BT-Drucksache 16/3900

zu 11 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen

Vom 15. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3900
16. Wahlperiode 15. 12. 2006

Deutscher Bundestag Drucksache 16/3900
16. Wahlperiode 15. 12. 2006

Vierte Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu 11 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
eingegangenen Wahleinsprüchen

A. Problem

Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Wahlprüfung
Sache des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschlussempfehlun-
gen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag zu entscheiden. Insgesamt sind 195 Wahl-
einsprüche eingegangen. Über 157 hat der Deutsche Bundestag bereits entspre-
chend den Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 16/900, 16/1800 und 16/3600) entschieden. Die jetzt zur
Beschlussfassung vorgelegten Entscheidungen behandeln weitere 11 Einsprü-
che. Beschlussempfehlungen zu den übrigen Einsprüchen werden nach Ab-
schluss der Beratungen im Wahlprüfungsausschuss vorgelegt.

B. Lösung

Zurückweisung von 11 Wahleinsprüchen ohne mündliche Verhandlung wegen
offensichtlicher Unbegründetheit (§ 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG).

Offensichtlich unbegründet sind Einsprüche, die

a) einen Sachverhalt vortragen, der einen Fehler bei der Vorbereitung oder
Durchführung der Wahl nicht erkennen lässt;

b) sich auf die Behauptung der Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften
stützen (nach ständiger Praxis des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungs-
angelegenheiten bleibt die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten);

c) mangels ausreichender Angabe von Tatsachen nicht erkennen lassen, auf
welchen Tatbestand der Einspruch gestützt wird;

d) sich auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung oder Durchführung der
Wahl stützen, ohne dass diese Mängel aber einen Einfluss auf die Mandats-

verteilung haben können.

C. Alternativen

Keine hinsichtlich der Ergebnisse der Entscheidungen.

Der Wahlprüfungsausschuss ist entsprechend seinem Selbstverständnis und
seiner ständigen Praxis allen behaupteten Wahlmängeln nachgegangen, auch

Drucksache 16/3900 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wenn sie keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung im 16. Deutschen Bundes-
tag hatten. Diese Art der Behandlung soll dafür Sorge tragen, dass sich fest-
gestellte Wahlmängel bei künftigen Wahlen möglichst nicht wiederholen.

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3900

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

die aus den Anlagen 1 bis 11 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahl-
einsprüchen anzunehmen.

Berlin, den 15. Dezember 2006

Der Wahlprüfungsausschuss

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender

Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Ernst Burgbacher
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter

Drucksache 16/3900 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Akten-
zeichen Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 165/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 1 5

WP 69/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 2 19

WP 174/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 3 31

WP 106/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 4 45

WP 120/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 5 51

WP 128/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 6 61

WP 146/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 7 67

WP 149/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 8 73

WP 173/05 Linkspartei/WASG Abg. Dr. Dressel/Abg. Ströbele 9 79

WP 175/05 Nichtzulassung Kreiswahlvorschlag Abg. Burgbacher 10 87

WP 190/05 Nichtzulassung Kreiswahlvorschlag Abg. Burgbacher 11 91

der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer

vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter
Demokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-

Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten auf-
gestellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.
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Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn Prof. Dr. W. L., 53125 Bonn
2. des Herrn Prof. Dr. H.-D. H., 35096 Weimar

– Az.: WP 165/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem am 18. November 2005 eingegangenen Schrei-
ben vom 16. November 2005 haben die Einspruchsführer
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundes-
tag Einspruch eingelegt. Der Einspruch richtet sich gegen
die Zulassung der Landeslisten der Partei Die Linkspar-
tei.PDS, die auch Mitglieder der Wahlalternative Arbeit und
soziale Gerechtigkeit (WASG) umfassten.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens

als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem

durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen

Drucksache 16/3900 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

mit dem Bundesministerium des Innern erstellte sog. Hand-
reichung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger
Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Die Einspruchsführer sind der Auffassung, dass die Zu-
lassung der Landeslisten durch die Landeswahlausschüsse
gemäß § 28 BWG rechtswidrig gewesen sei. Sie habe ins-
besondere Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes und der
Wahlrechtsgrundsätze verletzt.

Die Einspruchsschrift zeigt zunächst die Vorgaben für Lis-
tenverbindungen und -vereinigungen auf. So würden bei
Listenverbindungen Landeslisten zu einer größeren Einheit
verbunden. Ein solcher Zusammenschluss zwischen den
Listen einer Partei werde in § 7 Abs. 1 BWG als Regelfall
ausdrücklich angeordnet. Diese Vorschrift sei abschließend;
anderweitige Möglichkeiten einer Listenverbindung kenne
das Bundeswahlgesetz nicht. Als Umkehrschluss sei daher
eine Listenverbindung mehrerer Parteien unzulässig.

Wie vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt,
beruhe diese einfachgesetzliche Unzulässigkeit auf den
Prinzipien der Chancengleichheit der Parteien sowie der
Wahlgleichheit (BVerfGE 82, 322, 345 ff.). Denn die
gleichmäßige Wirkung der Fünf-Prozent-Sperrklausel für
alle an einer Wahl teilnehmenden Parteien werde für dieje-
nigen Parteien bzw. Listenwahlvorschläge durchbrochen,
die eine Listenverbindung erklärten. Diese Erklärung be-
wirke, dass für die Überwindung der Sperrklausel der Pro-
zentsatz maßgeblich sei, der sich aus der Summe der auf die
verbundenen Listen abgegebenen Stimmen errechne. Auf
diese Weise könnten bei der Sitzverteilung Parteien berück-
sichtigt werden, die je für sich im Wahlgebiet die Fünf-Pro-
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

zent-Grenze verfehlt hätten. Überwände gar eine der die
Listenverbindung eingehenden Parteien mit ihrem Wahl-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3900

vorschlag bereits aus eigener Kraft die Sperrklausel, so
brauchte die zweite an der Listenverbindung beteiligte Par-
tei dazu nichts mehr beizutragen.

Dem unterschiedlichen Erfolgswert der auf eine verbundene
Landesliste abgegebenen Wählerstimmen gegenüber den
auf eine nicht verbundene Landesliste entfallenen Stimmen
entspreche laut BVerfG zudem ein unterschiedlicher Er-
folgswert der einzelnen Wahlstimme. Jeder, der für eine der
verbundenen Listen stimme, könne dazu beitragen, dass
auch die auf die andere Liste entfallenden Stimmen im Ver-
hältnisausgleich Berücksichtigung fänden. Er verhelfe also
einer Liste zum Erfolg, für die er gar nicht gestimmt habe.
Eine derart unterschiedliche Gewichtung der Stimmen wi-
derspreche der Wahlrechtsgleichheit so grundlegend, dass
es schon von daher keinen rechtfertigenden Grund für die
Chancenungleichheit der Parteien gebe.

Eine Listenvereinigung liege vor, wenn mehrere Parteien
unter dem Namen dieser Parteien eine gemeinsame Liste
aufstellen, auf welcher die Bewerber in eine feste Rangfolge
gebracht werden. Es gehe also nicht nur um eine „Zähl-
gemeinschaft“ sondern um eine „verfestigte Form des Zu-
sammenwirkens“ verschiedener Parteien (vgl. BVerfGE 82,
322, 346). Nach geltendem Wahlrecht sei ein solch mehr-
parteiiges Zusammenwirken nicht vorgesehen und damit
unzulässig. Nach dem Bundeswahlgesetz seien nur ein-
zelne, nicht aber mehrere Parteien gemeinschaftlich wahl-
vorschlagsberechtigt (vgl. besonders § 18 Abs. 5, § 27
Abs. 2 sowie ferner § 6 Abs. 4, § 7 Abs. 1, § 20 Abs. 4, wo
jeweils ausdrücklich nur eine Partei in Bezug genommen
werde). Dementsprechend habe auch das BVerfG festge-
stellt, „daß nur einzelne Parteien oder politische Vereinigun-
gen einen Listenwahlvorschlag machen können.“ (BVerfGE
82, 322, 347).

Von einer Listenvereinigung weiche das jetzige Vorgehen
dadurch ab, dass nur die Linkspartei.PDS Listen vorge-
schlagen habe – aber auch mit Kandidaten einer anderen,
nicht zur Wahl angetretenen Partei. Dies habe formell, nicht
aber materiell dem „Einparteienprinzip“ entsprochen.

So habe bereits 1968 das BVerfG ein solches Vorgehen als
„‚verdeckt-gemeinsamen‘ Wahlvorschlag“ charakterisiert,
allerdings keine Aussage zur Zulässigkeit derartiger Vor-
schläge treffen müssen. Im Hinblick auf das jetzige Vorge-
hen sei häufig auch von „offenen“ bzw. „geöffneten Listen“
die Rede gewesen (vgl. insofern die o. g. Handreichung).
Allerdings sollten beide Begriffe nicht synonym verwandt
werden: Denn die „offene Liste“ sei bislang dadurch ge-
kennzeichnet, dass eine Partei auf einzelnen ihrer Listen
Parteilose sowie Mitglieder anderer Parteien platziere, ohne
aber mit diesen Parteien zielgerichtet zusammenzuwirken.
Die aufstellende Partei handele hier ausschließlich im eige-
nen wahltaktischen Interesse, weil sie erwarte, dass die
„fremden“ Kandidaten zwar besondere Wählergruppen an-
sprechen würden, ohne aber die Programmatik einer ande-
ren Partei zu vertreten.

Dieser „Normalfall“ der „offenen Liste“ sei in der Vergan-
genheit schon vorgekommen: So hätten bei der Wahl zum
fünften Deutschen Bundestag auf der CSU-Landesliste zwei
Mitglieder des Blocks der Heimatvertriebenen (BHE) und
auf zwei Listen der SPD ebenfalls je zwei Mitglieder des

tagsdrucksache V/1115). Vielmehr habe er festgestellt, dass
die auf die beiden Landeslisten aufgenommenen Kandida-
ten die jeweiligen politischen Grundsätze der aufstellenden
Parteien anerkannt hätten. Auch seien die beiden aufstellen-
den Parteien davon ausgegangen, dass die BHE-Mitglieder
sich bei ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsät-
zen der aufnehmenden Partei bekennen würden. Von einer
mangelnden Homogenität der Landeslisten hätte deshalb
nicht die Rede sein können. Die Feststellungen des Deut-
schen Bundestages sind nach Auffassung der Einspruchs-
führer allerdings vor dem Hintergrund eines „Verfallspro-
zesses“ des BHE zu lesen. Seine Mitglieder hätten zur Fort-
setzung ihrer politischen Karriere und nicht zum Nutzen
ihrer Partei „Unterschlupf“ bei anderen Parteien gesucht.
Selbst wenn die Bewerber ein Mandat erhalten hätten, sei es
angesichts des Auseinanderbrechens des BHE nicht zu er-
warten gewesen, dass sie im Deutschen Bundestag wieder
gemeinsam für die politischen Ziele dieser Partei gefochten
hätten. Insofern könne man die damalige Entscheidung des
Deutschen Bundestags hinnehmen.

Vorliegend gehe es um eine andere Qualität der Bildung
„offener Listen“. Hier seien Parteien aus jeweils eigennüt-
zigen Interessen im gesamten Wahlgebiet planmäßig und
gezielt vorgegangen, um ihren Mitgliedern Mandate zu
sichern. Dabei hätten sie verabredet, gerade prominenten
Mitgliedern der formell nicht zur Wahl antretenden WASG
auch vordere aussichtsreiche Listenplätze zu geben. Beiden
Parteien sollte so möglich werden, im Deutschen Bundestag
ihre programmatischen Vorstellungen zu artikulieren. Schon
im Hinblick auf § 7 BWG sei dabei unerheblich, dass nicht
für alle Landeslisten WASG-Mitglieder platziert werden
konnten.

Die im Vorfeld und während des Nominationsverfahrens ab-
gegebenen Erklärungen von Linkspartei.PDS und WASG
(die Einspruchführer beziehen sich insoweit auf mehrere zu
den Akten genommene Unterlagen, insbesondere einen von
drei früheren SPD-Bundestagsabgeordneten unterzeichne-
ten „PDS-WASG-Aufruf“) hätten es dabei gerade nicht
nahe gelegt, dass sich die WASG-Vertreter uneingeschränkt
zu den politischen Grundsätzen der aufnehmenden Partei
bekennen wollten. Es sollte gerade keine „Vereinnahmung“
der WASG durch die Linkspartei erfolgen; vielmehr sollte
die „politische Vielfalt“ Beachtung finden. „Vorbehalte“ der
WASG gegen die Linkspartei hätten nur „im Interesse einer
breiten linken Oppositionsbildung zurückzustellen“ sein
sollen. Damit hätten WASG und Linkspartei mit ihren
„offenen Listen“ genau das erreichen wollen, was bei einer
förmlichen Listenvereinigung möglich sei: Der Einzug
zweier Parteien in den Deutschen Bundestag, ohne dass jede
jeweils die Fünf-Prozent-Hürde überspringen müsse. Den
Weg einer Listenvereinigung seien sie nur wegen des „real
existierenden Wahlrechts“ nicht gegangen; mit ihrer Umge-
hung hätten sie aber dasselbe Ziel erreicht.

Ausgehend von dieser begrifflich-systematischen Ein-
ordnung des Vorgehens qualifizieren die Einspruchsführer
die Einreichung eines „verdeckt-gemeinsamen Wahl-
vorschlags“ als verschleierte faktische Listenvereinigung
und daher als Umgehung des Verbots mehrparteiiger
BHE Platz gefunden. Bei einer Wahlprüfung habe der Deut-
sche Bundestag darin keinen Wahlfehler gesehen (Bundes-

Wahlvorschläge schon nach einfachgesetzlichem Bundes-
wahlrecht.

Drucksache 16/3900 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Verbot der Listenvereinigungen folge nicht nur aus dem
Wortlaut des Bundeswahlgesetzes, sondern auch aus der
zitierten Entscheidung des BVerfG zur ersten gesamtdeut-
schen Wahl. Sie sei wie selbstverständlich von einem bun-
deswahlrechtlichen Grundsatz ausgegangen, dass nur eine
Partei eine Liste einreichen dürfe. Nur wegen der besonde-
ren Bedingungen dieser Wahl sei es für zulässig gehalten
worden, Listenvereinigungen von Parteien zu erlauben, die
ihren Sitz im Gebiet der ehemaligen DDR gehabt hätten
(vgl. BVerfGE 82, 322, 346 ff.). Eine hierauf folgende Zu-
lassung von Listenvereinigungen durch das Zehnte Gesetz
zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. Oktober
1990 (BGBl. I S. 2141) sei mit der Neufassung des Bundes-
wahlgesetzes vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288) wieder
ersatzlos entfallen. Somit habe der Gesetzgeber die Listen-
vereinigungen legitimierenden Voraussetzungen – unglei-
che Bedingungen für Parteien in den neuen Ländern bei der
ersten gesamtdeutschen Wahl – als nicht mehr gegeben an-
gesehen und sei für die zweite gesamtdeutsche Wahl zur
„einparteiigen Liste“ zurückgekehrt. Dies müsse sich auf
die einfachrechtliche Bewertung verdeckt-gemeinsamer
Wahlvorschläge auswirken. Sofern es sich bei diesen – wie
vorliegend – um eine Umgehung des Verbots der Listenver-
einigung handele, d. h. eine verschleierte faktische Listen-
vereinigung, könne auch dieses Zusammenwirken mehrerer
Parteien bei der Listenaufstellung nach geltendem Recht
keinen Bestand haben. Das in § 27 Abs.1, 2 BWG statuierte
Gebot einparteiiger Listenvorschläge sei daher so zu inter-
pretieren, dass jede Form mehrparteiigen Zusammenwir-
kens – offen oder verdeckt – ausgeschlossen sei. Allenfalls
einzelne parteilose Bewerber oder solche, die im Verfalls-
prozess ihrer bisherigen Partei eine neue politische Heimat
suchten, könnten deshalb auf einer „offenen Landesliste“
Platz finden.

Diese Deutung des § 27 BWG bestätige sich in einer enge-
ren und weiteren systematischen Betrachtung des Bundes-
wahlgesetzes sowie anderer parteienbezogener Regelungen.

So liefere § 48 Abs. 1 Satz 2 BWG einen Anhaltspunkt für
das Verbot verdeckt-gemeinsamer Listen. Danach blieben
bei der Berufung von Listennachfolgern diejenigen Listen-
bewerber unberücksichtigt, die seit Aufstellung der Liste
aus der aufstellenden Partei ausgeschieden seien. Implizit
gebe dies zu erkennen, dass das Gesetz sich nur solche Lis-
tenbewerber vorstellen könne, die mit der Listenpartei über
die Mitgliedschaft aufs Engste verbunden seien. Entfalle
diese nachträglich, solle der Bewerber trotz an sich hinrei-
chender demokratischer Legitimation die Partei und ihre
Programmatik nicht mehr im Deutschen Bundestag reprä-
sentieren dürfen.

Aber auch die Regelungen zur Wahlkampfkostenerstattung
(§ 18 ff. des Parteiengesetzes (PartG)) seien ersichtlich da-
von geleitet, dass die Listenbewerber über die Parteizugehö-
rigkeit, jedenfalls aber durch gemeinsame politische Wert-
und Zielvorstellungen, mit der Listenpartei aufs Engste ver-
bunden seien: Wahlkampfkostenerstattung erhalte nämlich
die Partei für ihren Listenerfolg. In die Liste aufgenom-
mene, aber nicht der Listenpartei angehörende Kandidaten
würden dabei der die Liste aufstellenden Partei zugerechnet.
Für ein verabredetes gemeinsames Vorgehen von zwei Par-

stab der Zuteilung staatlicher Mittel an Parteien sei insoweit
der Erfolg der Partei bei den Wählern. Befänden sich aber
auf der Liste der Linkspartei prominente WASG-Mitglieder,
könne die Zustimmung der Wähler zu einer solchen Liste
nicht allein der Linkspartei gelten. Staatliche, nach diesem
Maßstab der Linkspartei zugeteilte Mittel entsprächen daher
gerade nicht ihrem Erfolg bei den Wählern. Die Wahl-
kampfkostenerstattung sei dabei auch nicht bloß eine Ent-
schädigung für tatsächlich im Wahlkampf entstandene Aus-
gaben, sondern vielmehr tragende Säule staatlicher Partei-
enfinanzierung überhaupt. Von daher gehe der mögliche
Einwand a priori ins Leere, dass der lediglich „verdeckt“
kandidierenden Partei durch den Wahlkampf auch keine
Kosten entstünden – abgesehen davon, dass eine solche Be-
trachtungsweise ohnehin nicht den realen Gegebenheiten
entsprechen dürfte.

Dass bundeswahlrechtlich der Einzug zweier Parteien in
den Deutschen Bundestag über eine Parteiliste nicht vorge-
sehen sei, bestätige schließlich die Regelung der Geschäfts-
ordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) über die Bil-
dung von Fraktionen. Beide von § 10 Abs. 1 GO-BT ge-
nannten Möglichkeiten zur Fraktionsbildung passten nicht
auf die Situation von WASG und Linkspartei. Als Regelfall
sei eine Fraktionsbildung nur solchen Abgeordneten gestat-
tet, „die derselben Partei […] angehören“. Auf Listenbewer-
ber, welche über eine „gemischte Liste“ in den Deutschen
Bundestag gewählt worden seien, treffe diese Vorausset-
zung ersichtlich nicht zu. Entgegen der für die Linksfraktion
augenscheinlich geübten parlamentarischen Praxis könne in
derartigen Fällen eine Fraktionsbildung auch nicht ohne
weiteres auf die zweite Alternative des § 10 Abs. 1 Satz 1
GO-BT („[…] oder solchen Parteien angehören, die auf
Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land
miteinander im Wettbewerb stehen.“) gestützt werden.
Diese Alternative greife gegenwärtig nur für CDU und
CSU, die aufgrund einer Abrede in keinem Bundesland mit-
einander politisch konkurrieren. Zwar sei die WASG be-
wusst nicht zur Bundestagswahl angetreten, um der Links-
partei keine Konkurrenz zu machen und das gemeinsame
Wählerpotential zu bündeln. § 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT
stelle aber nicht (nur) auf eine Konkurrenzsituation anläss-
lich von Wahlen ab, sondern auch darauf, ob politische Ver-
einigungen generell im politischen Wettbewerb zueinander
stünden. Letzteres treffe auf beide Parteien zu, da es sich
nach wie vor um eigenständige politische Parteien handele,
die dementsprechend ein egoistisches Interesse hätten, mög-
lichst viele Anhänger und Mitglieder hinter sich zu scharen.
Hinzu komme, dass es bezüglich der 2006 anstehenden
Landtagswahlen nicht als gesichert erscheine, dass es nicht
zu einem offenen Wahlwettbewerb kommen werde.

Die einfachrechtlich abgeleitete Unzulässigkeit verdeckt-
gemeinsamer Wahlvorschläge werde auch durch die in Arti-
kel 21 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Bündelungsfunktion der
politischen Parteien sowie durch das dem demokratischen
Prinzip zuzurechnende Gebot der Wahlvorschlagswahrheit
verfassungsrechtlich fundiert.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkenne die Par-
teien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für
die politische Willensbildung des Volkes an und habe sie in
teien, die nur unter dem Namen einer der Parteien eine Liste
aufstellten, passten diese Regelungen hingegen nicht. Maß-

den Rang verfassungsrechtlicher Institutionen erhoben. Sie
seien die für die Demokratie notwendigen Handlungseinhei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3900

ten, um die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zu-
sammenzuschließen und ihnen einen wirksamen Einfluss
auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen (BVerfGE 11,
266, 273; 41, 399, 416). Bei der politischen Willensbildung
komme ihnen eine Bündelungsfunktion unter anderem
durch Aufgreifen von Meinungen und Formulierung von
Zielen zu. In § 27 Abs. 1 BWG sei dieser Bündelungsfunk-
tion durch ein Nominationsmonopol bei der Listenaufstel-
lung entsprochen. Dieses verfassungsrechtlich zwar nicht
gebotene, aber zulässige Monopol fließe laut BVerfG „aus
der Natur der Sache“, weil „die Listenwahl Gruppen mit ei-
nem gemeinsamen Programm […] voraussetzt“ (BVerfGE
5, 77, 82; vgl. auch 46, 196, 199; 11, 351, 366).

Die verfassungsrechtlich fundierte Bündelungsfunktion und
das aus ihr folgende einfachrechtliche Monopol bei der Lis-
tenaufstellung verlange deshalb eine enge Identifikation des
Bewerbers mit dem politischen Programm, für dessen Re-
präsentation er ein Mandat des Wählers anstrebe.

Im geltenden Wahlsystem wähle man mit der Zweitstimme
zwar die auf einer Liste Nominierten. Dies erfolge aber
nicht personalisiert, sondern pauschaliert durch Ankreuzen
einer Liste, die einer bestimmten Partei und damit einem be-
stimmten Programm zuzurechnen sei. Nicht die Abgeordne-
ten stünden deshalb für den Bürger im Vordergrund seiner
Entscheidung, sondern die von ihm unterstützte politische
Programmatik. Die auf der Liste Nominierten versprächen
dem Bürger dabei konkludent, für die von ihm favorisierte
Programmatik zu stehen. Der Wähler müsse sich darauf ver-
lassen können, dass die über die Zweitstimme Legitimierten
für diese Programmatik im parlamentarischen Willens-
bildungsprozess auch eintreten würden. Insoweit trete auch
die demokratiesichernde Dimension der Wahl hervor. Arti-
kel 38 GG verbürge nicht nur die Wahlteilnahme, sondern
auch das Recht auf Mitwirkung an der Legitimation der
Staatsgewalt und auf Einflussnahme an ihrer Ausübung
(vgl. BVerfGE 89, 155, 171 f.). Sei es deshalb diese Ein-
flussnahme, auf die hin dem Bürger mit der Zweitstimme
auch die Wahl einer „Gruppe mit einem gemeinsamen Pro-
gramm“ eingeräumt sei, so drohe dem Wähler diese Aus-
sicht auf Einfluss verloren zu gehen, wenn er sich nicht auf
die politische Identität der ihm vorgelegten Liste, d. h. nicht
auf das programmkonforme Verhalten der Gewählten, ver-
lassen könne. Diese Gewissheit könne er aber nur haben,
wenn die Bewerber mit der die Liste unterbreitenden Partei
über die Parteimitgliedschaft verbunden seien. Aus dem de-
mokratischen Gehalt des Wahlrechts folge daher auch das
Gebot einer entsprechenden Wahlvorschlagswahrheit. Der
einer anderen Partei angehörende Listenbewerber gerate
zwangsläufig in einen Loyalitätskonflikt. Dem Wähler ge-
genüber erwecke er den Anschein, für die Programmatik der
aufstellenden Partei einzutreten; über seine anderweitige
Parteimitgliedschaft sei er aber zugleich einem anderen,
möglicherweise gegenläufigen Programm verpflichtet. Die
Parteien selbst unterstellten einen Loyalitätskonflikt, wenn
sie eine Doppelmitgliedschaft nicht gestatteten bzw. einen
Verstoß gegen dieses Verbot im Regelfall mit Parteiaus-
schluss sanktionierten. Bezogen auf einen solchen „fremd-
parteiigen“ Abgeordneten könne der Wähler mithin nicht
sicher sein, ob er tatsächlich für das politische Programm

Vorstehende Erwägungen würden allerdings nicht in glei-
chem Maße für Parteilose gelten, da sie nicht in einen derar-
tigen Loyalitätskonflikt geraten könnten. Vielmehr machten
sie sich durch ihre Kandidatur für eine bestimmte Partei de-
ren Programmatik zu eigen. Ihr dem Bürger konkludent ab-
gegebenes Versprechen, hierfür auch einzustehen, könnten
sie deshalb prinzipiell erfüllen. Dieser Aspekt bedarf für die
Einspruchsführer jedoch keiner weiteren Vertiefung, da nur
die Kandidatur von WASG-Kandidaten auf Linkspartei-Lis-
ten gerügt werde.

Wollte man demgegenüber statt einer Identifikation stiften-
den Parteimitgliedschaft eine wie auch immer geartete und
nachvollziehbare Homogenität der politischen Ziele der Be-
werber ausreichen lassen, dürfte das Nominationsmonopol
nicht auf Parteien im Sinne des § 2 PartG beschränkt blei-
ben, sondern müsste auch ad hoc gegründeten Wählerverei-
nigungen Parteiloser zugebilligt werden, die auch durch ein
ad hoc aufgestelltes Programm hinreichend eng verbunden
seien.

Nicht entgegengehalten werden könne, dass der Wähler frei
sei, ob er einer „gemischten Liste“ die Repräsentation seiner
Anliegen zutraue oder nicht. Mit Ausnahme entsprechender
Erklärungen von Bewerbern sei für den Wähler nicht ohne
weiteres erkennbar, für welche Programmatik ein Bewerber
kraft seiner Parteizugehörigkeit einstehe. Auf den Listen
würden die Bewerber ohne Zusatz ihrer Parteizugehörigkeit
aufgeführt (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG); sie firmierten mit-
hin pauschal als Bewerber dieser Partei. Gleiches gelte, so-
fern der Wähler Einsicht in die Listenunterlagen beim Lan-
deswahlleiter nehme. Das geltende Wahlrecht trete damit
einer „Verschleierung“ der tatsächlichen Parteizugehörig-
keit nicht wirkkräftig genug entgegen. Doch sei gerade dies
ein weiteres Indiz, dass sich das Bundeswahlgesetz ein
heimliches Auseinanderfallen von Listen- und Bewerber-
partei nicht vorstelle. Ließe es dennoch ein solches Aus-
einanderfallen zu, liefe dies nicht nur der Bündelungsfunk-
tion der Parteien, sondern auch dem demokratischen Prinzip
einer transparenten Wahlofferte an den Bürger zuwider.

