BT-Drucksache 16/4045

Energie- und Entwicklungspolitik stärker verzahnen - Synergieeffekte für die weltweite Energie- und Entwicklungsförderung besser nutzen

Vom 17. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4045
16. Wahlperiode 17. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, Hartwig Fischer (Göttingen),
Anette Hübinger, Jürgen Klimke, Hartmut Koschyk, Bernward Müller (Gera),
Dr. Georg Nüßlein, Sibylle Pfeiffer, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder,
Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Gabriele Groneberg, Dr. Sascha Raabe, Dr. Axel Berg,
Dr. Bärbel Kofler, Christel Riemann-Hanewinckel, Walter Riester, Dr. Ditmar
Staffelt, Andreas Weigel, Dr. Wolfgang Wodarg, Elvira Drobinski-Weiß,
Detlef Dzembritzki, Petra Hinz (Essen), Iris Hoffmann (Wismar), Walter Kolbow,
Ute Kumpf, Lothar Mark, Olaf Scholz, Frank Schwabe, Hans-Jürgen Uhl,
Jörg Vogelsänger, Hedi Wegener, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Energie- und Entwicklungspolitik stärker verzahnen – Synergieeffekte für die
weltweite Energie- und Entwicklungsförderung besser nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In einer globalisierten Welt wachsen die internationalen Politikbereiche der Ent-
wicklungspolitik, der Energie- und Rohstoffversorgung, der internationalen und
regionalen Sicherheitspolitik und des Klimaschutzes immer enger zusammen.
Die Herausforderungen, vor denen Deutschland und die Europäische Union im
Energiebereich stehen, erfordern eine kohärente Entwicklungs-, Energie-, Si-
cherheits- und Klimaschutzpolitik, die Deutschland und die Europäische Union
in die Lage versetzen, zusammen mit ihren Partnern weltweit eine international
wirksame Rolle bei der Lösung gemeinsamer Probleme zu finden. Gefragt sind
daher sektorübergreifende und multilaterale Lösungsstrategien. Deutschland als
gewichtiger politischer Akteur in der internationalen Wirtschafts-, Entwick-
lungs- und Klimaschutzpolitik kommt bei der notwendigen Verzahnung dieser
Politikbereiche auf internationaler Ebene eine zentrale Rolle zu – insbesondere
während der EU- und G8-Präsidentschaft 2007. Die Europäische Union muss
die energiepolitische Partnerschaft mit wichtigen Lieferanten-, Transit- und Ver-
braucherländern durch einen intensiven Dialog im Rahmen eines kooperativen
Ansatzes entwickeln und diese auf eine solide Grundlage stellen.

Die entwicklungsorientierte Verwendung der Rohstoffeinnahmen und die Über-

windung von Rohstoffarmut in Entwicklungsländern einerseits und die Reduzie-
rung der eigenen Importabhängigkeit von Energieträgern und die Ausnutzung
der eigenen Exportstärke im Bereich der Erneuerbaren Energien, bei Energie-
effizienztechnologien sowie hochmoderner konventioneller Kraftwerkstechnik
andererseits können durch entsprechende Verzahnung einen wesentlichen Bei-
trag zur eigenen Sicherheit und zur Verbesserung der Entwicklungschancen in
den Entwicklungsländern Stabilität leisten.

Drucksache 16/4045 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1. Ressourcenreiche Entwicklungsländer und entwicklungsorientierte Verwen-
dung der Einnahmen

Energie ist die Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung sowohl Deutsch-
lands als auch aller Entwicklungsländer. Der richtige Umgang mit den entspre-
chenden Ressourcen ist ein Schlüssel für die Entwicklung vieler Staaten. Der
Ressourcenreichtum verwandelt sich in vielen Entwicklungsländern jedoch zu
einem Ressourcenfluch. Eine lange Reihe von Beispielen aus nahezu allen Erd-
teilen zeigt, dass der Reichtum aus Öl und anderen Ressourcen ein Grund für
ethnische Rivalitäten, Bürgerkriege und zwischenstaatliche Auseinandersetzun-
gen ist und zudem auch noch die Kontrolle über die Rohstoffquellen die Finan-
zierungsgrundlage für erbitterte, teilweise über Jahrzehnte ausgetragene Kriege
bildet.

