BT-Drucksache 16/4181

Tourismus zur Armutsbekämpfung und zur sozialen und ökologischen Entwicklung in den Partnerländern nutzen

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4181
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Ute Koczy, Kai Gehring, Thilo
Hoppe, Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Tourismus zur Armutsbekämpfung und zur sozialen und ökologischen
Entwicklung in den Partnerländern nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Reisen leistet über seine Freizeit- und Erholungsfunktion hinaus einen wichti-
gen Beitrag zur Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Nationen
und Kulturen. Technologischer Fortschritt im Transportwesen und wachsender
Wohlstand haben Fernreisen trotz Umweltkatastrophen und terroristischer Be-
drohungen zu einem Massenphänomen in den Industrieländern gemacht. Die
Zahl der Gutverdienenden wächst aber auch in Schwellenländern wie China,
Indien, Korea, Thailand und Malaysia derzeit rapide und auch Flugreisen sind
dort durch die massiv zunehmende Zahl von Billigflugangeboten keineswegs
mehr unerschwinglich. Das hat dazu geführt, dass in den meisten Ländern Süd-
und Südostasiens Reisende aus westlichen Industrieländern inzwischen nicht
mehr das Hauptkontingent an Besuchern stellen. Ähnliche Entwicklungen
zeichnen sich für Süd- und Mittelamerika mit den Wachstumspolen Mexiko
und Brasilien ab. Das leitet eine strukturelle Veränderung der bisherigen Nord-
Süd-Aufteilung in die Welt der Reisenden und der Bereisten ein.

Tourismus als Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung

In ihrer Zukunftsstudie „Tourism 2020 Vision“ rechnet die Welttourismusorga-
nisation (UNWTO) mit weltweit 1,6 Milliarden Touristenankünften im Jahr
2020. Die Reisenden werden dabei geschätzte 2 Bio. US-Dollar ausgeben. Als
Begünstigte dieser Entwicklung werden in erster Linie die Entwicklungs- und
Schwellenländer gesehen. Die dort registrierten Touristenankünfte aus dem
Ausland hatten nach Angaben der UNWTO bereits 2004 einen Anteil von
36 Prozent am globalen Gesamtvolumen und stellt damit einen der weltweit
wichtigsten Wirtschaftssektoren mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten dar.

Kriege, politische Unruhen, Terroranschläge, kriminelle Übergriffe (z. B. Ent-
führungen), Epidemien wie die Vogelgrippe, Umwelt- und Naturkatastrophen
in den Zielregionen können kurzfristig zu erheblichen Nachfrageeinbrüchen

nach einem Reiseland führen. Trotz dieser regionalen Anfälligkeit des Touris-
mus geht die UNWTO für das Jahr 2006 von einem weltweiten Wachstum im
Tourismussektor von 4,6 Prozent aus. Im Jahr 2005 haben 7,7 Millionen Deut-
sche (ab 14 Jahre) Urlaubsreisen in Entwicklungsländer unternommen. Davon
hielten sich 5,3 Millionen in nahe gelegenen Partnerländern des Mittelmeer-
raums auf. Hiervon entfielen 3,6 Millionen auf das Transformationsland Tür-
kei. Weitere 1,7 Millionen bereisten Länder in Nordafrika (Ägypten, Tunesien

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und Marokko). 2,4 Millionen reisten in ein fern gelegenes Entwicklungsland in
Asien, Afrika, Lateinamerika oder in der Karibik.

Laut UNWTO und des Studienkreises Tourismus und Entwicklung sind für
etwa ein Drittel der Entwicklungs- und Schwellenländer die Einnahmen aus
dem Tourismus die wichtigste Devisenquelle. Berücksichtigt man alle direkt
oder indirekt vom Tourismus abhängigen Branchen, so trägt der Tourismussek-
tor 10,4 Prozent zum weltweiten Bruttosozialprodukt bei. Hotels und Gastrono-
mie sind dabei die wichtigsten Jobmotoren. Besonders die kleinen und mittle-
ren Hotels und Restaurants haben eine hervorragende Arbeitsplatzbilanz. Nach
Schätzungen des World Travel & Tourism Councils (WTTC) hängen derzeit
weltweit 234,3 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Tourismus ab.
Das sind rund 8,7 Prozent aller Arbeitsplätze.