Das Verbot verdeckt-gemeinsamer Wahlvorschläge recht-
fertige sich verfassungsrechtlich auch angesichts des Anlie-
gens der Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG
und sichere den verfassungsrechtlichen Grundsatz der
Chancengleichheit der Parteien. Dabei gehen die Ein-
spruchsführer nicht von einer Verletzung der Wahlrechts-
gleichheit aus. So habe das BVerfG gegen Listenvereinigun-
gen nicht in gleichem Maße Bedenken wie gegen Listenver-
bindungen. Durch ein solches Zusammenwirken werde die
gleichmäßige Wirkung der Sperrklausel gerade nicht auf-
gehoben, da auch auf eine Listenvereinigung die zur
Sperrklauselüberwindung erforderlichen Stimmen entfallen
müssten. Die Zulassung von Listenvereinigungen mache
daher den Erfolgswert der abgegebenen Stimmen nicht über
das Maß hinaus ungleich, das vom Zweck einer für alle Lis-
tenwahlvorschläge in gleicher Weise geltenden Sperrklausel
gedeckt sei (BVerfGE 82, 322, 346 f.). Gleiches werde für
den verdeckt-gemeinsamen Wahlvorschlag anzunehmen
sein.

Etwas anderes gelte aber für das aus Artikel 21 Abs. 1 GG
herzuleitende Gebot der Chancengleichheit der Parteien.
eintreten werde, für das die verdeckt gemeinsame Liste
seine Stimme erhalten habe.

Sowohl die Listenvereinigung als auch der verdeckt-ge-
meinsame Wahlvorschlag seien geeignet, die Sperrklausel

Drucksache 16/3900 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

auszuheben und dadurch die so zusammenwirkenden Par-
teien zu privilegieren. Der hierin liegenden Verzerrung der
Chancengleichheit zwischen allen an der Wahl teilnehmen-
den Parteien sowie auch der dadurch verursachten Gefähr-
dung der Funktionsfähigkeit des Parlaments wirke das Ver-
bot beider Formen gemeinsamer Wahlvorschläge entgegen.
Ein verfassungsrechtlich zwingender Grund, der demgegen-
über die Zulassung gebiete, sei nicht ersichtlich:

Mit der sog. Sperrklausel solle laut BVerfG den mit dem
Verhältniswahlsystem verbundenen Gefahren des Aufkom-
mens kleiner und kleinster Parteien, mithin der Parteienzer-
splitterung, begegnet werden, aus denen sich ernsthafte Be-
einträchtigungen der Aktionsfähigkeit des Parlaments erge-
ben könnten (vgl. zuletzt BVerfGE 95, 408, 419). Dieses
Ziel werde durch die Zulassung gemeinsamer Wahlvor-
schläge unter mehreren Gesichtspunkten gefährdet. Infolge
der beabsichtigten „Attraktivität“ für einen erweiterten
Wählerkreis erhöhe sich für die mit einer gemeinsamen
Landesliste auftretenden Parteien zum einen ihre andern-
falls so nicht gegebene Chance zur Überwindung der Sperr-
klausel. Da die über eine gemeinsame Liste Gewählten un-
terschiedlichen Parteien angehörten, könnten sie wegen
§ 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT nicht mit Sicherheit eine gemein-
same Fraktion bilden, was das Risiko der Parteienzersplitte-
rung im Parlament noch zusätzlich verstärke. Möglicher-
weise könnte wegen unterschiedlicher Parteizugehörigkeit
und unterschiedlicher politischer Ziel- und Akzentsetzun-
gen sogar gar nicht die Bildung einer gemeinsamen Fraktion
beabsichtigt sein. Da es bei verdeckt-gemeinsamem Han-
deln an jeder „verfestigten Form des Zusammenwirkens“
i. S. d. BVerfG fehle (so müssten sich die Parteien nicht auf
ein Aufstellungsverfahren einigen; die „Nominationsherr-
schaft“ liege allein bei der aufstellenden Partei; die Bewer-
ber der anderen Partei[en] wären nur „Gäste“), sei schließ-
lich die Gefahr eines Auseinanderbrechens dieses Gebildes
nach erfolgreicher Wahl tendenziell noch größer als bei
einer (förmlichen) Listenvereinigung. Letzteres werde ein-
drucksvoll gerade durch das Beispiel der hier beteiligten
Parteien belegt. Die permanenten Querelen in den Landes-
verbänden seien eine ständige Bedrohung für die Existenz
einer gemeinsamen Fraktion.

Zudem würde durch die Zulässigkeit gemeinsamer Wahllis-
ten die Chancengleichheit der Parteien empfindlich berührt:
Denn kleinere, keinen „Kooperationspartner“ findende Par-
teien hätten deutlich schlechtere Aussichten, Abgeordnete
in den Deutschen Bundestag zu entsenden. Eine kleine Par-
tei, die mit prominenten Vertretern im Deutschen Bundestag
vertreten sein könne, habe ein weitaus wirksameres Forum
als eine Partei, die auf außerparlamentarisches Wirken und
Werben angewiesen bleibe.

Dass das BVerfG 1990 die Zulassung von Listenvereinigun-
gen gefordert habe, stehe dem nicht entgegen. Damals hät-
ten sich die Beeinträchtigungen der Anliegen der Fünf-Pro-
zent-Klausel und der Chancengleichheit der Parteien durch
die historisch einmalige Situation überzeugend legitimieren
lassen. Das Gericht habe zu Recht eine nicht voll ausge-
prägte und funktionierende Parteienlandschaft im Beitritts-
gebiet betont, die kompensiert werden sollte (vgl. BVerfGE
82, 322, 349 ff.). Vergleichbar schwerwiegende Umstände

zu werben und sich auf die Bundestagswahl 2005 vorzube-
reiten. Zwar gäben sie möglicherweise vor, dass sie wegen
der vorgezogenen Neuwahlen eine Fusion nicht mehr hätten
organisieren können. Das Wahlrecht gebe hierfür aber kei-
nen Anspruch auf ein ausreichendes Zeitbudget, zumal nach
der grundgesetzlichen Ordnung eine Bundestagsauflösung
und damit vorgezogene Neuwahlen durchaus mitgedacht
seien.

Die Einspruchsführer wenden sich weiterhin dagegen, dass
die Landeswahlausschüsse den vorstehenden einfachgesetz-
lichen wie verfassungsrechtlichen Einwänden nach Maß-
gabe einer Handreichung des Bundeswahlleiters durch das
Kriterium einer hinreichenden Homogenität begegnen woll-
ten und referieren den bereits oben wiedergegebenen we-
sentlichen Inhalt dieser Handreichung. Diese Homogeni-
tätsbetrachtung jenseits des Kriteriums der Parteizugehörig-
keit könne die Problematik einer parlamentarischen Zer-
splitterung jedoch nicht bannen. Mit jedem parteifremden
Bewerber auf einer Liste – und sei es bundesweit nur einer –
steige das Risiko der Abspaltung und Bildung einer eigen-
ständigen Gruppe oder Fraktion. Da die Zusammensetzung
des Deutschen Bundestages nicht selten durch knappe
Mehrheiten geprägt sei, könne auch wenigen, möglicher-
weise sogar einem einzelnen Abgeordneten entscheidendes
Gewicht zukommen.

Auch die Chancengleichheit werde nicht erst mit dem Über-
schreiten einer bestimmten Zahl von Kandidaten einer an-
deren Partei verletzt. So habe die WASG allein durch das
Auftreten der Abgeordneten Oskar Lafontaine und Ulrich
Maurer im Deutschen Bundestag erhebliche Vorteile gegen-
über an der Sperrklausel gescheiterten Parteien, obwohl
diese möglicherweise mehr Stimmen als die WASG im
Falle eines alleinigen Antritts erhalten hätten. Rein quantita-
tive Gesichtspunkte wie das Betrachten der Listen in Fün-
ferblöcken, die Anzahl parteifremder Bewerber sowie deren
Platzierung könnten deshalb unter dem Gesichtspunkt der
Parteienzersplitterung und Chancengleichheit bei der Be-
wertung der Zulässigkeit verdeckt-gemeinsamer Listenvor-
schläge keine Rolle spielen. Zudem übersehe diese Sicht-
weise, dass solche „numerischen“ Merkmale über die Ho-
mogenität keine brauchbare Auskunft geben könnten. Denn
ein bundesweit bekannter Bewerber, wie etwa der auf Platz
eins der Landesliste Nordrhein-Westfalen erfolgreiche Os-
kar Lafontaine, könne – selbst wenn er der einzige WASG-
Kandidat sein sollte – die Fraktionsarbeit der Linkspartei in-
haltlich weit nachhaltiger beeinflussen als drei oder vier re-
lativ unbekannte und politisch unerfahrene WASG-Mitglie-
der – und zwar unabhängig von ihrer Listenplatzierung.

So habe auch das BVerfG in seinen Entscheidungen, in de-
nen deskriptiv vom politischen Wesen einer Liste gespro-
chen werde und die als Beleg für das Homogenitätskrite-
rium bemüht würden, nicht auf solche „numerischen As-
pekte“, sondern auf die Verbundenheit einer Gruppierung
durch ein gemeinsames Partei- oder Wahlprogramm, mithin
auf ein inhaltliches Kriterium, rekurriert.

Auch diese Feststellungen führten nicht zu einer Zulässig-
keit verdeckt-gemeinsamer Listen. Das zeige zunächst der
Vergleich mit einer (offen-gemeinsamen) Listenvereini-
gung, die unstreitig unzulässig sei. Ihr Wesen bestehe ge-
lägen jetzt nicht vor. Die betreffenden Parteien hätten aus-
reichend Zeit gehabt, sich zu organisieren, für ihre Anliegen

rade in der politischen Homogenität der zusammenfinden-
den Parteien. Folglich könne eine unterschiedliche Parteizu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/3900

gehörigkeiten übergreifende inhaltliche Homogenität kein
Kriterium sein, das einen gemeinsamen Wahlvorschlag zu-
lässig machen könnte. Sie zum Prüfungsmaßstab zu erhe-
ben, würde eine vom Bundeswahlrecht gerade verschlos-
sene Tür öffnen. So sei § 27 Abs. 1, 2 BWG das Verbot
jeder Form mehrparteiiger Wahlvorschläge – seien sie offen
oder verdeckt – zu entnehmen. Einer (vermeintlichen)
inhaltlichen Homogenität von Linkspartei und WASG
könne daher keine legitimatorische Funktion zukommen.

Selbst wenn man auf eine inhaltliche Homogenität im Sinne
gleichgerichteter politischer Ziele (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1
GO-BT) abstellte, zeigten sich unter Bezug auf Programm-
aussagen und sonstige Unterlagen erhebliche Unterschiede
beider Parteien. So strebe die Linkspartei einen grundlegen-
den Systemwechsel zu einem „demokratischen Sozialis-
mus“ an. Praktisch solle dies in einer umfassenden gesell-
schaftlichen Kontrolle und demokratischen Mitbestimmung
in allen Bereichen der Wirtschaft seinen Ausdruck finden.
Vor allem würden Alternativen zur jetzigen Eigentumsord-
nung gefordert. Entsprechend halte sie an der grundgesetz-
lich prinzipiell eröffneten Möglichkeit fest, Grund und Bo-
den, Naturschätze und Produktionsmittel zu vergesellschaf-
ten bzw. zu verstaatlichen. Die WASG hingegen strebe sol-
che Ziele nicht oder zumindest nicht mit dieser Radikalität
an: Weder fordere sie eine grundlegende Änderung des
bundesrepublikanischen Gesellschaftssystems noch eine tief
greifende Veränderung der Eigentumsverhältnisse. Viel-
mehr akzeptiere sie im Groben die tatsächlichen und recht-
lichen Gegebenheiten und strebe lediglich Veränderungen
für einzelne konkrete Ausprägungen an. Vergesellschaftun-
gen fordere sie deshalb nicht generell, sondern nur, wo
„strukturbestimmende Konzerne“ dem öffentlichen Inter-
esse entgegenwirkten. Überhaupt sehe man in verantwort-
lichen WASG-Kreisen den Rückgriff auf eine sozialistische
Programmatik bei der Linkspartei als problematisch an.

Schließlich bewirke die Zulassung der Landeslisten einen
erheblichen Wahlfehler. Es sei nicht auszuschließen, dass
sich andernfalls andere Stimmenverhältnisse und eine an-
dere Mandatsverteilung ergeben hätten. Wären die Listen
der Linkspartei zurückgewiesen worden, hätten sie keine
Stimmen erzielen können, was sich zugunsten anderer Par-
teien ausgewirkt hätte. Alternativ hätten beide Parteien zwar
getrennt antreten können. Aber auch dann würde der Deut-
sche Bundestag mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit eine andere Zusammensetzung aufweisen.

III.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben, da sie den
durch das Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung
aufgestellten Anforderungen entsprochen hätten.

In formeller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den wahl-
rechtlichen Bestimmungen entsprochen. An der geheimen
Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlungen und an
der geheimen Wahl der Bewerber für die Listen gemäß § 27
Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 3 BWG hätten nach den dem
Bundeswahlleiter zur Verfügung stehenden Kenntnissen nur
Mitglieder der die Liste aufstellenden Linkspartei.PDS,

Auch in materieller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den
Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprochen. Dass alle
16 Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber ent-
hielten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern
parteilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe
bei keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Listen-
vereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien ermög-
liche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschriften
„zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
nicht aber Mitglieder der WASG oder Parteilose teilgenom-
men.

Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt

Drucksache 16/3900 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz ge-
zogen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Auch aus anderen Vorschriften ergebe sich nicht, dass gene-
rell eine Aufstellung von Mitgliedern anderer Parteien aus-
geschlossen sein solle. So sehe zwar § 48 Abs. 1 Satz 2
BWG vor, dass solche Bewerber bei der Listennachfolge
unberücksichtigt bleiben, die seit Aufstellung der Landes-
liste aus dieser Partei ausgeschieden seien. Ein solches Aus-
scheiden zeige, dass der Bewerber inzwischen die Ziele der
Partei nicht mehr teile oder nicht mehr bereit sei, für deren
Verwirklichung einzutreten, so dass dessen Listennachfolge
den Wählerwillen verfälschen würde. Die vorliegende Fall-
gestaltung sei jedoch eine andere. Die Bewerbung auf einer
Liste signalisiere, dass sich der Bewerber mit den von dieser
Partei verfolgten Zielen im Großen und Ganzen einverstan-
den erkläre und zwar unabhängig davon, ob er selbst Mit-
glied sei. Bekanntlich lege das Parteiengesetz großen Wert
auf eine demokratische Binnenstruktur der politischen Par-

es politische Strömungen mit unterschiedlichen Prioritäten.
Aufgabe der Parteien sei gerade die Vorformung des politi-
schen Willens. Das BWG verlange von den sich um die
Wählerstimmen bewerbenden Parteien weder ein Wahlpro-
gramm noch von den Bewerbern dessen Unterstützung.
Vielmehr gebe § 21 Abs. 3 Satz 3 BWG den Bewerbern Ge-
legenheit, bei der Aufstellung der Wahlvorschläge ihr (eige-
nes) Programm vorzustellen. Ein Bekenntnis zum Parteipro-
gramm verlange es nicht. Ein solches Verlangen sei auch,
wenn ein Bewerber erfolgreich sei, wegen des verbürgten
freien Mandats (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht ver-
pflichtend. De lege lata genüge dem Bundeswahlgesetz als
Nachweis für die Verbundenheit eines Bewerbers mit der
den Wahlvorschlag einreichenden Partei die Nominierung
ausschließlich durch die Mitglieder oder Delegierten dieser
Partei. Es gehe davon aus, dass keine Bewerber gewählt
würden, die die Ziele der Partei nicht in ausreichendem
Maße unterstützten. Hiervon sei auch in einer Wahlprü-
fungsentscheidung der 5. Wahlperiode ausgegangen worden
(Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3). Dabei sei festgestellt
worden, dass einer fremden Partei angehörende Wahlbewer-
ber mit Zustimmung zur Aufnahme in die Liste einer ande-
ren Partei deren politische Grundsätze anerkannt hätten. Die
ihre Liste beschließende Partei sei bei Aufnahme der Be-
werber davon ausgegangen, dass sich diese bei ihren Ent-
scheidungen zu den politischen Grundsätzen der nominie-
renden Partei bekannt hätten.

Auch Bestimmungen zur Parteienfinanzierung führten zu
keinem anderen Ergebnis. Nur die Parteien erhielten staat-
liche Mittel als Teilfinanzierung der ihnen allgemein nach
dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeiten, wenn sie mit
ihrer Landesliste einen Wahlerfolg erzielt hätten, der die
Anforderungen des § 18 PartG im Einzelnen erfülle. Das
Recht der staatlichen Parteienfinanzierung, das sich eben-
falls an strikten formalen Kriterien auszurichten habe, un-
terscheide nicht zwischen Listen mit Bewerbern ausschließ-
lich aus der einreichenden Partei und Listen auch mit Partei-
losen oder Mitgliedern anderer Parteien. Die staatlichen
Mittel stünden nur den Parteien zu, die Listen eingereicht
und an den Wahlen mit einem Mindesterfolg teilgenommen
hätten. Verzichte eine Partei auf den eigenen Wahlantritt, sei
damit zwangsläufig auch der Verzicht auf staatliche Mittel
verbunden. Dies sei den Parteien bekannt. Ein Argument
dafür, dass ein Verzicht auf Wahlteilnahme und die Bewer-
bung von Mitgliedern dieser Partei auf Listen anderer Par-
teien unzulässig sei, lasse sich daraus nicht herleiten.

Werde eingewandt, dass der Wahlerfolg gerade nicht dem
Erfolg der Linkspartei bei den Wählern entspreche, sofern
auf einer ihrer Listen ein prominentes WASG-Mitglied an
vorderer Stelle platziert sei, müsste dies jedoch ebenso für
prominente Parteilose an exponierter Stelle gelten. Auch in
diesem Fall sei der Wahlerfolg zu einem Teil auf die Bewer-
bung einer parteifremden Person zurückzuführen, so dass
auch hier das Wahlergebnis nicht ausschließlich dem Erfolg
der einreichenden Partei entspreche. Dennoch erhalte diese
Partei staatliche Mittel, ohne dass ein auf den Parteilosen
zurückzuführender Erfolg „herausgerechnet“ werden müsse
oder könne.

Auch § 10 GO-BT ergebe kein Gegenargument, zumal

teien. Die Parteimitglieder verträten nicht alle Ziele der Par-
tei mit gleicher Intensität; auch innerhalb von Parteien gebe

diese als reines „Intraorganrecht“ oder „Innenrecht“
(Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/3900

GG, 10. Auflage 2004, Artikel 40 Rn. 25) nicht als Aus-
legungshilfe zum Bundeswahlgesetz geeignet sei. Die Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages regele die
Arbeit des Parlaments nach seiner Wahl. Sie lasse keine
Rückschlüsse auf den das Parlament konstituierenden Wahl-
akt zu. § 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT lasse die Fraktionsbil-
dung solcher Abgeordneter zu, die entweder derselben Par-
tei oder solchen Parteien angehörten, die auf Grund gleich-
gerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im
Wettbewerb stehen. Es könne dahingestellt bleiben, ob diese
Voraussetzung bei den Mitgliedern von Linkspartei und
WASG gegeben sei. Für die Frage der Zulassung von Lan-
deslisten sei dies ohne Bedeutung. Jedenfalls könne der
Vorschrift nicht entnommen werden, dass das Bundestags-
wahlrecht den Einzug von Mitgliedern verschiedener Par-
teien über eine Parteiliste in den Deutschen Bundestag ver-
biete. Denn die Vorschrift lasse es zu, dass Abgeordnete un-
terschiedlicher Parteien eine Fraktion bilden können. Auf
welche Weise diese in den Deutschen Bundestag gelangt
seien – ob als Mitglieder einer einzigen Landesliste oder
mehrerer Landeslisten aus verschiedenen Ländern – lasse
die Vorschrift offen.

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argumente
zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 1
GG lasse sich für die Parteien kein Verbot ableiten, Mitglie-
der anderer Parteien als Bewerber aufzustellen. Die Demo-
kratie bedürfe der politischen Parteien, um die Wähler zu
aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen
so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen
zu ermöglichen (BVerfGE 69, 92, 110; Sannwald, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, a. a. O., Artikel 21 Rn. 21). Par-
teien bündelten politische Strömungen in der Bevölkerung
und formten den politischen Willen vor. Hieraus resultiere
aber kein Gebot, bei einer Bundestagswahl nur eigene Mit-
glieder aufzustellen. Die „Bündelungsfunktion“ werde aus-
reichend durch das „Monopol“ der Parteien zur Listenauf-
stellung erreicht. Die Aufstellung der jeweiligen Liste durch
die Mitglieder der Partei gewährleiste ausreichend, dass nur
die Positionen der Partei vertretende Personen aufgestellt
würden. Werde eingewandt, dass der Wähler nur bei Partei-
mitgliedern auf den Listen die Gewähr habe, dass sie für das
Programm auch tatsächlich einträten, zeige die Wirklich-
keit, dass sich der Wähler selbst bei der aufstellenden Partei
angehörenden Bewerbern keineswegs sicher sein könne,
dass sie später als Abgeordnete das Programm ihrer Partei
vertreten würden. Zum einen seien die Gewählten nicht dem
Parteiprogramm, sondern dem ganzen Volk verpflichtet
(Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Zum anderen komme es
immer wieder vor, dass Parteiprogramme von einzelnen Ab-
geordneten später nicht mehr mitgetragen oder ganz oder in
Teilen nicht umgesetzt würden, etwa weil die Partei und
deren Parlamentsfraktion im Interesse einer Koalitionsbil-
dung oder wegen veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse
im Programm formulierte Ziele nicht weiter verfolge. Um-
gekehrt könnten auch nicht parteizugehörige Abgeordnete
die Ziele einer Partei, die sie als Listenbewerber aufgestellt
habe, mit Überzeugung vertreten.

Im Übrigen nimmt der Bundeswahlleiter an, dass ein Verbot
zur Aufstellung Parteifremder auf einer Landesliste verfas-
sungsrechtlich zulässig sein könnte. Ein solches Verbot

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das BVerfG habe festgestellt, dass „die Aufstellung einer
Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn sich die auf ihr zusammen-
gefassten Bewerber durch ein gemeinsames Programm ver-
bunden fühlen“ (BVerfGE 11, 351, 366). Diese Vorausset-
zung habe es im konkreten Fall einer örtlichen Wähler-
gemeinschaft bzw. Rathauspartei bei einer Kommunalwahl
in Nordrhein-Westfalen als gegeben erachtet. Auf die Fra-
gen, wie sich die Verbundenheit mit einem gemeinsamen
Programm äußern solle – durch die Parteizugehörigkeit der
Wahlbewerber oder auch durch andere Kriterien – und wel-
che Konsequenz aus einer fehlenden Verbundenheit zu zie-
hen wäre, gebe die Entscheidung allerdings keine Antwort.
In der bereits zitierten Wahlprüfungsentscheidung (Bundes-
tagsdrucksache V/1115, S. 3) sei gefolgert worden, „dass
das Bundesverfassungsgericht die Aufnahme parteifremder
bzw. einer anderen Partei angehörender Kandidaten auf
einer anderen Liste nicht als an sich verfassungswidrig an-
sehe. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Homo-
genität der Liste müsse nicht bereits dann verneint werden,
wenn Mitglieder einer fremden Partei auf einer anderen Par-
teiliste erscheinen“. Es müsse vielmehr auf den konkreten
Einzelfall abgestellt werden, wobei es nicht nur auf die poli-
tische Richtung des Landesverbandes der fremden Partei,
sondern auch auf die politische Auffassung des parteifrem-
den Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste aufge-
stellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Ho-
mogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
müsse jedoch ausdrücklich in das Bundeswahlgesetz aufge-
nommen werden.

ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-

Drucksache 16/3900 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhab-
bares, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der
Landeslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an numeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten
zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

IV.

In ihrer Erwiderung bekräftigen die Einspruchsführer, dass
das Verbot mehrparteiiger Wahllisten umgangen worden sei.
Dieses dürfe nicht unterlaufen werden, indem pro forma
eine Partei die Liste einreiche, faktisch aber zwei Parteien
dahinter stünden. Auch der Bundeswahlleiter verlange eine
Listenhomogenität, wonach die formal korrekt nominierten
Bewerber auch materiell der einreichenden Partei zuzuord-
nen seien. Unzulässig sei es aber, angesichts des als einzig
handhabbar bezeichneten Kriteriums der Parteizugehörig-
keit, die Listen in Fünferblöcken danach zu bewerten, ob die
Bewerber mehrheitlich der einreichenden Partei angehörten.
Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung verbiete das
Bundeswahlrecht die Kandidatur von Mitgliedern einer

bestimmungen, verfassungsrechtliche Prinzipien, parla-
mentsrechtliche Vorschriften sowie ausdrückliche Landes-
regelungen erinnert.

Das Verbot offener Listenvereinigungen gelte unabhängig
davon, wie viele Bewerber der einen und der anderen Partei
angehörten. Es richte sich gegen jedwedes Auftreten von
Bewerbern aus verschiedenen Parteien auf einer Liste. Folg-
lich gelte es ebenso für den verdeckt-gemeinsamen Vor-
schlag, der die Kandidatur von Bewerbern aus verschiede-
nen Parteien dadurch verschleiere, dass nur eine Partei als
Träger des Vorschlags erscheine. Widersinnig wäre eine An-
nahme, dass wahlrechtlich ein transparentes, d. h. gemein-
sames Vorgehen verboten sei, eine Verschleierung aber ge-
duldet werde.

Für das Modell des Bundeswahlleiters, eine mehrheitliche
Repräsentanz der einreichenden Partei in Fünferblöcken
entscheidend sein zu lassen, gebe der Wortlaut des Bundes-
wahlgesetzes keine Anhaltspunkte; tragfähige Rechtsgründe
würden nicht vorgebracht. Auch die Kurzfristigkeit der
Zulassungsentscheidungen und das Anliegen, das Wähler-
votum nicht zu präjudizieren, sprächen für eine notwendig
konsequente Zulassungspraxis unter der Maxime formaler
Klarheit und Wahrheit der Liste.

