BT-Drucksache 16/4647

zu dem Antrag der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/3145- Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Vom 9. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4647
16. Wahlperiode 09. 03. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen,
Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/3145 –

Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen
Menschenrechtskonvention

A. Problem

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern, umgehend einen
Entwurf für ein Gesetz zur Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls zur Konven-
tion zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 zu erarbei-
ten und dem Deutschen Bundestag zur Entscheidung zuzuleiten. In dem Antrag
wird dargelegt, dass anlässlich des 50. Jahrestages der Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 – Europäische Menschen-
rechtskonvention (EMRK) – das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK zur Unter-
zeichnung aufgelegt worden sei. Auch Deutschland habe zu den Erstunterzeich-
nerstaaten gehört, das Zusatzprotokoll aber bis heute nicht ratifiziert. Es sei am
1. April 2005 mit der 10. Ratifikation – ohne deutsche Ratifikation – in Kraft ge-
treten. In dem Antrag wird ferner darauf verwiesen, dass mit der Neugestaltung
des Diskriminierungsverbotes in dem Zusatzprotokoll dieses eine besondere Be-
deutung im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz und bei der Gleichstellung
von Mann und Frau erhalte.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/4647 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/3145 abzulehnen.

Berlin, den 17. Januar 2007

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Dr. Herta Däubler-Gmelin
Vorsitzende

Holger Haibach
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Florian Toncar
Berichterstatter

Michael Leutert
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4647

Bericht der Abgeordneten Holger Haibach, Christoph Strässer, Florian Toncar,
Michael Leutert und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung und Mitberatung

Der Antrag auf Drucksache 16/3145 wurde in der 70. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 30. November 2006
dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur federführenden Beratung sowie dem Auswärtigen Aus-
schuss und dem Rechtsausschuss zur Mitberatung überwie-
sen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag fordert die Fraktion der FDP, der Bundestag
solle die Bundesregierung auffordern, umgehend einen Ent-
wurf für ein Gesetz zur Ratifizierung des 12. Zusatzproto-
kolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten von 1950 zu erarbeiten und dem Deutschen
Bundestag zur Entscheidung zuzuleiten. In dem Antrag wird
dargelegt, dass anlässlich des 50. Jahrestages der Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von
1950 – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) –
das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK zur Unterzeichnung auf-
gelegt worden sei. Auch Deutschland habe zu den Erstunter-
zeichnerstaaten gehört, das Zusatzprotokoll aber bis heute
nicht ratifiziert. Es sei am 1. April 2005 mit der 10. Ratifika-
tion – ohne deutsche Ratifikation – in Kraft getreten. In dem
Antrag wird ferner darauf verwiesen, dass mit der Neugestal-
tung des Diskriminierungsverbotes in dem Zusatzprotokoll
dieses eine besondere Bedeutung im Kampf gegen Rassis-
mus und Intoleranz und bei der Gleichstellung von Mann und
Frau erhalte.

Die Fraktion der FDP weist in ihrem Antrag zudem darauf
hin, dass der Inhalt des Zusatzprotokolls ein allgemeines
Rechtsgleichbehandlungsgebot sei, mit dem das in der Kon-
vention bisher enthaltene, an konkrete Konventionsrechte
gebundene Diskriminierungsverbot auf eine universelle
Ebene erhoben werde. Ungleichbehandlungen seien danach
generell nur noch dann erlaubt, wenn sie einem sachlichen
und vernünftigen Grund folgen und den Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit wahren.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag am 17. Januar
2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die Ableh-
nung des Antrags empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat den Antrag ebenfalls am 17. Januar
2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
empfohlen.

