BT-Drucksache 16/4564

Weiterentwicklung des Adressraums im Internet

Vom 7. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4564
16. Wahlperiode 07. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dorothee Bär, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter Albach,
Renate Blank, Gitta Connemann, Reinhard Grindel, Monika Grütters, Dr. Günter
Krings, Hartmut Koschyk, Johann-Henrich Krummacher, Maria Michalk, Philipp
Mißfelder, Rita Pawelski, Ruprecht Polenz, Dr. Norbert Röttgen, Marco Wanderwitz,
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, Martin Dörmann, Christoph Pries,
Monika Griefahn, Siegmund Ehrmann, Kerstin Griese, Fritz-Rudolf Körper,
Angelika Krüger-Leißner, Dr. Uwe Küster, Markus Meckel, Petra Merkel (Berlin),
Steffen Reiche (Cottbus), Michael Roth (Heringen), Renate Schmidt (Nürnberg),
Olaf Scholz, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Simone Violka, Dr. Peter Struck und der
Fraktion der SPD

Weiterentwicklung des Adressraums im Internet

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Internet hat die moderne Gesellschaft in allen Bereichen durchdrungen, so
dass heute wirtschaftlich und sozial bedeutsame Prozesse ohne seine Nutzung
kaum noch denkbar sind. Die Beantwortung der Fragen nach den rechtlichen
Rahmenbedingungen in einem weltweiten Informations- und Kommunikations-
netz, seiner technischen Verfasstheit und dem fairen Zugang zu seiner Infra-
struktur sind daher heute für Deutschland und alle anderen Nationen von hoher
sozialer, kultureller, rechtlicher und ökonomischer Bedeutung.

Konstituierendes Merkmal des Internets als weltweites Daten-, Informations-
und Kommunikationsnetz ist die Vergabe einmaliger und eindeutiger Adressen,
damit Nutzer weltweit Inhalte leicht und nachvollziehbar auffinden können. Die
Kontrolle über den Adressraum des Internets, über Domains und Top-Level-
Domains (TLDs), d. h. die höchsten Hierarchiestufen von Domains, sind ein ent-
scheidender Teil dieser Infrastruktur. Sie liegt bei der ICANN, der Internet Cor-
poration for Assigned Names and Numbers, einer privatrechtlichen Non-Profit-
Organisation US-amerikanischen Rechts mit Sitz in Marina del Rey, die heute
zugleich über die Grundlagen der Verwaltung von Namen und Adressen im
Internet entscheidet und Standards für Technik und Verfahren beschließt.
Auch wenn die ICANN kein verbindliches Recht setzt, koordiniert sie so doch
technische Aspekte des Internets, deren normative Kraft des Faktischen welt-
weit erhebliche ökonomische und politische Auswirkungen hat. Und obwohl die
ICANN längst Teil einer autonomen Selbstregulierung des Internets sein oder
aber ihre Legitimation durch eine verstärkte internationale Kooperation erhalten
sollte, ist sie heute allein mit der US-Administration durch staatliche Aufsicht
und einen Vertrag verbunden. Dieses ist bereits seit langem Gegenstand von Dis-

Drucksache 16/4564 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kussionen über die künftige Struktur der politischen Kontrolle des Internets –
zuletzt auf dem UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft.

Deutschland ist durch die Bundesregierung im so genannten Regierungsbeirat
(Governmental Advisory Committee – GAC) der ICANN vertreten und berät
dort, gemeinsam mit den anderen Regierungen der Welt, über die Entscheidun-
gen des Gremiums mit. So kann sie sich – gemeinsam mit einer großen Zahl von
Institutionen der Wirtschaft, Wissenschaft und privater Nutzer – an der Weiter-
entwicklung des Internets auch im Hinblick auf den Adressraum beteiligen.

Die Weiterentwicklung des Internetadressraums ist für Deutschland dabei von
besonderer Bedeutung: Mit der deutschen Top-Level-Domain “.de“ wird in
Deutschland privatwirtschaftlich die weltweit mit Abstand erfolgreichste Top-
Level-Domain auf Staatenebene betrieben. Unterhalb von “.de“ sind heute
bereits über 10 Millionen Domains registriert.

