BT-Drucksache 16/3951

Resonanz der "Internationalen Holocaust-Konferenz" im rechtsextremistischen Spektrum

Vom 20. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3951
16. Wahlperiode 20. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Kirsten Tackmann, Lukrezia Jochimsen,
Alexander Ulrich, Heike Hänsel, Dorothee Menzner, Cornelia Hirsch, Kersten
Naumann, Eva Bulling-Schröter, Wolfgang Gehrcke, Karin Binder, Lutz Heilmann,
Ulrich Maurer und der Fraktion DIE LINKE.

Resonanz der „Internationalen Holocaust-Konferenz“
im rechtsextremistischen Spektrum

Am 11. und 12. Dezember 2006 fand in Teheran eine „Internationale Holocaust-
Konferenz“ statt. Veranstalter war das Institut für Politische und Internationale
Studien des iranischen Außenministeriums. Nach dessen Angaben wurden
67 Wissenschaftler aus 30 Ländern erwartet.

Diese Konferenz stand von Anfang an unter Verdacht, der Leugnung des Holo-
caust zu dienen. Einschlägige Äußerungen des iranischen Präsidenten haben
diesen Verdacht begründet, der durch das angekündigte Programm, die Liste der
Teilnehmer und die Eröffnungsrede des iranischen Außenministers bekräftigt
wurde. Im „Call for Papers“ des Instituts wird der Holocaust als „eines der wich-
tigsten Propagandainstrumente“ bezeichnet, das der politischen Rechtfertigung
der Unterstützung für Juden diene. Die Konferenz solle die „versteckten und of-
fenen Aspekte“ des Themas beleuchten. Im „Call for Papers“ wurde ausdrück-
lich um Beiträge gebeten, die den Standpunkt von Revisionisten darstellen soll-
ten, ein anderes Thema waren „Gaskammern; Leugnung oder Bestätigung“.
Presseberichten zufolge erklärte der iranische Außenminister Mottaki in der
Eröffnungsrede: „Wir wollen nur überprüfen, was damals wirklich passiert ist.“
(Netzeitung, 11. Dezember 2006)

Die Konzipierung der Konferenz erweckt den Eindruck, als sei es eine unent-
schiedene Frage, ob es den Holocaust gegeben habe. Der Platz, dem revisio-
nistische Standpunkte eingeräumt wurden, bestätigte rechtsextremistische
Holocaust-Leugner in ihrer Haltung. So sah sich das rechtsextremistische „Stör-
tebeker“-Netz (11. Dezember 2006) veranlasst, einen Beitrag des Vorsitzenden
des sogenannten „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holo-
caustes Verfolgten“ zu veröffentlichen, der in Teheran gehalten werden sollte.
Die Betreiber des rechtsextremistischen Forums geben weiterhin ihrer Meinung
Ausdruck, dieser Beitrag gebe das wieder, „was auch Männer wie Günter
Deckert, Horst Mahler, Germar Rudolf oder Ernst Zündel dort gesagt hätten“.
Nach Presseberichten sollen aus Deutschland zwei Gäste offiziell eingeladen
worden sein, weitere sechs Deutsche sollen als einfache Touristen nach Teheran
gekommen sein, um an der Konferenz teilzunehmen (Netzeitung, 11. Dezember
2006). Einige der Eingeladenen hätten nicht kommen können, weil sie sich
„wegen ihrer Holocaust-Ansichten im Gefängnis befinden“, habe das iranische
Institut mitgeteilt (Novosti-Meldung vom 11. Dezember 2006).

