BT-Drucksache 16/4238

13 Jahre Verbot kurdischer Organisationen

Vom 1. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4238
16. Wahlperiode 01. 02. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

13 Jahre Verbot kurdischer Organisationen

Vor 13 Jahren, am 26. November 1993, erließ der damalige Bundesminister des
Innern Manfred Kanther (CDU) ein Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) sowie gegen weitere kurdische Organisationen und Vereine.

Aufgrund des PKK-Verbots in Deutschland kam es zu einer Vielzahl von Fest-
nahmen und Gerichtsverfahren, vor allem wegen Verstoßes gegen § 129 (Bil-
dung krimineller Vereinigungen) und § 129a des Strafgesetzbuches (StGB) (Bil-
dung terroristischer Vereinigungen) sowie gegen das Vereinsgesetz.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Personen hat die Bundesan-
waltschaft seit Erlass des Betätigungsverbots der Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK) vom November 1993 bis heute gegen Kurdinnen und Kurden mit dem
Vorwurf der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ (nach
§ 129a StGB) eingeleitet (bitte entsprechend nach Jahren auflisten)?

2. In wie vielen Fällen wurden Kurdinnen und Kurden in dem in Frage 1 erfrag-
ten Zeitraum nach § 129a StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und in welcher
Höhe wurden jeweils diese Freiheitsstrafen verhängt (bitte entsprechend
nach Jahren einzeln auflisten)?

3. In wie vielen Fällen wurden Kurdinnen und Kurden in dem in Frage 1 erfrag-
ten Zeitraum nach § 129a StGB zu Bewährungsstrafen verurteilt?

4. In wie vielen Fällen wurden gegen Kurdinnen und Kurden in dem in Frage 1
erfragten Zeitraum nach § 129a StGB eröffnete Verfahren wieder einge-
stellt?

5. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Personen hat die Bundes-
anwaltschaft gegen Kurdinnen und Kurden seit Herabstufung der PKK als
„kriminelle Vereinigung“ (§ 129 StGB) von Anfang 1998 bis heute eingelei-
tet (bitte entsprechend nach Jahren auflisten)?

6. Wie viele Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs
(BGH) wegen des Vorwurfs nach den §§ 129, 129a, 129b StGB liegen derzeit
nach Kenntnis der Bundesregierung gegen Kurdinnen und Kurden vor?
7. Wie hoch war die im Durchschnitt nach den §§ 129 und 129a StGB verfügte
Bewährungszeit für kurdische Politikerinnen und Politiker, und welche Auf-
lagen waren damit für die Verurteilten und (vorzeitig) aus der Haft Entlas-
senen verbunden?

Drucksache 16/4238 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. In wie vielen Fällen widerrief das Bundesamt für die Anerkennung auslän-
discher Flüchtlinge bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) im Zeitraum 1993 bis heute aufgrund entsprechender Verurteilun-
gen kurdischer Politikerinnen und Politiker deren Asylanerkennung (bitte
entsprechend nach Jahren auflisten)?

9. In wie vielen Fällen wurden in dem vorgenannten Zeitraum kurdische
Politikerinnen und Politiker nach ihrer Haftentlassung oder infolge einer
Verurteilung in die Türkei abgeschoben (bitte entsprechend nach Jahren auf-
listen), und wie viele Widerrufsverfahren sind aktuell anhängig?

10. In wie vielen Fällen ist Kurdinnen und Kurden seit Inkrafttreten des Zu-
wanderungsgesetzes im Januar 2005

a) vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Asylanerkennung
aufgrund von Aktivitäten in der Föderation kurdischer Vereine in
Deutschland (YEK-KOM) widerrufen oder verweigert,

b) die Aufenthaltserlaubniss wegen politischer Betätigung nicht verlängert,

c) die Einbürgerung seit Januar 2005 wegen politischer Betätigung ver-
weigert

worden?

11. Wie viele Kurdinnen und Kurden sind seit Übergabe der „Liste der
150 Namen“ durch den türkischen Innenminister an den damaligen Bundes-
minister des Innern, Otto Schily, Ende 2001 mit der Begründung des Vor-
liegens angeblich politisch motivierter Straftaten ausgeliefert worden, und
befanden sich die Ausgelieferten auf der vorerwähnten Liste?

12. Welchen Stellenwert hatte diese Liste bei der damaligen Bundesregierung,
und welche Rolle spielt sie heute?

13. In wie vielen Fällen wurden anerkannte Asylberechtigte bzw. Flüchtlinge
im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. Menschen, bei denen das
BAMF Abschiebungshindernisse festgestellt hat,

a) aufgrund eines Auslieferungsersuchens der Türkei in Auslieferungshaft
genommen,

b) tatsächlich ausgeliefert bzw. wieder aus der Auslieferungshaft entlassen?

14. Ist eine Gesetzesänderung geplant, wonach im Auslieferungsverfahren die
Feststellungen des BAMF bindend sind?

15. War anlässlich des Besuches von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der
Türkei am 5./6. Oktober 2006 auch die vom türkischen Staat proklamierte
Bekämpfung der PKK bzw. des Volkskongresses Kurdistan (KONGRA-
GEL) Gegenstand von Gesprächen, und wenn ja, welcher Standpunkt wurde
dabei von der Bundeskanzlerin vertreten?

16. Wurde von türkischer Seite auf die Bundesregierung eingewirkt, in ihrem
Sinne die Verfolgung kurdischer Politikerinnen und Politiker in Deutsch-
land zu führen, und wenn ja, in welcher Weise?

17. Inwieweit kann aus Sicht der Bundesregierung das seit nunmehr 13 Jahren
bestehende PKK- und auf KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress
Kurdistan) und KONGRA-GEL ausgeweitete Betätigungsverbot als
(Miss-)Erfolg gesehen werden?

18. Welche Maßnahmen und Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen, um
eine Lösung des Konflikts mit den Kurdinnen und Kurden herbeizuführen
und die in diesem Zusammenhang stehenden Menschenrechtsverletzungen

seitens des türkischen Staates zu beenden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4238

19. Inwieweit vertritt die Bundesregierung die Meinung, dass eine internatio-
nale Konferenz zu dieser Thematik einen Beitrag zur Konfliktlösung dar-
stellen könnte?

20. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung einer auf Dauer angelegten
Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts im Rahmen der EU-Beitritts-
verhandlungen mit der Türkei ein?

21. Plant die Bundesregierung, ihre EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um den
türkisch-kurdischen Konflikt zu einer dauerhaften Lösung zu führen?

Wenn ja, in welcher Weise?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 31. Januar 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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