BT-Drucksache 16/4241

Sicherheit der Seeschifffahrt im Jade-Fahrwasser

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4241
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Lutz Heilmann, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheit der Seeschifffahrt im Jade-Fahrwasser

Die Zahl großer Schiffe, die zukünftig im Jade-Fahrwasser infolge diverser
Ausbaupläne (z. B. neuer Flüssiggas-Terminal, Jade-Weser-Port, Erweiterung
des Chlorchemiewerks und der Ölraffinerie, zweiter Kraftwerksblock sowie
Kohleimporte für das Hinterland) unterwegs sein werden, nimmt zu, und an-
gesichts der jüngsten Containerschiffsgeneration, mit rund 10 000 Behältern
an Bord, gewinnt Wilhelmshaven – der zurzeit noch einzige Tiefwasserhafen
Deutschlands – an Bedeutung. Die Länder Niedersachsen und Bremen arbeiten
an der Realisierung des Jade-Weser-Ports, wofür die Fahrrinne der Jade teilwei-
se verlegt werden soll.

Gegenwärtig wird die vertiefte Fahrrinne des Jade-Fahrwassers mit 300 Metern
Breite angegeben. Bei mittlerem Springtide-Niedrigwasser hat sie 18 Meter
Solltiefe (Seekartenangabe). Außerhalb der vertieften Fahrrinne liegt die Was-
sertiefe des Jade-Fahrwassers zwischen 6,5 und 30 Metern unter Seekartennull
(SKN). Für das Jade-Fahrwasser gelten gemäß der Bekanntmachung der Was-
ser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest (WSD) u. a. Begegnungs- und Überhol-
verbote. So besteht ein absolutes Begegnungs- und Überholverbot untereinander
für Fahrzeuge, die auf die Trasse angewiesen sind.

Für große Schiffe, die gezwungen sind, die vertiefte Fahrrinne zu nutzen, besteht
ein Begegnungs- und Überholverbot. Nur kleine Schiffe mit weniger als acht
Meter Tiefgang dürfen das Jade-Fahrwasser ohne Lotsen befahren (Weser/Jade
Lotsverordnung, § 6 Abs. 2), und für alle Schiffe gilt, sich steuerbords „so nahe
am äußeren Rand des Fahrwassers“ zu halten, „wie dies ohne Gefahr möglich
ist“ (Verordnung zu den Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zu-
sammenstößen auf See, Anlage zu § 1 Regel 9).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde für die im Zuge des Baus des Jade-Weser-Ports geplante Verlegung
des Jade-Fahrwassers eine sachgemäße Kosten-Nutzen-Analyse durchge-
führt, und wenn ja, welches Ergebnis hatte diese sowohl für den Fall der
Durchführung der geplanten Fahrrinnenanpassungen an Unter- und Außen-
elbe sowie Außenweser als auch ohne diese Fahrrinnenanpassungen?
2. Wurde im Zusammenhang mit der geplanten Verlegung der Jade-Fahrrinne
eine naturschutzfachliche Untersuchung durchgeführt?

Wenn ja, welches Ergebnis hatte diese Untersuchung, und wo sind diese
Ergebnisse einzusehen?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/4241 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Trifft es zu, dass die zuständige Bergbaubehörde genehmigt hat, dass der
Bausand für das Terminal des Jade-Weser-Ports überwiegend aus der unmit-
telbaren Nachbarschaft des aufzuspülenden Hafenkörpers entnommen wer-
den soll?

4. Können beim Aufspülen des Hafenterminals die durch das Ausbaggern der
bestehenden Fahrrinne anfallenden Sande verwendet und somit Eingriffe in
die Natur verringert werden?

Wenn ja, für welche Mengen an Bausand ist dies geplant?

Wenn nein, warum nicht, und was soll mit den ausgebaggerten Sanden ge-
schehen?

5. Wie viele Schiffe, die in den Jahren 2004, 2005 und 2006 das Jade-Fahrwas-
ser befahren haben, hatten jeweils einen Tiefgang

a) unter 15 Meter,

b) zwischen 15 und 16 Metern,

c) zwischen 16 und 17 Metern,

d) zwischen 17 und 18 Metern,

e) von mehr als 18 Metern?

6. Welche einem Tidefahrplan entsprechenden Regelungen gelten im Jade-
Fahrwasser auf der Basis der Trassen-Solltiefen für tideabhängige Schiffs-
größen

a) für landwärts fahrende Schiffe bis 19 Meter Tiefgang,

b) für seewärts fahrende Schiffe bis 18 Meter Tiefgang?