Drucksache 16/3951 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu den Eingeladenen gehört nach einem Bericht der „Welt“ vom 6. Dezember
2006 der NPD-Funktionär K. B., der seine Teilnahme aber aus Sorge vor einem
Passentzug ausgeschlagen habe. Die Behörden der badischen Stadt Weinheim
haben dem früheren NPD-Bundesvorsitzenden Günther Deckert den Reisepass
abgenommen, um seine Teilnahme an der Konferenz zu verhindern (SPIEGEL
ONLINE, 8. Dezember 2006). Der Tagesspiegel vom 13. Dezember 2006 hat
verschiedene Neonazis, die an der Konferenz teilgenommen haben, namentlich
benannt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurden Deutsche zur Holocaust-Konferenz nach Teheran eingeladen?

Wenn ja,

a) durch wen erfolgte die Einladung,

b) aus welchem politischen Spektrum, welchen Parteien bzw. Organisatio-
nen stammen die Eingeladenen und waren sie als Abgesandte dieser Or-
ganisationen in Teheran vertreten,

c) sind Deutsche der Einladung gefolgt,

d) welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich deren Position
zum Holocaust und deren Beiträgen auf der Konferenz,

e) wie wurden der Verlauf der Konferenz und insbesondere die Beiträge von
Deutschen in der deutschen rechtsextremen Szene kommuniziert und be-
wertet?

2. Hat die Bundesregierung Empfehlungen an die zuständigen Verwaltungs-
organe abgegeben, Personen aus dem rechtsextremen Spektrum den Reise-
pass zu entziehen, um ihre Teilnahme an der Konferenz zu verhindern, und
wenn ja, in wie vielen Fällen?

3. Hatten Anordnungen zum Entzug von Reisepässen in verwaltungsrecht-
lichen Auseinandersetzungen Bestand?

4. Sofern Deutsche an der Konferenz teilgenommen haben: Welche Erkenntnis-
se hat die Bundesregierung über Redebeiträge und Stellungnahmen, die von
ihnen gehalten bzw. abgegeben worden sind und über die Resonanz auf diese
Äußerungen bei den Veranstaltern und anderen Konferenzteilnehmern?

Sieht die Bundesregierung Veranlassung, Strafverfahren einzuleiten (bitte
begründen)?

5. Welche Vertreter aus dem Ausland waren zur Konferenz eingeladen, und
wenn ja,

a) sind diese der Einladung gefolgt,

b) aus welchem politischen Spektrum, welchen Parteien bzw. Organisatio-
nen stammen die Eingeladenen,

c) welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich deren Position
zum Holocaust?

6. Trifft es zu, dass unter den Eingeladenen mehrere Personen waren, die derzeit
wegen Holocaust-Leugnung Haftstrafen verbüßen und wenn ja, aus welchen
Ländern stammen diese?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Resonanz auf die
Holocaust-Konferenz im deutschen rechtsextremistischen Spektrum?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Resonanz auf die

Holocaust-Konferenz im internationalen rechtsextremistischen Spektrum?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3951

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus der Konferenz in Bezug
auf Bestand und Entwicklung internationaler rechtsextremer Netzwerke mit
deutscher Beteiligung gewonnen?

10. Ist aus Sicht der Bundesregierung zu befürchten, dass deutsche oder inter-
nationale Rechtsextremisten aus der Konferenz Nutzen für ihre revisio-
nistische Holocaust-Leugnung ziehen, und wenn ja, welche Anhaltspunkte
liegen ihr für diese Annahme vor?

11. Hat die Bundesregierung über ihre diplomatischen oder sonstigen offiziel-
len Kontakte im Vorfeld Thema und Zielstellung der Konferenz gegenüber
der iranischen Regierung thematisiert?

Wenn ja, wie sahen die Reaktionen der iranischen Regierung aus?

Wenn nein, weshalb nicht?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern die Holo-
caust-Konferenz zu einer Annäherung zwischen rechtsextremistischen und
islamistischen Antisemiten führt (sowohl auf deutscher als auch auf inter-
nationaler Ebene) und ob es praktische Formen der Zusammenarbeit zwi-
schen diesen Spektren gibt und welche Bedeutung misst die Bundesregie-
rung solchen Kontakten zu?

Berlin, den 19. Dezember 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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