BT-Drucksache 16/4159

Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einführung biometrischer Ausweise wahren

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4159
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln) und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einführung biometrischer Ausweise wahren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die von der Bundesregierung vorangetriebene Aufnahme biometrischer Merk-
male in Personaldokumente greift tief in die Rechtsposition der Bürgerinnen und
Bürger ein. Die Einführung biometrischer Merkmale in Reisepässen aufgrund
der EU-Verordnung 2252/2004 und nach den Plänen der Bundesregierung auch
in Bundespersonalausweisen bringt auch die Referenzdatei für alle Menschen,
die im Bundesgebiet leben. Die Lichtbilder sollen abrufbar werden, was prak-
tisch deren Speicherung in vernetzten Referenzdateien voraussetzt. Hier prescht
die Bundesregierung aus eigenem Antrieb vor; auf eine Vorgabe der EU jeden-
falls kann sie sich hier nicht berufen. Die EU-Verordnung verzichtet ausdrück-
lich auf die Schaffung einer Referenzdatei.

Mit Hilfe der neuen Passdokumente wird die Möglichkeit der Kontrolle der Bür-
gerinnen und Bürger bis in den privaten Bereich hinein umfassend erweitert.
Diese Erweiterung wird gezielt in Angriff genommen, obwohl biometrische
Verfahren nach wie vor fehleranfällig sind. Gezielte Manipulationen, aber auch
unabsichtlich herbeigeführte geringe körperliche Veränderungen können Mess-
fehler hervorrufen und damit die Ergebnisse erheblich verändern, unbrauchbar
machen oder verfälschen. Die scheinbare Objektivität einer in Wirklichkeit feh-
leranfälligen Technik kann deshalb dazu führen, dass Menschen unberechtigt an
der Grenze zurückgewiesen werden oder zu Unrecht einer Verdächtigengruppe
zuordnet werden.

Bei einzelnen Personen kann beispielsweise ein erforderliches biometrisches
Merkmal fehlen. Zudem können gerade bei der Fingerabdruckerkennung Mani-
pulationen relativ leicht zum Erfolg führen.

Trotz all dieser längst bekannten Sicherheitsprobleme wird der Einsatz biomet-
rischer Merkmale in den europäischen Ausweisdokumenten mit Hochdruck
vorangetrieben. Der Beleg für einen konkreten Gewinn an Sicherheit wurde nie
erbracht, sondern stets nur behauptet.

Nun soll die umstrittene neue Technik auf die deutschen Personalausweise aus-

geweitet werden. Auch beim Bundespersonalausweis fehlt jeder Beleg dafür,
dass tatsächlich die versprochenen Sicherheitsgewinne erreichbar sind. Es gibt
nach wie vor nicht widerlegte Zweifel an der Behauptung, dass die Ausweise
wirklich mehr Fälschungssicherheit bringen als die als besonders fälschungs-
sicher geltenden bisherigen deutschen Pässe und Personalausweise. Gerade bei
Personenkontrollen können Pannen bei der Erkennung für die Betroffenen
schwerwiegende Konsequenzen haben.

Drucksache 16/4159 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. auf die Einführung biometrischer Merkmale im elektronischen Bundesperso-
nalausweis zu verzichten. Sollte der mit dem elektronischen Gesichtsbild an-
gestrebte Sicherheitsgewinn tatsächlich nachgewiesen werden, könnte dieses
zu einem späteren Zeitpunkt in elektronische Personalausweise aufgenom-
men werden, sofern die mit der Speicherung zusammenhängenden Daten-
schutzrisiken wirksam beherrscht werden. Darüber hinaus müssen auch die
gravierenden technischen Probleme der neuen Technik befriedigend gelöst
und eine bessere Übersicht der anstehenden Kosten für Bund und Länder
sowie für die Bürgerinnen und Bürger vorgelegt werden;

2. auf die Speicherung von Fingerabdruckdaten in Ausweisdokumenten gene-
rell zu verzichten. Fingerabdruckdaten sollten nicht im elektronischen Perso-
nalausweis gespeichert werden. Die geplante Einführung des Fingerabdrucks
als digitalisiertem biometrischen Merkmal im Reisepass ist zurückzuneh-
men. Der Fingerabdruck gehört in die Fahndungsdatei nicht in den Personal-
ausweis. Die Gefahren für Datenschutz und Bürgerrechte sind bei einer mög-
lichen Verknüpfung beider Anwendungen unübersehbar;

3. auf die Einrichtung von Referenzdateien auch in der Form von Lichtbild-
dateien zu verzichten. Wenn alle sonstigen Sicherheitsprobleme gelöst sind,
dürfen digitalisierte biometrische Daten allenfalls in den Dokumenten selbst,
nicht aber in Referenzdateien gespeichert werden;

4. biometrische Merkmale in Pässen ausschließlich zur Verifikation der Identi-
tät und nicht zum Abgleich mit externen biometrischen Referenzdateien ein-
zusetzen;

5. mehr zu unternehmen, um den Missbrauch der Biometriedaten zu verhindern.
Die Vereinbarkeit der neuen Einsatzfelder biometrischer Erkennungsverfah-
ren und der dabei eingesetzten Geräte mit modernen IT-Sicherheits- und
Datenschutzstandards muss von unabhängigen Stellen geprüft und auch
zertifiziert werden. Dazu gehört auch, sich verstärkt für den Einsatz koopera-
tiver biometrischer Verfahren einzusetzen, bei denen die zu überprüfende
Person aktiv in die Überprüfung einbezogen werden. Es darf keine verdeckte
Erfassung geben;

6. angesichts des weltweiten Einsatzes der neuen elektronischen Pässe für inter-
national gültige, grundlegende Datenschutzstandards bei der Durchführung
biometrischer Grenzkontrollen einzutreten;

7. für mehr Transparenz der Verfahren und der Sicherheitsmechanismen auf
nationaler und internationaler Ebene Sorge zu tragen.

Berlin, den 31. Januar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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