Die Zusatzeinnahmen aus der Öl- und Gasförderung könnten in einigen Ent-
wicklungsländern die Finanzierungslücke zur Erreichung der Millennium Deve-
lopment Goals (MDGs) ohne weiteres füllen. Doch die Förderung von fossilen
Brennstoffen in Entwicklungsländern trägt in den seltensten Fällen zur wirt-
schaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bei. Die Gewinne aus dem Ge-
schäft mit den fossilen Brennstoffen streichen kleine nationale Eliten und mul-
tinationale Ölkonzerne ein. Dieser Wirtschaftszweig stabilisiert die „Rentier-
staatlichkeit“ sowie autokratische Regime und vergrößern letztendlich sogar
noch die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb der Gesellschaften. Rentier-
staatlichkeit fördert vor allem die Korruption und damit letztendlich auch die
Gefahr des Staatszerfalls. Nach Angaben von Human Rights Watch sind allein
in Angola zwischen 1997 und 2002 mehr als 4 Mrd. US-Dollar an staatlichen
Öleinnahmen spurlos verschwunden. Das Einnahme-Regime aus der extrak-
tiven Industrie fördert die Reformresistenz und führt in der Regel zu einer Ver-
schlechterung der Regierungsführung oder gar zur Beschleunigung des Staats-
zerfalls. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Verstärkte politische
Bemühungen müssen darauf gerichtet werden, faire Spiel- und Marktregeln bei
Produktion, Transport und Lieferverträgen durchzusetzen.

Mit seinen Ölvorkommen gewinnt Afrika für die Weltwirtschaft zunehmend an
Bedeutung und rückt damit in den Mittelpunkt des Interesses der internationalen
Politik. Etwa ein Zehntel der weltweit bekannten Öl-Reserven liegt in Afrika.
Der Kontinent ist in den Brennpunkt einer aggressiven Energiebeschaffungs-
diplomatie wichtiger globaler Energiebezieher geraten. Energie darf nicht zur
Machtwährung in den internationalen Beziehungen werden. Deutschland steht
vor der Herausforderung, seine Position und Kooperation gegenüber konkurrie-
renden Schwellenländern zu überdenken, den neuen politischen Gegebenheiten
anzupassen, die eigenen Interessen stärker zu betonen und den internationalen
Interessenausgleich im Energiesektor zu fördern.

Große Projekte der extraktiven Industrie schaffen nicht nur zusätzliche Einnah-
mequellen für Entwicklungsländer, sondern bergen häufig auch große Umwelt-
risiken und soziale Verwerfungen, die die betroffenen Regionen stark belasten.
Privatunternehmen und Regierungen müssen daher zur Einhaltung sozialer und
umweltpolitischer Standards deutlicher verpflichtet und die lokalen Verwaltun-
gen und Zivilgesellschaften bei der Vertretung ihrer Interessen gestärkt werden.

2. Ressourcenarme Entwicklungsländer und Senkung der Ölimportabhängig-
keit von Entwicklungsländern durch Erneuerbare Energien und Energie-
effizienz

Neben einer neuen strategischen Ausrichtung gegenüber ressourcenreichen Ent-
wicklungsländern muss auch eine besondere Form der verstärkten Zusammen-
arbeit mit ressourcenarmen Ländern erarbeitet werden. Die effiziente und kos-

tengünstige Energieversorgung ist gerade auch für die Entwicklungsländer ein
vorrangiges Anliegen, um das lokale Wirtschaftswachstum zu unterstützen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4045

Steigende Energiepreise treffen sie zu allererst und am heftigsten. Ihre Ökono-
mien sind häufig sehr abhängig vom Energieimport und nicht darauf eingestellt,
flexibel auf die Erhöhungen der Energiepreise auf dem Weltmarkt zu reagieren.
Hohe Energiepreise machen die Ökonomien dieser Staaten extrem verwundbar
und können dazu beitragen, die Verschuldungsproblematik zu verschärfen. So
erzwingt beispielsweise ein Öl-Preisanstieg von 30 auf 50 US-Dollar pro Fass in
einem Entwicklungsland wie Kenia, Devisen-Mehrausgaben in Höhe von 400
Mio. US-Dollar pro Jahr. Dieser Betrag entspricht der gesamten Summe der im
Jahre 2004 in das Land eingeflossenen internationalen Entwicklungsfinanzie-
rung. Die staatliche „Subvention“ bei hohen Energiepreisen stellt für viele staat-
liche Budgets in Entwicklungsländern bei steigenden Ölpreisen ein erhebliches
Risiko dar und absorbiert viele Mittel, die anderen, entwicklungsrelevanten Sek-
toren verloren gehen.