V.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer an-
deren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend un-
ter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den angegriffe-
nen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlausschüsse
keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass eine
Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht werden
darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
anderen Partei auf der Liste der einreichenden. Zur Be-
gründung wird an die Auslegung anderer Wahlrechts-

chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/3900

mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Par-
teimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrechtli-
chen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Parla-
ment der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-
tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen von § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird
dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz
auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

gehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstellung
der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter
Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw. Partei-
losen und die anschließende Zulassung der Listen durch
die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse umgan-
gen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen
Ansatzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in
der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Links-
partei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen
b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einparteii-
ger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das Vor-

umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich
vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem

Drucksache 16/3900 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ersten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier ge-
prüften Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homoge-
nität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei ih-
ren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen der
aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein je eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formaltechnisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls par-
lamentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des

ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemeinsa-
mes Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anforde-
rung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung an-
gesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine
abschließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt ko-
operieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise
überlässt, um die Überwindung der Grundmandatsklau-
sel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zu-
dem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zusammen-
arbeiten, sondern einen Zusammenschluss erreichen
will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch da-
ran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle einer
Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des Zu-
sammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/Cle-
mens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfeh-
lung der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise ange-
sichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens
III“, der Zeitpläne für die Bundesebene und der Ent-
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf

würfe für programmatische Eckpunkte und Satzungsre-
gelungen keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/3900
Wahlperiode – 17 – D Wahlperiode – 17 – D

der Entscheidung über die entsprechenden Wahleinsprü-
che erkennbar geworden.

Auch Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages zwingen nicht zu einer anderen Be-
trachtung. Gemäß § 10 Abs. 1 GO-BT sind Fraktionen
„Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der
Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder
solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerich-
teter politischer Ziele in keinem Land miteinander im
Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bun-
destages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die
Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundes-
tages“. Nicht entschieden ist, ob unter § 10 Abs. 1 Satz 1
zweite Alternative GO-BT, die 1969 durch die Frak-
tionsgemeinschaft von CDU und CSU veranlasst worden
ist, auch ein Zusammenschluss solcher Abgeordneten
fallen kann, die zwar aus unterschiedlichen Parteien
stammen, aber gemeinsam auf einer Liste kandidiert
haben und deren Parteien bei der Bundestagswahl nicht
gegeneinander angetreten sind. Selbst wenn dies nach
Wortlaut oder Entstehungsgeschichte der Vorschrift ver-
neint werden sollte, bleibt im Übrigen die Möglichkeit,
einen Zusammenschluss ausdrücklich gemäß § 10
Abs. 1 Satz 2 GO-BT anzuerkennen. Daher können
geschäftsordnungsrechtliche Vorgaben für die Bildung
einer Fraktion, auch wenn sie teilweise deren Homoge-
nität gewährleisten sollen, nicht auf die Interpretation
des Bundeswahlgesetzes vorwirken.

Im Übrigen stand die Auffassung des Bundeswahlleiters
in der wahlpraktischen, auf den Einzelfall abstellenden
Betrachtung nicht gänzlich allein. Eine ähnliche, wohl
durch das absehbare Vorgehen von Linkspartei.PDS und
WASG angeregte Betrachtung wollte u. a. die zeitlichen
Bedingungen und die Ernsthaftigkeit des Fusionsziels
berücksichtigen und die konkrete Zusammensetzung der
Liste (Platzierung nur vereinzelt; nicht an herausgeho-
bener [prominenter] Stelle, etwa auf den ersten Plätzen;
der anderen Partei darf nicht die Hälfte der Bewerber
angehören), heranziehen (vgl. Schreiber, a. a. O., Er-
gänzungsinformation zur Bundestagswahl 2005, S. 10
bis 12).

PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens

es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-

ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und

(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten auf-
gestellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/3900

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. S., 06791 Möhlau
– Az.: WP 69/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 3. Oktober
2005 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag am 18. September 2005 eingelegt. Der
Einspruch richtet sich zum einen gegen die Zulassung der
Landeslisten der Partei Die Linkspartei.PDS, die auch Mit-
glieder der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit
umfasste, und rügt zum anderen bei der Aufstellung der Lan-
desliste in Sachsen-Anhalt eine Verletzung des Grundsatzes
der geheimen Wahl.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der

ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen

Drucksache 16/3900 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte Handrei-
chung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger Lan-
deslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten Par-
tei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Der Einspruchsführer geht zunächst davon aus, dass es
gemäß § 27 BWG den Landeswahlausschüssen nicht gestat-
tet sei, gemeinsame Landeslisten zweier oder mehrerer Par-
teien zuzulassen, da dies dem Grundsatz der Homogenität
von Landeslisten widerspreche. Um eine unzulässige Lis-
tenverbindung von WASG und Linkspartei.PDS festzustel-
len, bedürfe es keiner von beiden Seiten erklärten oder un-
terschriebenen Vereinbarung oder Erklärung gegenüber dem
Landes- oder Bundeswahlleiter. Es reiche schlüssiges (kon-
kludentes) Verhalten. Auf Bundesebene habe es bereits im
Vorfeld Gespräche zwischen den beiden Parteien gegeben
und ausdrücklich sei die Bewerbung von WASG-Kandida-
ten für die Landeslisten vereinbart worden. Dies zeige eine
Vereinbarung mit dem Ziel gemeinsamer Listen. Gemein-
same Landeslisten seien jedoch verbotene Listenverbindun-
gen, wobei es unerheblich sei, ob nur Mitglieder einer oder
aller beteiligten Parteien über die Liste abstimmten.

Auch in Sachsen-Anhalt habe es mindestens zwei Gesprä-
che auf Landesebene zwischen beiden Parteien gegeben.
Dabei sei vereinbart worden, dass und welche WASG-
Kandidaten (das so genannte Personaltableau der WASG)
kandidieren sollten. Seitens der Linkspartei.PDS sei die Ab-
sprache nicht nur mit der Zulassung der Bewerbung der
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Personen aus dem Personaltableau umgesetzt worden. Es
sei – vgl. hierzu später – auch die Kandidatur eines nicht im

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/3900

Personaltableau aufgeführten WASG-Bewerbers verhindert
worden.

Die beiden Parteien hätten seit Ankündigung der Neuwah-
len zum Deutschen Bundestag das Projekt einer Wahlko-
operation betrieben, damit beide die Fünf-Prozent-Hürde
überwinden und die WASG die notwendigen Unterstüt-
zungsunterschriften und den erforderlichen Nachweis der
Parteieigenschaftaft nicht erbringen musste. Es sei eine
Lehre aus den Verhältnissen der Weimarer Demokratie, dass
stabile Mehrheiten für ein demokratisches Land notwendig
seien; eine Abschaffung oder Umgehung der Fünf-Prozent-
Hürde widerspreche dem. Unabhängig davon, ob es eine of-
fizielle Listenverbindung gebe oder nicht, sei durch die
Landeswahlausschüsse zu prüfen, ob die Listen als Listen-
verbindung eingestuft werden müssten. Dies ist nach Auf-
fassung des Einspruchsführers nicht erfolgt. Wohl am Bei-
spiel Sachsen-Anhalts ausgeführt, ist laut Einspruchsführer
die Liste der Linkspartei.PDS als Listenverbindung zu wer-
ten, da die WASG einen eigenen Wahlkampf betrieben
habe. Zumindest in den Kreisen Bitterfeld und Wittenberg
seien eigene Wahlkampfkomitees gegründet worden. Die
Anzahl der WASG-Mitglieder auf der Liste habe erstaunlich
genau dem Verhältnis von WASG- und PDS-Mitgliedern
entsprochen. Es habe mehrere Gespräche über die Wahlkoo-
peration zwischen Vorstandsmitgliedern der WASG und der
Linkspartei.PDS gegeben. Einzig ein gültiger und für alle
WASG-Mitglieder verbindlicher Beschluss der WASG,
nicht an den Wahlen zum Deutschen Bundestag oder zu
Landtagen teilzunehmen, keine eigene Bundestagsfraktion
zu bilden, jedem WASG-Mitglied nach eigener Entschei-
dung eine Kandidatur für die Liste der Linkspartei.PDS frei-
zustellen, keine eigenen Personaltableaus für die Kandida-
tenlisten der Linkspartei aufzustellen, hätte die Einschät-
zung erlauben können, dass keine Listenvereinigung unab-
hängiger Parteien zur Umgehung der Fünf-Prozent-Hürde
vorgelegen hätte. Damit hätte es aber auch am Parteiensta-
tus der WASG gefehlt, da gemäß § 2 Abs. 1 PartG Organi-
sationen nur dann den Parteistatus erhielten, wenn sie eine
Vereinigungen von Bürgern seien, die dauernd oder für län-
gere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf
die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der
Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder in
einem Landtag mitwirken wollen.

Da die betreffenden WASG-Mitglieder jedoch nicht aus-
schließlich aus eigener Entscheidung sondern auf Grund ge-
meinsamer Entscheidung der Vorstände der WASG und der
PDS und aufgrund des Personaltableaus der WASG auf der
Liste vertreten seien, seien sie nicht durch das vom Bundes-
verfassungsgericht geforderte gemeinsame Programm ver-
bunden. Im Übrigen habe die WASG-Landesmitglieder-
versammlung am 2. Juli 2005 in Langenstein ausdrücklich
einen Antrag des Einspruchsführers abgelehnt, vor der Wahl
der Landesliste ein gemeinsames Wahlprogramm zu erar-
beiten. Die Ablehnung sei auf der Basis einer Intervention
eines als Gast teilnehmenden Bundesvorstandsmitglieds der
WASG erfolgt. Auch in einem Beitrag für die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ vom 6. August 2005 seien die Autoren
Karin Graßhof und Hans H. Klein nicht davon ausgegan-
gen, dass die auf den betreffenden Listen kandidierenden
WASG-Bewerber mit dem Programm der Linkspartei. PDS

meinsames Wahlprogramm geeinigt. Die fehlende Homoge-
nität komme auch in weiteren öffentlichen, konträren Aus-
sagen zum Ausdruck.

Ein Wähler könne bei einer Liste mit Kandidaten mit unter-
schiedlichen Programmen nicht mehr frei zwischen unter-
schiedlichen Parteien und Programmen wählen. Alternativ
könnte man sich nur der Stimme enthalten. Entweder zu-
gleich für zwei unterschiedliche Programme zu stimmen
oder auf das Wahlrecht zu verzichten, sei als Alternative
grundgesetzwidrig und widerspreche dem Recht des Wäh-
lers, sich für eine Partei und ein Programm zu entscheiden,
zumal auf Bundesebene nur durch Stimmabgabe Einfluss
auf die politische Arbeit des Deutschen Bundestages ge-
nommen werden könne.

Auch die Gleichheit der Wahl sei verletzt worden. Bei Zu-
lassung einer Liste, auf der mehrere Parteien vertreten seien,
werde diesen eine Addition der sonst getrennt gezählten
Stimmen ermöglicht. Andere Parteien würden dadurch be-
nachteiligt, da hier Mitglieder der WASG in das Parlament
gewählt würden, ohne dass sich die WASG der Zulassung
als Partei gemäß Parteiengesetz und der Beibringung der
Unterstützungsunterschriften habe unterziehen müssen.

Weiterhin rügt der Einspruchsführer einen Verstoß gegen
Nummer 2 der Wahlordnung der Linkspartei, wonach „Be-
werberinnen und Bewerber für die Landesliste der Partei
,Die Linkspartei‘ zur Bundestagswahl 2005 […] Mitglieder
der Partei ,Die Linkspartei‘, parteilos oder Mitglieder nicht
konkurrierender Parteien sein“ können. Um „nicht konkur-
rierende Parteien“ handele es sich nur, wenn diese sich nicht
an der betreffenden Wahl zu beteiligen beabsichtigten. Zum
Zeitpunkt der Vertreterversammlung habe jedoch die
WASG beim Bundeswahlleiter die Teilnahme an der Bun-
destagswahl angezeigt. Damit sei sie zumindest zu diesem
Zeitpunkt eine konkurrierende Partei gewesen. Damit sei
auch gegen § 17 PartG verstoßen worden, der eine Aufstel-
lung gemäß „Satzungen der jeweiligen Partei“ fordere.

Im Übrigen sei noch immer ein Beschluss vom Gründungs-
parteitag der WASG Sachsen-Anhalt am 12. März 2005 in
Magdeburg in Kraft, selbst an Wahlen teilzunehmen und
nicht mit der Linkspartei.PDS zusammenzuwirken. Die
Aufhebung dieses Beschlusses auf der Landesmitglieder-
versammlung am 2. Juli 2005 in Langenstein sei nichtig, da
die Landesmitgliederversammlung nicht beschlussfähig
gewesen sei. In diesem Zusammenhang wird auf einen
Schriftwechsel mit dem Landeswahlleiter verwiesen.

Schließlich wird gerügt, dass bei der Aufstellung der Liste
in Sachsen-Anhalt mit Bezug auf den Einspruchsführer § 17
PartG und § 21 Abs. 3 und § 27 BWG verletzt worden
seien, wonach die Aufstellung von Bewerbern in geheimer
Abstimmung erfolgen müsse. Die Vertreterversammlung
der PDS vom 10. Juli 2005 in Wittenberg habe in offener
Abstimmung über die Bewerbung des Einspruchsführers
abgestimmt und damit gegen die personale Grundlage einer
demokratischen Wahl und gegen den laut Bundesverfas-
sungsgericht auch in diesem Zusammenhang zu beachten-
den Kernbestand von Verfahrensgrundsätzen verstoßen. Der
Einspruchsführer bezieht sich in diesem Zusammenhang auf
ein Schreiben des PDS-Landesvorstands vom 18. Juli 2005,
wonach das Arbeitspräsidium entsprechend Wahlordnung
übereinstimmten – anderenfalls hätten sich beide Parteien
längst zusammengeschlossen oder mindestens auf ein ge-

und Geschäftsordnung beim Aufruf ab der zweiten Position
die Bewerbung verlesen habe. Ein Vertreter habe vom Recht

Drucksache 16/3900 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

entsprechend Punkt 13 der Wahlordnung Gebrauch gemacht
und den Antrag zur Streichung gestellt, dem die Versamm-
lung mehrheitlich zugestimmt habe.

Die offene Abstimmung über Kandidaten oder Bewerber sei
als nicht behebbarer Mangel zu werten. Vom Verfahrens-
grundsatz der geheimen Abstimmung abzuweichen, liege
nicht im Gestaltungsspielraum der Satzung bzw. Wahlord-
nung der jeweiligen Partei.

III.

1. Der Bundeswahlleiter geht in einer grundsätzlichen, dem
Einspruchsführer zugänglich gemachten Stellungnahme
davon aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landes-
listen der Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben,
da sie den durch das Bundeswahlgesetz und die Bundes-
wahlordnung aufgestellten Anforderungen entsprochen
hätten.

In formeller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den
wahlrechtlichen Bestimmungen entsprochen. An der ge-
heimen Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlun-
gen und an der geheimen Wahl der Bewerber für die Lis-
ten gemäß § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 3 BWG
hätten nach den dem Bundeswahlleiter zur Verfügung
stehenden Kenntnissen nur Mitglieder der die Liste auf-
stellenden Linkspartei.PDS, nicht aber Mitglieder der
WASG oder Parteilose teilgenommen.

Auch in materieller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten
den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprochen.
Dass alle 16 Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Be-
werber enthielten, die nicht der Linkspartei.PDS an-
gehörten, sondern parteilos oder Mitglieder der WASG
gewesen seien, habe bei keiner der eingereichten Lan-
deslisten zur Unzulässigkeit geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Par-
teizugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu
§ 22 Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vor-
pommern oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes
Schleswig-Holstein schließe es für Listenbewerber eine
Mitgliedschaft in einer anderen als der einreichenden
Partei nicht ausdrücklich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
-vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da
nach § 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus
verschiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich
im Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher
Parteien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei
für sich überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer klei-
ner Parteien, um gemeinsam die Sperrklausel zu über-
winden, gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27
Abs. 1 BWG – unter Umständen – erforderlichen Un-
terstützungsunterschriften müsse die jeweilige Partei
beibringen; eine Listenvereinigung oder -verbindung,
die es zwei Parteien ermögliche, die von ihnen jeweils
gesammelten Unterschriften „zusammenzulegen“, sehe
das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Lis-
tenverbindungen und -vereinigungen dürfe nicht da-

zwei Parteien hinter diesem Wahlvorschlag stünden.
Diese Bewertung sei für Bundestagswahlen unstreitig.
Unterschiedliche Auffassungen bestünden aber, wann
dieses Verbot tatsächlich umgangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden
Partei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne
parteilose Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess
ihrer bisherigen Partei eine neue politische Heimat such-
ten. Vielmehr müsse eine Liste nach geltendem Recht
zugelassen werden, wenn sie formell korrekt aufgestellt
und materiell in Gänze der einreichenden Partei zuzu-
ordnen sei. Diese Voraussetzungen – die man als Homo-
genität der Liste bezeichnen könne – hält der Bundes-
wahlleiter jedenfalls für gegeben, wenn in der Mehrzahl
– in Fünferabschnitten betrachtet – Mitglieder der einrei-
chenden Partei in der Liste aufgestellt seien. Hingewie-
sen wird in diesem Zusammenhang darauf, das Bundes-
wahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen zur
Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge
geprägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß
seinem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung
seiner Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der
Durchführung der Bundestagswahlen stünden für nahezu
sämtliche im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entschei-
dungen den Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur
kurze Zeiträume zur Verfügung; es müsse unter großem
Zeitdruck gehandelt werden und man sei auf klare und
verständliche Normen mit eindeutigen Handlungsanwei-
sungen angewiesen. Dies habe erst recht wegen der ver-
kürzten Fristen vor der jetzigen Wahl gegolten. Während
der Entscheidungszeitraum bei „regulär“ stattfindenden
Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19, 28 Abs. 1 Satz 1
BWG), sei er hier durch Verordnung des Bundesminis-
teriums des Innern auf vier Tage verkürzt gewesen. Die
Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der Wahl
(15. August 2005) bei den Landeswahlleitern eingegan-
gen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der
Wahl (19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die
Prüfung sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für
alle eingereichten Listen, z. B. Unterschriftserforder-
nisse, Prüfung der Bescheinigungen der Gemeinde-
behörden über die Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung
der vorgelegten Unterstützungsunterschriften, umfasst.
Daher komme dem Wortlaut des Bundeswahlgesetzes,
das eine Parteimitgliedschaft der Listenbewerber nicht
fordere, eine hohe Bedeutung zu. Dies gelte um so mehr,
als dem Gesetzgeber Parteilose oder Bewerber mit einer
anderen Parteimitgliedschaft spätestens seit Aufnahme
von Bewerbern des Bundes der Heimatvertriebenen und
Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der CSU 1965
bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Gesetz
könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen, die
mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend.
Während die Länder Mecklenburg-Vorpommern und
Schleswig-Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese
durch unterlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur
eine Partei einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber

Konsequenz gezogen hätten, habe der Bundesgesetz-
geber bisher keine entsprechende Regelung getroffen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/3900

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass
die Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fäl-
len zurückwiesen, weil die Entscheidung über die Zu-
sammensetzung des Deutschen Bundestages nach dem
Demokratieprinzip durch den Wähler getroffen werden
solle. Eine Zulassungspraxis, die eine Bewertung der
hinter einer Liste stehenden politischen Kräfte unter-
nähme, würde die Wahlentscheidung vom Volk in das
Vorfeld der Wahl zu den Wahlausschüssen verlagern.
Damit würde der „Souverän“ von vornherein in seiner
Wahlmöglichkeit eingeschränkt und der Zulassungsent-
scheidung eine materielle, vom Wahlrecht nach dem
Sinn und Zweck des Demokratieprinzips nicht gewollte
politische Bedeutung verschafft.

Auch aus anderen Vorschriften ergebe sich nicht, dass
generell eine Aufstellung von Mitgliedern anderer Par-
teien ausgeschlossen sein solle. So sehe zwar § 48
Abs. 1 Satz 2 BWG vor, dass solche Bewerber bei der
Listennachfolge unberücksichtigt bleiben, die seit Auf-
stellung der Landesliste aus dieser Partei ausgeschieden
seien Ein solches Ausscheiden zeige, dass der Bewerber
inzwischen die Ziele der Partei nicht mehr teile oder
nicht mehr bereit sei, für deren Verwirklichung einzutre-
ten, so dass dessen Listennachfolge den Wählerwillen
verfälschen würde. Die vorliegende Fallgestaltung sei
jedoch eine andere. Die Bewerbung auf einer Liste
signalisiere, dass sich der Bewerber mit den von dieser
Partei verfolgten Zielen im Großen und Ganzen einver-
standen erkläre und zwar unabhängig davon, ob er selbst
Mitglied sei. Bekanntlich lege das Parteiengesetz großen
Wert auf eine demokratische Binnenstruktur der politi-
schen Parteien. Die Parteimitglieder verträten nicht alle
Ziele der Partei mit gleicher Intensität; auch innerhalb
von Parteien gebe es politische Strömungen mit unter-
schiedlichen Prioritäten. Aufgabe der Parteien sei gerade
die Vorformung des politischen Willens. Das BWG ver-
lange von den sich um die Wählerstimmen bewerbenden
Parteien weder ein Wahlprogramm noch von den Bewer-
bern dessen Unterstützung. Vielmehr gebe § 21 Abs. 3
Satz 3 BWG den Bewerbern Gelegenheit, bei der Auf-
stellung der Wahlvorschläge ihr (eigenes) Programm
vorzustellen. Ein Bekenntnis zum Parteiprogramm ver-
lange es nicht. Ein solches Verlangen sei auch, wenn ein
Bewerber erfolgreich sei, wegen des verbürgten freien
Mandats (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht verpflich-
tend. De lege lata genüge dem Bundeswahlgesetz als
Nachweis für die Verbundenheit eines Bewerbers mit der
den Wahlvorschlag einreichenden Partei die Nominie-
rung ausschließlich durch die Mitglieder oder Delegier-
ten dieser Partei. Es gehe davon aus, dass keine Bewer-
ber gewählt würden, die die Ziele der Partei nicht in
ausreichendem Maße unterstützten. Hiervon sei auch in
einer Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahlperiode
ausgegangen worden (Bundestagsdrucksache V/1115,
S. 3). Dabei sei festgestellt worden, dass einer fremden
Partei angehörende Wahlbewerber mit Zustimmung zur
Aufnahme in die Liste einer anderen Partei deren
politische Grundsätze anerkannt hätten. Die ihre Liste
beschließende Partei sei bei Aufnahme der Bewerber
davon ausgegangen, dass sich diese bei ihren Entschei-

Auch Bestimmungen zur Parteienfinanzierung führten
zu keinem anderen Ergebnis. Nur die Parteien erhielten
staatliche Mittel als Teilfinanzierung der ihnen allge-
mein nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeiten,
wenn sie mit ihrer Landesliste einen Wahlerfolg erzielt
hätten, der die Anforderungen des § 18 PartG im Einzel-
nen erfülle. Das Recht der staatlichen Parteienfinanzie-
rung, das sich ebenfalls an strikten formalen Kriterien
auszurichten habe, unterscheide nicht zwischen Listen
mit Bewerbern ausschließlich aus der einreichenden Par-
tei und Listen auch mit Parteilosen oder Mitgliedern an-
derer Parteien. Die staatlichen Mittel stünden nur den
Parteien zu, die Listen eingereicht und an den Wahlen
mit einem Mindesterfolg teilgenommen hätten. Ver-
zichte eine Partei auf den eigenen Wahlantritt, sei damit
zwangsläufig auch der Verzicht auf staatliche Mittel ver-
bunden. Dies sei den Parteien bekannt. Ein Argument
dafür, dass ein Verzicht auf Wahlteilnahme und die
Bewerbung von Mitgliedern dieser Partei auf Listen
anderer Parteien unzulässig sei, lasse sich daraus nicht
herleiten.

Werde eingewandt, dass der Wahlerfolg gerade nicht
dem Erfolg der Linkspartei bei den Wählern entspreche,
sofern auf einer ihrer Listen ein prominentes WASG-
Mitglied an vorderer Stelle platziert sei, müsste dies je-
doch ebenso für prominente Parteilose an exponierter
Stelle gelten. Auch in diesem Fall sei der Wahlerfolg zu
einem Teil auf die Bewerbung einer parteifremden Per-
son zurückzuführen, so dass auch hier das Wahlergebnis
nicht ausschließlich dem Erfolg der einreichenden Partei
entspreche. Dennoch erhalte diese Partei staatliche Mit-
tel, ohne dass ein auf den Parteilosen zurückzuführender
Erfolg „herausgerechnet“ werden müsse oder könne.

Auch § 10 der Geschäftsordnung des Deutschen Bun-
destages (GO-BT) ergebe kein Gegenargument, zumal
diese als reines „Intraorganrecht“ oder „Innenrecht“
(Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar
zum GG, 10. Auflage 2004, Artikel 40 Rn. 25) nicht als
Auslegungshilfe zum Bundeswahlgesetz geeignet sei.
Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
regele die Arbeit des Parlaments nach seiner Wahl. Sie
lasse keine Rückschlüsse auf den das Parlament konsti-
tuierenden Wahlakt zu. § 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT lasse
die Fraktionsbildung solcher Abgeordneter zu, die ent-
weder derselben Partei oder solchen Parteien angehör-
ten, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in
keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Es
könne dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzung bei
den Mitgliedern von Linkspartei und WASG gegeben
sei. Für die Frage der Zulassung von Landeslisten sei
dies ohne Bedeutung. Jedenfalls könne der Vorschrift
nicht entnommen werden, dass das Bundestagswahlrecht
den Einzug von Mitgliedern verschiedener Parteien über
eine Parteiliste in den Deutschen Bundestag verbiete.
Denn die Vorschrift lasse es zu, dass Abgeordnete unter-
schiedlicher Parteien eine Fraktion bilden können. Auf
welche Weise diese in den Deutschen Bundestag gelangt
seien – ob als Mitglieder einer einzigen Landesliste oder
dungen zu den politischen Grundsätzen der nominieren-
den Partei bekannt hätten.

mehrerer Landeslisten aus verschiedenen Ländern –
lasse die Vorschrift offen.

Drucksache 16/3900 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argu-
mente zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21
Abs. 1 Satz 1 GG lasse sich für die Parteien kein Verbot
ableiten, Mitglieder anderer Parteien als Bewerber auf-
zustellen. Die Demokratie bedürfe der politischen Par-
teien, um die Wähler zu aktionsfähigen Gruppen zusam-
menzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluss
auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen (BVerfGE
69, 92, 110; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein,
a. a. O., Artikel 21 Rn. 21). Parteien bündelten politische
Strömungen in der Bevölkerung und formten den politi-
schen Willen vor. Hieraus resultiere aber kein Gebot, bei
einer Bundestagswahl nur eigene Mitglieder aufzustel-
len. Die „Bündelungsfunktion“ werde ausreichend durch
das „Monopol“ der Parteien zur Listenaufstellung er-
reicht. Die Aufstellung der jeweiligen Liste durch die
Mitglieder der Partei gewährleiste ausreichend, dass nur
die Positionen der Partei vertretende Personen aufge-
stellt würden. Werde eingewandt, dass der Wähler nur
bei Parteimitgliedern auf den Listen die Gewähr habe,
dass sie für das Programm auch tatsächlich einträten,
zeige die Wirklichkeit, dass sich der Wähler selbst bei
der aufstellenden Partei angehörenden Bewerbern kei-
neswegs sicher sein könne, dass sie später als Abgeord-
nete das Programm ihrer Partei vertreten würden. Zum
einen seien die Gewählten nicht dem Parteiprogramm,
sondern dem ganzen Volk verpflichtet (Artikel 38 Abs. 1
Satz 2 GG). Zum anderen komme es immer wieder vor,
dass Parteiprogramme von einzelnen Abgeordneten spä-
ter nicht mehr mitgetragen oder ganz oder in Teilen nicht
umgesetzt würden, etwa weil die Partei und deren Parla-
mentsfraktion im Interesse einer Koalitionsbildung oder
wegen veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse im Pro-
gramm formulierte Ziele nicht weiter verfolge. Umge-
kehrt könnten auch nicht parteizugehörige Abgeordnete
die Ziele einer Partei, die sie als Listenbewerber aufge-
stellt habe, mit Überzeugung vertreten.