7. Wie oft wurden – jeweils in den Jahren 2004, 2005 und 2006 – in der vertief-
ten Fahrrinne des Jade-Fahrwassers Minderungen der Solltiefe (18 Meter un-
ter Seekartennull) festgestellt, über welche Zeiträume dauerten die Minde-
rungen der Solltiefe durchschnittlich an, und in welchem Umfange war es in
diesen Jahren jeweils möglich, die Minderungen von Solltiefen zu beseiti-
gen?

8. Welche Anteile haben flächenmäßige Mindertiefen an der Gesamtzahl der
festgestellten Mindertiefen an der vertieften Fahrrinne des Jade-Fahrwas-
sers?

9. Mit welchen Maßnahmen und Verfahrensabläufen wird gewährleistet, die für
den Unterhalt des Fahrwassers amtlich festgelegte Trassen-Solltiefe von
18 Metern unter Seekartennull durchweg einzuhalten und gemessene Min-
dertiefen gegebenenfalls kurzfristig – also binnen einer Woche – zu beseiti-
gen?

a) Zu welchen Anteilen wurden in den vergangenen vier Kalenderjahren
einerseits vereinzelt auftretende, andererseits flächenmäßig ausgebreitete
Mindertiefen festgestellt und beseitigt?

b) Wie hoch lässt man Mindertiefen aufwachsen, ehe sie bebaggert werden?

c) Welches Höchstmaß an Mindertiefen ist bereits mehr als einmal aufgetre-
ten?

d) Werden Mindertiefen durch Bebaggerungen in aller Regel wieder voll-
ständig zurück auf Solltiefe gebracht?

e) Welches Maß an Mindertiefen wurde in den vergangenen vier Kalender-
jahren jeweils über Zeiträume von mehr als einer Woche in Kauf genom-

men?

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10. Bis zu welchem Tiefgang können Schiffe die Trasse bei normaler Tide-
Niedrigwasserphase (MSpTNW) unter Berücksichtigung der aktuellen Peil-
pläne befahren?

11. Mit welchen Maßnahmen wird in den einzelnen Trassenabschnitten ge-
währleistet, die Trassensohle von 18 Metern unter Seekartennull durchgän-
gig auf 300 Meter Breite zu halten?

a) Welche Sohlbreiten werden in den einzelnen Trassenabschnitten vorge-
halten?

b) Welche Sediment-Aufhöhungen über Solltiefe haben sich möglicher-
weise in Seitenstreifen der Trasse, die nicht mehr unterhalten werden,
eingestellt?

c) Wie wurden und werden die Trassenverengungen allen an der Schifffahrt
Beteiligten bekannt gemacht?

d) Wie viele Kubikmeter Sandeinschwemmung müssten aus der Trasse ge-
baggert werden, bevor ein Tanker mit 18,99 m Tiefgang Jade-aufwärts
bis zur Nordwestdeutschen Ölleitungsgesellschaft (NWO) fahren kann?

e) Wie viel Baggerzeit wird veranschlagt, bis die Trasse gegebenenfalls
wieder auf Seekarten-Solltiefe und -breite ausgehoben ist?

12. Welche Sicherheit hat ein Schiffsführer hinsichtlich der Seekartenangaben,
wenn bei normalem Tide-Niedrigwasserstand pflichtgemäß so nahe wie
möglich am äußeren rechten Rand des Jade-Fahrwassers gefahren werden
muss?

13. Wie und in welchen der hydromorphologischen Dynamik entsprechenden
Zeitabständen werden die in den Seekarten verzeichneten Tiefenangaben in
den rund 150 Meter breiten Seitenstreifen des Jade-Fahrwassers kontrolliert?

a) Wie oft sind Kontrollpeilungen zur Erfassung der für die Schifffahrt
relevanten morphologischen Veränderungen erforderlich?

b) Welche Anzahl von Kontrollpeilungen wurde in welchen Zeitabständen
in den letzen drei Jahren durchgeführt?

c) Welche Kommunikationswege (Nachrichten und Bekanntmachungen für
Seefahrer, Lagemeldung der Verkehrszentrale) werden genutzt, um Ab-
weichungen von den Seekartenangaben bekannt zu machen?

14. Welcher maximale Tiefgang ist bei normalem Tide-Niedrigwasser für
Schiffe zulässig, die außerhalb der Trasse des Jade-Fahrwassers fahren?