In vielen Urlaubsregionen hat der Tourismus bereits einen bedeutenden Beitrag
zur wirtschaftlichen Entwicklung der Länder geleistet. Der Tourismus bietet
hier Chancen zur Armutsbekämpfung und zur sozialen und ökologischen Ent-
wicklung der Partnerländer, die es besser zu nutzen gilt. Ob und wie diese be-
eindruckende Bilanz des Tourismussektors in den Entwicklungs- und Schwel-
lenländern konkret zur Minderung der Armut beiträgt oder, ob ein Großteil der
Deviseneinnahmen wieder abfließt, ist bislang noch nicht ausreichend unter-
sucht worden. Erste Ergebnisse unter anderem der Deutschen Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ) und des britischen Overseas Development
Institute (ODI) zur Interaktion von Hotels mit der lokalen Wirtschaft in der
Karibik und zur Arbeitsplatzbilanz von Hotels zeigen ein insgesamt sehr posi-
tives Bild.

Die acht untersuchten Hotelanlagen zahlen zwischen 320 000 und 3,2 Mio. US-
Dollar an Lohnsummen pro Jahr und kaufen für 1 bis 2 Mio. US-Dollar Waren,
insbesondere inländische Agrarprodukte. In Tobago ist es gelungen, die Ein-
künfte der Bauern durch Verkäufe an die Hotels binnen Jahresfrist zu verdop-
peln. Der Beitrag der zwölf All-Inclusive-Hotelanlagen der jamaikanischen
Sandals-Gruppe zur Volkswirtschaft dieses Inselstaates beläuft sich durch
Löhne und Gehälter, Zukäufe nationaler Produkte, Steuern, Transport und sons-
tige Dienstleistungen auf über 100 Mio. US-Dollar pro Jahr. Da es sich um eine
einheimische Firma handelt, erfolgt auch kaum ein Gewinntransfer ins Aus-
land.

Ökologische Folgen des Tourismus

Trotz dieser beeindruckenden Zahlen wird sich die Hoffnung, die Kluft zwi-
schen Industrie- und Entwicklungsländern allein durch die „weiße Industrie“
Tourismus in wenigen Jahrzehnten zu schließen – wie es die Vereinten Nationen
erstmals im „Jahr des Welttourismus“ 1967 formulierten – auch in Zukunft nicht
erfüllen. Da setzen schon die nicht vermehrbaren und beliebig belastbaren
natürlichen Ressourcen dem expandierenden Tourismus klare Grenzen. Wenn
diese missachtet werden, können die negativen ökologischen, sozialen und kul-
turellen Begleiterscheinungen des Tourismus seine positiven Wirkungen schnell
überwiegen.

Das Wachstum des Tourismus muss deshalb so gestaltet werden, dass er nicht
zu einer Beeinträchtigung der lokalen Bevölkerung und zur Überbeanspru-
chung von Wasser, Böden, Landschaft, Kulturgütern und anderen begrenzen
Ressourcen führt. Weitere negative Folgen, die angemessen bewältigt werden
müssen, sind die erheblich ansteigenden Abwasser- und Abfallmengen sowie
die ökologischen Folgen des massiv steigenden Verkehrs- und Transportauf-
kommens. Sonst werden die touristisch attraktiven, aber zum Teil fragilen Öko-
systeme zerstört und die Touristen suchen sich andere, unverbrauchte Destina-

tionen als Reiseziele aus.

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Nach der schrecklichen Tsunamikatastrophe vom 26. Dezember 2004 im Indi-
schen Ozean ist die Bedeutung der Umsetzung der „Richtlinien für biologische
Vielfalt und Tourismusentwicklung“ des Übereinkommens über die biologische
Vielfalt (CBD) gestiegen. Ziel ist es, die Interessen der Naturerhaltung und des
Tourismus miteinander in Einklang zu bringen, zu einer nachhaltigen Entwick-
lung des Tourismus zu führen und dadurch zur Umsetzung des Übereinkom-
mens über die biologische Vielfalt und die Ziele der Agenda 21 beizutragen.
Mit der unter Rot-Grün initiierten Beratungsstelle für Nachhaltige Tourismu-
sentwicklung, die in Bonn als Einrichtung der Vereinten Nationen (UNWTO)
ihre Arbeit aufgenommen hat, wird der Wiederaufbau der touristischen Infra-
struktur in Südostasien unterstützt.