Im Übrigen nimmt der Bundeswahlleiter an, dass ein
Verbot zur Aufstellung Parteifremder auf einer Landes-
liste verfassungsrechtlich zulässig sein könnte. Ein sol-
ches Verbot müsse jedoch ausdrücklich in das Bundes-
wahlgesetz aufgenommen werden.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das
gerade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe,
eine Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung
des Gebots einparteiiger Listenvorschläge nur in ein-
deutigen Umgehungsfällen in Betracht, in denen evident
sei, dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahl-
vorschlag tragenden Partei handele. Infolgedessen hätten
sich die Landeswahlausschüsse auf eine solche Evidenz-
prüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit
ersichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste
zur Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied
einer anderen Partei seien. Allerdings seien bisher kaum
konkrete und praktikable Maßstäbe entwickelt worden,
ab wann eine Liste nicht mehr der einreichenden Partei
zugeordnet werden könne, weil ihre Homogenität nicht
mehr gewährleistet sei.

„wenn sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber
durch ein gemeinsames Programm verbunden fühlen“
(BVerfGE 11, 351, 366). Diese Voraussetzung habe es
im konkreten Fall einer örtlichen Wählergemeinschaft
bzw. Rathauspartei bei einer Kommunalwahl in Nord-
rhein-Westfalen als gegeben erachtet. Auf die Fragen,
wie sich die Verbundenheit mit einem gemeinsamen Pro-
gramm äußern solle – durch die Parteizugehörigkeit der
Wahlbewerber oder auch durch andere Kriterien – und
welche Konsequenz aus einer fehlenden Verbundenheit
zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung allerdings keine
Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungsentschei-
dung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei gefolgert
worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die Auf-
nahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an
sich verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfas-
sungsgericht geforderte Homogenität der Liste müsse
nicht bereits dann verneint werden, wenn Mitglieder ei-
ner fremden Partei auf einer anderen Parteiliste erschei-
nen“. Es müsse vielmehr auf den konkreten Einzelfall
abgestellt werden, wobei es nicht nur auf die politische
Richtung des Landesverbandes der fremden Partei, son-
dern auch auf die politische Auffassung des parteifrem-
den Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Lan-
deswahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher
nicht entwickelt worden. Würden Mitglieder anderer
Parteien nur vereinzelt und nicht an prominenter Stelle
der Liste aufgestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu be-
anstanden. Die Homogenität einer Landesliste sei dage-
gen nicht mehr gewahrt, wenn etwa die Hälfte der Be-
werber einer anderen Partei angehörte. Die Grenze sei
aber abstrakt schwer zu bestimmen und hänge von den
Gesamtumständen ab. Kriterien könnten etwa eine Na-
mensergänzung oder das Nominieren von Führungs-
personen der anderen Partei sein (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur
Bundestagswahl 2005, Juni 2005, S. 10). Die teilweise
erwogene Berücksichtigung „weicher“ Kriterien, wie die
„Nähe“ der Listenbewerber zu einem bestimmten Par-
teiprogramm, sei abzulehnen (so auch König, Anmer-
kungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffentliche
Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahlaus-
schüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der
politischen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmög-
lich gewesen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen
„Nähe“ seien auch kaum objektivierbar gewesen. Als
einzig handhabbares, formales Kriterium sei die Partei-
zugehörigkeit der Landeslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gel-
tendem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht
mehr der einreichenden Partei zugeordnet werden
könne, weil der Liste mehrheitlich Mitglieder keiner
oder einer anderen Partei angehörten. Da eine Liste be-
liebig viele Bewerber, auf unter Umständen „aussichts-
losen“ Plätzen, enthalten könne, dürfe dabei nicht auf die
Liste insgesamt abgestellt werden. Es komme vielmehr
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festge-
stellt, dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei,

sowohl auf die Anzahl als auch die Platzierung der par-
teifremden Bewerber auf der Liste an. Sachgerecht und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/3900

für die Landeswahlausschüsse praktikabel sei bei der
Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewerbern des-
halb eine generalisierende, vorrangig an numerischen
Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die Zahl
der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem
Abschnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei
sollten zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2
BWG auf den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und
dann die sich anschließenden Bewerber in weiteren
Fünferabschnitten betrachtet werden. Daher habe der
Bundeswahlleiter in der Handreichung eine solche Vor-
gehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersitua-
tion noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste
habe bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der
Mehrzahl WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich
entweder vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sach-
sen: 3 von 30, Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-
Anhalt: 2 von 12) oder verstärkt auf den hinteren Plätzen
ohne Aussicht auf Einzug in den Deutschen Bundestag
(Hessen: 20 Listenplätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen:
46 Listenplätze, 3 erfolgreich). Auf den ersten 5 Listen-
plätzen der fraglichen Landeslisten (nur in Nordrhein-
Westfalen und Sachsen seien mit sieben bzw. acht Be-
werbern mehr Bewerber erfolgreich gewesen) sei jeweils
nur ein Bewerber der WASG platziert gewesen. Allein in
Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz seien auf den
ersten fünf Plätzen zwei WASG-Mitglieder platziert ge-
wesen, was aber die Homogenität dieser Landeslisten
nicht zerstört habe.

2. In einer weiteren, speziell den vorliegenden Wahl-
einspruch betreffenden Stellungnahme bestätigt der
Bundeswahlleiter bezüglich eines möglichen Verstoßes
gegen Nummer 2 der Wahlordnung der Partei DIE
LINKE., dass zum Zeitpunkt der Vertreterversammlung
in Wittenberg eine Beteiligungsanzeige der WASG für
die Bundestagswahl vorgelegen habe, die erst später
wieder zurückgezogen worden sei. Es könne aber dahin-
stehen, ob die Aufstellung von WASG-Mitgliedern auf
der Landesliste gegen die Wahlordnung verstoßen habe,
denn damit seien keine elementaren Grundsätze des
Wahlrechts verletzt worden. Die parteiinterne Kandida-
tenaufstellung sei ein wesentlicher Teil der verfassungs-
rechtlichen Funktion der politischen Parteien und zu-
gleich eine Angelegenheit der inneren Ordnung der
Parteien im Sinne des Artikels 21 Abs. 1 Satz 3 GG. So-
fern den verfassungs- und wahlrechtlichen Anforderun-
gen an ein demokratisches Aufstellungsverfahren Rech-
nung getragen werde, habe der Gesetzgeber in § 21
Abs. 5 BWG die Regelung des Verfahrens zur Aufstel-
lung von Parteibewerbern ausdrücklich dem autonomen
Parteisatzungsrecht überlassen. Die Verletzung parteiin-
ternen Satzungsrechts mache deshalb eine Aufstellung
im wahlrechtlichen Sinne noch nicht unwirksam. Nur
wenn zugleich elementare Grundsätze des Wahlrechts
oder die zwingenden Regelungen des § 21 Abs. 1 bis 3
BWG verletzt würden, werde eine Wahlbewerberauf-
stellung fehlerhaft (vgl. BVerfGE 89, S. 243, 252 f.; so-

für die Wählbarkeit von Parteilosen und Mitgliedern an-
derer Parteien, nämlich das Fehlen eines Konkurrenzver-
hältnisses, zählt nach Auffassung des Bundeswahlleiters
nicht zu den elementaren Wahlrechtsprinzipien.

Soweit der Einspruchsführer den Grundsatz der gehei-
men Wahl als verletzt rügt, da die Vertreterversammlung
offen über seine Bewerbung für den zweiten Listenplatz
abgestimmt habe, sieht der Bundeswahleiter im Ergebnis
keine Verletzung, da es keinen Bewerbervorschlag
i. S. d. § 21 Abs. 3 BWG gegeben habe, über den ge-
heim hätte abgestimmt werden müssen.

Nach den vorliegenden Auskünften des Landeswahllei-
ters und des Landesverbandes Sachsen-Anhalt der Partei
DIE LINKE. treffe der vom Einspruchsführer sehr ver-
kürzt vorgetragener Sachverhalt so nicht zu. Nach § 1
der betreffenden Wahlordnung seien nur Vertreter, die
Mitglieder der Partei DIE LINKE. seien, aktiv wahl-
berechtigt gewesen. Der Einspruchsführer sei nach
Auskunft der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters
Sachsen-Anhalts zum Zeitpunkt seiner Kandidatur aber
WASG-Mitglied gewesen; Erkenntnisse über eine zu-
sätzliche mögliche Mitgliedschaft in der Partei DIE
LINKE. lägen nicht vor. Auf der Vertreterversammlung
am 10. Juli 2005 sei die schriftliche Bewerbung des
nicht anwesenden Einspruchsführers für den Listen-
platz 2 durch eine Delegierte verlesen worden. Auf
Frage des Versammlungsleiters, ob jemand den Vor-
schlag übernehme, habe es aus der Mitte der Versamm-
lung die Wortmeldung gegeben, dass der Vorschlag nicht
übernommen, sondern vielmehr gestrichen werden solle.
Nach kurzer Diskussion habe der Versammlungsleiter
festgestellt, dass der Vorschlag nicht durch einen stimm-
berechtigten Versammlungsteilnehmer übernommen
worden sei. In offener Abstimmung sei dann über die
Streichung entschieden, der Einspruchsführer laut Wort-
protokoll „bei ganz wenigen Enthaltungen und einer
Gegenstimme […] also hiermit von der Liste gestri-
chen.“ worden. Die spätere Wahl der Bewerber für die
Landesliste sei laut Niederschrift vom 10. Juli 2005 in
geheimer Abstimmung erfolgt.

Ergänzend ergibt sich aus dem der Stellungnahme bei-
gefügten Protokollauszug, dass der Versammlungsleiter
nach Darlegung der sich aus der offenen Liste ergeben-
den Schwierigkeiten ausgeführt hat, dass ein Vorschlag
eines nicht stimmberechtigten Teilnehmers durch min-
destens einen Stimmberechtigten übernommen werden
müsse. Das Protokoll vermerkt insoweit Beifall (Proto-
kollauszug, S. 16). Nach Verlesung der Bewerbung des
Einspruchsführers und der Frage des Versammlungslei-
ters nach einer etwaigen Übernahme wurde dies durch
einen Teilnehmer abgelehnt und Streichung beantragt.
Der Versammlungsleiter sah sodann „formalrechtlich“
keine Übernahme, ließ aber, um „ganz sicher zu gehen“
abstimmen. Zuvor hatte er noch erwähnt, dass „ohnehin
ein Quorum“ erreicht werden müsste (Protokollauszug,
S. 18 f.). Dies bezog sich wohl auf Nummer 11 der
Wahlordnung, wonach sich bewerbende Nicht-PDS-Mit-
glieder der Unterstützung von fünf Prozent der gewähl-
ten Mitglieder der Vertreterversammlung bedürfen.
wie Schreiber, a. a. O. § 21 Rn. 1 m. w. N.). Die in
Nummer 2 der Wahlordnung aufgestellte Voraussetzung

Der Bundeswahlleiter geht davon aus, dass der Ver-
sammlung kein für den Listenplatz wirksamer Vorschlag

Drucksache 16/3900 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

im Sinne des § 21 Abs. 3 BWG vorgelegen habe, über
den in geheimer Wahl hätte entschieden werden müssen.
§ 21 Abs. 3 Satz 2 BWG räume jedem stimmberechtig-
ten Versammlungsteilnehmer die Befugnis ein, Wahl-
vorschläge zu unterbreiten. Diese Bestimmung sei durch
das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahl-
gesetzes vom 27. April 2001 (BGBl. I S. 698) in das
BWG eingefügt worden. Die Begründung des Gesetz-
entwurfs (Bundestagsdrucksache 14/3764, S. 7 f.) weise
darauf hin, dass das Verfahren der Kandidatenaufstel-
lung nach zwingendem Verfassungsrecht den demokrati-
schen Grundsätzen und den Verfassungsprinzipien des
Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG zu entsprechen habe. Zu
den Anforderungen an die Kandidatenaufstellung durch
die Parteien gehöre auch die Einhaltung eines Kern-
bestandes an Verfahrensgrundsätzen. Alle stimmberech-
tigten Parteimitglieder müssten Wahlvorschläge präsen-
tieren und personelle Alternativen unterbreiten können
(vgl. Schreiber, a. a. O, § 21 Rn. 14a). Sonstige sat-
zungsmäßige Regelungen seien zulässig, sofern sie nicht
den Kerngehalt der Regelung tangierten.

§ 21 Abs. 3 Satz 2 BWG räume den stimmberechtigten
Versammlungsteilnehmern ein Vorschlagsrecht ein.
Nach § 1 der o. g. Wahlordnung seien nur Mitglieder der
Partei DIE LINKE. stimmberechtigt, d. h. aktiv wahl-
berechtigt. Diese Regelung sei konform zu § 21 Abs. 1
in Verbindung mit § 27 Abs. 5 BWG, wonach Teilneh-
mer einer Mitgliederversammlung nur Mitglieder der
Partei sein könnten und Vertreter einer besonderen Ver-
treterversammlung aus der Mitte einer derartigen Mit-
gliederversammlung gewählt werden könnten und somit
auch Parteimitglieder sein müssten. Der Einspruchsfüh-
rer sei als WASG-Mitglied daher nicht stimm- und dem-
zufolge nicht vorschlagsberechtigt gewesen. Aus Wort-
laut und Gesetzesbegründung seien keine Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, dass der Regelungsgehalt des § 21
Abs. 3 Satz 2 BWG auch ein Vorschlagsrecht nicht
stimmberechtigter Versammlungsteilnehmer oder abwe-
sender nicht stimmberechtigter Personen erfassen solle.
Stattdessen begrenze diese Regelung ihrem Wortlaut
nach den befugten Personenkreis auf „jeden stimm-
berechtigten Teilnehmer der Versammlung“ und damit
Parteimitglieder. Auch die für die Versammlung ange-
wandte Wahlordnung enthalte keine näheren, dieser
Auslegung widersprechenden Regelungen zur Vor-
schlagsberechtigung.

Im vorliegenden Fall hätte somit ein stimmberechtigter
Versammlungsteilnehmer die „Selbstbewerbung“ des
Einspruchsführers aufgreifen und als eigenen Vorschlag
einbringen müssen. Die Verlesung selbst sei noch kein
Vorschlag i. S. d. § 21 BWG, sondern sei nur ein
Hinweis der Versammlungsleitung auf den Kandida-
turwunsch eines Nichtparteimitgliedes. Da jedoch nie-
mand die Bewerbung des Einspruchsführers als Vor-
schlag übernommen habe, habe kein Vorschlag im Sinne
des § 21 Abs. 3 BWG vorgelegen.

Die Frage der Abwesenheit des Einspruchsführers habe
auf die rechtliche Bewertung keinen Einfluss. Die wahl-

3. In seiner vom Bundeswahlleiter in Bezug genommenen
Stellungnahme hat der Landeswahlleiter des Landes
Sachsen-Anhalt berichtet, dass sich der Einspruchsfüh-
rer bereits mit Schreiben vom 11. August 2005 mit fast
inhaltsgleichem Text u. a. gegen die Zulassung der Lan-
desliste der Partei „DIE LINKE.PDS Sachsen-Anhalt“
gewandt habe. Er sei daraufhin u. a. auf einen möglichen
Rechtsschutz im Wahlprüfungsverfahren hingewiesen
worden. Aufgrund des Schreibens des Einspruchsführers
sei der Landesvorstand der Die Linkspartei.PDS über
den Einspruch informiert und um Stellungnahme hierzu
gebeten worden. Die Linkspartei.PDS habe ihre Stel-
lungnahme am 16. August 2005 vorgelegt. Der Stellung-
nahme sei die „Wahlordnung der VertreterInnen-
versammlung zur Wahl der BewerberInnen für die
Landesliste der PDS Sachsen-Anhalt für die Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 10. Juli 2005 in Witten-
berg“, das Abstimmungsprotokoll sowie ein Auszug aus
dem Wortprotokoll zu dieser Sitzung beigefügt gewesen.

Nach den vorgelegten Unterlagen sei eine Verletzung
wahlrechtlicher Vorschriften, insbesondere des § 21
BWG, nicht ersichtlich gewesen. Es habe keine Hin-
weise auf eine Vereinbarung bzw. Aufstellung einer
gemeinsamen Landesliste der Parteien Die Linkspar-
tei.PDS und WASG gegeben. Die WASG habe im Übri-
gen ihre Beteiligungsanzeige zurückgezogen.

Auf der besonderen Vertreterversammlung am 10. Juli
2005 habe es für einen Listenplatz mehrere Bewerber
gegeben. Jeder stimmberechtigte Teilnehmer – aus-
schließlich Parteimitglieder – hätte die Möglichkeit ge-
habt, sich selbst oder andere wahlberechtigte Personen
als Bewerber vorzuschlagen. Jeder Bewerber habe nach
seiner Vorstellung für die Nominierung auf einem be-
stimmten Listenplatz ein zustimmendes Votum der Ver-
treterversammlung benötigt. Die Abstimmung über die
Anzahl der zu besetzenden Listenplätze sei satzungs-
gemäß offen durchgeführt worden. Die Aufstellung der
Bewerber sowie die Festlegung der Reihenfolge seien
hingegen in geheimer Abstimmung erfolgt. Bezüglich
der Behandlung der schriftlichen Bewerbung des abwe-
senden Einspruchsführers decken sich die Ausführungen
mit denjenigen des Bundeswahlleiters.

Die Vorprüfung des Landeswahlleiters gemäß § 40
Abs. 1 BWO habe ergeben, dass die Landesliste voll-
ständig gewesen sei und den Erfordernissen von § 27
BWG und § 39 BWO entsprochen habe. Die Vorprüfung
habe auch die Frage der satzungsgemäßen Aufstellung
der Bewerber sowie der Ausgewogenheit zwischen
Nichtparteimitgliedern und Parteimitgliedern umfasst.
Das Ergebnis der Vorprüfung sei in einem der Stellung-
nahme beigefügten Vermerk vom 18. August 2005 nie-
dergelegt. Der Landeswahlausschuss habe am 19. Au-
gust 2005 die Landesliste der Partei – aus Sicht des
Landeswahlleiters zu Recht – zugelassen.

4. Der Einspruchsführer hat sich zu den ihm zugänglich ge-
machten beiden Stellungnahmen des Bundeswahlleiters
rechtlichen Bestimmungen besagten nicht, dass ein mög-
licher Bewerber auch anwesend sein müsse.

und der Stellungnahme des Landeswahlleiters nicht ge-
äußert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/3900

IV.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler lässt sich weder generell durch die an-
gegriffene Zulassung der Landeslisten (nachfolgend unter
Abschnitt I) noch im Hinblick auf bestimmte Vorgänge in
Sachsen-Anhalt feststellen (nachfolgend unter Abschnitt II).

I.

Die angegriffenen Landeslisten stellen sich nicht als
Verletzung oder Umgehung der diesbezüglichen Wahl-
rechtsvorschriften dar. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer ande-
ren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend unter
Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den angegriffe-
nen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlausschüsse
keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass eine
Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht werden
darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungs-
verfahren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundes-
tagswahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige
Parteizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen
sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahl-
prüfungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um partei-
fremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Partei-
mitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrecht-
lichen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen

dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Parla-
ment der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber
gemeinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht
werden darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten
Listenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen von
§ 27 Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren
Wortlaut jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt
wird dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Septem-
ber 1990 (BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste ge-
samtdeutsche Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch
eine Übergangsregelung nur für diese Wahl Listenverei-
nigungen konkurrierender Parteien und Vereinigungen
mit Sitz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen
waren (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage, § 7 Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstel-
lung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter
Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw. Partei-
losen und die anschließende Zulassung der Listen durch
die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse umgan-
gen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegen-
teiligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-

verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine
Umgehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die

Drucksache 16/3900 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Listenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der ein-
reichenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden, in-
dem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in
der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke
aller Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis
20 drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese
Liste angesichts der hinteren Platzierung und der 14
Linkspartei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Per-
sonen umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass
sich vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem
ersten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier ge-
prüften Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der
5. Wahlperiode im Anschluss an eine das nordrhein-
westfälische Kommunalwahlrecht betreffende Entschei-
dung des BVerfG von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.) von
einem auch materielle Aspekte umfassenden Homogeni-
tätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle der
Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den kon-

Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politische
Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden par-
teifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homogenität
dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer nicht
selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit ihrer
Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste auf-
stellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei
ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein je eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des je-
weils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls parla-
mentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemeinsa-
mes Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anfor-
derung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung
angesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine
abschließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
kreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf die
politische Richtung des Landesverbandes der fremden

den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/3900

verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt
kooperieren, dass die eine der anderen sichere Wahl-
kreise überlässt, um die Überwindung der Grundman-
datsklausel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an,
die zudem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zu-
sammenarbeiten, sondern einen Zusammenschluss errei-
chen will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang
auch daran, dass laut BVerfG im Falle einer Listenverei-
nigung, bei der in verfestigter Form des Zusammenwir-
kens mehrere Parteien eine gemeinsame Liste aufstellen,
die gleichmäßige Wirkung der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel gerade nicht aufgehoben wird (BVerfGE 82, 322,
346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz,
Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch Graßhof/Klein, Die
Wahl wäre ungültig, Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 6. August 2005: Sinnverfehlung der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei einge-
reichten Listen zu erreichen und damit möglicherweise
angesichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen
je nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens
III“, der Zeitpläne für die Bundesebene und der Ent-
würfe für programmatische Eckpunkte und Satzungs-
regelungen keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeit-
punkt der Entscheidung über die entsprechenden
Wahleinsprüche erkennbar geworden.

Auch Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages zwingen nicht zu einer anderen Be-
trachtung. Gemäß § 10 Abs. 1 GO-BT sind Fraktionen
„Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der
Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder
solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerich-
teter politischer Ziele in keinem Land miteinander im
Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bun-
destages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die
Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundes-
tages“. Nicht entschieden ist, ob unter § 10 Abs. 1 Satz 1
zweite Alternative GO-BT, die 1969 durch die Fraktions-
gemeinschaft von CDU und CSU veranlasst worden ist,
auch ein Zusammenschluss solcher Abgeordneten fallen
kann, die zwar aus unterschiedlichen Parteien stammen,
aber gemeinsam auf einer Liste kandidiert haben und
deren Parteien bei der Bundestagswahl nicht gegen-

den sollte, bleibt im Übrigen die Möglichkeit, einen
Zusammenschluss ausdrücklich gemäß § 10 Abs. 1
Satz 2 GO-BT anzuerkennen. Daher können geschäfts-
ordnungsrechtliche Vorgaben für die Bildung einer Frak-
tion, auch wenn sie teilweise deren Homogenität ge-
währleisten sollen, nicht auf die Interpretation des
Bundeswahlgesetzes vorwirken.

Im Übrigen stand die Auffassung des Bundeswahlleiters
in der wahlpraktischen, auf den Einzelfall abstellenden
Betrachtung nicht gänzlich allein. Eine ähnliche, wohl
durch das absehbare Vorgehen von Linkspartei.PDS und
WASG angeregte Betrachtung wollte u. a. die zeitlichen
Bedingungen und die Ernsthaftigkeit des Fusionsziels
berücksichtigen und die konkrete Zusammensetzung der
Liste (Platzierung nur vereinzelt; nicht an herausgehobe-
ner [prominenter] Stelle, etwa auf den ersten Plätzen; der
anderen Partei darf nicht die Hälfte der Bewerber
angehören), heranziehen (vgl. Schreiber, a. a. O.,
Ergänzungsinformation zur Bundestagswahl 2005, S. 10
bis 12).

II.

Auch soweit der Einspruch in seinen Bezugnahmen auf Ab-
sprachen zwischen Linkspartei.PDS und WASG als Rüge
einer Verletzung der Grundsätze der freien und gleichen
Wahl zu verstehen sein sollte, liegt kein Wahlfehler vor.
Eine Verletzung dieser auch die Wahlvorbereitung und die
Nominierung von Direktkandidaten sowie die Aufstellung
von Landeslisten erfassenden Grundsätze ist nicht festzu-
stellen. Im Falle einer Listenaufstellung gewährt § 27
Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 3 Satz 2 BWG jedem stimmbe-
rechtigten Versammlungsteilnehmer das Recht, Wahlvor-
schläge einzubringen. Dieses Recht darf seitens der betref-
fenden Partei weder durch rechtliche, insbesondere sat-
zungsmäßige Regelungen noch durch tatsächliche Maßnah-
men genommen und z. B. Parteivorständen oder anderen
Gremien vorbehalten werden (vgl. Schreiber, a. a. O., § 21
Rn. 14a: unzulässig z. B. feste Liste unter Ausschuss von
Änderungs- oder Alternativvorschlägen).

Der Einspruchsführer hat nicht dargetan, dass es bei der
Aufstellung der Listen in den einzelnen Landesverbänden
stimmberechtigten Versammlungsteilnehmern in wie auch
immer gearteter Form verwehrt worden ist, eigene Wahlvor-
schläge einzubringen und hierüber abstimmen zu lassen. Da
ein Wahlprüfungsverfahren einen substantiierten Vortrag
voraussetzt und die Wahlprüfung nicht als Durchprüfung
der gesamten Wahl von Amts wegen konzipiert ist (ständige
Auffassung des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungs-
angelegenheiten – vgl. zuletzt Bundestagsdrucksache 16/
1800, S. 186), obliegt es nicht dem Deutschen Bundestag,
von sich aus die einzelnen Aufstellungsverfahren auf Be-
achtung des Vorschlagsrechts der stimmberechtigten Ver-
sammlungsteilnehmer zu untersuchen.

Die vorgebrachten Äußerungen aus den Bereichen Links-
partei.PDS und WASG und das Vorgehen beider im Hin-
blick auf die Bundestagswahl lassen auch ansonsten keinen
Verstoß gegen die Wahlrechtsgrundsätze erkennen. Beratun-
gen in Parteigremien über die Besetzung der Listen, Erar-
beitung von Personaltableaus u. Ä. würden die Grenze zur
einander angetreten sind. Selbst wenn dies nach Wortlaut
oder Entstehungsgeschichte der Vorschrift verneint wer-

Unzulässigkeit erst überschreiten, wenn hierdurch die
Rechte aus § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 3 BWG beschnit-

Drucksache 16/3900 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ten würden. So hat das Bundesverfassungsgericht nicht be-
anstandet, wenn ein Parteivorstand oder ein anderes Gre-
mium der Parteispitze selbst mit Wahlvorschlägen hervor-
tritt. Dies stehe im Einklang mit den § 21 Abs. 4 BWG zu-
grunde liegenden Erwägungen, dem Landesvorstand einen
gewissen Einfluss auf die Kandidatenaufstellungen zu ge-
ben. Dass ein Vorschlag der Parteispitze mit einem gewis-
sen Unterstützungseffekt verbunden sein könne, hat das
Bundesverfassungsgericht gesehen, aber nicht gerügt (vgl.
BVerfGE 89, 243, 264 f.).