Angesichts der hohen Belastung für ressourcenarme Entwicklungsländer durch
die Energieimportabhängigkeit kommt insbesondere den einzelnen erdölexpor-
tierenden Ländern eine entscheidende Rolle zu. Ihre Preis- und Handelspolitik
hat neben internationalen Spekulationsgeschäften erheblichen Einfluss auf die
Entwicklungschancen der Entwicklungsländer. Insbesondere bei den arabischen
Öl-Produzenten am Golf ist die Solidarität gegenüber den Armen und Bedürf-
tigen in der politischen Kultur stark ausgeprägt. Doch bei jährlichen Erdöl-Ver-
kaufs-Einnahmen in Höhe von etwa 450 Mrd. US-Dollar sind die Möglichkeiten
der OPEC-Staaten für die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung vie-
ler ihrer Bezieherstaaten noch nicht ausgeschöpft und international nicht ein-
gebunden.

Deutschland darf die Energieversorgung nicht als Einbahnstraße ansehen. Sie
verläuft vielmehr in beide Richtungen. Die Bundesrepublik Deutschland ist auf
den Import fossiler Brennstoffe bis auf Weiteres zu einem hohen Grade ange-
wiesen. Wir können aber durch den Export von Technologien zur Nutzung
Erneuerbarer Energien (Biomasse, Sonne, Wasserkraft, Wind, Erdwärme) und
zur Verbesserung der Energieeffizienz einen wesentlichen Beitrag zur Energie-
versorgung in ressourcenarmen Entwicklungs- und Schwellenländern leisten.

3. Eigene Energieversorgungssicherheit durch Diversifizierung und interna-
tionale Kooperation

Der beste Garant für eine sichere Energieversorgung ist ein breiter Energiemix,
der vor allem heimische und erneuerbare Energietechnologien einschließt.
Durch geeignete Rahmenbedingungen muss deshalb dafür Sorge getragen wer-
den, dass auch in Zukunft ein ausgewogener Energiemix besteht, der eine preis-
günstige, stabile und umweltgerechte Energieversorgung gewährleistet. Daneben
ist es für Deutschland essentiell, den Umstieg auf eine nachhaltige und zugleich
sichere weltweite Energieversorgung fortzuführen, die auf den Eckpfeilern Er-
neuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung basiert. Die Siche-
rung einer zuverlässigen und finanzierbaren Energieversorgung auch aus dem
Ausland gehört zu diesem Energiemix und verlangt nach einer langfristig ange-
legten Energie-Außenpolitik Deutschlands. Die weltweiten Ressourcen und
Reserven fossiler Brennstoffe liegen zu einem beträchtlichen Teil in Förderregi-
onen, die wirtschaftlich unterentwickelt, sozial gespalten und politisch instabil
sind. Preisschwankungen in der Energieversorgung sind häufig auf politische
und soziale Unruhen zurückzuführen. Der Atom-Streit mit dem Iran, Bomben-
anschläge auf Förderanlagen und Pipelines in Algerien, im Irak oder in Saudi-
Arabien wirken sich auf den sensiblen Energieversorgungsmarkt aus. Sie führen
die hochgradige Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland klar vor Augen.

Im Rahmen der Überlegungen zu einer weiteren Diversifizierung und entspre-

chenden Stabilisierung der Energieversorgung rücken zwei Regionen ins engere
Blickfeld: Die Länder Zentralasiens und die Staaten Nord- und Subsahara-Afri-

Drucksache 16/4045 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kas. Deutschland hat ein vitales Interesse daran, die wirtschaftliche, politische
und soziale Entwicklung dieser rohstofffördernden Staaten und Regionen all-
gemein zu unterstützen und damit letztlich die eigene Energieversorgung und
-preisentwicklung zu stabilisieren.

Die deutsche Ratspräsidentschaft ist eine gute Gelegenheit, um auch im Rahmen
der europäischen Nachbarschaftspolitik Energiethemen stärker zu berücksich-
tigen. Auch muss ein besonderer Schwerpunkt auf eine entwicklungsförderliche
Ausgestaltung der EU-Energiepolitik gelegt und in der Zusammenarbeit mit
Schwellen- und Entwicklungsländern den Energie-Themen besondere Priorität
eingeräumt werden.