Die globalen tourismusinduzierten Umweltprobleme insbesondere im Zusam-
menhang mit den Emissionen des Flugverkehrs werden dagegen erst seit kur-
zem ernst genommen. Zu lange haben sich die Fluglinien und Reiseveranstalter
der Diskussion um diesen „ökologischen Fußabdruck“ mit dem Argument ent-
zogen, dass sie nicht dem Klimaregime des Kyoto-Protokolls unterliegen. Es ist
eine zentrale politische Aufgabe, den Flugverkehr in das internationale Klima-
schutzregime (Kioto-Plus) einzubeziehen. Von der EU werden hierzu in Kürze
Vorschläge erwartet. Auf die Bundesregierung kommt während der deutschen
Ratspräsidentschaft eine besondere Verantwortung zu. Die Einführung einer
Kerosinsteuer zur Reduzierung von Treibhausgasen im Luftverkehr ist längst
überfällig, wurde bisher aber weder international noch EU-weit oder national
realisiert.

Soziokulturelle Einflüsse des Tourismus

Die UNWTO-Zukunftsstudie betont, dass nahezu alle Gebiete der Erde touris-
tisch erschlossen sind. Der Einfluss des Tourismus auf die Gesellschaften und
Kulturen der bereisten Länder ist von Land zu Land, von Kultur zu Kultur un-
terschiedlich. Unbestritten ist aber, dass der Tourismus die bereisten Kulturen
verändert. Traditionelle Lebensweisen und Sozialgefüge können einem derarti-
gen Veränderungsdruck unterliegen, dass ihre Überlebens- und Anpassungs-
fähigkeit nicht mehr gesichert ist.

Die touristischen Einflüsse können aber auch zu einer Wiederbelebung von tra-
ditioneller Kultur und Identität sowie zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins
der Bereisten beitragen. Ausschlaggebend sind letztlich Art und Umfang des
Tourismus sowie die soziokulturelle Verfasstheit der gastgebenden Gesellschaf-
ten. Die Entwicklungszusammenarbeit muss auch diese Aspekte des Tourismus
reflektieren und sich – in Zusammenarbeit mit den Partnerländern und der Tou-
rismusindustrie – für einen Tourismus einsetzen, der respektvoll mit fremden
Kulturen umgeht. In touristischen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit
sind insbesondere die Beteiligungsrechte der Bereisten zu gewährleisten.

Schutz von Frauen und Kindern vor Sextourismus

Zu den erschreckenden Folgewirkungen des Fernreisetourismus gehört zudem
nach wie vor die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern. Der Tourismus
ist zwar nicht die Ursache der sexuellen Ausbeutung, aber die Täter nutzen tou-
ristische Angebote, um strafbare Handlungen fern der Heimat zu begehen. Die
katholische Organisation „missio“ schätzt, dass jährlich 400 000 Männer aus
Deutschland weltweit als Sextouristen reisen. Etwa 10 000 von ihnen suchen
Sex mit Kindern oder Jugendlichen. Deshalb sind sowohl die Staatengemein-
schaft als auch die Tourismusindustrie gefordert, sowohl ihre präventiven Maß-
nahmen als auch eine konsequente Strafverfolgung weiter zu verbessern.

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Tourismus in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Tourismusförderung war bislang kein Schwerpunktthema der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit. Aufgrund des rasanten Wachstums des Fernreise-
tourismus in Entwicklungsländer in den vergangenen Jahren und den damit ver-
bundenen Chancen und Risiken, widmet die deutsche Entwicklungspolitik
diesem Bereich in den letzten Jahren zunehmend eine größere Aufmerksam-
keit. Allerdings schlägt sich dies bislang noch nicht in einer der Bedeutung und
Tragweite des Themas angemessen Mittelausstattung der Vorfeldorganisatio-
nen nieder. Das seit November 2003 vom Bundesministerium für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit 900 000 Euro für vier Jahre
geförderte Sektorvorhaben „Tourismus und nachhaltige Entwicklung“ der GTZ
bedarf einer besseren finanziellen Ausstattung. Zwar werden vom BMZ derzeit
weltweit Projekte im Bereich der nachhaltigen Tourismusentwicklung mit rund
5,5 Mio. Euro unterstützt, allerdings entspricht das nur knapp 0,15 Prozent des
gesamten BMZ-Jahreshaushalts.