III.

Auch die die Aufstellung der Landesliste in Sachsen-Anhalt
betreffenden Rügen greifen nicht durch.

1. Eine mögliche Verletzung der Konkurrenzklausel der
parteiinternen Wahlordnung, wonach Mitglieder konkur-
rierender Parteien als Bewerber ausgeschlossen sind,
kann nicht zur Unzulässigkeit der Liste führen. Wie oben
ausgeführt, ist wahlrechtlich die Aufnahme von Mitglie-
dern fremder Parteien auf eine Landesliste nicht ver-
boten. Daher kann die angesprochene Bestimmung der
Wahlordnung nicht zum Kernbestand derjenigen Ver-
fahrensgrundsätze gezählt werden, ohne die laut BVerfG
(vgl. BVerfGE 89, 243, 2529) ein Vorschlag schlechter-
dings nicht Grundlage eines demokratischen Wahlvor-

gangs sein kann. Wie vom Bundesverfassungsgericht
weiterhin ausgeführt, berühren Verstöße gegen Regeln,
die nach diesem Maßstab nicht elementar sind, die Vor-
aussetzung einer Wahl i. S. d. § 21 BWG nicht und
scheiden daher von vornherein als Wahlfehler aus.

2. Auch ein Verstoß gegen § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 3
BWG, wonach die Bewerber auf der Landesliste in ge-
heimer Abstimmung zu wählen sind, ist nicht festzu-
stellen. Wie vom Bundeswahlleiter unbestritten festge-
stellt, gehörte der Einspruchsführer nicht der die Liste
aufstellenden Partei Linkspartei.PDS an. Da § 21 Abs. 3
Satz 2 BWG das Vorschlagsrecht (nur) den stimm-
berechtigten Versammlungsteilnehmern einräumt, die
Stimmberechtigung aber – wie sich aus Nummer 1 der
Wahlordnung ergibt – eine Mitgliedschaft in der PDS
voraussetzt, stand ihm nicht das Recht zu, selbst einen
Kandidatenvorschlag einzubringen. Seine „Selbstbewer-
bung“ war daher nur informeller Natur und löste noch
nicht die Notwendigkeit einer geheimen Abstimmung
aus. Dabei kann dahinstehen, ob es nach abgelehnter
Übernahme des Vorschlags überhaupt einer Abstim-
mung über die „Streichung“ bedurfte. Jedenfalls verlan-
gen diese Vorklärungen der Frage, ob ein wirksamer
Wahlvorschlag gegeben ist, noch kein geheimes Abstim-
mungsverfahren i. S. d. §§ 21, 27 BWG.

der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer

vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-

Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten aufge-
stellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/3900

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn U. T. T., 21514 Büchen
2. des Herrn C.-W. C., 20354 Hamburg

– Az.: WP 174/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2005, das am 18. No-
vember 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
haben die Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt. Der
Einspruch richtet sich gegen die Zulassung der Landeslisten
der Partei Die Linkspartei.PDS, die auch Mitglieder der
Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit umfasste.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens

als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem

durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen

Drucksache 16/3900 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

mit dem Bundesministerium des Innern erstellte Handrei-
chung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger Lan-
deslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten Par-
tei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Die Einspruchsführer rügen zum einen – insoweit textiden-
tisch mit dem Wahleinspruch Az. WP 165/05 – dass die Zu-
lassung „mehrparteiiger“ Landeslisten durch die Landes-
wahlausschüsse gemäß § 28 BWG rechtswidrig gewesen sei
und insbesondere Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes
und der Wahlrechtsgrundsätze verletzt habe (nachfolgend
unter Buchstabe a). Zum anderen sind sie der Auffassung,
das bei der Aufstellung der Landeslisten gegen die Grund-
sätze der freien und gleichen Wahl verstoßen worden sei
(nachfolgend unter Buchstabe b).

a) Die Einspruchsschrift zeigt zunächst die Vorgaben für
Listenverbindungen und -vereinigungen auf. So würden
bei Listenverbindungen Landeslisten zu einer größeren
Einheit verbunden. Ein solcher Zusammenschluss zwi-
schen den Listen einer Partei werde in § 7 Abs. 1 BWG
als Regelfall ausdrücklich angeordnet. Diese Vorschrift
sei abschließend; anderweitige Möglichkeiten einer Lis-
tenverbindung kenne das Bundeswahlgesetz nicht. Als
Umkehrschluss sei daher eine Listenverbindung mehre-
rer Parteien unzulässig.

Wie vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festge-
stellt, beruhe diese einfachgesetzliche Unzulässigkeit
auf den Prinzipien der Chancengleichheit der Parteien
sowie der Wahlgleichheit (BVerfGE 82, 322, 345 ff.).
Denn die gleichmäßige Wirkung der Fünf-Prozent-
Sperrklausel für alle an einer Wahl teilnehmenden Par-
teien werde für diejenigen Parteien bzw. Listenwahlvor-
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

schläge durchbrochen, die eine Listenverbindung erklär-
ten. Diese Erklärung bewirke, dass für die Überwindung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/3900

der Sperrklausel der Prozentsatz maßgeblich sei, der sich
aus der Summe der auf die verbundenen Listen abgege-
benen Stimmen errechne. Auf diese Weise könnten bei
der Sitzverteilung Parteien berücksichtigt werden, die je
für sich im Wahlgebiet die Fünf-Prozent-Grenze verfehlt
hätten. Überwände gar eine der die Listenverbindung
eingehenden Parteien mit ihrem Wahlvorschlag bereits
aus eigener Kraft die Sperrklausel, so brauchte die
zweite an der Listenverbindung beteiligte Partei dazu
nichts mehr beizutragen.

Dem unterschiedlichen Erfolgswert der auf eine ver-
bundene Landesliste abgegebenen Wählerstimmen ge-
genüber den auf eine nicht verbundene Landesliste ent-
fallenen Stimmen entspreche laut BVerfG zudem ein
unterschiedlicher Erfolgswert der einzelnen Wahl-
stimme. Jeder, der für eine der verbundenen Listen
stimme, könne dazu beitragen, dass auch die auf die an-
dere Liste entfallenden Stimmen im Verhältnisausgleich
Berücksichtigung fänden. Er verhelfe also einer Liste
zum Erfolg, für die er gar nicht gestimmt habe. Eine
derart unterschiedliche Gewichtung der Stimmen wider-
spreche der Wahlrechtsgleichheit so grundlegend, dass
es schon von daher keinen rechtfertigenden Grund für
die Chancenungleichheit der Parteien gebe.

Eine Listenvereinigung liege vor, wenn mehrere Parteien
unter dem Namen dieser Parteien eine gemeinsame Liste
aufstellen, auf welcher die Bewerber in eine feste Rang-
folge gebracht werden. Es gehe also nicht nur um eine
„Zählgemeinschaft“ sondern um eine „verfestigte Form
des Zusammenwirkens“ verschiedener Parteien (vgl.
BVerfGE 82, 322, 346). Nach geltendem Wahlrecht sei
ein solch mehrparteiiges Zusammenwirken nicht vor-
gesehen und damit unzulässig. Nach dem Bundeswahl-
gesetz seien nur einzelne, nicht aber mehrere Parteien
gemeinschaftlich wahlvorschlagsberechtigt (vgl. beson-
ders § 18 Abs. 5, § 27 Abs. 2 sowie ferner § 6 Abs. 4,
§ 7 Abs. 1, § 20 Abs. 4 BWG, wo jeweils ausdrücklich
nur eine Partei in Bezug genommen werde). Dement-
sprechend habe auch das BVerfG festgestellt, „daß nur
einzelne Parteien oder politische Vereinigungen einen
Listenwahlvorschlag machen können.“ (BVerfGE 82,
322, 347).

Von einer Listenvereinigung weiche das jetzige Vor-
gehen dadurch ab, dass nur die Linkspartei.PDS Listen
vorgeschlagen habe – aber auch mit Kandidaten einer
anderen, nicht zur Wahl angetretenen Partei. Dies habe
formell, nicht aber materiell dem „Einparteienprinzip“
entsprochen.

So habe bereits 1968 das BVerfG ein solches Vorgehen
als „‚verdeckt-gemeinsamen‘ Wahlvorschlag“ charakte-
risiert, allerdings keine Aussage zur Zulässigkeit derar-
tiger Vorschläge treffen müssen. Im Hinblick auf das
jetzige Vorgehen sei häufig auch von „offenen“ bzw.
„geöffneten Listen“ die Rede gewesen (vgl. insofern die
o. g. Handreichung). Allerdings sollten beide Begriffe
nicht synonym verwandt werden: Denn die „offene
Liste“ sei bislang dadurch gekennzeichnet, dass eine
Partei auf einzelnen ihrer Listen Parteilose sowie Mit-
glieder anderer Parteien platziere, ohne aber mit diesen

wahltaktischen Interesse, weil sie erwarte, dass die
„fremden“ Kandidaten zwar besondere Wählergruppen
ansprechen würden, ohne aber die Programmatik einer
anderen Partei zu vertreten.

Dieser „Normalfall“ der „offenen Liste“ sei in der Ver-
gangenheit schon vorgekommen: So hätten bei der Wahl
zum 5. Deutschen Bundestag auf der CSU-Landesliste
zwei Mitglieder des Bundes der Heimatvertriebenen und
Entrechteten (BHE) und auf zwei Listen der SPD eben-
falls je zwei Mitglieder des BHE Platz gefunden. Bei
einer Wahlprüfung habe der Deutsche Bundestag darin
keinen Wahlfehler gesehen (Bundestagsdrucksache V/
1115). Vielmehr habe er festgestellt, dass die auf die bei-
den Landeslisten aufgenommenen Kandidaten die jewei-
ligen politischen Grundsätze der aufstellenden Parteien
anerkannt hätten. Auch seien die beiden aufstellenden
Parteien davon ausgegangen, dass die BHE-Mitglieder
sich bei ihren Entscheidungen zu den politischen Grund-
sätzen der aufnehmenden Partei bekennen würden. Von
einer mangelnden Homogenität der Landeslisten hätte
deshalb nicht die Rede sein können. Die Feststellungen
des Deutschen Bundestages sind nach Auffassung der
Einspruchsführer allerdings vor dem Hintergrund eines
„Verfallsprozesses“ des BHE zu lesen. Seine Mitglieder
hätten zur Fortsetzung ihrer politischen Karriere und
nicht zum Nutzen ihrer Partei „Unterschlupf“ bei ande-
ren Parteien gesucht. Selbst wenn die Bewerber ein
Mandat erhalten hätten, sei es angesichts des Auseinan-
derbrechens des BHE nicht zu erwarten gewesen, dass
sie im Deutschen Bundestag wieder gemeinsam für die
politischen Ziele dieser Partei gefochten hätten. Insofern
könne man die damalige Entscheidung des Deutschen
Bundestages hinnehmen.

Vorliegend gehe es um eine andere Qualität der Bildung
„offener Listen“. Hier seien Parteien aus jeweils eigen-
nützigen Interessen im gesamten Wahlgebiet planmäßig
und gezielt vorgegangen, um ihren Mitgliedern Mandate
zu sichern. Dabei hätten sie verabredet, gerade promi-
nenten Mitgliedern der formell nicht zur Wahl antreten-
den WASG auch vordere aussichtsreiche Listenplätze zu
geben. Beiden Parteien sollte so möglich werden, im
Deutschen Bundestag ihre programmatischen Vorstel-
lungen zu artikulieren. Schon im Hinblick auf § 7 BWG
sei dabei unerheblich, dass nicht für alle Landeslisten
WASG-Mitglieder platziert werden konnten.

Die im Vorfeld und während des Nominationsverfahrens
abgegebenen Erklärungen von Linkspartei.PDS und
WASG (die Einspruchführer beziehen sich insoweit auf
mehrere zu den Akten genommene Unterlagen, insbe-
sondere einen von drei früheren SPD-Bundestagsabge-
ordneten unterzeichneten „PDS-WASG-Aufruf“) hätten
es dabei gerade nicht nahe gelegt, dass sich die WASG-
Vertreter uneingeschränkt zu den politischen Grund-
sätzen der aufnehmenden Partei bekennen wollten. Es
sollte gerade keine „Vereinnahmung“ der WASG durch
die Linkspartei erfolgen; vielmehr sollte die „politische
Vielfalt“ Beachtung finden. „Vorbehalte“ der WASG ge-
gen die Linkspartei hätten nur „im Interesse einer breiten
linken Oppositionsbildung zurückzustellen“ sein sollen.
Parteien zielgerichtet zusammenzuwirken. Die aufstel-
lende Partei handele hier ausschließlich im eigenen

Damit hätten WASG und Linkspartei mit ihren „offenen
Listen“ genau das erreichen wollen, was bei einer förm-

Drucksache 16/3900 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

lichen Listenvereinigung möglich sei: Der Einzug
zweier Parteien in den Deutschen Bundestag, ohne dass
jede jeweils die Fünf-Prozent-Hürde überspringen
müsse. Den Weg einer Listenvereinigung seien sie nur
wegen des „real existierenden Wahlrechts“ nicht gegan-
gen; mit ihrer Umgehung hätten sie aber dasselbe Ziel
erreicht.

Ausgehend von dieser begrifflich-systematischen Ein-
ordnung des Vorgehens qualifizieren die Einspruchs-
führer die Einreichung eines „verdeckt-gemeinsamen
Wahlvorschlags“ als verschleierte faktische Listenverei-
nigung und daher als Umgehung des Verbots mehrpar-
teiiger Wahlvorschläge schon nach einfachgesetzlichem
Bundeswahlrecht.

Das Verbot der Listenvereinigungen folge nicht nur aus
dem Wortlaut des Bundeswahlgesetzes, sondern auch
aus der zitierten Entscheidung des BVerfG zur ersten ge-
samtdeutschen Wahl. Sie sei wie selbstverständlich von
einem bundeswahlrechtlichen Grundsatz ausgegangen,
dass nur eine Partei eine Liste einreichen dürfe. Nur we-
gen der besonderen Bedingungen dieser Wahl sei es für
zulässig gehalten worden, Listenvereinigungen von Par-
teien zu erlauben, die ihren Sitz im Gebiet der ehemali-
gen DDR gehabt hätten (vgl. BVerfGE 82, 322, 346 ff.).
Eine hierauf folgende Zulassung von Listenvereinigun-
gen durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-
wahlgesetzes vom 8. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2141) sei
mit der Neufassung des Bundeswahlgesetzes vom
23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288) wieder ersatzlos entfal-
len. Somit habe der Gesetzgeber die Listenvereinigun-
gen legitimierenden Voraussetzungen – ungleiche Be-
dingungen für Parteien in den neuen Ländern bei der
ersten gesamtdeutschen Wahl – als nicht mehr gegeben
angesehen und sei für die zweite gesamtdeutsche Wahl
zur „einparteiigen Liste“ zurückgekehrt. Dies müsse sich
auf die einfachrechtliche Bewertung verdeckt-gemeinsa-
mer Wahlvorschläge auswirken. Sofern es sich bei die-
sen – wie vorliegend – um eine Umgehung des Verbots
der Listenvereinigung handele, d. h. eine verschleierte
faktische Listenvereinigung, könne auch dieses Zusam-
menwirken mehrerer Parteien bei der Listenaufstellung
nach geltendem Recht keinen Bestand haben. Das in
§ 27 Abs.1, 2 BWG statuierte Gebot einparteiiger Lis-
tenvorschläge sei daher so zu interpretieren, dass jede
Form mehrparteiigen Zusammenwirkens – offen oder
verdeckt – ausgeschlossen sei. Allenfalls einzelne partei-
lose Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer
bisherigen Partei eine neue politische Heimat suchten,
könnten deshalb auf einer „offenen Landesliste“ Platz
finden.

Diese Deutung des § 27 BWG bestätige sich in einer
engeren und weiteren systematischen Betrachtung des
Bundeswahlgesetzes sowie anderer parteienbezogener
Regelungen.

So liefere § 48 Abs. 1 Satz 2 BWG einen Anhaltspunkt
für das Verbot verdeckt-gemeinsamer Listen. Danach
blieben bei der Berufung von Listennachfolgern diejeni-
gen Listenbewerber unberücksichtigt, die seit Aufstel-
lung der Liste aus der aufstellenden Partei ausgeschieden

der Listenpartei über die Mitgliedschaft aufs Engste ver-
bunden seien. Entfalle diese nachträglich, solle der Be-
werber trotz an sich hinreichender demokratischer Legi-
timation die Partei und ihre Programmatik nicht mehr im
Deutschen Bundestag repräsentieren dürfen.

Aber auch die Regelungen zur Wahlkampfkostenerstat-
tung (§ 18 ff. PartG) seien ersichtlich davon geleitet,
dass die Listenbewerber über die Parteizugehörigkeit, je-
denfalls aber durch gemeinsame politische Wert- und
Zielvorstellungen, mit der Listenpartei aufs Engste ver-
bunden seien: Wahlkampfkostenerstattung erhalte näm-
lich die Partei für ihren Listenerfolg. In die Liste aufge-
nommene, aber nicht der Listenpartei angehörende
Kandidaten würden dabei der die Liste aufstellenden
Partei zugerechnet. Für ein verabredetes gemeinsames
Vorgehen von zwei Parteien, die nur unter dem Namen
einer der Parteien eine Liste aufstellten, passten diese
Regelungen hingegen nicht. Maßstab der Zuteilung
staatlicher Mittel an Parteien sei insoweit der Erfolg der
Partei bei den Wählern. Befänden sich aber auf der Liste
der Linkspartei prominente WASG-Mitglieder, könne
die Zustimmung der Wähler zu einer solchen Liste nicht
allein der Linkpartei gelten. Staatliche, nach diesem
Maßstab der Linkspartei zugeteilte Mittel entsprächen
daher gerade nicht ihrem Erfolg bei den Wählern. Die
Wahlkampfkostenerstattung sei dabei auch nicht bloß
eine Entschädigung für tatsächlich im Wahlkampf ent-
standene Ausgaben, sondern vielmehr tragende Säule
staatlicher Parteienfinanzierung überhaupt. Von daher
gehe der mögliche Einwand a priori ins Leere, dass der
lediglich „verdeckt“ kandidierenden Partei durch den
Wahlkampf auch keine Kosten entstünden – abgesehen
davon, dass eine solche Betrachtungsweise ohnehin
nicht den realen Gegebenheiten entsprechen dürfte.

Dass bundeswahlrechtlich der Einzug zweier Parteien in
den Deutschen Bundestag über eine Parteiliste nicht
vorgesehen sei, bestätige schließlich die Regelung der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages über die
Bildung von Fraktionen. Beide von § 10 Abs. 1 Satz 1
GO-BT genannten Möglichkeiten zur Fraktionsbildung
passten nicht auf die Situation von WASG und Linkspar-
tei. Als Regelfall sei eine Fraktionsbildung nur solchen
Abgeordneten gestattet, „die derselben Partei […] ange-
hören“. Auf Listenbewerber, welche über eine „ge-
mischte Liste“ in den Deutschen Bundestag gewählt
worden seien, treffe diese Voraussetzung ersichtlich
nicht zu. Entgegen der für die Linksfraktion augen-
scheinlich geübten parlamentarischen Praxis könne in
derartigen Fällen eine Fraktionsbildung auch nicht ohne
weiteres auf die zweite Alternative des § 10 Abs. 1
Satz 1 GO-BT („[…] oder solchen Parteien angehören,
die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in kei-
nem Land miteinander im Wettbewerb stehen.“) gestützt
werden. Diese Alternative greife gegenwärtig nur für
CDU und CSU, die auf Grund einer Abrede in keinem
Bundesland miteinander politisch konkurrieren. Zwar
sei die WASG bewusst nicht zur Bundestagswahl ange-
treten, um der Linkspartei keine Konkurrenz zu machen
und das gemeinsame Wählerpotential zu bündeln. § 10
Abs. 1 Satz 1 GO-BT stelle aber nicht (nur) auf eine
seien. Implizit gebe dies zu erkennen, dass das Gesetz
sich nur solche Listenbewerber vorstellen könne, die mit

Konkurrenzsituation anlässlich von Wahlen ab, sondern
auch darauf, ob politische Vereinigungen generell im

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/3900

politischen Wettbewerb zueinander stünden. Letzteres
treffe auf beide Parteien zu, da es sich nach wie vor um
eigenständige politische Parteien handele, die dement-
sprechend ein egoistisches Interesse hätten, möglichst
viele Anhänger und Mitglieder hinter sich zu scharen.
Hinzu komme, dass es bezüglich der 2006 anstehenden
Landtagswahlen nicht als gesichert erscheine, dass es
nicht zu einem offenen Wahlwettbewerb kommen
werde.

Die einfachrechtlich abgeleitete Unzulässigkeit ver-
deckt-gemeinsamer Wahlvorschläge werde auch durch
die in Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Bünde-
lungsfunktion der politischen Parteien sowie durch das
dem demokratischen Prinzip zuzurechnende Gebot der
Wahlvorschlagswahrheit verfassungsrechtlich fundiert.

Das Bundesverfassungsgericht erkenne die Parteien als
verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die
politische Willensbildung des Volkes an und habe sie in
den Rang verfassungsrechtlicher Institutionen erhoben.
Sie seien die für die Demokratie notwendigen Hand-
lungseinheiten, um die Wähler zu politisch aktionsfähi-
gen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen einen
wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen zu er-
möglichen (BVerfGE 11, 266, 273; 41, 399, 416). Bei
der politischen Willensbildung komme ihnen eine Bün-
delungsfunktion unter anderem durch Aufgreifen von
Meinungen und Formulierung von Zielen zu. In § 27
Abs. 1 BWG sei dieser Bündelungsfunktion durch ein
Nominationsmonopol bei der Listenaufstellung entspro-
chen. Dieses verfassungsrechtlich zwar nicht gebotene,
aber zulässige Monopol fließe laut BVerfG „aus der Na-
tur der Sache“, weil „die Listenwahl Gruppen mit einem
gemeinsamen Programm […] voraussetzt“ (BVerfGE 5,
77, 82; vgl. auch 46, 196, 199; 11, 351, 366).

Die verfassungsrechtlich fundierte Bündelungsfunktion
und das aus ihr folgende einfachrechtliche Monopol bei
der Listenaufstellung verlange deshalb eine enge Identi-
fikation des Bewerbers mit dem politischen Programm,
für dessen Repräsentation er ein Mandat des Wählers an-
strebe.

Im geltenden Wahlsystem wähle man mit der Zweit-
stimme zwar die auf einer Liste Nominierten. Dies er-
folge aber nicht personalisiert, sondern pauschaliert
durch Ankreuzen einer Liste, die einer bestimmten Partei
und damit einem bestimmten Programm zuzurechnen
sei. Nicht die Abgeordneten stünden deshalb für den Bür-
ger im Vordergrund seiner Entscheidung, sondern die
von ihm unterstützte politische Programmatik. Die auf
der Liste Nominierten versprächen dem Bürger dabei
konkludent, für die von ihm favorisierte Programmatik
zu stehen. Der Wähler müsse sich darauf verlassen kön-
nen, dass die über die Zweitstimme Legitimierten für
diese Programmatik im parlamentarischen Willensbil-
dungsprozess auch eintreten würden. Insoweit trete auch
die demokratiesichernde Dimension der Wahl hervor.
Artikel 38 GG verbürge nicht nur die Wahlteilnahme,
sondern auch das Recht auf Mitwirkung an der Legitima-
tion der Staatsgewalt und auf Einflussnahme an ihrer
Ausübung (vgl. BVerfGE 89, 155, 171 f.). Sei es deshalb

meinsamen Programm“ eingeräumt sei, so drohe dem
Wähler diese Aussicht auf Einfluss verloren zu gehen,
wenn er sich nicht auf die politische Identität der ihm
vorgelegten Liste, d. h. nicht auf das programmkonforme
Verhalten der Gewählten, verlassen könne. Diese Ge-
wissheit könne er aber nur haben, wenn die Bewerber mit
der die Liste unterbreitenden Partei über die Parteimit-
gliedschaft verbunden seien. Aus dem demokratischen
Gehalt des Wahlrechts folge daher auch das Gebot einer
entsprechenden Wahlvorschlagswahrheit. Der einer an-
deren Partei angehörende Listenbewerber gerate zwangs-
läufig in einen Loyalitätskonflikt. Dem Wähler gegen-
über erwecke er den Anschein, für die Programmatik der
aufstellenden Partei einzutreten; über seine anderweitige
Parteimitgliedschaft sei er aber zugleich einem anderen,
möglicherweise gegenläufigen Programm verpflichtet.
Die Parteien selbst unterstellten einen Loyalitätskonflikt,
wenn sie eine Doppelmitgliedschaft nicht gestatteten
bzw. einen Verstoß gegen dieses Verbot im Regelfall mit
Parteiausschluss sanktionierten. Bezogen auf einen sol-
chen „fremdparteiigen“ Abgeordneten könne der Wähler
mithin nicht sicher sein, ob er tatsächlich für das politi-
sche Programm eintreten werde, für das die verdeckt ge-
meinsame Liste seine Stimme erhalten habe.

Vorstehende Erwägungen würden allerdings nicht in
gleichem Maße für Parteilose gelten, da sie nicht in
einen derartigen Loyalitätskonflikt geraten könnten.
Vielmehr machten sie sich durch ihre Kandidatur für
eine bestimmte Partei deren Programmatik zu eigen. Ihr
dem Bürger konkludent abgegebenes Versprechen, hier-
für auch einzustehen, könnten sie deshalb prinzipiell
erfüllen. Dieser Aspekt bedarf für die Einspruchsführer
jedoch keiner weiteren Vertiefung, da nur die Kandidatur
von WASG-Kandidaten auf Linkspartei-Listen gerügt
werde.

Wollte man demgegenüber statt einer Identifikation stif-
tenden Parteimitgliedschaft eine wie auch immer gear-
tete und nachvollziehbare Homogenität der politischen
Ziele der Bewerber ausreichen lassen, dürfte das Nomi-
nationsmonopol nicht auf Parteien im Sinne des § 2
PartG beschränkt bleiben, sondern müsste auch ad hoc
gegründeten Wählervereinigungen Parteiloser zugebil-
ligt werden, die auch durch ein ad hoc aufgestelltes Pro-
gramm hinreichend eng verbunden seien.