Eine Verschärfung der Energieknappheit und ein weiterer Anstieg der Energie-
preise sind zu erwarten. Mit dem Aufstieg wirtschaftsstarker Schwellenländer
hat sich die globale Konkurrenz um die Beschaffung fossiler Brennstoffe drama-
tisch verschärft. Die weltweite Ölproduktion befindet sich schon an der oberen
Leistungsgrenze, der Ölförderhöhepunkt wird in absehbarer Zeit erreicht sein.
Einige Analysen, wie die der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Roh-
stoffe (BGR) in Hannover, gehen davon aus, dass der Förderhöhepunkt schon in
der zweiten Hälfte der kommenden Dekade erreicht werden könnte. Die welt-
weite Knappheit an Ressourcen und Reserven fossiler Brennstoffe wird sich
daher in Zukunft gravierend auf Politik und Wirtschaft auswirken. Das Verhält-
nis zu diesen mitkonkurrierenden Schwellenländern muss überdacht und in
Richtung strategischer Partnerschaften weiterentwickelt werden.

4. Verzahnung der globalen Klimaschutzpolitik mit entwicklungspolitischen
Zielen

Eine zukunftsweisende Entwicklungspolitik muss sich an den Zielen der inter-
nationalen Klimapolitik orientieren. Hier empfiehlt sich eine differenzierte Stra-
tegie gegenüber unterentwickelten Entwicklungsländern einerseits und stark
energienachfragenden Schwellenländern andererseits. Der Einstieg in regenera-
tive Energiequellen in unterentwickelten Staaten bietet für bisher importabhän-
gige Entwicklungsländer neue Chancen der wirtschaftlichen Entwicklung. Die
Förderung einer effizienten Energienutzung in den aufsteigenden Schwellenlän-
dern hingegen ist eine zwingende Notwendigkeit, um fatale Störungen des glo-
balen Klimas zu verhindern. Die ersten Pfeiler der Brücke zwischen internatio-
naler Umwelt-, Energie- und Entwicklungspolitik sind in der Klimarahmenkon-
vention (UNFCC) und im Kyoto-Protokoll verankert. Es verpflichtet zum einen
die Industriestaaten, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Zum anderen bietet
eine Reihe flexibler Mechanismen für die Privatwirtschaft Anreize, in Entwick-
lungsländern kosteneffiziente Klimaschutzprojekte mit armutsminderndem
Effekt umzusetzen.

Das Referenzszenario des World Energy Outlook (IAE, 2005) geht von einem
weltweiten Zuwachs des Energieverbrauchs bis 2050 um rund 50 Prozent aus.
Etwa zwei Drittel dieses Zuwachses entfallen auf Entwicklungsländer. Es wird
deutlich, dass sowohl bei der deutschen Energieversorgung als auch beim
globalen umweltbelastenden Energieverbrauch die Entwicklungsländer in eine
zentrale Stellung rücken. Diese wachsende Bedeutung sollte sich im deutschen
Außenhandel in den Bereichen der Entwicklungs-, Energie-, Umweltpolitik
sowie der Förderung von Forschung- und Technologieentwicklung klar nieder-
schlagen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

1. die Unterstützung der Bundesregierung für die Extractive Industries Trans-
parency Initiative (EITI). Sie stärkt die Initiative politisch, finanziell und or-

ganisatorisch und hat der Initiative angeboten, ihr Sekretariat in Bonn einzu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4045

richten. Die Bundesregierung zahlt 0,5 Mio. Euro in den von der Weltbank
verwalteten EITI-Multi Donor Trust Fond (MDTF) ein und wirkt aktiv im
Steuerungskomitee des MDTF mit;

2. die Förderung des energiepolitischen Dialogs durch die Bundesregierung im
Energie-Gipfelprozess, der auch internationale Fragen der Energieversor-
gung behandelt und dabei die Diversifizierung der Energieversorgung und
den Klimaschutz in Entwicklungsländern thematisiert;

3. die Nennung der Themen Rohstoffförderungen und Klimaschutz als zentrale
Themen der EU- und G8-Präsidentschaft;

4. die Initiative der Europäischen Kommission zur Schaffung eines globalen
Dachfonds zur Förderung von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz-
maßnahmen in Entwicklungsländern;