Orientierungsrahmen für das Engagement der deutschen Entwicklungspolitik
ist das Leitbild des nachhaltigen Tourismus: Nachhaltiger Tourismus erfüllt so-
ziale, kulturelle, ökologische und wirtschaftliche Verträglichkeitskriterien. Er
ist sozial gerecht, kulturell angepasst, ökologisch tragfähig und insbesondere
für die ortsansässige Bevölkerung wirtschaftlich sinnvoll und ergiebig. Damit
kann er einen wichtigen Beitrag zu den Millenniums-Entwicklungszielen leis-
ten, insbesondere zu den Zielen der Halbierung der Armut und des Schutzes der
Umwelt.

Um das Ziel eines in diesem Sinne nachhaltigen Tourismus und insbesondere
seine Beiträge zu den Millenniums-Entwicklungszielen zu erreichen, muss die
deutsche Entwicklungspolitik ihre Aktivitäten auf zwei Bereiche konzentrieren:

Erstens: Auf die Förderung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf bi-
und multilateraler Ebene durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen
und durch die Beratung die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in den
Transformations- und Entwicklungsländern. Dabei geht es vor allem darum, die
Partnerländer bei der Evaluierung und nachhaltigen Erschließung ihrer touristi-
schen Potenziale, bei der Errichtung der notwendigen touristischen Infrastruk-
tur und durch die Förderung von Pilotprojekten und Qualifizierungsmaßnah-
men zu unterstützen. Aber auch überregionale Fragen wie die Reduzierung der
Umweltwirkungen des transnationalen Reiseverkehrs, die Arbeitsmigration für
den Tourismus unter anderem müssen in Zukunft verstärkt angegangen werden.

Zweitens: Auf eine stärkere Unterstützung der Bewusstseinsbildung von Tou-
risten aus Deutschland im Sinne eines nachhaltigen Tourismus durch Bildungs-
und Öffentlichkeitsarbeit. Laut der UNWTO-Zukunftsstudie wird bis zum Jahr
2020 die Bedeutung der Verbraucherinitiativen für eine nachhaltige Entwick-
lung im Tourismussektor und eine faire Verteilung der dort erwirtschafteten
Gewinne an Bedeutung gewinnen.

Ein wichtiger Schritt für die bessere Abstimmung der bislang noch vereinzelten
tourismusbezogenen Aktivitäten der verschiedenen Vorfeldorganisationen ist
die im Jahre 2005 erfolgte Gründung des „Thementeams Tourismus“ unter
Beteiligung des BMZ, der GTZ, des Centrums für internationale Migration und
Entwicklung (CIM), des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED), der deut-
schen Entwicklungsbank (KfW), der Internationalen Weiterbildung und Ent-
wicklung GmbH (InWent) und des Studienkreises für Tourismus.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● die Initiative „Nachhaltiger Tourismus – Bekämpfung der Armut“ (ST-EP)

der Welttourismusorganisation, die mit Unterstützung der UN-Konferenz für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4181

Handel und Entwicklung (UNCTAD) auf dem Weltgipfel für nachhaltige
Entwicklung in Johannesburg 2002 gestartet wurde und im März 2006 auf
der Internationalen Tourismusbörse das erste Mal tagte;

● den Vorschlag eines „Financial and Administrative Framework Agreement“
(FAFA) zwischen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen. Mit
dem FAFA wird Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung durch
Tourismus europaweit auf eine solide finanzielle und institutionelle Basis
gestellt, wodurch auch eine professionelle Beurteilung der Vergabe von EU-
Geldern und geförderten Projekte ermöglicht wird;

● die Arbeit der Internationalen Kampagne gegen Kinderprostitution (ECPAT)
und die dadurch auf internationaler Ebene angestoßenen Verbesserungen bei
der Durchsetzung von Artikel 34 der UN-Kinderkonvention;