Nicht entgegengehalten werden könne, dass der Wähler
frei sei, ob er einer „gemischten Liste“ die Repräsenta-
tion seiner Anliegen zutraue oder nicht. Mit Ausnahme
entsprechender Erklärungen von Bewerbern sei für den
Wähler nicht ohne weiteres erkennbar, für welche Pro-
grammatik ein Bewerber kraft seiner Parteizugehörigkeit
einstehe. Auf den Listen würden die Bewerber ohne
Zusatz ihrer Parteizugehörigkeit aufgeführt (vgl. § 30
Abs. 2 Nr. 2 BWG); sie firmierten mithin pauschal als
Bewerber dieser Partei. Gleiches gelte, sofern der Wäh-
ler Einsicht in die Listenunterlagen beim Landeswahl-
leiter nehme. Das geltende Wahlrecht trete damit einer
„Verschleierung“ der tatsächlichen Parteizugehörigkeit
nicht wirkkräftig genug entgegen. Doch sei gerade dies
ein weiteres Indiz, dass sich das Bundeswahlgesetz ein
diese Einflussnahme, auf die hin dem Bürger mit der
Zweitstimme auch die Wahl einer „Gruppe mit einem ge-

heimliches Auseinanderfallen von Listen- und Bewer-
berpartei nicht vorstelle. Ließe es dennoch ein solches

Drucksache 16/3900 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auseinanderfallen zu, liefe dies nicht nur der Bünde-
lungsfunktion der Parteien, sondern auch dem demokra-
tischen Prinzip einer transparenten Wahlofferte an den
Bürger zuwider.

Das Verbot verdeckt-gemeinsamer Wahlvorschläge
rechtfertige sich verfassungsrechtlich auch angesichts
des Anliegens der Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 6
Abs. 6 BWG und sichere den verfassungsrechtlichen
Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Dabei ge-
hen die Einspruchsführer nicht von einer Verletzung der
Wahlrechtsgleichheit aus. So habe das BVerfG gegen
Listenvereinigungen nicht in gleichem Maße Bedenken
wie gegen Listenverbindungen. Durch ein solches Zu-
sammenwirken werde die gleichmäßige Wirkung der
Sperrklausel gerade nicht aufgehoben, da auch auf eine
Listenvereinigung die zur Sperrklauselüberwindung er-
forderlichen Stimmen entfallen müssten. Die Zulassung
von Listenvereinigungen mache daher den Erfolgswert
der abgegebenen Stimmen nicht über das Maß hinaus
ungleich, das vom Zweck einer für alle Listenwahl-
vorschläge in gleicher Weise geltenden Sperrklausel ge-
deckt sei (BVerfGE 82, 322, 346 f.). Gleiches werde für
den verdeckt-gemeinsamen Wahlvorschlag anzunehmen
sein.

Etwas anderes gelte aber für das aus Artikel 21 Abs. 1
GG herzuleitende Gebot der Chancengleichheit der Par-
teien. Sowohl die Listenvereinigung als auch der ver-
deckt-gemeinsame Wahlvorschlag seien geeignet, die
Sperrklausel auszuheben und dadurch die so zusammen-
wirkenden Parteien zu privilegieren. Der hierin liegen-
den Verzerrung der Chancengleichheit zwischen allen an
der Wahl teilnehmenden Parteien sowie auch der da-
durch verursachten Gefährdung der Funktionsfähigkeit
des Parlaments wirke das Verbot beider Formen gemein-
samer Wahlvorschläge entgegen. Ein verfassungsrecht-
lich zwingender Grund, der demgegenüber die Zulas-
sung gebiete, sei nicht ersichtlich:

Mit der sog. Sperrklausel solle laut BVerfG den mit dem
Verhältniswahlsystem verbundenen Gefahren des Auf-
kommens kleiner und kleinster Parteien, mithin der Par-
teienzersplitterung, begegnet werden, aus denen sich
ernsthafte Beeinträchtigungen der Aktionsfähigkeit des
Parlaments ergeben könnten (vgl. zuletzt BVerfGE 95,
408, 419). Dieses Ziel werde durch die Zulassung ge-
meinsamer Wahlvorschläge unter mehreren Gesichts-
punkten gefährdet. Infolge der beabsichtigten „Attrakti-
vität“ für einen erweiterten Wählerkreis erhöhe sich für
die mit einer gemeinsamen Landesliste auftretenden Par-
teien zum einen ihre andernfalls so nicht gegebene
Chance zur Überwindung der Sperrklausel. Da die über
eine gemeinsame Liste Gewählten unterschiedlichen
Parteien angehörten, könnten sie wegen § 10 Abs. 1
Satz 1 GO-BT nicht mit Sicherheit eine gemeinsame
Fraktion bilden, was das Risiko der Parteienzersplitte-
rung im Parlament noch zusätzlich verstärke. Mögli-
cherweise könnte wegen unterschiedlicher Parteizuge-
hörigkeit und unterschiedlicher politischer Ziel- und
Akzentsetzungen sogar gar nicht die Bildung einer ge-
meinsamen Fraktion beabsichtigt sein. Da es bei ver-

müssten sich die Parteien nicht auf ein Aufstellungsver-
fahren einigen; die „Nominationsherrschaft“ liege allein
bei der aufstellenden Partei; die Bewerber der anderen
Partei[en] wären nur „Gäste“) sei schließlich die Gefahr
eines Auseinanderbrechens dieses Gebildes nach erfolg-
reicher Wahl tendenziell noch größer als bei einer (förm-
lichen) Listenvereinigung. Letzteres werde eindrucks-
voll gerade durch das Beispiel der hier beteiligten
Parteien belegt. Die permanenten Querelen in den Lan-
desverbänden seien eine ständige Bedrohung für die
Existenz einer gemeinsamen Fraktion.

Zudem würde durch die Zulässigkeit gemeinsamer
Wahllisten die Chancengleichheit der Parteien empfind-
lich berührt: Denn kleinere, keinen „Kooperationspart-
ner“ findende Parteien hätten deutlich schlechtere Aus-
sichten, Abgeordnete in den Deutschen Bundestag zu
entsenden. Eine kleine Partei, die mit prominenten Ver-
tretern im Deutschen Bundestag vertreten sein könne,
habe ein weitaus wirksameres Forum als eine Partei, die
auf außerparlamentarisches Wirken und Werben ange-
wiesen bleibe.

Dass das BVerfG 1990 die Zulassung von Listenvereini-
gungen gefordert habe, stehe dem nicht entgegen. Da-
mals hätten sich die Beeinträchtigungen der Anliegen
der Fünf-Prozent-Klausel und der Chancengleichheit der
Parteien durch die historisch einmalige Situation über-
zeugend legitimieren lassen. Das Gericht habe zu Recht
eine nicht voll ausgeprägte und funktionierende Par-
teienlandschaft im Beitrittsgebiet betont, die kompen-
siert werden sollte (vgl. BVerfGE 82, 322, 349 ff.). Ver-
gleichbar schwerwiegende Umstände lägen jetzt nicht
vor. Die betreffenden Parteien hätten ausreichend Zeit
gehabt, sich zu organisieren, für ihre Anliegen zu wer-
ben und sich auf die Bundestagswahl 2005 vorzuberei-
ten. Zwar gäben sie möglicherweise vor, wegen der vor-
gezogenen Neuwahlen eine Fusion nicht mehr hätten
organisieren zu können. Das Wahlrecht gebe hierfür aber
keinen Anspruch auf ein ausreichendes Zeitbudget, zu-
mal nach der grundgesetzlichen Ordnung eine Bun-
destagsauflösung und damit vorgezogene Neuwahlen
durchaus mitgedacht seien.

Die Einspruchsführer wenden sich weiterhin dagegen,
dass die Landeswahlausschüsse den vorstehenden ein-
fachgesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Einwänden
nach Maßgabe einer Handreichung des Bundeswahllei-
ters durch das Kriterium einer hinreichenden Homogeni-
tät begegnen wollten und referieren den bereits oben
wiedergegebenen wesentlichen Inhalt dieser Handrei-
chung. Diese Homogenitätsbetrachtung jenseits des Kri-
teriums der Parteizugehörigkeit könne die Problematik
einer parlamentarischen Zersplitterung jedoch nicht ban-
nen. Mit jedem parteifremden Bewerber auf einer Liste
– und sei es bundesweit nur einer – steige das Risiko der
Abspaltung und Bildung einer eigenständigen Gruppe
oder Fraktion. Da die Zusammensetzung des Deutschen
Bundestages nicht selten durch knappe Mehrheiten ge-
prägt sei, könne auch wenigen, möglicherweise sogar
einem einzelnen Abgeordneten entscheidendes Gewicht
zukommen.
deckt-gemeinsamem Handeln an jeder „verfestigten
Form des Zusammenwirkens“ i. S. d. BVerfG fehle (so

Auch die Chancengleichheit werde nicht erst mit dem
Überschreiten einer bestimmten Zahl von Kandidaten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/3900

einer anderen Partei verletzt. So habe die WASG allein
durch das Auftreten der Abgeordneten Oskar Lafontaine
und Ulrich Maurer im Deutschen Bundestag erhebliche
Vorteile gegenüber an der Sperrklausel gescheiterten
Parteien, obwohl diese möglicherweise mehr Stimmen
als die WASG im Falle eines alleinigen Antritts erhalten
hätten. Rein quantitative Gesichtspunkte wie das Be-
trachten der Listen in Fünferblöcken, der Anzahl par-
teifremder Bewerber sowie deren Platzierung könnten
deshalb unter dem Gesichtspunkt der Parteienzersplitte-
rung und Chancengleichheit bei der Bewertung der Zu-
lässigkeit verdeckt-gemeinsamer Listenvorschläge keine
Rolle spielen. Zudem übersehe diese Sichtweise, dass
solche „numerischen“ Merkmale über die Homogenität
keine brauchbare Auskunft geben könnten. Denn ein
bundesweit bekannter Bewerber, wie etwa der auf Platz
eins der Landesliste Nordrhein-Westfalen erfolgreiche
Oskar Lafontaine, könne – selbst wenn er der einzige
WASG- Kandidat sein sollte – die Fraktionsarbeit der
Linkspartei inhaltlich weit nachhaltiger beeinflussen als
drei oder vier relativ unbekannte und politisch uner-
fahrene WASG-Mitglieder – und zwar unabhängig von
ihrer Listenplatzierung.

So habe auch das BVerfG in seinen Entscheidungen, in
denen deskriptiv vom politischen Wesen einer Liste ge-
sprochen werde und die als Beleg für das Homogenitäts-
kriterium bemüht würden, nicht auf solche „numeri-
schen Aspekte“, sondern auf die Verbundenheit einer
Gruppierung durch ein gemeinsames Partei- oder Wahl-
programm, mithin auf ein inhaltliches Kriterium, rekur-
riert.

Auch diese Feststellungen führten nicht zu einer Zuläs-
sigkeit verdeckt-gemeinsamer Listen. Das zeige zu-
nächst der Vergleich mit einer (offen-gemeinsamen) Lis-
tenvereinigung, die unstreitig unzulässig sei. Ihr Wesen
bestehe gerade in der politischen Homogenität der zu-
sammenfindenden Parteien. Folglich könne eine unter-
schiedliche Parteizugehörigkeiten übergreifende inhalt-
liche Homogenität kein Kriterium sein, das einen
gemeinsamen Wahlvorschlag zulässig machen könnte.
Sie zum Prüfungsmaßstab zu erheben, würde eine vom
Bundeswahlrecht gerade verschlossene Tür öffnen. So
sei § 27 Abs. 1, 2 BWG das Verbot jeder Form mehrpar-
teiiger Wahlvorschläge – seien sie offen oder verdeckt –
zu entnehmen. Einer (vermeintlichen) inhaltlichen Ho-
mogenität von Linkspartei und WASG könne daher
keine legitimatorische Funktion zukommen.

Selbst wenn man auf eine inhaltliche Homogenität im
Sinne gleichgerichteter politischer Ziele (vgl. § 10
Abs. 1 Satz 1 GO-BT) abstellte, zeigten sich unter
Bezug auf Programmaussagen und sonstige Unterlagen
erhebliche Unterschiede beider Parteien. So strebe die
Linkspartei einen grundlegenden Systemwechsel zu ei-
nem „demokratischen Sozialismus“ an. Praktisch solle
dies in einer umfassenden gesellschaftlichen Kontrolle
und demokratischen Mitbestimmung in allen Bereichen
der Wirtschaft seinen Ausdruck finden. Vor allem wür-
den Alternativen zur jetzigen Eigentumsordnung gefor-
dert. Entsprechend halte sie an der grundgesetzlich prin-

bzw. zu verstaatlichen. Die WASG hingegen strebe sol-
che Ziele nicht oder zumindest nicht mit dieser Radikali-
tät an: Weder fordere sie eine grundlegende Änderung
des bundesrepublikanischen Gesellschaftssystems noch
eine tief greifende Veränderung der Eigentumsverhält-
nisse. Vielmehr akzeptiere sie im Groben die tatsächli-
chen und rechtlichen Gegebenheiten und strebe lediglich
Veränderungen für einzelne konkrete Ausprägungen an.
Vergesellschaftungen fordere sie deshalb nicht generell,
sondern nur, wo „strukturbestimmende Konzerne“ dem
öffentlichen Interesse entgegenwirkten. Überhaupt sehe
man in verantwortlichen WASG-Kreisen den Rückgriff
auf eine sozialistische Programmatik bei der Linkspartei
als problematisch an.

Schließlich bewirke die Zulassung der Landeslisten ei-
nen erheblichen Wahlfehler. Es sei nicht auszuschließen,
dass sich andernfalls andere Stimmenverhältnisse und
eine andere Mandatsverteilung ergeben hätten. Wären
die Listen der Linkspartei zurückgewiesen worden, hät-
ten sie keine Stimmen erzielen können, was sich zuguns-
ten anderer Parteien ausgewirkt hätte. Alternativ hätten
beide Parteien zwar getrennt antreten können. Aber auch
dann würde der Deutsche Bundestag mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit eine andere Zusammen-
setzung aufweisen.

b) Weiterhin rügen die Einspruchsführer eine Verletzung
der Grundsätze der freien und gleichen Wahl. Als Be-
werber einer Partei könne gemäß § 21 Abs. 1 und 3
BWG nur benannt werden, wer in einer Mitgliederver-
sammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder in
einer besonderen oder allgemeinen Vertreterversamm-
lung in geheimer Abstimmung gewählt werde. Die Wahl
müsse unter Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze des
Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG durchgeführt werden, die
auch für Wahlvorbereitungen und das Vorschlagsrecht
der Parteien gelten würden (BVerfGE 41, 399, 417; 47,
253, 282). Hier seien beim praktizierten Auswahlverfah-
ren die Grundsätze der freien und gleichen Wahl nicht
beachtet worden. Zur Wahlfreiheit gehöre auch ein
grundsätzliches freies Vorschlagsrecht für alle Wahl-
berechtigten. Dieses setze eine freie Kandidatenaufstel-
lung unter Beteiligung aller Mitglieder der Partei voraus.
Die Auswahl der Kandidaten dürfe weder rechtlich noch
tatsächlich deren Führungsgremien zur allgemeinen Ent-
scheidung überlassen werden.

Hier sei das freie Vorschlagsrecht der Mitgliederver-
sammlung der Landesverbände durch das strategische
Vorgehen ihrer Parteizentrale beeinträchtigt worden. So
habe Bodo Ramelow als Organisator des Wahlkampfes
der Linkspartei.PDS „SPIEGEL ONLINE“ gegenüber
bestätigt, dass sich die Bundespartei einen strategischen
Platz pro Landesliste gesichert habe. Ebenso sei die Lis-
tenaufstellung durch eine eigens in der Berliner Partei-
zentrale geschaffene „Personalkommission“ betreut
worden und es habe „klare Ansagen aus der Parteizent-
rale“ gegeben (www.spiegel.de vom 24. Juli 2005:
„Bundeswahlleiter droht Linkspartei“). Mit der Beset-
zung aussichtsreicher Listenplätze durch WASG-Mit-
glieder werde zusätzlich deutlich, dass die Parteizentrale
zipiell eröffneten Möglichkeit fest, Grund und Boden,
Naturschätze und Produktionsmittel zu vergesellschaften

der Linkspartei bei der Listenaufstellung unzulässig Ein-
fluss genommen habe. Gerade in den westlichen Bun-

Drucksache 16/3900 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

desländern habe sie darauf geachtet, dass viele Spitzen-
posten von führenden WASG-Mitgliedern besetzt
worden seien. Für Sachsen sei das Mitglied des WASG-
Bundesvorstandes Dr. Axel Troost „verplant“ worden,
der laut einem sächsischen Delegierten im Landesver-
band nicht bekannt gewesen, jedoch mit 87,4 Prozent auf
den zweiten Listenplatz gewählt worden sei.

Zwar sei nach § 21 Abs. 4 BWG den Parteiführungsgre-
mien eine gewisse Einflussnahme auf die Kandidaten-
aufstellung eingeräumt. Hier sei aber eine chancenreiche
Kandidatur anderweitiger Kandidaten wegen der Ab-
sprache der Führungsgremien der Linkspartei.PDS und
der WASG im Hinblick auf aussichtsreiche Listenplätze
faktisch ausgeschlossen gewesen.

Dies habe auch Mandatsrelevanz. Hätten bei der Kandi-
datenaufstellung über Wahlvorschläge offen diskutiert
und und für Spitzenplätze auch Gegenkandidaten nomi-
niert werden können, sei hoch wahrscheinlich die Liste
partiell anders beschlossen und statt der WASG- mehr
Linkspartei.PDS-Mitglieder auf aussichtsreichen Plätzen
nominiert worden.

III.

Der Bundeswahlleiter geht in einer den Einspruchsführern
übermittelten Stellungnahme zu einem anderen, ebenfalls
die Listenaufstellung betreffenden Wahleinspruch (Az. WP
165/05) davon aus, dass die Landeswahlausschüsse die Lan-
deslisten der Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben,
da sie den durch das Bundeswahlgesetz und die Bundes-
wahlordnung aufgestellten Anforderungen entsprochen hät-
ten.

In formeller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den wahl-
rechtlichen Bestimmungen entsprochen. An der geheimen
Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlungen und an
der geheimen Wahl der Bewerber für die Listen gemäß § 27
Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 3 BWG hätten nach den dem
Bundeswahlleiter zur Verfügung stehenden Kenntnissen nur
Mitglieder der die Liste aufstellenden Linkspartei.PDS,
nicht aber Mitglieder der WASG oder Parteilose teilgenom-
men.

Auch in materieller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den
Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprochen. Dass alle
16 Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber ent-
hielten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern
parteilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe
bei keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im

Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Listen-
vereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien ermög-
liche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschriften
„zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch
unterlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-

Dies gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/3900

seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Auch aus anderen Vorschriften ergebe sich nicht, dass gene-
rell eine Aufstellung von Mitgliedern anderer Parteien aus-
geschlossen sein solle. So sehe zwar § 48 Abs. 1 Satz 2
BWG vor, dass solche Bewerber bei der Listennachfolge
unberücksichtigt bleiben, die seit Aufstellung der Landes-
liste aus dieser Partei ausgeschieden seien. Ein solches Aus-
scheiden zeige, dass der Bewerber inzwischen die Ziele der
Partei nicht mehr teile oder nicht mehr bereit sei, für deren
Verwirklichung einzutreten, so dass dessen Listennachfolge
den Wählerwillen verfälschen würde. Die vorliegende Fall-
gestaltung sei jedoch eine andere. Die Bewerbung auf einer
Liste signalisiere, dass sich der Bewerber mit den von dieser
Partei verfolgten Zielen im Großen und Ganzen einverstan-
den erkläre und zwar unabhängig davon, ob er selbst Mit-
glied sei. Bekanntlich lege das Parteiengesetz großen Wert
auf eine demokratische Binnenstruktur der politischen Par-
teien. Die Parteimitglieder verträten nicht alle Ziele der Par-
tei mit gleicher Intensität; auch innerhalb von Parteien gebe
es politische Strömungen mit unterschiedlichen Prioritäten.
Aufgabe der Parteien sei gerade die Vorformung des politi-
schen Willens. Das BWG verlange von den sich um die
Wählerstimmen bewerbenden Parteien weder ein Wahlpro-
gramm noch von den Bewerbern dessen Unterstützung.
Vielmehr gebe § 21 Abs. 3 Satz 3 BWG den Bewerbern Ge-
legenheit, bei der Aufstellung der Wahlvorschläge ihr (eige-
nes) Programm vorzustellen. Ein Bekenntnis zum Parteipro-
gramm verlange es nicht. Ein solches Verlangen sei auch,
wenn ein Bewerber erfolgreich sei, wegen des verbürgten
freien Mandats (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht ver-
pflichtend. De lege lata genüge dem Bundeswahlgesetz als
Nachweis für die Verbundenheit eines Bewerbers mit der
den Wahlvorschlag einreichenden Partei die Nominierung
ausschließlich durch die Mitglieder oder Delegierten dieser
Partei. Es gehe davon aus, dass keine Bewerber gewählt
würden, die die Ziele der Partei nicht in ausreichendem
Maße unterstützten. Hiervon sei auch in einer Wahlprü-
fungsentscheidung der fünften Wahlperiode ausgegangen

Wahlbewerber mit Zustimmung zur Aufnahme in die Liste
einer anderen Partei deren politische Grundsätze anerkannt
hätten. Die ihre Liste beschließende Partei sei bei Auf-
nahme der Bewerber davon ausgegangen, dass sich diese
bei ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der nominierenden Partei bekannt hätten.

Auch Bestimmungen zur Parteienfinanzierung führten zu
keinem anderen Ergebnis. Nur die Parteien erhielten staat-
liche Mittel als Teilfinanzierung der ihnen allgemein nach
dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeiten, wenn sie mit
ihrer Landesliste einen Wahlerfolg erzielt hätten, der die
Anforderungen des § 18 PartG im Einzelnen erfülle. Das
Recht der staatlichen Parteienfinanzierung, das sich eben-
falls an strikten formalen Kriterien auszurichten habe, un-
terscheide nicht zwischen Listen mit Bewerbern ausschließ-
lich aus der einreichenden Partei und Listen auch mit Partei-
losen oder Mitgliedern anderer Parteien. Die staatlichen
Mittel stünden nur den Parteien zu, die Listen eingereicht
und an den Wahlen mit einem Mindesterfolg teilgenommen
hätten. Verzichte eine Partei auf den eigenen Wahlantritt, sei
damit zwangsläufig auch der Verzicht auf staatliche Mittel
verbunden. Dies sei den Parteien bekannt. Ein Argument
dafür, dass ein Verzicht auf Wahlteilnahme und die Bewer-
bung von Mitgliedern dieser Partei auf Listen anderer Par-
teien unzulässig sei, lasse sich daraus nicht herleiten.

Werde eingewandt, dass der Wahlerfolg gerade nicht dem
Erfolg der Linkspartei bei den Wählern entspreche, sofern
auf einer ihrer Listen ein prominentes WASG-Mitglied an
vorderer Stelle platziert sei, müsste dies jedoch ebenso für
prominente Parteilose an exponierter Stelle gelten. Auch in
diesem Fall sei der Wahlerfolg zu einem Teil auf die Bewer-
bung einer parteifremden Person zurückzuführen, so dass
auch hier das Wahlergebnis nicht ausschließlich dem Erfolg
der einreichenden Partei entspreche. Dennoch erhalte diese
Partei staatliche Mittel, ohne dass ein auf den Parteilosen
zurückzuführender Erfolg „herausgerechnet“ werden müsse
oder könne.

Auch § 10 GO-BT ergebe kein Gegenargument, zumal
diese als reines „Intraorganrecht“ oder „Innenrecht“
(Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum
GG, 10. Auflage 2004, Artikel 40 Rn. 25) nicht als Aus-
legungshilfe zum Bundeswahlgesetz geeignet sei. Die Ge-
schäftsordnung regele die Arbeit des Parlaments nach seiner
Wahl. Sie lasse keine Rückschlüsse auf den das Parlament
konstituierenden Wahlakt zu. § 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT
lasse die Fraktionsbildung solcher Abgeordneter zu, die ent-
weder derselben Partei oder solchen Parteien angehörten,
die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem
Land miteinander im Wettbewerb stehen. Es könne dahinge-
stellt bleiben, ob diese Voraussetzung bei den Mitgliedern
von Linkspartei und WASG gegeben sei. Für die Frage der
Zulassung von Landeslisten sei dies ohne Bedeutung. Je-
denfalls könne der Vorschrift nicht entnommen werden,
dass das Bundestagswahlrecht den Einzug von Mitgliedern
verschiedener Parteien über eine Parteiliste in den Deut-
schen Bundestag verbiete. Denn die Vorschrift lasse es zu,
dass Abgeordnete unterschiedlicher Parteien eine Fraktion
bilden können. Auf welche Weise diese in den Deutschen
Bundestag gelangt seien – ob als Mitglieder einer einzigen
worden (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3). Dabei sei
festgestellt worden, dass einer fremden Partei angehörende

Landesliste oder mehrerer Landeslisten aus verschiedenen
Ländern – lasse die Vorschrift offen.

Drucksache 16/3900 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argumente
zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 1
GG lasse sich für die Parteien kein Verbot ableiten, Mitglie-
der anderer Parteien als Bewerber aufzustellen. Die Demo-
kratie bedürfe der politischen Parteien, um die Wähler zu
aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen
so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen
zu ermöglichen (BVerfGE 69, 92, 110; Sannwald, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, a. a. O., Artikel 21 Rn. 21). Par-
teien bündelten politische Strömungen in der Bevölkerung
und formten den politischen Willen vor. Hieraus resultiere
aber kein Gebot, bei einer Bundestagswahl nur eigene Mit-
glieder aufzustellen. Die „Bündelungsfunktion“ werde aus-
reichend durch das „Monopol“ der Parteien zur Listenauf-
stellung erreicht. Die Aufstellung der jeweiligen Liste durch
die Mitglieder der Partei gewährleiste ausreichend, dass nur
die Positionen der Partei vertretende Personen aufgestellt
würden. Werde eingewandt, dass der Wähler nur bei Partei-
mitgliedern auf den Listen die Gewähr habe, dass sie für das
Programm auch tatsächlich einträten, zeige die Wirklich-
keit, dass sich der Wähler selbst bei der aufstellenden Partei
angehörenden Bewerbern keineswegs sicher sein könne,
dass sie später als Abgeordnete das Programm ihrer Partei
vertreten würden. Zum einen seien die Gewählten nicht dem
Parteiprogramm, sondern dem ganzen Volk verpflichtet
(Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Zum anderen komme es im-
mer wieder vor, dass Parteiprogramme von einzelnen Abge-
ordneten später nicht mehr mitgetragen oder ganz oder in
Teilen nicht umgesetzt würden, etwa weil die Partei und de-
ren Parlamentsfraktion im Interesse einer Koalitionsbildung
oder wegen veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse im
Programm formulierte Ziele nicht weiter verfolge. Umge-
kehrt könnten auch nicht parteizugehörige Abgeordnete die
Ziele einer Partei, die sie als Listenbewerber aufgestellt
habe, mit Überzeugung vertreten.

