BT-Drucksache 16/4504

Erarbeitung einer Strategie der Europäischen Union gegenüber Kuba im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Vom 2. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4504
16. Wahlperiode 02. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Cornelia Hirsch, Monika Knoche, Sevim Dag˘delen,
Wolfgang Gehrcke, Ulla Jelpke, Kornelia Möller, Alexander Ulrich, Dr. Gregor Gysi,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Erarbeitung einer Strategie der Europäischen Union gegenüber Kuba
im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Am 12. Juni 2006 hatte der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außen-
beziehungen der Europäischen Union in den Schlussfolgerungen seiner Tagung
angekündigt, dass binnen Jahresfrist der Gemeinsame Standpunkt der Europäi-
schen Union zu Kuba von 1996 überprüft und mit der Erarbeitung einer mittel-
und langfristigen Strategie für Kuba begonnen werden solle. Die Standortbe-
stimmung der EU gegenüber Kuba steht auf der Tagesordnung für die Tagung
des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am 14. und
15. Mai 2007. Es ist also davon auszugehen, dass dann die Verabschiedung der
angekündigten Strategie für Kuba ansteht.

Der Gemeinsame Standpunkt von 1996, der nach wie vor gültige Grundlage der
Politik der EU gegenüber Kuba ist, verknüpft die Bereitschaft der EU zur poli-
tischen und wirtschaftlichen Kooperation mit Kuba ausdrücklich mit dem Ziel
einer Systemtransformation. Für die kubanische Seite ist diese Form aggressiver
politischer Intervention keine akzeptable Grundlage für eine Zusammenarbeit.

Die im Standpunkt eingenommene Haltung, die auch in den Schlussfolgerungen
vom 12. Juni 2006 bestätigt wird und die sich u. a. in den darin vorgenommen
Bewertungen zur kubanischen Wirtschaftspolitik ausdrückt, steht im Wider-
spruch zur Abschlusserklärung des Wiener EU-Lateinamerika-Gipfels vom Mai
2006, in der festgehalten wurde, dass „die Souveränität, die territoriale Integrität
und das Recht auf Selbstbestimmung gebührend zu achten“ seien, und in der
unter Verweis auf den Helms-Burton-Act „mit Nachdruck alle Zwangsmaßnah-
men einseitiger Art mit extraterritorialer Wirkung zurück“ gewiesen wurden.

Vor diesem und vor dem Hintergrund, dass Kuba in der Karibik und in Latein-
amerika zunehmend als wichtiger Akteur einer regionalen wirtschaftlichen und
Entwicklungszusammenarbeit auftritt, muss die Europäische Union ihre Politik
gegenüber Kuba völlig neu ausrichten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Welche Schritte zur Erarbeitung einer mittel- und langfristigen Strategie
gegenüber Kuba wurden in der Europäischen Union bereits unternommen?

b) Welche weiteren Schritte zur Erarbeitung einer solchen Strategie sind im
Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft geplant?

c) Wann ist mit der Verabschiedung der Strategie zu rechnen?

Drucksache 16/4504 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. In welchen gesellschaftlichen Bereichen bzw. auf welchen Politikfeldern
und mit welcher Zielrichtung soll der in den Schlussfolgerungen vom
12. Juni 2006 angesprochene „friedliche Wandel in Kuba“ angestrebt, und
mit welchen Mitteln und Instrumenten soll er erreicht werden?

3. Mit welchen allgemeinen politischen Schwerpunkten und Forderungen
bringt sich die Bundesregierung in der Europäischen Union in die Erarbei-
tung der Strategie und die Überprüfung des Gemeinsamen Standpunktes
ein?

4. Setzt sich die Bundesregierung in der Europäischen Union im Rahmen der
Erarbeitung der Strategie dafür ein, dass die Sanktionen der Europäischen
Union gegen Kuba vom Juni 2003 endgültig aufgehoben werden, um damit
die Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Kuba und der Euro-
päischen Union zu schaffen, die von beiderseitigem Respekt geprägt ist
(bitte mit Begründung)?

