BT-Drucksache 16/4252

Zur Einsetzung und Ausgestaltung des Khmer-Rouge-Tribunals

Vom 1. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4252
16. Wahlperiode 01. 02. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Leibrecht, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Michael
Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg
Rohde, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Zur Einsetzung und Ausgestaltung des Khmer-Rouge-Tribunals

Am 3. Juli 2006 wurde das Richtergremium für das Khmer-Rouge-Tribunal
(Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia, ECCC) vereidigt, damit es
über die Menschenrechtsverletzungen während der Zeit des Khmer-Rouge-
Regimes urteilt. Die Einsetzung des Tribunals ist viele Jahre aufgeschoben wor-
den und angesichts des Alters der Täter nicht mehr länger hinauszuzögern. Ziel
des Tribunals soll es sein, die Hauptverantwortlichen für die begangenen Men-
schenrechtsverletzungen der Khmer-Rouge vor Gericht zu stellen. Diese Gruppe
könnte 50 bis 60 Personen umfassen, deren Namensliste aber noch nicht endgül-
tig festgelegt wurde. Darunter könnten möglicherweise auch Personen wie Ieng
Sary (Bruder Nr. drei), Nuon Chea (Bruder Nr. zwei) sowie Khieu Samphan
sein. Von dem Tribunal erhoffen sich internationale Menschenrechtsorganisa-
tionen, dass neben der Herstellung von Gerechtigkeit für die Opfer auch ein
Reformschub für das kambodschanische Justizwesen stattfindet. Das ECCC
basiert auf keiner Resolution der Vereinten Nationen (VN), sondern auf einem
bilateralen Abkommen zwischen den VN und Kambodscha. Die Europäische
Union unterstützt das von den VN geförderten Tribunal mit rund 1 Mio. Euro
mit dem Ziel Richter, Kläger und Angestellte des Gerichts zu bezahlen. Das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betei-
ligt sich 2006/2007 mit 1,5 Mio. Euro an den Kosten, das Auswärtige Amt mit

über 800 000 Euro mit dem Ziel, den Aufbau des Rechtswesens sowie einer
Rechtskultur in Kambodscha zu unterstützen.

Das ECCC stellt wegen seines hybriden Charakters einen Präzedenzfall dar. Das
Gremium besteht aus 13 internationalen und 17 kambodschanischen Richtern
und ist in das kambodschanische Gerichtswesen integriert. Die drei Kammern
des ECCC sind mehrheitlich kambodschanisch besetzt und für ein Urteil ist min-
destens eine Stimme eines internationalen Richters notwendig. Es handelt sich

Drucksache 16/4252 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

somit nicht um einen internationalen Strafgerichtshof und unterscheidet sich da-
her von den VN-Tribunalen, die sich mit den Verbrechen in Jugoslawien und
Ruanda befassen.

Unabhängige Experten und Beobachter stellen das Tribunal in Frage, da in Kam-
bodscha ein großes Maß an Korruption herrscht und die kambodschanischen
Richter als bestechlich und parteiisch gelten. Da aufgrund der enorm großen
Zahl von Tötungen durch die Khmer-Rouge fast jede kambodschanische Fami-
lie betroffen ist, kann die Unbefangenheit der Richter angezweifelt werden.

Die Internationale Anwaltsvereinigung (International Bar Association, IBA)
hatte den kambodschanischen Juristen, von denen die IBA annimmt, sie seien in
internationalem Recht sehr schlecht ausgebildet, ein Trainingsprogramm zur
Vorbereitung auf das Tribunal angeboten. Ende November 2006 hat der Präsi-
dent der kambodschanischen Anwaltsvereinigung (Bar Association of the
Kingdom of Cambodia), Ky Tech, den Teilnehmern des Programms mit „Maß-
nahmen“ gedroht. Infolge der Drohung von Ky Tech hat die IBA ihr Angebot
zurückgezogen und das Programm abgesagt. Man kann davon ausgehen, dass
Ky Techs Aussagen durch die Regierung von Hun Sen unterstützt werden. Pre-
mierminister Hun Sen hatte das Tribunal immer wieder kritisiert und versucht,
dessen Einsetzung zu verzögern, auch wenn aus seine jüngsten Äußerungen von
Anfang Januar 2007 hervorgeht, dass die Regierung das Tribunal befürwortet.

In einer gemeinsamen Erklärung vom November 2006 geben die Justizbeamten
des ECCC zu, sich noch über einige Punkte uneinig zu sein. So sei noch nicht
geklärt, wie kambodschanisches und internationales Recht verknüpft werden
sollen, wie die Rolle der Verteidigung aussieht sowie die Qualifikation der Ver-
teidiger, wie die Rolle der Mitankläger und ihre Stimmbeteiligung sein soll und
man wisse noch nicht, wie das ECCC innerhalb des kambodschanischen Ge-
richtswesens agieren soll. Diese eingestandenen Probleme haben ihren Ursprung
in dem hybriden Charakter des Tribunals und in dem Versuch, das Tribunal als
Teil des bestehenden kambodschanischen Gerichtswesens zu konstruieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie werden die deutschen Finanzmittel ganz konkret verwendet?

Gibt es neben dem Ziel des Aufbaus des Rechtswesens sowie einer Rechts-
kultur in Kambodscha noch weitere Zwecke für die 1,5 Mio. Euro aus
Deutschland?

2. Nach welchen Kriterien werden die Angeklagten aus der Vielzahl der ehema-
ligen Khmer-Rouge ausgewählt?

3. Auf welche Weise wird die Liste der Angeklagten festgelegt, und wann ist
mit einer Fertigstellung dieser Namensliste zu rechnen?

4. Hat sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen um die Einsetzung des
Khmer-Rouge-Tribunals (Extraordinary Chambers in the Courts of Cambo-
dia, ECCC) für ein rein internationales Richtergremium eingesetzt?

Wenn nein, mit welcher Begründung?

Wenn ja, warum?

5. Wie kam es aus Sicht der Bundesregierung zu diesem Tribunal bestehend aus
nationalen und internationalen Richtern?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung zum einen das ECCC insgesamt und zum
anderen die Auswahl der kambodschanischen Richter?

7. Liegen der Bundesregierung Informationen über die 17 kambodschanischen
Richter des ECCC vor?
Wenn ja, welche?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4252

8. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse über die Vorgänge um das von der
Internationalen Anwaltsvereinigung angebotene und letztlich zurückgezo-
gene Trainingsprogramm für kambodschanische Juristen vor?

Wenn ja, welche, und wie beurteilt die Bundesregierung die Vorgänge?

9. Hat die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, um die in internationalem
Recht schlecht ausgebildeten kambodschanischen Juristen weiterzubilden?

Wenn ja, welche?

10. Was unternimmt die Bundesregierung, um die von den Justizbeamten des
ECCC genannten Probleme zu lösen und den Beginn der Gerichtsverhand-
lungen zu beschleunigen?

Berlin, den 30. Januar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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