Im Übrigen nimmt der Bundeswahlleiter an, dass ein Verbot
zur Aufstellung Parteifremder auf einer Landesliste verfas-
sungsrechtlich zulässig sein könnte. Ein solches Verbot
müsse jedoch ausdrücklich in das Bundeswahlgesetz auf-
genommen werden.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das BVerfG habe festgestellt, dass „die Aufstellung einer
Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn sich die auf ihr zusammen-
gefassten Bewerber durch ein gemeinsames Programm ver-

gemeinschaft bzw. Rathauspartei bei einer Kommunalwahl
in Nordrhein-Westfalen als gegeben erachtet. Auf die Fra-
gen, wie sich die Verbundenheit mit einem gemeinsamen
Programm äußern solle – durch die Parteizugehörigkeit der
Wahlbewerber oder auch durch andere Kriterien – und wel-
che Konsequenz aus einer fehlenden Verbundenheit zu zie-
hen wäre, gebe die Entscheidung allerdings keine Antwort.
In der bereits zitierten Wahlprüfungsentscheidung (Bundes-
tagsdrucksache V/1115, S. 3) sei gefolgert worden, „dass
das Bundesverfassungsgericht die Aufnahme parteifremder
bzw. einer anderen Partei angehörender Kandidaten auf
einer anderen Liste nicht als an sich verfassungswidrig
ansehe. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Ho-
mogenität der Liste müsse nicht bereits dann verneint wer-
den, wenn Mitglieder einer fremden Partei auf einer anderen
Parteiliste erscheinen“. Es müsse vielmehr auf den konkre-
ten Einzelfall abgestellt werden, wobei es nicht nur auf die
politische Richtung des Landesverbandes der fremden Par-
tei, sondern auch auf die politische Auffassung des par-
teifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-
schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhabba-
res, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der Lan-
deslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an numeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
bunden fühlen“ (BVerfGE 11, 351, 366). Diese Voraus-
setzung habe es im konkreten Fall einer örtlichen Wähler-

und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/3900

zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünfterabschnitten
betrachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landeslis-
ten der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

IV.

In ihrer Erwiderung zur Stellungnahme des Bundeswahllei-
ters bekräftigen die Einspruchsführer, dass die Unzulässig-
keit mehrparteiiger Listen nicht dadurch unterlaufen werden
dürfe, dass nur eine Partei einen Vorschlag einreiche, de
facto aber zwei Parteien hinter diesem Vorschlag stünden.
Das Bundeswahlgesetz dürfe auch nicht nur nach seinem
Wortlaut ausgelegt werden; dieser ergebe zur Frage der Par-
teizugehörigkeit keinen eindeutigen Regelungsinhalt. Wei-
terhin müssten Bewerber, die einer anderen Partei angehör-
ten, die politischen Grundsätze der aufstellenden Partei an-
erkennen; es reiche nicht aus, sich nur im Großen und Gan-
zen mit deren Zielen einverstanden zu erklären. Angesichts
der entscheidenden Unterscheide bezüglich der politischen
Grundsätze dürfte das Ziel im Vordergrund gestanden ha-
ben, die Fünf-Prozent-Hürde zu umgehen. Nicht nachvoll-
ziehbar sei die Auffassung des Bundeswahlleiters, dass eine
Zulassungspraxis, die die hinter der Liste stehenden poli-
tischen Kräfte bewerte, die Wahlentscheidung in die
Wahlausschüsse verlagere und den Souverän einschränke.
Vielmehr sei dies durch die Kandidatur prominenter
WASG-Mitglieder auf aussichtsreichen Plätzen geschehen.
Auf Grund der Zulassung der Listen habe der Wähler nicht
die WASG wählen können, sondern habe sich für die Links-
partei.PDS entscheiden müssen, um einem WASG-Kandi-
daten zum Erfolg zu verhelfen. Erneut gerügt wird schließ-
lich die Betrachtung in Fünferblöcken. Sachgerecht wäre
vielmehr ein Abstellen auf aussichtsreiche Listenplätze. Da-
bei wäre einzubeziehen, dass zuvor die PDS als Vorgänger-
partei in keinem der alten Bundesländer die Fünf- Prozent-
Hürde überwunden hätte. Ebenfalls sei die Relation der bei-
den Parteien bezüglich Mitgliederstärke und politischem
Gewicht zum Zeitpunkt der Listenaufstellung zu berück-
sichtigen. Danach habe die Linkspartei.PDS zumindest in
Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland

Westfalen hätten sich WASG-Mitglieder auf Platz 1, in
Sachsen ein WASG-Mitglied auf einem aussichtsreichen
Platz befunden. Zumindest von diesen Listen sei an den
Wähler das Signal gemeinsamer Zuordnung an beide Par-
teien ausgegangen.

V.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der
von der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch
die Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen.

I.

Die angegriffenen Landeslisten stellen sich nicht als Verlet-
zung oder Umgehung der diesbezüglichen Wahlrechtsvor-
schriften dar. Zum einen kann eine Landesliste zwar nur von
einer Partei eingereicht werden, es besteht aber kein Verbot,
in eine Liste auch Mitglieder einer anderen Partei oder Par-
teilose aufzunehmen (nachfolgend unter Buchstabe a). Zum
anderen lässt sich bei den angegriffenen Zulassungsent-
scheidungen der Landeswahlausschüsse keine Umgehung
des Grundsatzes feststellen, dass eine Landesliste jeweils
nur von einer Partei eingereicht werden darf (nachfolgend
unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Par-
teimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrecht-
und in Schleswig-Holstein nicht die Mehrheit auf den aus-
sichtsreichen Plätzen gestellt. In Bayern und Nordrhein-

lichen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche

Drucksache 16/3900 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Parla-
ment der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-
tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen von § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird die-
ses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz
auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstel-
lung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS
unter Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw.
Parteilosen und die anschließende Zulassung der Listen
durch die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse
umgangen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-

schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in
der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Links-
partei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen
umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich
vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ers-
ten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüf-
ten Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-

desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/3900

genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homoge-
nität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei ih-
ren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen der
aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein je eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formaltechnisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls par-
lamentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemeinsa-
mes Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anfor-
derung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung
angesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine ab-
schließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.

Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei
Parteien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt
kooperieren, dass die eine der anderen sichere Wahl-
kreise überlässt, um die Überwindung der Grundman-
datsklausel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an,
die zudem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zu-
sammenarbeiten, sondern einen Zusammenschluss errei-
chen will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang
auch daran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle
einer Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des
Zusammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise ange-
sichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens III“,
der Zeitpläne für die Bundesebene und der Entwürfe für
programmatische Eckpunkte und Satzungsregelungen
keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Ent-
scheidung über die entsprechenden Wahleinsprüche er-
kennbar geworden.

Auch Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages zwingen nicht zu einer anderen Be-
trachtung. Gemäß § 10 Abs. 1 GO-BT sind Fraktionen
„Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der
Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder
solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerich-
teter politischer Ziele in keinem Land miteinander im
Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bun-
destages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die
Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundes-
tages“. Nicht entschieden ist, ob unter § 10 Abs. 1 Satz 1
zweite Alternative GO-BT, die 1969 durch die Frakti-
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der

onsgemeinschaft von CDU und CSU veranlasst worden
ist, auch ein Zusammenschluss solcher Abgeordneten

Liste (Platzierung nur vereinzelt; nicht an herausgeho-
bener [prominenter] Stelle, etwa auf den ersten Plätzen;
der anderen Partei darf nicht die Hälfte der Bewerber
angehören), heranziehen (vgl. Schreiber, a. a. O., Er-
gänzungsinformation zur Bundestagswahl 2005, S. 10
bis 12).

II.

Auch soweit die Einspruchsführer in den Absprachen von
Linkspartei.PDS und WASG über das Vorgehen bei der
Bundestagswahl sowie in bestimmten Vorgaben, Absichts-
erklärungen und organisatorischen Maßnahmen eine Verlet-
zung der Grundsätze der freien und gleichen Wahl sehen, ist
dem nicht zu folgen. Eine Verletzung dieser auch die Wahl-
vorbereitung und die Nominierung von Direktkandidaten
sowie die Aufstellung von Landeslisten erfassenden Grund-
sätze ist nicht festzustellen. Im Falle einer Listenaufstellung
gewährt § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 3 Satz 2 BWG jedem
stimmberechtigten Versammlungsteilnehmer das Recht,
Wahlvorschläge einzubringen. Dieses Recht darf seitens der

sammlungsteilnehmer zu untersuchen.

Die vorgebrachten Äußerungen aus den Bereichen Links-
partei.PDS und WASG und das Vorgehen beider im Hin-
blick auf die Bundestagswahl lassen auch ansonsten keinen
Verstoß gegen die Wahlrechtsgrundsätze erkennen. Beratun-
gen in Parteigremien über die Besetzung der Listen, Erar-
beitung von Personaltableaus u. Ä. würden die Grenze zur
Unzulässigkeit erst überschreiten, wenn hierdurch die
Rechte aus § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 3 BWG beschnit-
ten würden. So hat das Bundesverfassungsgericht nicht be-
anstandet, wenn ein Parteivorstand oder ein anderes Gre-
mium der Parteispitze selbst mit Wahlvorschlägen hervor-
tritt. Dies stehe im Einklang mit den § 21 Abs. 4 BWG zu-
grunde liegenden Erwägungen, dem Landesvorstand einen
gewissen Einfluss auf die Kandidatenaufstellungen zu ge-
ben. Dass ein Vorschlag der Parteispitze mit einem gewis-
sen Unterstützungseffekt verbunden sein könne, hat das
Bundesverfassungsgericht gesehen, aber nicht gerügt (vgl.
BVerfGE 89, 243, 264 f.).
Drucksache 16/3900 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

fallen kann, die zwar aus unterschiedlichen Parteien
stammen, aber gemeinsam auf einer Liste kandidiert
haben und deren Parteien bei der Bundestagswahl nicht
gegeneinander angetreten sind. Selbst wenn dies nach
Wortlaut oder Entstehungsgeschichte der Vorschrift ver-
neint werden sollte, bleibt im Übrigen die Möglichkeit,
einen Zusammenschluss ausdrücklich gemäß § 10
Abs. 1 Satz 2 GO-BT anzuerkennen. Daher können ge-
schäftsordnungsrechtliche Vorgaben für die Bildung ei-
ner Fraktion, auch wenn sie teilweise deren Homogenität
gewährleisten sollen, nicht auf die Interpretation des
Bundeswahlgesetzes vorwirken.

Im Übrigen stand die Auffassung des Bundeswahlleiters
in der wahlpraktischen, auf den Einzelfall abstellenden
Betrachtung nicht gänzlich allein. Eine ähnliche, wohl
durch das absehbare Vorgehen von Linkspartei.PDS und
WASG angeregte Betrachtung wollte u. a. die zeitlichen
Bedingungen und die Ernsthaftigkeit des Fusionsziels
berücksichtigen und die konkrete Zusammensetzung der

betreffenden Partei weder durch rechtliche, insbesondere
satzungsmäßige Regelungen noch durch tatsächliche Maß-
nahmen genommen und z. B. Parteivorständen oder anderen
Gremien vorbehalten werden (vgl. Schreiber, a. a. O., § 21
Rn. 14a: unzulässig z. B. feste Liste unter Ausschluss von
Änderungs- oder Alternativvorschlägen).

Die Einspruchsführer haben nicht dargetan, dass es bei der
Aufstellung der Listen in den einzelnen Landesverbänden
stimmberechtigten Versammlungsteilnehmern in wie auch
immer gearteter Form verwehrt worden ist, eigene Wahlvor-
schläge einzubringen und hierüber abstimmen zu lassen. Da
ein Wahlprüfungsverfahren einen substantiierten Vortrag
voraussetzt und die Wahlprüfung nicht als Durchprüfung
der gesamten Wahl von Amts wegen konzipiert ist (ständige
Auffassung des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungs-
angelegenheiten – vgl. zuletzt Bundestagsdrucksache 16/
1800, S. 186), obliegt es nicht dem Deutschen Bundestag,
von sich aus die einzelnen Aufstellungsverfahren auf Be-
achtung des Vorschlagsrechts der stimmberechtigten Ver-

ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-

tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten auf-
gestellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/3900

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. O. Z., 75387 Bad Kreuznach
– Az.: WP 106/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 14. und 23. Oktober 2005 hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag Einspruch eingelegt. Der Einspruch wen-
det sich gegen die Zulassung der Landeslisten der Linkspar-
tei.PDS, die auch Mitglieder der Wahlalternative Arbeit und
soziale Gerechtigkeit (WASG) enthielten.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-

vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text

stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte Handrei-

Drucksache 16/3900 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

chung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger Lan-
deslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten Par-
tei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Der Einspruchsführer sieht in der von ihm so bezeichneten
Listenverbindung der Linkspartei/PDS mit der WASG einen
Verstoß gegen § 27 BWG. Es handele es sich bei dieser
Listenverbindung um eine Wahlkooperation ohne ein ge-
meinsames Parteiprogramm. Diese Kooperation diene aus-
schließlich dazu, der „radikalen Splitterpartei“ WASG über
die Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen. Die Einschätzung,
dass es sich um ein reines Zweckbündnis handele, werde
durch Äußerungen des Vorsitzenden der Linkspartei Lothar
Bisky, er halte eine Fusion beider Parteien vor dem Sommer
2007 für unrealistisch, ebenso bestätigt wie durch die Unter-
stützung der WASG eines Volksbegehrens zur Abwahl des
Berliner Senats und den gesonderten Antritt der WASG zur
Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.

III.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben. Dass alle 16
Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber enthiel-
ten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern par-
teilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe bei
keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/3900

einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Lis-
tenvereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien er-
mögliche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschrif-
ten „zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bishe-
rigen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung

sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt,
dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn
sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein ge-
meinsames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11,
351, 366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall
einer örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei
einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben
erachtet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit ei-
nem gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Par-
teizugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung

Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungs-

Drucksache 16/3900 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

entscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei ge-
folgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die
Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an sich
verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfassungsge-
richt geforderte Homogenität der Liste müsse nicht bereits
dann verneint werden, wenn Mitglieder einer fremden Par-
tei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es müsse viel-
mehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-
des der fremden Partei, sondern auch auf die politische Auf-
fassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-
schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhab-
bares, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der
Landeslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Be-
werbern deshalb eine generalisierende, vorrangig an nume-
rischen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten
zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

IV.

Der Einspruchsführer hat auf die ihm übersandte Stellung-
nahme des Bundeswahlleiters nicht mehr reagiert.

V.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer an-
deren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend
unter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den ange-
griffenen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass
eine Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht
werden darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation

zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass
dem Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/3900

grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine
Parteimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrechtli-
chen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Par-
lament der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-
tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen von § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird
dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstel-

losen und die anschließende Zulassung der Listen durch
die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse umgan-
gen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Be-
antwortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in
der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Links-
partei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen
umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich
vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ers-
ten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüf-
ten Zusammenhang unerheblich.
lung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter
Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw. Partei-

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der

Drucksache 16/3900 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homo-
genität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei
ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein je eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formaltechnisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls parla-
mentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,

ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anforde-
rung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung an-
gesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine
abschließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt ko-
operieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise
überlässt, um die Überwindung der Grundmandatsklau-
sel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zu-
dem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zusammen-
arbeiten, sondern einen Zusammenschluss erreichen
will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch
daran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle einer
Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des
Zusammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise ange-
sichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je nach
Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich. Auch im
Nachhinein sind – ungeachtet einzelner konkurrierender
Antritte bei Landtagswahlen –, auch angesichts des oben
referierten „Kooperationsabkommens III“, der Zeit-
pläne für die Bundesebene und der Entwürfe für pro-
grammatische Eckpunkte und Satzungsregelungen keine
derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Entschei-
dung über die entsprechenden Wahleinsprüche erkenn-
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu- bar geworden.

Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-

berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten auf-
gestellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-

es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/3900

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. K. B., 35041 Marburg
– Az.: WP 120/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 11. Oktober
2005 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag eingelegt.

Der Einspruch betrifft zum einen die Zulassung der Lan-
deslisten der Linkspartei.PDS sowie die Teilnahme an der
Bundestagswahl durch Personen, die die deutsche Staats-
angehörigkeit durch Rückerwerb ihrer früheren wieder ver-
loren haben.

I.

Als erste Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass
die Aufstellung der Landeslisten für die „Linke“ nicht den
Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprochen habe.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames

teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-

ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.

Drucksache 16/3900 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte sog. Hand-
reichung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger
Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben. Dass alle 16
Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber enthiel-
ten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern par-
teilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe bei
keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die 5-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Lis-
tenvereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien er-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/3900

mögliche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschrif-
ten „zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch
unterlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt wür-
den, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Partei
seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose Be-
werber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisherigen
Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr müsse
eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden, wenn
sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze der ein-
reichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Voraussetzungen –
die man als Homogenität der Liste bezeichnen könne – hält
der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben, wenn in der
Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet – Mitglieder der
einreichenden Partei in der Liste aufgestellt seien. Hingewie-
sen wird in diesem Zusammenhang darauf, das Bundeswahl-
gesetz enthalte gerade keine Regelungen zur Parteimitglied-
schaft der Bewerber auf den Landeslisten. Das Bundestags-
wahlrecht sei von großer Formstrenge geprägt. Deshalb
werde das Gesetz in der Praxis gemäß seinem Wortlaut an-
gewendet; eine analoge Anwendung seiner Regelungen ver-
biete sich grundsätzlich. Bei der Durchführung der Bundes-
tagswahlen stünden für nahezu sämtliche im Vorfeld einer
Wahl zu treffenden Entscheidungen den Wahlbewerbern und
den Wahlorganen nur kurze Zeiträume zur Verfügung; es
müsse unter großem Zeitdruck gehandelt werden und man sei
auf klare und verständliche Normen mit eindeutigen Hand-
lungsanweisungen angewiesen. Dies habe erst recht wegen
der verkürzten Fristen vor der jetzigen Wahl gegolten. Wäh-
rend der Entscheidungszeitraum bei „regulär“ stattfindenden
Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19, 28 Abs. 1 Satz 1 BWG),
sei er hier durch Verordnung des Bundesministeriums des
Innern auf vier Tage verkürzt gewesen. Die Landeslisten hät-
ten bis zum 34. Tag vor der Wahl (15. August 2005) bei den
Landeswahlleitern eingegangen sein müssen. Die Entschei-
dung über die Zulassung hätten die Landeswahlausschüsse
am 30. Tag vor der Wahl (19. August 2005) treffen müssen.
Dies habe die Prüfung sämtlicher wahlrechtlichen Vorausset-
zungen für alle eingereichten Listen, z. B. Unterschriftserfor-
dernisse, Prüfung der Bescheinigungen der Gemeindebehör-
den über die Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorge-
legten Unterstützungsunterschriften, umfasst. Daher komme
dem Wortlaut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimit-
gliedschaft der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Be-
deutung zu. Dies gelte umso mehr, als dem Gesetzgeber Par-
teilose oder Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft
spätestens seit der Aufnahme von Bewerbern des Bundes der
Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landes-
liste der CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung,
das Gesetz könne sich als Listenbewerber nur solche vor-
stellen, die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft
aufs Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend.

gezogen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine
entsprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt,
dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn
sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein ge-
meinsames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11,
351, 366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall
einer örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei
einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben
erachtet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit ei-
nem gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Par-
teizugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungs-
entscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei ge-
folgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die
Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an sich
verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfassungsge-
richt geforderte Homogenität der Liste müsse nicht bereits
dann verneint werden, wenn Mitglieder einer fremden Par-
tei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es müsse viel-
mehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-
des der fremden Partei, sondern auch auf die politische Auf-
fassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
Während die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schles-
wig-Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz

vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die

Drucksache 16/3900 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das Nomi-
nieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffentli-
che Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahlaus-
schüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu ent-
scheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politischen
Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewesen.
Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien auch
kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhabbares, for-
males Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der Landeslis-
tenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an numeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten zu-
nächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den
Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich an-
schließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-

Der Einspruchsführer hat nach Erhalt der Stellungnahme
des Bundeswahlleiters darauf verwiesen, dass die WASG
bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus mit einer
eigenen Liste angetreten sei.

II.

Weiterhin beanstandet der Einspruchsführer, dass in
Deutschland 55 000 Türken, die nach Annahme der deut-
schen Staatsbürgerschaft wieder die türkische angenommen
hätten, keine Deutschen im Sinne des Wahlgesetzes gewe-
sen seien. Es sei versäumt worden, diese aus den Wähler-
verzeichnissen zu streichen. Da zum Teil die Ergebnisse in
einigen Wahlkreisen außerordentlich knapp für den jewei-
ligen Direktkandidaten ausgegangen seien, seien unrecht-
mäßige Abgeordnetenmandate entstanden.

Rechtlicher Hintergrund ist § 25 des Staatsangehörigkeits-
gesetzes (StAG) in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fas-
sung. Diese Vorschrift lautet, soweit sie hier von Interesse
ist:

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit
mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörig-
keit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf
den Antrag seines gesetzlichen Vertreters erfolgt, der
Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vor-
liegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt
werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor
dem Erwerbe der ausländischen Staatsangehörigkeit
auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der
zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staats-
angehörigkeit erhalten hat […].

In der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Fassung ging die
deutsche Staatsangehörigkeit hingegen nur verloren, wenn
der Betreffende weder seinen Wohnsitz noch seinen dauer-
haften Aufenthalt im Inland hatte (sog. Inlandsklausel).

Anfang 2005 teilte die türkische Regierung mit, seit dem
Jahre 2000 hätten ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche
wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangt. Daraufhin
vereinbarte das Bundesministerium des Innern mit der türki-
schen Regierung Verhandlungen auf Arbeitsebene über die
Übermittlung konkreter Daten zu den von der Türkei ein-
gebürgerten Personen. Hierauf hat die türkische Seite laut
Bundesministerium des Innern bislang allerdings noch nicht
mit konkreten Terminvorschlägen reagiert.

Um dennoch verifizieren zu können, welche Personen ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren haben, führten auf Anregung des Bundesministeri-
ums des Innern alle Länder außer Berlin im Jahre 2005 eine
Fragebogenaktion unter den türkischstämmigen Personen
durch, bei denen wegen denkbarer türkischer Rückeinbürge-
rung nach dem 1. Januar 2000 ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit möglich erschien. Die betroffenen Per-
sonen wurden aufgefordert zu erklären, ob sie nach dem
1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenom-
men haben. Dabei wurde auf die mögliche Strafbarkeit einer
unberechtigten Wahlteilnahme hingewiesen. Berlin verzich-
tete zwar auf ein individuelles Anschreiben, führte jedoch
eine Informationskampagne durch, die zu ähnlichen Ergeb-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

nissen wie die Fragebogenaktion der anderen Länder führte:
Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus Sicht der Berliner

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/3900

Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsangehörig-
keit auszugehen, der Bundesdurchschnitt lag insoweit bei
8,5 Prozent. In absoluten Zahlen waren bundesweit 251 639
Personen von der Frage- bzw. Informationskampagne be-
troffen, in 21 463 Fällen gingen die Behörden von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Die nied-
rigste Verlustquote gab es in Thüringen (0 Prozent), die
höchste in Hessen (18,9 Prozent). Die Ergebnisse der Ak-
tion im Hinblick auf jedes einzelne Land können einer bei
den Akten befindlichen, vom Bundesministerium des In-
nern zusammengestellten, Tabelle entnommen werden.

Das Bundesministerium des Innern geht in seiner Stellung-
nahme davon aus, dass schon kein Fehler bei der Anwen-
dung der für die Wahl geltenden Vorschriften und Rechts-
grundsätze vorliege. Die Fragebogenaktionen bzw. Informa-
tionskampagnen der Länder seien notwendig, aber auch
ausreichend gewesen. Das Recht zur Teilnahme an Wahlen
sei zwar auf Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des
Grundgesetzes beschränkt. Im Wahlrecht sei nach Schrei-
ber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 12 Rn. 8,
der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit allerdings nur
glaubhaft zu machen. Eine verbindliche Feststellung der
Staatsangehörigkeit im Vorfeld jeder Wahl sei im Hinblick
auf die erforderliche Praktikabilität der Wahlvorbereitungen
nicht möglich. Nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht
lieferten weder ein Personalausweis oder Reisepass noch
ein Staatsangehörigkeitsausweis den Nachweis der deut-
schen Staatsangehörigkeit, sondern begründeten nur eine
widerlegbare Vermutung. Eine allgemein verbindliche Fest-
stellung der deutschen Staatsangehörigkeit sei derzeit nur
durch ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts
möglich, das jedoch nur eine Aussage über die Staatsange-
hörigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils treffe. Auf
Grund des mit einer verbindlichen Feststellung der Staats-
angehörigkeit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwan-
des sei ein solches Verfahren als regelmäßige Überprüfung
im Vorfeld von Wahlen ausgeschlossen. Schon seit jeher
habe daher die Gefahr bestanden, dass nichtdeutsche Perso-
nen an bundesdeutschen Wahlen teilgenommen hätten, ohne
dass Maßnahmen hiergegen getroffen worden wären oder
hätten getroffen werden müssen. Im Vorfeld der vorgezoge-
nen Bundestagswahl hätten – anders als vor früheren Bun-
destagswahlen – jedoch auf Grund der Mitteilung der türki-
schen Regierung über die Wiedereinbürgerung von bis zu
50 000 Personen konkrete Hinweise auf einen abgrenzbaren
Personenkreis bestanden, bei dem einem möglichen Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit nachzugehen gewesen
sei. Die zuständigen Behörden hätten auf diesen Hinweis
mit der erwähnten Informations- bzw. Fragebogenaktion re-
agiert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestanden.
Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
StAG sei – wie auch schon bei der Vorgängerregelung des
§ 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuSt-
AG) – abhängig von den Einbürgerungsentscheidungen
fremder Staaten. Um feststellen zu können, ob und wann ein
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten ist,
benötigten deutsche Behörden genaue Angaben und Kennt-
nisse der ausländischen Einbürgerungspraxis, was ohne Ko-

Staaten Vereinbarungen über den Austausch von Einbürge-
rungsmitteilungen bestünden und das Interesse hieran welt-
weit gering sei, werde der Verlust der Staatsangehörigkeit
oft nur im Nachhinein bei bestimmten behördlichen Anläs-
sen bekannt.

Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf
die Angabe der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 ehemalige Türken wieder die türkische
Staatsangehörigkeit zurückerlangt hätten, darauf hin, dass
nicht bekannt sei, wie viele unter den wieder Eingebürger-
ten ohnehin als Minderjährige nicht wahlberechtigt gewesen
seien, und ob darunter auch Personen gewesen seien, deren
deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der türki-
schen Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen sei (etwa
minderjährige Familienmitglieder, auf die sich der Staatsan-
gehörigkeitserwerb durch das Familienoberhaupt erstreckt
habe oder Personen, die zuvor eine Beibehaltungsgeneh-
migung erhalten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000 die
türkische Staatsangehörigkeit unter Nutzung der damals
noch geltenden Inlandsklausel erworben habe, sei ohnehin
deutscher Staatsangehöriger und damit wahlberechtigt ge-
blieben.

Der Einspruchsführer, der die Stellungnahme des Bundes-
ministeriums des Innern übermittelt bekommen hat, geht
von einem nicht richtigen Ansatz aus, dass nicht 20 000,
sondern sicherlich mehr als 50 000 Personen betroffen
seien, was vier bis fünf Bundestagssitzen entspreche und
damit eine erhebliche Auswirkung auf die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages habe.

III.

Der Einspruchsführer hält die Mitglieder des Wahlprüfungs-
ausschusses, zumindest aber die Mitglieder der Fraktionen
DIE LINKE., SPD sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für
befangen und daher für nicht abstimmungsberechtigt.

