BT-Drucksache 16/4606

Mangelnder Ehrgeiz bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts

Vom 7. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4606
16. Wahlperiode 07. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Ulrike Flach, Otto Fricke, Dr. Claudia
Winterstein, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus Löning, Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid
Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mangelnder Ehrgeiz bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Staatsfinanzen sind weiterhin im Ungleichgewicht. Hauptverantwortlich
hierfür ist der Bund. Auf das vom Statistischen Bundesamt ermittelte Finanzie-
rungsdefizit von 39,5 Mrd. Euro im Jahr 2006 entfallen auf den Bund 34,9 Mrd.
Euro. Die Länder bauten ihr Defizit von über 24 Mrd. Euro auf 9,7 Mrd. Euro
ab; Gemeinden und Sozialversicherungen konnten das Jahr 2006 mit Über-
schüssen abschließen.

Damit liegt der Anteil des Bundes am Staatsdefizit bei weit über 80 Prozent. Er
verstößt somit gegen die 45:55 Aufteilungsregelung, wonach der Anteil des
Bundes und der Sozialversicherungen am Staatsdefizit bei 45 Prozent und von
Ländern und Gemeinden bei 55 Prozent liegen soll.

Die Haushaltsentwicklung mit einem Staatsdefizit von 1,7 Prozent im Jahr 2006
ist vor allem durch die konjunkturelle Belebung mit erhöhten Steuereinnahmen
bedingt, sie ist weniger auf die Konsolidierung über die Ausgabenseite zurück-
zuführen.
Mit der Senkung der Defizitquote unter den Referenzwert von 3 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes (BIP) im vergangenen Jahr ist zwar eines der beiden we-
sentlichen Maastricht-Kriterien erfüllt, doch wächst der Schuldenberg unaufhör-
lich weiter. Bei einer Schuldenstandsquote von rd. 67 Prozent im Jahr 2006 kann
keine Entwarnung an der Verschuldungsfront gegeben werden. Fraglich ist zu-
dem, ob das im Maastricht Vertrag festgelegte Schuldenkriterium als erfüllt an-
gesehen werden kann, um Deutschland aus dem Defizitverfahren zu entlassen.

Drucksache 16/4606 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Danach darf die Schuldenstandsquote nur über 60 Prozent hinausgehen, wenn
sie hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
Bei einer Schuldenstandsquote von rd. 67 Prozent im Jahr 2006 kann hiervon
keine Rede sein.

Um die Schuldenstandsquote zügig unter den Referenzwert von 60 Prozent zu
senken, ist es daher erforderlich, die Defizite zügig weiter abzubauen und das
mittelfristige Haushaltsziel eines strukturellen Budgetausgleichs rasch zu errei-
chen. Dabei sind alle staatlichen Ebenen gefordert – auch und vor allem der
Bund. Dies sollte im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bereits in die-
ser Legislaturperiode gelingen.

Gemäß dem deutschen Stabilitätsprogramm vom Dezember 2006 wird für 2007
und für 2008 eine Defizitquote von 1,5 Prozent angenommen. Hauptverursacher
dafür ist der Bund. Auch in den Folgejahren verharrt die unterstellte Defizit-
quote des Bundes mit 1 Prozent auf demselben Niveau.

Angesichts des günstiger ausgefallenen Ergebnisses für 2006 und der inzwi-
schen merklich vorteilhafter eingeschätzten gesamtwirtschaftlichen Entwick-
lung ist dies wenig ambitioniert. Dies betrifft vor allem das Jahr 2008, in dem
das Staatsdefizit trotz einer unterstellten gleichbleibend guten wirtschaftlichen
Entwicklung auf dem Niveau des Jahres 2007 verharren soll.

Bei der maßgeblich von der damaligen rot-grünen Bundesregierung initiierten
Schwächung des Paktes wurde hingegen besonderer Wert darauf gelegt, im Hin-
blick auf die jährliche Konsolidierungsanforderung die jeweilige Konjunktur-
lage zu berücksichtigen. Dies würde jedoch bedeuten, dass in der von der Bun-
desregierung unterstellten günstigen wirtschaftlichen Phase in den kommenden
Jahren die strukturelle Konsolidierung über den Richtwert von 0,5 Prozent des
BIP hinausgehen müsste. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Einnahmen-
ausfälle aufgrund der für 2008 geplanten Unternehmensteuerreform an anderer
Stelle gegenfinanziert werden müssten. Nach dem aktuell geltenden Stabilitäts-
programm vom Dezember 2006 strebt die Bundesregierung dies jedoch nicht an.

Eine Konsolidierungspause ist zu vermeiden, um nicht erneut durch einen SPD-
Finanzminister die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspaktes in Frage zu stellen und
gleichzeitig einen Präzedenzfall zu schaffen.

Auch ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung zeigt den mangelnden Ehr-
geiz der Bundesregierung bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts. Nach
Medienberichten ist für das Jahr 2008 im Bundeshaushalt eine Nettokreditauf-
nahme von rd. 18 Mrd. Euro geplant, im Jahr 2011 soll die Neuverschuldung im-
mer noch bei über 10 Mrd. Euro liegen. Dabei profitiert der Bund sehr viel stär-
ker als Länder und Gemeinden von den vorgenommenen Rechtsänderungen
innerhalb des Haushaltsbegleitgesetzes 2006, aus denen sich beispielsweise für
den Bund allein Haushaltsverbesserungen von 12,4 Mrd. Euro beginnend im
Jahr 2007 und anwachsend auf über 15 Mrd. Euro in den folgenden Jahren erge-
ben. Rechnet man darüber hinaus alle bisher erfolgten steuerlichen Änderungen
zusammen, so ergeben sich jährliche Entlastungen von rd. 20 Mrd. Euro für den
Bund.

Daraus ergibt sich geradezu die Verpflichtung, die Konsolidierung des Bundes-
haushaltes schneller voranzutreiben und für das Jahr 2008 eine Reduzierung des
Staatsdefizits umzusetzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– den Bundeshaushalt mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts noch in
dieser Legislaturperiode stärker zu konsolidieren,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4606

– Maßnahmen zu unterlassen, die, wie beim Bundeszuschuss an die GKV ge-
schehen, den Bundeshaushalt mit Milliardenbeträgen belasten, bzw. andern-
falls für eine Gegenfinanzierung zu sorgen.

Berlin, den 7. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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