5. in diesem Zusammenhang die Zusage der Deutschen Bundesregierung auf
der zwölften Vertragsstaatenkonferenz in Nairobi, den globalen Dachfonds
zur Förderung von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienzmaßnahmen
in Entwicklungsländern mit zusätzlich 24 Mio. Euro zu unterstützen;

6. die geplante Initiative der Bundesregierung zur Gründung einer Internationa-
len Agentur für Erneuerbare Energien, mit deren Schaffung die Verbreitung
Erneuerbarer-Energien-Technologien – auch in ressourcenarme Entwick-
lungsländer – vorangetrieben werden soll;

7. die Arbeiten der Bundesregierung an der vom Deutschen Bundestag einge-
forderten Verzahnung der Entwicklungspolitik mit der Exportunterstützung
für Erneuerbare Energien und die Berichterstattung hierzu;

8. die Ausweitung der bisherigen Exportunterstützung für Erneuerbare-Ener-
gien-Technologien auf Energieeffizienz-Technologien und begrüßt dabei
nachdrücklich die Überlegungen der Bundesregierung, für den Bereich der
Energieeffizienz-Technologien ein eigenständiges Programm mit separatem
Haushaltstitel zu schaffen;

9. dass die Bundesregierung im Rahmen des Energiegipfels ein energiepoliti-
sches Gesamtkonzept erarbeitet, dem ein ausgewogener Energiemix zugrunde
liegt und die internationale Dimension der Energieversorgung besonders be-
rücksichtigt. Ein Energiemix hilft, Importabhängigkeiten zu reduzieren und
über alle Energieträger hinweg Spitzentechnologien zu entwickeln, um welt-
weit eine nachhaltige Energieversorgung zu gewährleisten.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Energie- und Entwicklungspolitik stärker miteinander zu verzahnen. Die
Entwicklungspolitik muss als eigenständiges und nachhaltiges Element in
eine umfassende und langfristig angelegte Energie-Außenpolitik einbezogen
werden, die sowohl im Interesse der Entwicklungsländer als auch im Inte-
resse Deutschlands selbst eine nachhaltige Energieversorgung ermöglicht;

2. die rohstoffproduzierenden Länder und die Transitländer für eine nachhaltige
Energieversorgung in die Konzeption der regionalen und thematischen
Schwerpunktsetzung der Entwicklungspolitik der Bundesregierung ange-
messen in Betracht zu ziehen. Bei der Auswahl der Schwerpunkte insbeson-
dere in Zentralasien und in Nord- und Subsahara-Afrika sollte der Aspekt
Energieversorgung Deutschlands mit berücksichtigt werden. Die Instrumente
der Entwicklungszusammenarbeit können auch im Sinne der weltweiten
Sicherung einer nachhaltigen Energieversorgung eingesetzt werden;

3. für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit rohstoffreichen Ent-

wicklungsländern ein angepasstes Konzept für den Kapazitätsaufbau zu ent-
wickeln. Dieses Konzept muss die kooperationsbereiten Regierungen und

Drucksache 16/4045 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verwaltungen besser dazu befähigen, den Ressourcenreichtum effizient und
entwicklungsorientiert zu nutzen. Dazu sollten die Förder- und Beratungs-
programme der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit dazu
beitragen, die Kapazitäten und Regulierungen der Verwaltungsstrukturen der
Entwicklungsländer zu stärken, um ein effizienteres Management der Staats-
einnahmen, der Staatsausgaben und der allgemeinen Verwaltung zu errei-
chen. Wichtige Instrumente sind bilaterale Trainingsprogramme der Bildung
und Fortbildung für Fach- und Führungskräfte der Justiz und der Verwaltung,
die Unterstützung von nationalen Verwaltungsschulen, die Förderung der
Transparenz und Sicherstellung einer angemessenen Beamtenbesoldung so-
wie der Kapazitätsaufbau für erfolgreiches Programm-Management;

4. gerade auch in rohstofffördernden, aber schlecht regierten Staaten mit geeig-
neten Konzepten zur Transformation von schlechter zu guter Regierungs-
führung beizutragen. Hier ist primär die Zivilgesellschaft als Partner zu
integrieren und zu fördern. Die in rohstoffreichen Staaten zu beklagende
Reformresistenz ist durch geeignete Maßnahmen abzubauen. Um entwick-
lungsorientiertes, eigenverantwortliches Handeln zu kräftigen, müssen
Entwicklungsmaßnahmen vor allem darauf abzielen, institutionelle und
gesellschaftliche Kontrollmechanismen aufzubauen und zu stärken. Demo-
kratische Strukturen müssen gefördert und Netzwerke der nichtstaatlichen
Organisationen vor Ort unterstützt werden. Die Stellung der Parlamente ist
durch Beteiligung an den Entscheidungsprozessen der bi- und multilateralen
Entwicklungszusammenarbeit zu fördern;

