu
schaffen, um die Erkenntnisse der Anti-Doping-Forschung insbesondere
in den Bereichen Gen-Doping und Blut-Doping zu erweitern und damit
den aktuellen Entwicklungen wirksam begegnen zu können,

– die Mittel für die NADA deutlich aufzustocken, um die Kontrolldichte zu
erhöhen und die Qualität der Kontrollen zu steigern, insbesondere durch
eine verstärke Anwendung von Bluttests,

– die Einführung eines Athletenpasses für Leistungs- und Berufssportler zu
überprüfen, um langfristig die körperliche Entwicklung eines Athleten
beobachten und medizinische Maßnahmen und ihre Wirkungen nachvoll-
ziehen zu können (unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestim-
mungen);

2. im Bereich der Dopingprävention

– die rechtlichen Bedingungen dafür zu schaffen, dass Dopingpräparate mit
einem für jeden deutlich erkennbaren und verständlichen Hinweis auf
Verpackung und Packungsbeilage (z. B. in Form eines Piktogramms) zu
versehen sind, wie dies in anderen Staaten bereits praktiziert wird,

– in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz, der Bundeszentrale
für Gesundheitliche Aufklärung und den Sportorganisationen (z. B. der
Deutschen Sportjugend, den Landessportbünden und dem DOSB) eine
bundesweite Kampagne in den Schulen (ab spätestens der 5. Jahrgangs-
stufe) gegen Doping aufzulegen,

– die bereits bestehenden erfolgreichen Aufklärungskampagnen zur Do-
pingbekämpfung weiterzuführen;

3. im Bereich des Strafrechts und der Strafverfolgung

– das Arzneimittelgesetz dahingehend zu verschärfen, dass das Inverkehr-
bringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken als besonders schwerer
Fall behandelt wird, soweit es sich um eine banden- oder gewerbsmäßige
Vorgehensweise handelt (§§ 6a und 95 des Arzneimittelgesetzes),

– Überlegungen zu einer Telekommunikationsüberwachung im Bereich
von Dopingstraftaten und zu deren Modalitäten, erst im Zusammenhang
mit einer Reform der Telekommunikationsüberwachung zu prüfen,

– bei den Ländern dafür zu werben, an bestehende Schwerpunktstaatsan-
waltschaften spezielle Anti-Doping-Einheiten anzudocken;

4. im Bereich der konkreten Zusammenarbeit mit dem Sport

– sich für die Übernahme der strengeren Regelungen des WADA-Codes
durch die NADA einzusetzen,

– die Gewährung von Bundesfördermitteln an Verbände und Trainer an
konkrete Zusagen zu koppeln, die Dopingbekämpfung durch den Sport
zu intensivieren und bei Verstoß gegen diese Zusagen und Verstößen
gegen Anti-Doping-Regelungen geleistete Mittel zurückzufordern,

Drucksache 16/4738 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Abstimmung
mit dem deutschen Sport und der NADA für eine verstärkte internatio-
nale Zusammenarbeit auf europäischer Ebene einzusetzen,

– die Unabhängigkeit der NADA von Sport und Staat durch geeignete
Maßnahmen weiterhin zu gewährleisten,

– die Bemühungen der NADA bei einer internationalen Zusammenarbeit
aktiv zu unterstützen.

Berlin, den 20. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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