BT-Drucksache 16/4551

Zertifizierung von Rohstoffen in der Demokratischen Republik Kongo

Vom 6. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4551
16. Wahlperiode 06. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Margareta Wolf (Frankfurt)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zertifizierung von Rohstoffen in der Demokratischen Republik Kongo

Die Demokratische Republik (DR) Kongo ist reich an natürlichen Rohstoffen,
die erheblich zum Wiederaufbau und zur Entwicklung des Landes beitragen
könnten. Jedoch haben sich seit der Kolonisierung des Kongo bis heute im We-
sentlichen die herrschenden Eliten und ausländische Profiteure an den Ressour-
cen des Landes bereichert, während die lokale Bevölkerung leer ausging. Dieses
Muster kennzeichnet die Mobutu-Ära und gilt leider bis heute.

Der Rohstoffreichtum Kongos war immer wieder Kriegsgrund und Basis einer
brutalen Kriegsökonomie. Der kongolesische Bürgerkrieg von 1996 bis 2002, in
dem über vier Millionen Menschen starben und der die gesamte Region der
Großen Seen destabilisierte, wurde durch Ressourcenraubbau finanziert und
angeheizt, was unter anderem ein von den Vereinten Nationen beauftragtes
Expertengremium mehrfach bestätigte. Das Entwicklungsprogramm der Ver-
einten Nationen UNDP bezeichnet diesen Krieg als die schlimmste humanitäre
Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg.

Durch einen international unterstützten Friedensprozess und die gegenwärtig
größte UN-Friedensmission (MONUC) konnte der Krieg mühselig beigelegt
werden. Nach einem langjährigen Übergangsprozess fanden 2006 erstmalig de-
mokratische Wahlen statt, die von einer EU-Militärmission unter deutscher Füh-
rung zusätzlich abgesichert wurden. Inzwischen hat im Januar 2007 eine demo-
kratisch gewählte Regierung ihr Amt angetreten. Doch viele Rebellengruppen
und Privatarmeen sind noch nicht entwaffnet und es kommt immer noch zu
bewaffneten Rivalitäten um die Kontrolle rohstoffreicher Territorien. Die Um-
wandlung dieser Kriegsökonomie in eine sozial gerechte Friedensökonomie ist
eine der größten Herausforderungen für die Demokratische Republik Kongo.

In der Vergangenheit machte der extraktive Sektor ca. 75 Prozent der gesamten
Exporteinnahmen des Landes sowie 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und
25 Prozent der Steuereinnahmen aus. Seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre be-
findet sich der formelle Bergbausektor im Niedergang, während der informelle
Bergbausektor größer geworden ist. 2001 war der Beitrag des Bergbausektors
zum Bruttoinlandsprodukt auf 7 Prozent gesunken. Der informelle Bergbausek-
tor beinhaltet Aktivitäten ohne eine von der Regierung vergebene Konzession,

die nicht systematisch registriert werden. Neben Diamanten werden Gold, Col-
tan, Zinnerz, Kobalt, Silber, Kadmium, Magnesium, Kohle, Zink und Uran im
informellen Bergbausektor abgebaut und häufig illegal gefördert.

Die Internationale Große-Seen-Konferenz verabschiedete im Januar 2006 ein
„Protokoll gegen die illegale Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen“, das
Bestandteil des im Dezember 2006 verabschiedeten „Paktes über Sicherheit,
Stabilität und Entwicklung in der Region der Großen Seen“ ist. Darin vereinba-

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ren die Mitgliedstaaten, einen regionalen Zertifizierungsmechanismus für den
Abbau, das Monitoring und die Überprüfung von natürlichen Rohstoffen in der
Region der Großen Seen zu etablieren.

Auch die Resolution 1698 des UN-Sicherheitsrates vom Juli 2006 fordert explizit
die Einführung einer Ursprungszertifizierung von Rohstoffen („certificate of
origine regime“) für den Kongo.