Auch wenn das Internet global strukturiert ist, zeigt sich wegen des großen
Erfolges dieser und anderer nationaler Adressierungen inzwischen weltweit ein
Trend, die Adressierung auf Ebene der Top-Level-Domains weiterzuentwickeln.
Neben den bekannten Adressen wie „.com“, „.org“ und den nationalen Adressen
wie „.de“ wird der Adressraum um regionale Adressierung erweitert, um stär-
kere lokale und regionale Nutzung zu fördern bzw. homogene Märkte und Nut-
zungsräume schon auf Ebene der Top-Level-Domains sichtbarer und erkenn-
barer zu machen. Zudem erhöht sich die Nutzbarkeit durch die Möglichkeit
Suchanfragen lokal zu beschränken und Internetverkehre stärker zu lokalisieren.
In der Vergangenheit wurden von der ICANN regionale Top-Level-Domains nur
für Nationalstaaten zugelassen. Mit der Einführung von „.eu“ für Europa, „.asia“
für Asien oder „.cat“ für Katalonien wurden inzwischen jedoch entsprechend
diesem Trend erste regionale Top-Level-Domains geschaffen. Zugleich gibt es
zunehmende Unterstützung, Schriftzeichen anderer Sprachräume im Rahmen
der Internetadressierung zuzulassen. Seit 1. April 2004 sind bereits Umlaute und
Akzente wie ä, ö, é, etc. adressierbar.

Diese Entwicklung bietet für Deutschland große Chancen und für die Bundes-
länder, Regionen und Städte, sich noch stärker als bisher in ihrer Eigenheit
wirtschaftlich und kulturell weltweit präsentieren zu können. In Städten wie
London, New York City oder Berlin werden beispielsweise heute schon mehr
Domainregistrierungen verzeichnet als in über 150 Ländern, die bereits über
eine eigene Top-Level-Domain verfügen.

Da bislang weder Metropolen noch vergleichbar große Regionen eine eigene
Top-Level-Domain haben, haben sich inzwischen weltweit private Initiativen
gebildet, die für Städte wie London, Paris, Berlin oder New York City bei der
ICANN eine Registrierung entsprechender Top-Level-Domains beantragen
wollen. Zur Vermeidung einer Benachteiligung deutscher Städte, Gemeinden
und Regionen gegenüber anderen Regionen und Metropolen befürwortet der
Deutsche Bundestag solche Initiativen aus Deutschland ausdrücklich, sofern
diese von den zuständigen öffentlichen Stellen unterstützt oder mitgetragen wer-
den.

Die ICANN hat sich auf ihrer Tagung vom 2. bis 8. Dezember 2006 in Sao
Paulo, Brasilien, bereits mit dieser Thematik befasst und will sich auf ihrer
nächsten Tagung vom 26. bis 30. März 2007 in Lissabon, Portugal, über die
Einführung solcher regionaler Top-Level-Domains beraten und Prozesse und
Zeitpläne für ihre Einführung beschließen.

Zudem wird die ICANN bei dieser Gelegenheit auch über neue Regeln zum
Dienst „Whois“ diskutieren. Bei dem „Whois“ einer Domain handelt es sich um
ein Protokoll und darauf aufbauende Informationsdienste, mit denen personen-

bezogene Angaben zu Inhabern von Domains, Ansprechpartnern und zustän-
digen Technikadministratoren abgefragt werden können. Die bislang öffentlich

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4564

für jedermann zugängliche Bereitstellung umfasst jedoch auch sensible persön-
liche Daten wie Telefonnummern, E-Mail-Adressen, IP-Adressen und Anschrif-
ten und geht damit weit über Kontaktdaten aus öffentlichen Telefonverzeichnis-
sen hinaus.

Zwar lassen moderne Whois-Server, wie sie etwa die über deutsche Domains
wachende Vergabestelle DENIC anbietet, von sich aus nur eine begrenzte An-
zahl von Abfragen zu. Dennoch wird die Massenabfrage von Adressen durch
„Spammer“ und Direktvermarkter bislang nicht wirksam verhindert. Daher
stellt der Schutz der persönlichen Informationen im Spannungsverhältnis zur
Notwendigkeit der Erreichbarkeit von Domaininhabern ein wichtiges Thema
dar, das nach Meinung des Deutschen Bundestages ebenfalls bei der kommen-
den Tagung der ICANN von der Bundesregierung anzusprechen ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der Mitarbeit im Governmental Advisory Committee (GAC)
der ICANN für die Zulassung neuer Top-Level-Domains, insbesondere sol-
cher für regionale und urbane Gemeinschaften in Deutschland wie beispiels-
weise „.bayern“, „.nrw“ oder „.berlin“ auszusprechen, sofern die jeweilige
Initiative dafür von den zuständigen öffentlichen Stellen unterstützt oder mit-
getragen wird. Die Einführung neuer regionaler Top-Level-Domains ist eine
sinnvolle Ergänzung zur nationalen Kennzeichnung „.de“ und darüber hinaus
geeignet, die regionale Wirtschaft anzuregen und die lokale Identität im
Internet für Wirtschaft, Kultur, Politik und Bürger zu befördern. Insbesondere
der semantische, d. h. sinn- und bedeutungsvolle Charakter von Top-Level-
Domains mit dem Namen einer Region bietet für die betroffenen Gebietskör-
perschaften einen langfristigen und wirtschaftlich relevanten Standortvorteil
im nationalen und globalen Wettbewerb um Ressourcen und stiftet Selbst-
bewusstsein und Gemeinschaftsgefühl für die jeweilige Region. Deutschland
hat hier die Chance, sich einem weltweiten Trend anzuschließen und darf zu-
gleich nicht gegenüber anderen Regionen und Metropolen ins Hintertreffen
geraten;