● die Verabschiedung des „Globalen Ethikkodexes für den Tourismus“ durch
die Generalversammlung der Welttourismusorganisation im Mai 2004 und
die Einrichtung eines Ethikrates als einen ersten Schritt in der Auseinander-
setzung mit den Problemen des weltweit wachsenden Tourismus;

● die Bemühungen des „World Travel & Tourism Councils“ (WTTC) zur För-
derung der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Corporate Social
Responsibility/Corporate Social Leadership) und der nachhaltigen Entwick-
lung im Tourismussektor;

● dass inzwischen zahlreiche multinationale Tourismuskonzerne Umwelt-, So-
zial- und Nachhaltigkeitsberichte vorlegen und ermutigt die Unternehmen,
den sozialpolitischen Richtlinien für die eigene Unternehmensführung grö-
ßere Bedeutung beizumessen und diese auch gegenüber den Partnerunter-
nehmen durchzusetzen;

● dass mit dem „Fairer Handel im Tourismus Südafrika“ Handelszeichen erst-
mals ein Handelszeichen für faire und verantwortungsvolle Geschäftsprakti-
ken der beteiligten Unternehmen vorliegt;

● die Einrichtung einer Expertengruppe „Nachhaltigkeit im Tourismus“ aus
Vertretern von Politik, Tourismuswirtschaft, Gewerkschaften und Zivil-
gesellschaft durch die EU-Kommission mit dem Ziel, mit allen Beteiligten
eine Agenda 21 des europäischen Tourismus zu erarbeiten;

● die Gründung des Thementeams Tourismus in der Entwicklungszusammen-
arbeit unter Beteiligung der Vorfeldorganisationen und des BMZ und deren
Engagement für eine angemessene Positionierung und Einbeziehung des
Tourismus für nachhaltige Entwicklung und zur Erreichung der Millennium-
Entwicklungsziele;

● die Finanzierung der Beratungseinrichtung der UN-Welttourismusorganisa-
tion in Bonn durch Deutschland für zunächst drei Jahre;

● dass auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin und der inter-
nationalen Messe für anderes Reisen (Reisepavillon) die GTZ gemeinsam
mit den anderen Vorfeldorganisationen mit einem Stand und eigenen Veran-
staltungen für das Leitbild eines nachhaltigen Tourismus wirbt;

● die Public-Privat-Partnership Kooperation der GTZ mit den im Prince of
Wales International Business Leaders Forum organisierten weltweit führen-
den Hotelketten, die zur Armutsminderung beitragen können sowie die Be-
mühungen aller Vorfeldorganisationen zum Abschluss weiterer Koopera-
tionsmaßnahmen mit der Privatwirtschaft.

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III. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Engagement der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich
der Förderung des Tourismussektors in den Entwicklungsländern fortzu-
führen und zu intensivieren;

2. die Förderung eines nachhaltigen Tourismus als Beitrag zur Erfüllung der
Millennium-Entwicklungsziele, insbesondere der Halbierung der Armut
und des Schutzes der Umwelt, ein größeres Gewicht innerhalb der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit beizumessen;

3. die Zusammenarbeit mit der Tourismuswirtschaft und den Verbänden im
Rahmen der Initiative „Nachhaltiger Tourismus – Bekämpfung der Armut“
(ST-EP) bei der Armutsbekämpfung, bei der verantwortungsvollen Unter-
nehmensführung und bei der Förderung eines nachhaltigen Tourismus zu
intensivieren;

4. während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das Financial and Ad-
ministrative Framework Agreement (FAFA) zwischen der Europäischen
Union und der Vereinten Nationen abzuschließen;

5. bei der Beteiligung der Durchführungsorganisationen an Tourismusprojek-
ten in Entwicklungsländern die betroffene Bevölkerung bei der Planung
und Durchführung der Maßnahmen und bei der Prioritätensetzung zu be-
teiligen und durch klare Kriterien sowie durch die Kompetenzförderung
der Betroffenen einen umwelt- und sozialverträglichen Tourismus zu för-
dern;

6. neben der Förderung von Pilotprojekten im Bereich des nachhaltigen Tou-
rismus in enger Kooperation mit der Tourismuswirtschaft ökologischen
und sozialen Verbesserungen im Massentourismus stärkeres Gewicht zu
verleihen;