5. darauf hinzuwirken, den Ressourcenfluch zu einem Ressourcensegen umzu-
wandeln, indem die Erlöse aus der lokalen Rohstoffindustrie in Entwick-
lungsländern stärker auf deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwick-
lung ausgerichtet werden. Einkommen aus der Rohstoffförderung sind auf
die Erreichung der Millennium Development Goals auszurichten. Dazu müs-
sen Konzepte gestärkt werden, die die Verwendung von Ressourceneinnah-
men zur Finanzierung entwicklungsrelevanter Sektoren fordern und fördern.
Bestehende Ansätze, wie das von der Weltbank mit konditionierten Krediten
ausgestattete Kamerun-Tschad-Erdöl-Projekt, müssen überprüft und erwei-
tert werden. In diesem Zusammenhang ist die zeitliche Staffelung der Unter-
stützungsmaßnahmen im Rohstoffsektor in Abhängigkeit von der Regie-
rungsführung, so wie sie der „Extractive Industries Review“ für die Weltbank
empfiehlt, zu begrüßen. Nach Beginn des Projektes ist auf die Einhaltung der
Konditionen zu achten und ihre Nichteinhaltung entsprechend konsequent zu
sanktionieren oder durch Flankierung mit technischer Unterstützung zu über-
winden;

6. Initiativen zur Förderung der Transparenz der Vertragsbeziehungen zwischen
den rohstoffproduzierenden Staaten einerseits und privaten Rohstoffförder-
unternehmen und den involvierten Banken andererseits zu unterstützen. Ini-
tiativen wie publish what you pay und die Extractive Industry Transparency
Initiative sind durch weitere politische Unterstützung seitens der Bundes-
regierung international zu stärken. So kann der Druck auf die verantwortli-
chen Eliten in Entwicklungsländern verstärkt werden, über ihre Einnahmen
aus der extraktiven Industrie Rechenschaft gegenüber der eigenen Bevölke-
rung abzulegen und die Entscheidungsprozesse zur Verwendung der Einnah-
men im Sinne einer transparenten Demokratie offenzulegen. Insbesondere ist
mit Nachdruck dafür zu werben, die aufsteigenden Schwellenländer wie
Indien und China in diesen Prozess des fairen und transparenten Wettbewerbs
zum Wohle der Bevölkerung der Entwicklungsländer einzubinden;

7. gerade in der sehr anfälligen extraktiven Industrie der Entwicklungsländer
den Beitrag zum Kampf gegen Korruption weiter zu verstärken. Hier sind so-

wohl Initiativen zur Bekämpfung der Korruption in Regierung und Verwal-
tung der rohstofffördernden Staaten zu unterstützen als auch zusätzliche

rativen Regulierungsstrukturen in den Partnerländern vonnöten sein. Der
Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls ist auszu-
bauen. Es ist verstärkt dafür zu sorgen, dass Investitionsanreize für dezent-
rale Projekte auf Basis Erneuerbarer Energien geschaffen werden, um die
Entwicklungsbemühungen für ländliche Regionen, die sichere Energiever-
sorgung und den Umweltschutz vor Ort gleichermaßen stützen. Zudem
muss bei den Verhandlungen zum Post-Kyoto-Protokoll die finanzielle
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4045

Maßnahmen zur Eindämmung der Korruption durch ausländische Investo-
ren zu stärken. Dabei sind nicht nur nationale Korruptionsbekämpfungsstra-
tegien, sondern vor allem internationale Regime im Rahmen der UN und der
OECD zu fördern und rechtlich verbindliche Sanktionsmechanismen einzu-
führen;

8. neue Rohstofferschließungsprojekte und -programme der extraktiven In-
dustrie dahingehend kritisch und konstruktiv zu begleiten und gegebenen-
falls zu konditionieren, dass die Auswirkungen der Rohstoffförderung für
die lokale Bevölkerung, Umwelt und Menschenrechtssituation verträglich
sind und keine irreversiblen Schäden entstehen. Rohstofffördernde Konsor-
tien müssen sich zur Einhaltung sozialer und umweltpolitischer Standards
sowie zur Berücksichtigung der Interessen lokaler Bevölkerungen in der
Konzeption und Umsetzung der Erschließungsprojekte verpflichten;