5. Setzt sich die Bundesregierung in der Europäischen Union im Rahmen der
Erarbeitung der Strategie dafür ein, dass davon abgesehen wird, gezielt
Oppositionskräfte in Kuba zu unterstützen, um damit einen Regierungs-
wechsel und die Abkehr von einer eigenständigen, sozialistischen Entwick-
lung des Landes zu erreichen (bitte mit Begründung)?

6. Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Überprüfung des Gemeinsa-
men Standpunkts und der Erarbeitung einer mittel- und langfristigen Strate-
gie für Kuba dafür einsetzen, dass die Europäische Union ohne die im
Standpunkt formulierten Vorbedingungen in einen konstruktiven Dialog mit
Kuba eintritt und die wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne Vorbedingun-
gen aufnimmt (bitte mit Begründung)?

7. Strebt die Bundesregierung in der Europäischen Union an, im Rahmen der
Erarbeitung der Strategie zu einer von den Interessen der Vereinigten Staa-
ten von Amerika unabhängigen Politik der Europäischen Union gegenüber
Kuba zu kommen?

Was könnten nach Auffassung der Bundesregierung Kernelemente einer
solchen unabhängigen Strategie sein?

8. Wird die Bundesregierung in der Europäischen Union in diesem Zusam-
menhang darauf drängen, dass von Seiten der Europäischen Union gegen-
über den Vereinigten Staaten von Amerika die Aufhebung ihrer Blockaden
gegen Kuba gefordert wird (bitte mit Begründung)?

9. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Forderung nach
sofortiger Schließung und Rückgabe des US-Stützpunkts Guantánamo Bay
Naval Base Eingang in die Kuba-Politik der EU findet (bitte mit Begrün-
dung)?

10. a) An welchen Punkten sind bei der bisherigen Erarbeitung der Strategie
unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Interessengegensätze
und Unterschiede in der politischen und strategischen Einschätzung auf-
getreten, und wie positioniert sich die Bundesregierung dazu?

b) Wie kann die Bundesregierung sicherstellen, dass die zu erarbeitende ge-
meinsame Strategie der EU die bilateralen Interessen der EU-Mitglied-
staaten, die ihre Beziehungen mit Kuba auf andere Grundlage als die
Mehrheit der Mitgliedstaaten stellen wollen, nicht beeinträchtigen wird?

11. Wie stellt die Bundesregierung in der Europäischen Union sicher, dass ent-
sprechend der Abschlusserklärung des EU-Lateinamerika-Gipfels in Wien
vom Mai 2006 das Recht des kubanischen Volkes auf Verteidigung seiner

Souveränität, Bewahrung seiner Unabhängigkeit und die Wahl seines eige-
nen politischen Systems und Entwicklungsmodells im Zuge der Erarbeitung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4504

der angekündigten mittel- und langfristigen Strategie der EU für Kuba voll
anerkannt wird?

12. Inwiefern ist dieser Anspruch mit dem in den Schlussfolgerungen des Rates
für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen der Europäischen
Union festgehaltenen Bedauern über Einschränkungen des Spielraums für
private wirtschaftliche Initiativen und mit einer Politik in Einklang zu brin-
gen, die Änderungen im Wirtschaftssystem zu einer Bedingung für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit macht?

13. Inwiefern sollten nach Ansicht der Bundesregierung die regionalen Ent-
wicklungspotenziale, die sich aus der aktiven Rolle Kubas in der interna-
tionalen Entwicklungszusammenarbeit – insbesondere im medizinischen
Bereich und in der Erwachsenenbildung bzw. Alphabetisierung – für den
karibischen Raum ergeben, in der Strategie für Kuba und in der Entwick-
lungsstrategie der EU für die Karibik aufgegriffen werden?

Berlin, den 1. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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