7. die Zusammenarbeit im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit mit der Tourismuswirtschaft in Form von Entwicklungspartnerschaf-
ten (Private-Public-Partnership) weiter auszubauen;

8. die Partnerländer durch Maßnahmen im Rahmen der Personal- und Orga-
nisationsentwicklung (Capacity-Building) dabei zu unterstützen, ihre tou-
ristischen Potenziale zu evaluieren, zu erschließen und zum eigenen Vorteil
zu nutzen;

9. in den Tourismusregionen der Partnerländer regionale Wirtschafts- und
Versorgungskreisläufe zu fördern, um so den in den bereisten Ländern ent-
stehenden Wertschöpfungsanteil zu erhöhen und die indirekten ökologi-
schen Belastungen durch die Versorgung der Touristen zu reduzieren;

10. bei der Förderung von Tourismusprojekten in Entwicklungsländern auf
nachhaltige Finanzierungsmechanismen zu achten;

11. eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Erarbeitung und Umsetzung
von Strategien zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen durch den
tourismusbedingten Verkehr, insbesondere Flugreisen, einzusetzen;

12. im Rahmen der Weltbank und der Europäischen Union für das Leitbild eines
nachhaltigen und sozialverträglichen Tourismus zu werben und dessen Be-
rücksichtigung insbesondere bei größeren touristischen Investitions- und
Entwicklungsvorhaben (z. B. der International Finance Corporation und
der Europäischen Investment Bank) sicherzustellen;

13. die Partnerländer im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
zu ermutigen, den Tourismussektor verstärkt in ihre nationalen Armutsbe-

kämpfungsstrategien zu integrieren;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4181

14. fairen Handel im Tourismussektor durch Förderung von Handelszeichen
nach dem Vorbild des „Fairer Handel im Tourismus Südafrika“ in den Part-
nerländern zu fördern;

15. gegenüber den Verbänden und Unternehmen der Tourismusbranche die
Einlösung der Selbstverpflichtungserklärungen konsequent einzufordern;

16. sich für die Durchsetzung internationaler Sozialstandards für die Beschäf-
tigten in der Tourismusbranche einzusetzen und insbesondere die wirt-
schaftliche Ausbeutung von Kindern und Frauen zu bekämpfen;

17. die Umsetzung des Aktionsplanes der Stockholmer Konferenz gegen kom-
merzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern weiterhin zu fördern und sich
auf nationaler und internationaler Ebene für eine konsequente Verfolgung
der Straftäter und für den Schutz der Opfer einzusetzen;

18. sich im Rahmen der Welttourismusorganisation dafür einzusetzen, den
„Globalen Ethikkodex für den Tourismus“ weiterzuentwickeln und insbe-
sondere die bisherige einseitige Betonung des Rechts auf Tourismus durch
eine Stärkung der Partizipations- und Abwehrrechte der Bürgerinnen und
Bürger der Zielländer zu ergänzen;

19. durch die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit im Rahmen der Entwick-
lungszusammenarbeit gegenüber den Reisenden auch weiterhin das Ver-
ständnis für einen sozial und ökologisch verträglichen und kulturell
angepassten Tourismus zu fördern und lokale Bevölkerungen in den Part-
nerländern, die dies wünschen, durch Beratung und Schulung bei der
Begegnung mit dem Phänomen Tourismus und der Bewältigung der daraus
resultierenden Veränderungen zu unterstützen;

20. anzuregen, dass das Leitbild der nachhaltigen touristischen Entwicklung
im Rahmen der touristischen Ausbildungen auf allen Ebenen, besonders
aber in den Berufsschulen für Reiseverkehrsberufe übernommen und ver-
breitet wird sowie eine entsprechende Qualifizierungsoffensive mit der
Tourismuswirtschaft zu initiieren;

21. in Zukunft die Erforschung der Auswirkungen und Entwicklungen des
Tourismus in Entwicklungsländern verstärkt zu unterstützen und dafür aus-
reichende Ressourcen zur Verfügung zu stellen;

22. im tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung auch umfassend
über die entwicklungspolitischen Aktivitäten Auskunft zu geben.

Berlin, den 31. Januar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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