Bisher gibt es außer dem Kimberley-Prozess für Diamanten weltweit keinen
Mechanismus, der verhindert, dass natürliche Ressourcen aus Konfliktzonen
weltweit gehandelt werden. Der Kimberley-Prozess lehrt, dass zunächst eine
Definition darüber notwendig ist, was eine Konfliktressource ist, bevor sie als
solche zertifiziert werden kann. Die britische Nichtregierungsorganisation „Glo-
bal Witness“ schlägt daher vor, Konfliktressourcen zu definieren als solche, die
aufgrund des von den Vereinten Nationen vereinbarten Grundsatzes der Respon-
sibility to Protect aus dem Handel genommen werden müssen, weil sie zu Kon-
fliktsituationen beitragen, in denen Menschenrechte verletzt werden und/oder in
denen Individuen, die aus dem Abbau dieser Ressource Einkommen erwirt-
schaften, das Kriegsrecht brechen und absichtlich Zivilisten und Zivilistinnen
angreifen.

Die Bundesregierung kündigt in ihrem Kabinettsbeschluss zur deutschen G8-
Präsidentschaft eine „Initiative zur Zertifizierung von Rohstoffen aus Konflikt-
regionen“ an, „um einen Beitrag zu friedlicher Entwicklung auch in rohstoff-
reichen Krisenregionen zu leisten“.

Am 29. August 2006 berichten die „Nachrichten für Außenhandel“, dass das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) Mittel zur Entwicklung eines Zertifizierungsschemas für Rohstoffe aus
Konfliktzonen bereitgestellt und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe (BGR) mit der Entwicklung eines Pilotprojekts dieser Art in der DR
Kongo beauftragt habe. Das BMZ habe sich bisher „bei der Zertifizierung
jedoch weder auf eine Region im Kongo noch auf bestimmte Rohstoffe fest-
gelegt“. Der BGR obliege es zudem, „einen ‚Fingerabdruck‘ zu entwickeln, mit
dem Edelmetalle bis zu ihrer Quelle zurückverfolgt werden können.“ Die Bun-
desregierung bezieht sich in dieser Frage auf die UN-Resolution 1698. Wie die
„Nachrichten für Außenhandel“ (29. August 2006) berichten, möchte die
Bundesregierung mit dieser Initiative dazu beitragen, dass „die Erträge der
Rohstoffe […] der Armutsbekämpfung und somit der Bevölkerung zu Gute
kommen. Die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit, Transparenz über Eigentums-
rechte und Finanzflüsse ist hierbei ein zentraler Beitrag der Entwicklungszusam-
menarbeit“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung oder hat die
Bundesregierung beauftragt, um die im Kabinettsbeschluss zur G8-Prä-
sidentschaft angekündigte „Initiative zur Zertifizierung von Rohstoffen aus
Konfliktregionen“ umzusetzen?

2. Worin bestehen die von der Bundesregierung im Kontext der G8-Präsident-
schaft angekündigten Initiativen zur nachhaltigen Nutzung von Rohstoffen,
und umfassen sie Ansätze, die sich auch auf die Demokratische Republik
Kongo beziehen?

3. Wurde die Bundesregierung für diese konkreten Vorhaben von den Vereinten
Nationen, der kongolesischen Regierung oder irgendeiner anderen interna-
tionalen oder kongolesischen Institution beauftragt?
a) Wenn ja, von wem?

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b) Wenn nein, wie stellt die Bundesregierung sicher, dass das entwickelte
Pilotverfahren dann auch Anwendung findet?

4. Hat die Bundesregierung bereits eine Pilotregion und einen Rohstoff für das
Projekt identifiziert?

a) Wenn ja, welche Pilotregion und welchen Rohstoff?

b) Wenn nein, wann wird dies geschehen?

c) Welche Maßstäbe werden bzw. wurden hierfür angelegt?

5. Welche Institutionen und/oder Personen wurden mit diesem Projekt beauf-
tragt?

6. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einem Ergebnis?

7. Auf welche Weise wird die Bundesregierung die Übertragbarkeit des Pilot-
projekts auf andere Regionen und Rohstoffe gewährleisten, wie es in den
„Nachrichten für Außenhandel“ erwähnt ist?

8. Wie wird die Bundesregierung konkret dazu beitragen, dass die Erträge aus
dem Abbau der natürlichen Ressourcen in der DR Kongo der Bevölkerung
zu Gute kommen?