9. zur globalen Verbreitung Erneuerbarer Energien schnellstmöglich die Grün-
dung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien zu initiieren
und hierzu schnellstmöglich eine Road-Map mit zügigen Umsetzungs-
schritten zu entwickeln;

10. den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Globalen Dach-
fonds für Erneuerbare-Energien- und Effizienz-Projekte auf europäischer
Ebene zu unterstützen und in den nächsten Jahren aufzustocken;

11. sich – vor dem Hintergrund der europäischen Führungsrolle beim Klima-
schutz und speziell der deutschen Vorreiterposition beim Ausbau Erneuer-
barer Energien – dafür einzusetzen, dass im Rahmen der europäischen und
nationalen Diskussion zur Energie-Außenpolitik einer der wesentlichen
Schwerpunkte auf Erneuerbare Energien und Effizienz-Maßnahmen bei der
Energieerzeugung und -verwendung gelegt wird, um dem Klima- und Um-
weltschutz als auch der wirtschaftlichen Entwicklung in Entwicklungs-,
Schwellen- und Industrieländern gerecht zu werden;

12. sich im Rahmen des deutschen G8-Vorsitzes für eine internationale Verein-
barung zur Steigerung der Energieeffizienz einzusetzen, um hiermit sowohl
in den Entwicklungsländern als auch in den Industrieländern die globale
Nachfrage nach Energieressourcen zu reduzieren resp. zumindest zu dämp-
fen;

13. den in der Bundestagsdrucksache 15/4868 eingeforderten Bericht zur stär-
keren Verzahnung von Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit
dem Ansatz der Exportunterstützung für Erneuerbare Energien spätestens
bis zum Frühjahr 2007 dem Deutschen Bundestag vorzulegen;

14. die Instrumente des Kyoto-Protokolls für den internationalen Klimaschutz
auch für Effizienzmaßnahmen und den Einsatz von Erneuerbaren Energien
in Entwicklungsländern zu stärken und insbesondere den Beitrag zur ent-
wicklungsfördernden Gestaltung des weltweiten Marktes für Emissionszer-
tifikate weiterzuentwickeln. Das Investitionspotential der Privatwirtschaft
ist für armutsreduzierende und entwicklungsorientierte Klimaschutz- und
Entwicklungsprojekte in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Dazu kön-
nen Informationsförderung und die technische Unterstützung der administ-
Honorierung des Walderhaltes und des nachhaltigen Waldmanagements ge-
fördert werden, um den Erhalt der bestehenden biologisch terrestrischen

Drucksache 16/4045 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Kohlenstoffspeicher, insbesondere der Primärwälder, zu unterstützen. Bei
dem im Mai 2007 in Bonn anstehenden UN-Workshop zur Erarbeitung der
entsprechenden Optionen sollte die Bundesregierung – auch in ihrer Funk-
tion als EU-Ratspräsidentschaft – entsprechende Weichenstellungen vorbe-
reiten;

15. auch für ressourcen- und energiearme Entwicklungsländer angepasste Ener-
gieversorgungsstrategien zu entwickeln, um ihre Ölimportabhängigkeit ab-
zubauen. Hier gilt es, die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit aller
beteiligten Bundesministerien, der Universitäten in der Hoheit der Bundes-
länder und der Forschungseinrichtungen in Bund und Ländern mit den Ent-
wicklungsländern im Bereich Forschung und Technologietransfer besser zu
koordinieren, strategisch auszurichten und auszubauen. Hier muss die ge-
samte technologische Breite des Energiesystems im Blick sein. Hocheffi-
ziente konventionelle Kraftwerkstechnik gehört ebenso dazu wie Pilotpro-
jekte zur CO2-Abscheidung und -Speicherung. Darüber hinaus hat der
sichere Betrieb energietechnischer Anlagen weltweit Priorität. Daher muss
auch die internationale Zusammenarbeit zum sicheren Betrieb dieser Anla-
gen fortgeführt werden. Rentable Projekte und technische Entwicklungen,
die eine dezentrale Energieversorgung durch die Nutzung regenerativer
Ressourcen (Fotovoltaik, Biogas, Biodiesel, Bioöl, Sonne, Wind, Wasser,
Erdwärme) ermöglichen, sollten stärker unterstützt werden, um die 3 Milli-
arden Menschen weltweit ohne Stromzugang mit Energie zu versorgen. In
diesem Sinne sollten vermehrt Test- und Feldforschungsprojekte – auch
kleinerer Finanzvolumina – bi- und multilateral gefördert werden;