IV. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Vorlage in seiner 25. Sitzung am 17. Januar 2007
beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, sie
unterstützte diesen Antrag. Wenn die Bundesregierung die-
sem Antrag nicht folgen wolle, stünde es ihr ja frei, eine
eigene Initiative zur Ratifikation des Zusatzprotokolls vor-
zulegen. Im Übrigen, so die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, freue man sich über diesen Antrag, da er zeige,
dass nicht alle in der Fraktion der FDP die Linie der Fraktion
zum Antidiskriminierungsgesetz teilten. Ergebnis der Rati-
fikation sei ja, dass der § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) zur Geschlechterdiskriminierung auf alle Kriterien,
auf die das Zusatzprotokoll Bezug nimmt, entsprechend
durchschlagen würde. Inhalt der Konvention sei ja gerade,
dass alle gesetzlichen Rechte nach den Nichtdiskriminie-
rungstatbeständen der Konvention in den Mitgliedstaaten
gewährt werden müssen, unabhängig von den Kriterien.

Die Fraktion der SPD erklärte, man habe sich zwar nicht
dazu äußern wollen, da man der Auffassung gewesen sei, dass
alle Fraktionen, bis auf die antragstellende Fraktion der FDP,
dem Antrag nicht zustimmen wollten. In der 15. Wahlperiode
habe es einen gleichlautenden Antrag der Fraktion der FDP
gegeben, der damals auch von der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN abgelehnt worden sei. Damals habe es eine
überzeugende Begründung gegeben für die Ablehnung des
Antrags und man verstehe nicht, wie die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN nun dafür sein könnte. Man habe im
Übrigen eine ähnliche Entwicklung beim Zivilpakt. Dessen
Artikel 26 enthalte ein vergleichbares Diskriminierungsver-
bot, gegen den die Bundesregierung damals vor 13 Jahren
einen Vorbehalt eingelegt habe. Dabei sei es um bestimmte
Formen der Diskriminierung bei Personen mit unterschiedli-
cher nationaler Herkunft in den Sozialversicherungssyste-
men gegangen. In dem Bereich habe die Bundesregierung
die Regelungen nicht vollziehen wollen. Dasselbe Problem
stelle sich nun mit dem 12. Zusatzprotokoll und alle bisheri-
gen Bundesregierungen hätten gesagt, dass sie die Folgen
der Einhaltung des Zusatzprotokolls nicht absehen könnten.
Denn in den Sozialversicherungssystemen habe man genau
diese Differenzierung zwischen Inländern und Ausländern.
Auch wolle man abwarten, wie die Position des Europäi-
schen Gerichtshofes für Menschenrechte in dieser Frage ist.

Die Fraktion der CDU/CSU schloss sich den Ausführun-
gen der Fraktion der SPD inhaltlich an. Viele der großen
Staaten hätten sich bisher nicht zur Ratifikation durchringen
können. Es scheine doch erhebliche Schwierigkeiten bei der
Umsetzung zu geben, so dass man gut daran tue, zunächst
die Erfahrung der anderen Länder abzuwarten, bevor man
selber ratifiziere.

Die Fraktion der FDP erklärte, zum Wortlaut des Antrags
selber wolle sie nichts sagen, da sich dieser von selbst er-
kläre. Das Antidiskriminierungsgesetz habe damit nichts zu
tun, da es sich hier um die Kernfrage der Unterscheidung
zwischen öffentlichem und privatem Recht handele. Der
Antrag der Fraktion der FDP richte sich an den Staat und
beziehe sich auf das öffentliche Recht. Privates Recht, wie
im § 611a BGB, werde hiervon nicht berührt. Man verstehe
die abwartende Haltung der Fraktion der SPD, wolle sich

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 4 – Drucksache 16/4647

jedoch auch mit diesem Antrag auf den Artikel 3 des
Grundgesetzes beziehen, der ja auch Diskriminierung ver-
biete. Aber sowohl die Konvention als auch Artikel 3 des
Grundgesetzes ermöglichten es, rechtfertigende Gründe für
eine Ungleichbehandlung anzuführen. Bei dem 12. Zusatz-
protokoll gehe es darum, ein qualifiziertes Rechtfertigungs-
bedürfnis für eine Ungleichbehandlung einzuführen. Eine
sachlich begründete Ungleichbehandlung in den Sozialver-
sicherungssystemen wäre trotz des Zusatzprotokolls weiter-
hin möglich.

Als Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss den Antrag
auf Drucksache 16/3145 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.

Berlin, den 17. Januar 2007

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Holger Haibach
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Florian Toncar
Berichterstatter

Michael Leutert
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

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