2. im Rahmen ihrer Mitarbeit im Internet Governance Forum (IGF) der UN dar-
auf hinzuwirken, dass die Verwaltung der Domains und Top-Level-Domains
weiter im Rahmen einer Selbstverwaltung der Internetgemeinschaft unter
Aufsicht einer internationalen Kooperation durchgeführt wird. Zugleich ist
die Wahrung der Rechte der Inhaber der Namensrechte in angemessener
Weise zu gewährleisten.

Der Deutsche Bundestag hat in Anlehnung an die international übliche
Domainverwaltung die nationale Verwaltung der Domain „.de“ aus dem
Geltungsbereich der Nummernverwaltung durch die Bundesnetzagentur
(BNetzA) ausgeklammert und privatwirtschaftlich organisierten Institu-
tionen der Selbstregulierung überlassen. Dieses hat sich auch im Sinne der
Entbürokratisierung bewährt und könnte auch künftig als Modell für neue
regionale Top-Level-Domains gelten. Zugleich sind die Inhaber von
Namensrechten jedoch in angemessener Weise an der Vergabe von Domains
unterhalb des Top-Levels zu beteiligen, sowohl was die Regeln der Vergabe
betrifft als auch die kostenfreie Reservierung von Domains, die im Zusam-
menhang mit ihrer Funktion stehen (z. B. „staatskanzlei.rheinland-pfalz“,
„tourismus.nrw“);

3. im Rahmen der Mitarbeit im Governmental Advisory Committee (GAC) von
ICANN eine weitere, schnelle Flexibilisierung des Zeichensatzes für das
Domain Namen System durch so genannte Internationalized Domain Names
(IDNs = Umlaute und andere Sonderzeichen) bei Top-Level-Domains (z. B.

„.köln“) zu fördern.

Drucksache 16/4564 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Umlaut-Domains und Umlaut-Top-Level-Domains fördern die Internetnut-
zung, die deutsche Sprache sowie Wirtschaft und Kultur auch auf lokaler und
regionaler Ebene. Die erfolgreiche und positive Implementierung von Um-
lautdomains unterhalb der Top-Level-Domain „.de“ hat dies bereits bestätigt
(z. B. www.köln.de);

4. im Rahmen ihrer Mitwirkung in der ICANN eine Weiterentwicklung des Sys-
tems der Speicherung und Weitergabe von Whois-Daten im Sinne der besse-
ren Gewährleistung eines Schutzes personenbezogener Daten insbesondere
gegen Identitätsdiebstähle und der Nutzung gegen unverlangte Werbung
(„Spam“) zu fordern.

Whois-Daten, die sich auf Personen beziehen, die eine Domain registriert
haben, enthalten verschiedene personenbezogene Daten und bedürfen daher
eines besonderen Schutzes. Sie müssen aber auch die Möglichkeit eröffnen,
die entsprechende Person zeitnah identifizieren und kontaktieren zu können.
Ein Interesse daran haben nicht zuletzt auch Strafverfolgungsbehörden. Im
Moment werden diese Daten jedoch massenweise durch „Spammer“ und für
Betrügereien missbraucht. Daher muss in besserer Weise als bisher gewähr-
leistet werden, dass die gespeicherten Informationen nicht über ihren vorge-
sehenen Zweck hinaus verwendet werden. Es ist daher eine genaue Prüfung
erforderlich, für welche technischen und eventuell weiteren Zwecke Whois-
Daten wem zur Verfügung zu stellen sind und ob nicht Mechanismen bereit-
zustellen sind, mit denen der Abruf der Daten an den Nachweis berechtigten
Interesses geknüpft wird. Ausgangspunkt der Überlegungen sollte die Frage
sein, ob in einem ersten Schritt der öffentliche Zugang zu Informationen über
die technischen Domainadministratoren nicht ausreichen könnte. Zusätzlich
ist zu klären, inwiefern weitere Zugriffsmöglichkeiten für staatliche Stellen
auf Basis international einheitlicher Regelungen erforderlich sind;

5. den ICANN-Prozess in engem Zusammenwirken mit der deutschen Internet-
Nutzerschaft sowie den europäischen Partnern weiterhin aufmerksam zu
begleiten und sich für eine mittelfristige Internationalisierung der Aufsicht
der Domain-Namenverwaltung einzusetzen.

Berlin, den 7. März 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.