15. Ab welchem Tiefgang müssen Schiffe bei Normal-Niedrigwasser die Trasse
des Jade-Fahrwassers benutzen?

16. Welche unterschiedlichen Streckenabschnitte auf der Jade gibt es, in denen
das Begegnen und Überholen erlaubt bzw. in denen es wegen zu geringer
Wassertiefen in den seitlichen Fahrwasserstreifen verboten ist (bitte mit An-
gabe der jeweiligen Streckenabschnitte)?

17. Welche Management-Vorkehrungen sind getroffen worden, um frühzeitig
zu verhindern, dass sich Fahrzeuge in Streckenabschnitten begegnen oder
überholen, in denen sie untereinander trassengebunden sind?

Gibt es dazu eine Kennzeichnung kritischer Streckenabschnitte, in denen ein
Überhol- bzw. Begegnungsverbot mehr als anderswo zum Tragen kommt?

18. Ab welchem Tiefgang sind das Jade-Fahrwasser benutzende Fahrzeuge z. B.
bei Normal-Niedrigwasser trassengebunden?
19. Welche Vorkehrungen sind getroffen, um frühzeitig zu verhindern, dass sich
Schiffe in trassengebundenen Streckenabschnitten begegnen oder überholen?

Drucksache 16/4241 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
20. Müssen große, trassengebundene Tanker aufgestoppt werden, wenn ein
kleineres, nicht lotsenpflichtiges Schiff mit mehr als sechs Meter Tiefgang
während der Niedrigwasserphase in einem kritischen Streckenabschnitt des
Jade-Fahrwassers auf die Benutzung der Trasse angewiesen ist?

21. Wie sind die kritischen Streckenabschnitte gekennzeichnet, in denen Über-
hol- bzw. Begegnungsverbote gelten?

22. Wie lange dauert es, bis die Messung einer Mindertiefe im Jade-Fahrwasser
die Verkehrszentrale Wilhelmshaven erreicht?

23. Auf welche Weise werden die von der bekannt gemachten Solltiefe abwei-
chenden Mindertiefen durch die Verkehrszentrale Wilhelmshaven an die
Schifffahrt übermittelt?

24. Unter welchen Umständen oder Voraussetzungen unterbleibt eine Übermitt-
lung der von der Solltiefe abweichenden Mindertiefen an die betroffene
Schifffahrt?

25. Wie sind die im Jade-Fahrwasser vorgehaltenen Trassenbreiten auf den
Radarbildschirmen des nautischen Amtspersonals sowie auf denen der Lot-
senberatung kenntlich gemacht?

a) Welche Trassenbreite steht laut Radarbildschirmen für trassengebundene
Schiffe zur Verfügung?

b) In welchem Ausmaß stimmt die Kennzeichnung der Trassenränder auf
den Radarbildschirmen möglicherweise nicht mit den tatsächlich vorge-
haltenen Sohlbreiten überein?

26. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die öffentlich bekannt gemach-
ten Solltiefen und -breiten des vertieften Jade-Fahrwassers tatsächlich vor-
gehalten werden?

27. Reicht die übliche Veröffentlichungspraxis von Unterschreitungen der be-
kannt gemachten Solltiefen und Sollbreiten des vertieften Fahrwassers
(Trasse) sowie der Tiefenangaben in den Seitenstreifen des Fahrwassers aus,
um Havarien auf Grund unzureichenden Informationstandes der Schiffsfüh-
rungen ausschließen zu können?

28. Welche dringenden Verbesserungen sieht die Bundesregierung angesichts
der Bedeutung Wilhelmshavens als Marinestandort und des insgesamt zu-
nehmenden Schiffsverkehrs für die Fahrrinne des Jade-Fahrwassers vor?

29. Welche Kosten sind mit der geplanten Verlegung der Fahrrinne und Schaf-
fung der wasserseitigen Zufahrts- und Liegebereiche des Jade-Weser-Ports
verbunden, und wann werden die Maßnahmen gegebenenfalls durchge-
führt?

30. Welche weiteren Eingriffe in den Wasserlauf der Jade sind im Zusammen-
hang mit dem Bau des Jade-Weser-Ports geplant, und welche Kosten sind
damit jeweils verbunden?

31. Welche Bundesverkehrswegeprojekte sind für die Anbindung des Jade-We-
ser-Ports (Hinterlandanbindung) im Einzelnen geplant, zu welchen Termi-
nen sollen diese fertiggestellt sein und welche Kosten sind damit jeweils
verbunden?

Berlin, den 30. Januar 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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