16. die Sicherheitspolitik und Krisenpräventionsmechanismen auch auf die be-
stehende Problematik in potentiell krisengefährdeten, da ressourcenreichen
Entwicklungsländern und -regionen auszurichten. Die nachhaltige Nutzung
des Ressourcenreichtums ist nur in einem inner- und zwischenstaatlich
stabilen Umfeld möglich. Auseinandersetzungen zwischen Staaten und
Ethnien sind jedoch häufig auf die Kontrolle von Rohstoffquellen zurück-
zuführen;

17. regionale Kontrollmechanismen der Partnerländer – insbesondere in Afrika –
im Sinne ihrer Eigenverantwortung durch bi- und multilaterale Unterstüt-
zung zu stärken. Regionale Regime müssen zur Korruptionsbekämpfung,
zur Förderung von Good Governance, zur Stärkung der Sicherheitsarchitek-
tur, der Krisenbewältigungsstrategien und der Demokratie beitragen. Hier
kann auf bestehende Strukturen wie den African Peer Review des NEPAD
zurückgegriffen werden;

18. die finanziellen und technischen Mittel der europäischen und internationa-
len Entwicklungszusammenarbeit auf eine nachhaltige Verwendung der
Rohstoffeinnahmen in Entwicklungsländern auszurichten. Das Gewicht
Deutschlands und der EU ist verstärkt in den politischen Dialog einzubrin-
gen. Die Bundesregierung muss die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im
ersten Halbjahr 2007 und die deutsche G8-Präsidentschaft 2007 dazu nut-
zen, die europäische Entwicklungs-, Energie- und Klimaschutzpolitik auf
das gemeinsame strategische Ziel, die Verzahnung von Energiesicherheit,
Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz auszurichten und in den
internationalen Harmonisierungsprozess der Entwicklungspolitik einzubet-
ten. Die deutsche Präsidentschaft muss bestrebt sein, die EU- und G8-Mit-
gliedstaaten zur Annahme einer gemeinsamen und nachdrücklichen Posi-
tion gegenüber den rohstoffproduzierenden Entwicklungsländern zu
bewegen, ihre Rohstoffeinnahmen entwicklungsfördernd einzusetzen. In
diesen Verständigungsprozess sind insbesondere auch energie- und roh-

stoffnachfragende Schwellenländer einzubeziehen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/4045

19. bei der Entwicklung neuer Kooperationsstrategien mit Schwellenländern
die Nachhaltigkeit ihrer Energieversorgungspolitiken einzufordern und den
Schwerpunkt dieser Kooperationsstrategien auf die Verstärkung von Erneu-
erbaren Energien und Effizienzmaßnahmen im Bereich der Energieerzeu-
gung und -nutzung zu legen. Schwellenländer mit großer Energie- und Roh-
stoffnachfrage müssen zudem in den internationalen Konsens für
nachhaltige Entwicklungsstrategien – etwa im Rahmen der UN, der OECD
(DAC) und der IEA – verstärkt eingebunden werden, um schädliche Neben-
wirkungen ihrer Rohstoffversorgungspolitik – beispielsweise auf dem afri-
kanischen Kontinent – zu verringern;

20. alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, die erdölexportierenden Staaten, vor
allem des Nahen Ostens, in die internationalen Anstrengungen für die wirt-
schaftliche Entwicklung und globale Armutsbekämpfung einzubinden.
Diese Länder sollten als Geber bei künftigen multilateralen Entschuldungs-
maßnahmen, internationalen Programmen zur Armutsbekämpfung und für
die Politik der Weltbank und anderer multilateraler Organisationen gewon-
nen werden. Gerade gegenüber Entwicklungsländern mit einer hohen
Ölimportabhängigkeit sollten erdölexportierende Staaten Entwicklungs-
anstrengungen stärker unterstützen;

21. die konzeptionelle Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft in der Ent-
wicklungs-, Energie- und Klimapolitik generell auszubauen und auf die För-
derung nachhaltiger Entwicklung in den Entwicklungsländern auszuweiten.

Berlin, den 17. Januar 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.