9. Mit welchen deutschen und ausländischen Unternehmen kooperiert die
Bundesregierung bezüglich Rohstoffen in der Demokratischen Republik
Kongo, und wie?

10. Gibt es bereits öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partner-
ships) oder andere finanzielle Teilhaben an Projekten des Privatsektors, und/
oder ist dies für die Zukunft gewünscht?

11. Mit welchen finanziellen Mitteln gedenkt die Bundesregierung ein solches
Zertifizierungssystem für die Demokratische Republik Kongo umzusetzen,
und um welche Beträge würde es sich hierbei schätzungsweise handeln?

12. Wie stimmt die Bundesregierung ihre Initiative mit der kongolesischen
Regierung und anderen Gebern in der Demokratischen Republik Kongo ab
(Belgien, Großbritannien, Kanada, USA, Weltbank)?

13. Welche anderen Institutionen oder Initiativen sind der Bundesregierung
bekannt, die sich ebenfalls mit einer Zertifizierung von Rohstoffen beschäf-
tigen, und in welchem Zusammenhang bzw. Austausch stehen diese Initia-
tiven zu/mit dem Pilotprojekt des BMZ?

14. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass der Handel mit einem
Rohstoff, dessen Ursprung erfolgreich identifiziert wird und der aus einer
Konfliktregion stammt (und nachgewiesenermaßen zur Finanzierung des
Konflikts und damit zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt), verboten
wird?

Wie soll dieses Verbot durchgesetzt werden, und wie soll seine Durchset-
zung überwacht werden?

15. Wie ist die kongolesische Zivilgesellschaft in die Planung des Zertifizie-
rungsverfahrens eingebunden, und welche Rolle soll ihr bei der Umsetzung
und Überwachung zukommen?

Mit welchen kongolesischen Organisationen steht das BMZ darüber im
Austausch?

16. Wie gestaltet sich der Bezug dieses Pilotprojekts des BMZ zur Große-Seen-
Konferenz und zu dem in Artikel 9 des „Paktes über Sicherheit, Stabilität
und Entwicklung“ geforderten regionalen Zertifizierungsmechanismus für

die Ausbeutung, das Monitoring und die Überprüfung von natürlichen Roh-
stoffen in der Region der Großen Seen?

Drucksache 16/4551 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
17. In welcher Weise stützt sich die im Rahmen der G8-Präsidentschaft ange-
kündigte Initiative der Bundesregierung auf die Resolution 1698 des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen, und wie ist die Initiative in den Rahmen
des UN-Expertenpanels zur illegalen Ausbeutung von Ressourcen in der
DR Kongo eingebettet?

18. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um auf eine
effektive Umsetzung der Extractive Industries Transparency Iniative (EITI)
in der Demokratischen Republik Kongo hinzuwirken?

19. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung nach einer allgemeinen
Definition von Konfliktressourcen, wie sie im Bericht der Commission for
Africa (UK), im Bericht über die menschliche Entwicklung des UNDP 2005
und von der britischen Regierung gefordert wird?

20. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung sich bei der Entwicklung
eines chemischen Herkunftsnachweises („Fingerabdruck“) auf das Beispiel
Coltan festgelegt, obwohl dies nach der in den Nachrichten für Außenhan-
del zitierten Aussage von Markus Wagner (BGR) mit erheblichen Kosten
und gleichzeitig einer Restunsicherheit bei der Quellenzuordnung von bis
zu 40 Prozent verbunden ist?

21. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung sicherzustellen, dass Col-
tan, das in der DR Kongo meist nichtindustriell und in Kleinkooperativen
gewonnen wird, aus dem Handel genommen wird, wenn es aus Konflikt-
zonen stammt und der o. g. Definition einer Konfliktressource entspricht?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die Option eines EU-Importverbots für
nicht zertifizierte Rohstoffe?

Wird die Bundesregierung sich für ein solches Importverbot einsetzen?

23. Welche Chancen sieht die Bundesregierung durch die Formalisierung des
artisanalen Bergbausektors für die betroffene Bevölkerung?

Hat eine Zertifizierung von Rohstoffen auch das Ziel, die bestehenden Pro-
bleme im artisanalen Bergbau zu bekämpfen?

Berlin, den 6. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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