IV.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer
anderen Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend
unter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den ange-
griffenen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass
operation der fremden Staaten von jeher schwierig gewesen
sei. Da mit weniger als 20 der 190 in der UNO vertretenen

eine Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht
werden darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Drucksache 16/3900 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Par-
teimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrecht-
lichen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Par-
lament der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-

tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird
dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Auf-
stellung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS
unter Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw.
Parteilosen und die anschließende Zulassung der Listen
durch die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse
umgangen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahl-
vorschlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-

und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/3900

der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Linkspar-
tei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen um-
fassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich ver-
einzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ersten
Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüften
Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homoge-
nität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei ih-
ren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen der
aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick

bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls par-
lamentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anfor-
derung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung
angesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine ab-
schließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt
kooperieren, dass die eine der anderen sichere Wahl-
kreise überlässt, um die Überwindung der Grundman-
datsklausel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an,
die zudem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zu-
sammenarbeiten, sondern einen Zusammenschluss errei-
chen will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang
auch daran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle
einer Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des
Zusammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren

firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im

Drucksache 16/3900 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise an-
gesichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens
III“, der Zeitpläne für die Bundesebene und der Ent-
würfe für programmatische Eckpunkte und Satzungsre-
gelungen keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt
der Entscheidung über die entsprechenden Wahleinsprü-
che erkennbar geworden.

II.

Auch bezüglich der gerügten Wahlteilnahme von Personen
ohne Wahlberechtigung ist kein Wahlfehler festzustellen.
Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen, die durch
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung
die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, ein Wahl-
fehler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen § 12 Abs. 1
BWG verstoßen, wonach nur Deutsche im Sinne des Arti-
kels 116 Abs. 1 GG wahlberechtigt sind.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass solche Perso-
nen tatsächlich an der Wahl teilgenommen haben. Dass
nicht wahlberechtigte Personen teilgenommen haben, ergibt
sich nämlich keineswegs bereits zwangsläufig aus dem
Umstand, dass nach Angaben der türkischen Regierung seit
Anfang 2000 ca. 50 000 Personen mit deutscher Staats-
angehörigkeit die türkische Staatsangehörigkeit erworben
haben, während auf Grund einer 2005 von den Ländern zur
Gewährleistung der Richtigkeit der Wählerverzeichnisse
durchgeführten Frage- und Informationskampagne lediglich
in 21 463 Fällen von einem Verlust der deutschen Staats-
angehörigkeit gemäß § 25 StAG auszugehen war. Denn ab-
gesehen davon, dass im Hinblick auf § 25 Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 2 StAG die Erlangung der türkischen Staatsangehörig-
keit nicht in allen Fällen zum Verlust der deutschen Staats-
angehörigkeit geführt haben muss, ist zu berücksichtigen,
dass für eine Eintragung ins Wählerverzeichnis ohnehin nur
derjenige in Betracht kommt, der zum Zeitpunkt der Wahl
volljährig und damit wahlberechtigt ist, und dass eine „auto-
matische“ Eintragung von Amts wegen auf der Grundlage
der Melderegister einen Wohnsitz in Deutschland voraus-
setzt (vgl. § 16 Abs. 1 der Bundeswahlordnung [BWO]).
Auf wie viele der 50 000 Personen das zutraf, ist – mangels
Angaben der türkischen Seite – nicht bekannt. Damit kann
die Differenz zwischen den 50 000, die die türkische Seite
genannt hat, und den 21 463, welche die Länder ermittelt
haben, nicht ohne weiteres mit falschen Angaben der Be-
fragten erklärt werden. Selbst wenn man aber unterstellt,
dass die Diskrepanz zwischen der Zahl 50 000 und der
Zahl 21 463 – zumindest zum Teil – auf wahrheitswidrige
Angaben der Befragten zurückzuführen ist und zur Eintra-
gung von nicht wahlberechtigten Personen ins Wählerver-
zeichnis geführt hat, ist damit noch nicht gesagt, dass diese

kampagnen um die Strafbarkeit einer unbefugten Wahlteil-
nahme wussten.

Alles, was sich damit feststellen lässt, ist, dass es wegen
§ 25 StAG nicht ausgeschlossen werden kann, dass Perso-
nen, die nicht (mehr) wahlberechtigt waren, in die Wähler-
verzeichnisse eingetragen worden sind und von der dadurch
eröffneten faktischen Möglichkeit, eine Stimme abzugeben,
auch Gebrauch gemacht haben. Dass sich diese Gefahr auch
tatsächlich realisiert hat, ist hingegen lediglich eine auf blo-
ßen Vermutungen basierende Theorie.

Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten
Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen
feststellen – kann, reicht es aber nicht aus, dass dargelegt
wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr
muss ebenso – unter Angabe konkreter, der Überprüfung
zugänglicher Tatsachen (vgl. BVerfGE 85, 148 [160]) – dar-
gelegt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
dass ein Wahlfehler nicht nur passieren konnte, sondern
auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59, 119 [123]). Das folgt
daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprü-
fung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einspruch, der
zu begründen ist, erfolgt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 f.];
vgl. ferner Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlagen 283,
284, 285; 15/1850, Anlage 25, S. 107; 15/2400, Anlage 9;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 49
Rn. 17 f.). Da aber nur Wahlfehler, die passiert sind, die
Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die
vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von Wahl-
fehlern substantiieren. Das gilt selbst dann, wenn die Sub-
stantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar un-
möglich ist (vgl. BVerfGE 66, 369 [379]). Würde man es
genügen lassen, dass Einspruchsführer lediglich denkbare
Wahlfehler darlegen, könnte jede Wahl – und zwar flächen-
deckend – z. B. allein mit der Begründung angefochten wer-
den, es habe eine bestimmte Zahl von Wählern mittels
Briefwahl gewählt und es sei nicht auszuschließen, dass
diese „in großer Zahl“ ihren Stimmzettel anderen Personen
zum Ausfüllen überlassen hätten.

Es ist auch nicht feststellbar, dass Wahlbehörden die ihnen
bei der Führung der Wählerverzeichnisse obliegenden Prü-
fungspflichten verletzt haben. Gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1
BWO ist vor der Eintragung einer Person in das Wählerver-
zeichnis zu prüfen, ob diese die Wahlrechtsvoraussetzungen
des § 12 BWG erfüllt. Gegenstand dieser Prüfung ist grund-
sätzlich auch die Frage, ob ein Staatsangehörigkeitsverlust
nach § 25 Abs. 1 StAG eingetreten ist. Denn ist dies der
Fall, ist die betreffende Person nicht mehr wahlberechtigt.
Was das „zu prüfen“ in § 16 Abs. 7 Satz 1 BWO im Hin-
blick auf die Frage des Staatsangehörigkeitsverlusts nach
§ 25 Abs. 1 StAG im Einzelfall bedeutet, hängt allerdings
davon ab, ob und ggf. welche Anhaltspunkte es für einen
Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 StAG gibt und wel-
che Informationsquellen – tatsächlich und rechtlich – zur
Klärung dieser Frage zur Verfügung stehen. Die im Vorfeld
der Bundestagswahl in den Ländern durchgeführten Frage-
und Informationskampagnen entsprachen den tatsächlichen
Anhaltspunkten für Staatsangehörigkeitsverluste nach § 25
Abs. 1 StAG sowie den in rechtlicher und tatsächlicher Hin-
sicht zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten.
Personen sich auch an der Wahl beteiligt haben. Das gilt
umso mehr, als sie auf Grund der Frage- und Informations-

Einziger handfester Anhaltspunkt dafür, dass türkischstäm-
mige Deutsche ihre Staatsangehörigkeit verloren hatten,

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/3900
Wahlperiode – 59 – D Wahlperiode – 59 – D

war die bereits erwähnte Mitteilung der türkischen Regie-
rung. Daraus ließ sich aber noch nicht entnehmen, welche
konkreten Personen die türkische Staatsangehörigkeit wie-
der erworben haben könnten. Da von türkischer Seite keine
auf einzelne Personen bezogenen Angaben erlangt werden
konnten, kamen als Informationsquellen nur noch die be-
treffenden Personen selbst in Betracht. Eine an diesen Per-
sonenkreis adressierte Frage- und Informationskampagne
war daher angezeigt, aber auch hinreichend, um in Erfah-
rung zu bringen, welche Personen tatsächlich die deutsche
Staatsangehörigkeit durch eine türkische Einbürgerung ver-
loren hatten.

III.

Soweit der Einspruchsführer die Befangenheit des Wahl-
prüfungsausschusses bzw. bestimmter Mitglieder geltend
macht, bedarf dies keiner näheren Erörterung. Die Aufgabe
der Wahlprüfung ist dem Deutschen Bundestag durch
Artikel 41 GG zugewiesen. Ein Ausschluss von der Bera-
tung und Beschlussfassung ist nur unter den Voraussetzun-
gen des § 17 WPrüfG möglich, die her nicht erfüllt sind. So
ist nach dieser Vorschrift derjenige Abgeordnete ausge-
schlossen, dessen Wahl zur Prüfung steht. Dies gilt aber
nicht, wenn in einem Verfahren die Wahl von mindestens
zehn Abgeordneten angefochten wird.

ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-

tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Betei-
ligungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten auf-
gestellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/3900

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. M., 21745 Hemmoor
– Az.: WP 128/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag Einspruch eingelegt. Der Einspruch wendet sich
gegen die Zulassung der Landeslisten der Linkspartei.PDS,
die auch Mitglieder der Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit (WASG) enthielten

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-

vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text

stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte sog. Hand-

Drucksache 16/3900 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

reichung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger
Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass die
politischen Parteien Linkspartei.PDS und WASG sich aus
„wahltaktischen Gründen“ zusammengeschlossen hätten.
Durch diesen „Trick“ sei der WASG sowohl die Beibrin-
gung der Unterstützungsunterschriften als auch die Über-
windung der Fünf-Prozent-Hürde aus eigener Kraft erspart
geblieben. Eine an sich unzulässige Listenvereinigung solle
diesbezüglich zwar nicht vorliegen. Allerdings sollte genau
das erreicht werden, was mit dem Verbot der Listenver-
einigungen verhindert werden solle. Der Missbrauch der
Gestaltungsmöglichkeiten, die das Wahlrecht eröffne, sei
offenkundig. Die Landeslisten der Linkspartei.PDS hätten
nicht den Anforderungen des BWG entsprochen und hätten
daher zurückgewiesen werden müssen.

III.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben. Dass alle 16
Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber enthiel-
ten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern par-
teilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe bei
keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-
Holstein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/3900

in einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Listen-
vereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien ermög-
liche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschriften
„zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch
unterlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung

sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung der
Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die Wählbar-
keit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unterstützungs-
unterschriften, umfasst. Daher komme dem Wortlaut des
Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft der Lis-
tenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu. Dies
gelte umso mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder Be-
werber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit der Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimat-
vertriebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste
der CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das
Gesetz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz ge-
zogen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt,
dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn
sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein ge-
meinsames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11,
351, 366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall
einer örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei
einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben
erachtet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit ei-
nem gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Par-
teizugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung

Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungs-

Drucksache 16/3900 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

entscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei ge-
folgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die
Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an sich
verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfassungsge-
richt geforderte Homogenität der Liste müsse nicht bereits
dann verneint werden, wenn Mitglieder einer fremden Par-
tei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es müsse viel-
mehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-
des der fremden Partei, sondern auch auf die politische Auf-
fassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-
schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhabba-
res, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der Lan-
deslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an numeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem
Abschnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten
zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11, Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

IV.

Der Einspruchsführer hat mitgeteilt, dass er sich zu der ihm
zugänglich gemachten Stellungnahme nicht äußern wolle.

V.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer an-
deren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend
unter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den ange-
griffenen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass
eine Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht
werden darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation

zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/3900

grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine
Parteimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrechtli-
chen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Parla-
ment der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-
tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird
dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das Vor-
gehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstellung

losen und die anschließende Zulassung der Listen durch
die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse umgan-
gen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in
der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Links-
partei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen
umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich
vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ers-
ten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüf-
ten Zusammenhang unerheblich.
der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter
Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw. Partei-

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der

hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homo-
genität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei
ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des je-
weils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls par-
lamentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,

ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anfor-
derung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung
angesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine ab-
schließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt ko-
operieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise
überlässt, um die Überwindung der Grundmandatsklau-
sel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zu-
dem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zusammen-
arbeiten, sondern einen Zusammenschluss erreichen
will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch da-
ran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle einer
Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des Zu-
sammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise an-
gesichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens
III“, der Zeitpläne für die Bundesebene und der Ent-
würfe für programmatische Eckpunkte und Satzungs-
regelungen keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeit-
punkt der Entscheidung über die entsprechenden
Drucksache 16/3900 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu- Wahleinsprüche erkennbar geworden.

außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem

schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-

setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten aufge-
stellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/3900

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau N. R., 19205 Kneese
– Az.: WP 146/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 7. November 2005 hat die Einspruchs-
führerin gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag Einspruch eingelegt. Der Einspruch wendet sich
gegen die Zulassung der Landeslisten der Linkspartei.PDS,
die auch Mitglieder der Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit (WASG) enthielten.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer

Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene

mit dem Bundesministerium des Innern erstellte sog. Hand-
reichung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger

Drucksache 16/3900 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Die Einspruchsführerin trägt zur Begründung ihres Ein-
spruchs vor, dass Linkspartei/PDS und WASG das Projekt
einer Wahlkooperation betrieben hätten. Auf den Landes-
listen der Linkspartei seien Vertreter der WASG berücksich-
tigt worden. Nach § 27 BWG könne jedoch nur eine ein-
zelne Partei eine Landesliste einreichen. Nicht erlaubt seien
Landeslisten zweier oder mehrerer Parteien, die, ohne mit-
einander zu verschmelzen, bloß zu Wahlzwecken ein Bünd-
nis schlössen, um z. B. die Fünf-Prozent-Hürde leichter zu
überwinden.

Linkspartei/PDS und WASG hätten weder ein gemeinsames
Programm noch sei klar, ob sie nach der Wahl ihr Zusam-
mengehen tatsächlich fortsetzen wollten. Das Zusammen-
gehen der Parteien diene ausschließlich dem Zweck, die
5- Prozent-Sperrklausel zu umgehen. Die Linkspartei/PDS
hätte in den alten Bundesländern keine Chance gehabt, die
Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden, und die WASG hätte
weder in den alten noch in den neuen Bundesländern eine
reale Chance gehabt, diese Hürde zu überwinden. Durch
den „Trick der Listenvereinigung“ verhelfe der Wähler zu-
gleich einer anderen Liste zum Erfolg. Seine Stimme habe
somit doppeltes Gewicht, was zu Chancenungleichheit der
Parteien führe. Getäuscht werde der Wähler zudem durch
den Zusatz Linkspartei/PDS, der nur in den neuen Bundes-
ländern verwendet werde. In den alten Bundesländern ver-
zichte man vorsorglich auf den Zusatz PDS, um dem unin-
formierten Wähler zu suggerieren, es handele sich lediglich
um eine Linkspartei und nicht um die Nachfolger der SED.

III.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben. Dass alle 16
Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber enthiel-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/3900

ten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern par-
teilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe bei
keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Listen-
vereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien ermög-
liche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschriften
„zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
dass das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelun-
gen zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landes-
listen. Das Bundestagswahlrecht sei von großer Form-
strenge geprägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis ge-
mäß seinem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwen-
dung seiner Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der
Durchführung der Bundestagswahlen stünden für nahezu
sämtliche im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidun-
gen den Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze
Zeiträume zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck
gehandelt werden und man sei auf klare und verständliche

der jetzigen Wahl gegolten. Während der Entscheidungs-
zeitraum bei „regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage um-
fasse (§§ 19, 28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Ver-
ordnung des Bundesministeriums des Innern auf vier Tage
verkürzt gewesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag
vor der Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern
eingegangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulas-
sung hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der
Wahl (19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prü-
fung sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle
eingereichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prü-
fung der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte umso mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer ande-
ren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete und
praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine Liste
nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet werden
könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet sei.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt,
dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn
sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein
Normen mit eindeutigen Handlungsanweisungen angewie-
sen. Dies habe erst recht wegen der verkürzten Fristen vor

gemeinsames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11,
351, 366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall

Drucksache 16/3900 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

einer örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei
einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben
erachtet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit
einem gemeinsamen Programm äußern solle – durch die
Parteizugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch an-
dere Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlen-
den Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung
allerdings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprü-
fungsentscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3)
sei gefolgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei an-
gehörender Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an
sich verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfas-
sungsgericht geforderte Homogenität der Liste müsse nicht
bereits dann verneint werden, wenn Mitglieder einer frem-
den Partei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es
müsse vielmehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt wer-
den, wobei es nicht nur auf die politische Richtung des Lan-
desverbandes der fremden Partei, sondern auch auf die poli-
tische Auffassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-
schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhabba-
res, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der Lan-
deslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an numeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten

nächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den
Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich an-
schließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, zwei erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3
erfolgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fragli-
chen Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

IV.

Die Einspruchsführerin hat auf die ihr übersandte Stellung-
nahme des Bundeswahlleiters nicht mehr reagiert.

V.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer an-
deren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend
unter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den ange-
griffenen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass
eine Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht
werden darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten zu-

einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der die
Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einreichenden

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/3900

Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800,
S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestimmungen des
Bundeswahlgesetzes und des Parteiengesetzes führen
nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem Bundes-
wahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zugrunde liegt,
wonach nur Mitglieder der betreffenden Partei nominiert
werden dürfen. Insoweit ist der Stellungnahme des Bun-
deswahlleiters in ihren Ausführungen zu § 48 BWG,
§ 18 ff. PartG und zum Schweigen des Gesetzgebers an-
gesichts des Wissens um parteifremde Bewerber nichts
hinzuzufügen. Dass eine Parteimitgliedschaft einfach-
rechtlich nicht gefordert ist, wird im Übrigen auch da-
durch bekräftigt, dass es auf Bundesebene – anders als in
den beiden vom Bundeswahlleiter zitierten Bundeslän-
dern – keine wahlrechtlichen Bestimmungen gibt, wo-
nach bei Einreichung von Listen gegenüber dem Landes-
wahlleiter eidesstattliche Angaben über die jeweilige
Parteizugehörigkeit oder Parteilosigkeit zu machen sind.
Ebenso wenig führen verfassungsrechtliche Ansatz-
punkte zu einem gegenteiligen Ergebnis. Bereits in der
Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahlperiode ist der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnom-
men worden, dass es die Aufnahme parteifremder bzw.
einer anderen Partei angehörender Bewerber nicht als an
sich verfassungswidrig ansieht. Auf die sodann in der
Wahlprüfungsentscheidung erörterte Frage der Homoge-
nität der Liste wird selbstverständlich später noch (nach-
folgend unter Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Par-
lament der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht werden
darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Listenver-
einigung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27 Abs. 2
und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut jeweils
nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird dieses Verbot
dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts vom 29. September 1990 (BVerfGE 82,
322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche Wahl am 2. De-
zember 1990 betraf, durch eine Übergangsregelung nur
für diese Wahl Listenvereinigungen konkurrierender Par-
teien und Vereinigungen mit Sitz auf dem Gebiet der ehe-
maligen DDR zugelassen waren (vgl. Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage, § 7 Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-

stellung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS
unter Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw.
Parteilosen und die anschließende Zulassung der Listen
durch die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse
umgangen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke
erwartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden,
in der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke
aller Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis
20 drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese
Liste angesichts der hinteren Platzierung und der 14
Linkspartei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Per-
sonen umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass
sich vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Auf-

ersten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier ge-
prüften Zusammenhang unerheblich.

Drucksache 16/3900 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homo-
genität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei ih-
ren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen der
aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls par-
lamentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf

dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anfor-
derung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung
angesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine ab-
schließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt ko-
operieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise
überlässt, um die Überwindung der Grundmandatsklau-
sel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zu-
dem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zusammen-
arbeiten, sondern einen Zusammenschluss erreichen
will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch da-
ran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle einer
Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des
Zusammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise ange-
sichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens
III“, der Zeitpläne für die Bundesebene und der Ent-
würfe für programmatische Eckpunkte und Satzungsre-
gelungen keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,

der Entscheidung über die entsprechenden Wahleinsprü-
che erkennbar geworden.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die

tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene

stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte sog. Hand-
reichung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter
Demokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der

darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten aufge-
stellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/3900

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn S. M., 10178 Berlin
– Az.: WP 149/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 10. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag Einspruch eingelegt.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber

Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine

Drucksache 16/3900 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

II.

Zur Begründung seines Einspruchs trägt der Einspruchsfüh-
rer vor, dass durch die Aufstellung von Kandidaten einer
politisch konkurrierenden Partei auf der Landesliste der
Linkspartei.PDS gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Arti-
kels 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen worden sei. Die Auf-
stellung der Kandidaten für die Berliner Landesliste der
Linkspartei.PDS für die Bundestagswahl 2005 sei mit der
politischen Absichtserklärung verbunden gewesen, ein Zu-
sammenschluss mit der politisch bis zu diesem Zeitpunkt
zumindest in Berlin konkurrierenden WASG stünde in naher
Zukunft an. Die WASG habe sich in politischer Abgrenzung
von der PDS in Berlin gegründet. Nach verfassungsrecht-
lichen Wahlgrundsätzen sei eine Verbindung regional kon-
kurrierender Parteien zur Bundestagswahl indes unzulässig.
Eine politische Absichtserklärung sei aber nicht geeignet,
zumindest erforderliche konkrete Anhaltspunkte eines be-
vorstehenden Parteizusammenschlussverfahrens zu erset-
zen. Soweit darauf abgestellt werde, dass sog. „offene Lis-
ten“ mit WASG-Kandidaten zulässig seien, müsse dies eine
Grenze dann finden, wenn – wie hier – die Möglichkeit der
Aufstellung nichtparteiangehöriger Kandidaten weitaus
überwiegend bis ausschließlich dazu genutzt werde, Kan-
didaten einer politisch konkurrierenden Partei auf der
Landesliste zu berücksichtigen.

III.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben. Dass alle 16
Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber enthiel-
ten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern par-
teilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe bei
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/3900

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Lis-
tenvereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien er-
mögliche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschrif-
ten „zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei ei-
nen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bishe-
rigen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des

Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte umso mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer ande-
ren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete und
praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine Liste
nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet werden
könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet sei.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt,
dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn
sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein
gemeinsames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11,
351, 366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall
einer örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei
einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben
erachtet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der

einem gemeinsamen Programm äußern solle – durch die
Parteizugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch an-

Drucksache 16/3900 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dere Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlen-
den Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung
allerdings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprü-
fungsentscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3)
sei gefolgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei an-
gehörender Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an
sich verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfas-
sungsgericht geforderte Homogenität der Liste müsse nicht
bereits dann verneint werden, wenn Mitglieder einer frem-
den Partei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es
müsse vielmehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt wer-
den, wobei es nicht nur auf die politische Richtung des Lan-
desverbandes der fremden Partei, sondern auch auf die poli-
tische Auffassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-
schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhab-
bares, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der
Landeslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Be-
werbern deshalb eine generalisierende, vorrangig an nume-
rischen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten
zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landeslis-
ten der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11, Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich, Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

IV.

Der Einspruchsführer hat auf die ihm übersandte Stellung-
nahme des Bundeswahlleiters nicht mehr reagiert.

V.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer ande-
ren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend un-
ter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den angegriffe-
nen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlausschüsse
keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass eine
Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht werden
darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/3900

dem Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine
Parteimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrechtli-
chen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Par-
lament der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-
tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird
dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das

unter Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw.
Parteilosen und die anschließende Zulassung der Listen
durch die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse
umgangen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Be-
antwortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in
der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Links-
partei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen
umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich
vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ers-
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Auf-
stellung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS

ten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüf-
ten Zusammenhang unerheblich.

Drucksache 16/3900 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homo-
genität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei
ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls parla-
mentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf

dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anforde-
rung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung an-
gesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine
abschließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt ko-
operieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise
überlässt, um die Überwindung der Grundmandatsklau-
sel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zu-
dem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zusammen-
arbeiten, sondern einen Zusammenschluss erreichen
will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch da-
ran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle einer
Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des
Zusammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise ange-
sichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner konkur-
rierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch angesichts
des oben referierten „Kooperationsabkommens III“, der
Zeitpläne für die Bundesebene und der Entwürfe für pro-
grammatische Eckpunkte und Satzungsregelungen keine
derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Entschei-
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,

dung über die entsprechenden Wahleinsprüche erkennbar
geworden.

ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-

tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Beteili-
gungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschied-
licher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichten-
der Firmierung – für alle Bundesländer Landeslisten auf-
gestellt und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte,
ließen die Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese
Listen gemäß § 28 BWG zu.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/3900

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. J. H., NL – 6374 Landgraaf
– Az.: WP 173/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2005, das am 18. No-
vember 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt. Der
Einspruch betrifft die Zulassung der Landeslisten der Links-
partei.PDS und die Wahlteilnahme als Auslandsdeutscher.

I.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-

vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legte am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Zeitpläne gehen bezüglich des
Parteibildungsprozesses von Urabstimmungen und Partei-
tagen im Frühjahr 2007 aus. Am 22. Oktober 2006 wurden
in einer gemeinsamen Vorstandssitzung programmatische
Eckpunkte sowie Entwürfe einer Bundessatzung der Partei
DIE LINKE. und einer Bundesfinanzordnung beschlossen.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text

stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte sog. Hand-

Drucksache 16/3900 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

reichung ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger
Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als durch parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13,
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16,
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14,
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6,
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5,
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12,
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39,
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27,
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19,
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1,
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17,
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6,
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2,
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied,
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

Nach Auffassung des Einspruchsführers haben die Parteien
Linkspartei/PDS und WASG das Projekt einer Wahlkoope-
ration betrieben. Auf den Landeslisten der Linkspartei seien
Vertreter der WASG berücksichtigt worden. Nach § 27
BWG könne jedoch nur eine einzelne Partei eine Landes-
liste einreichen. Nicht erlaubt seien gemeinsame Landeslis-
ten zweier oder mehrerer Parteien, die, ohne miteinander zu
verschmelzen, bloß zu Wahlzwecken ein Bündnis schlös-
sen, um z. B. die Fünf-Prozent-Hürde leichter zu überwin-
den oder die nach dem BWG erforderlichen Unterstützungs-
unterschriften nicht beibringen zu müssen. Die Landeslisten
der Linkspartei/PDS hätten daher von den Landeswahlaus-
schüssen nicht zugelassen werden dürfen, da sie nicht den
Anforderungen des Bundeswahlgesetzes entsprochen hät-
ten.

Durch das von der Linkspartei/PDS bundesweit erzielte
Wahlergebnis von 8,7 Prozent der Zweitstimmen liege auch
ein relevanter Wahlfehler vor, da das Wahlergebnis durch
die Zulassung der Landeslisten der Linkspartei/PDS nach-
haltig beeinflusst worden sei.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben. Dass alle 16
Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber enthiel-
ten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern par-
teilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe bei
keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-

WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20,
kein Parteiloser

zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/3900

oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und
- vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach
§ 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus ver-
schiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Par-
teien nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich
überwinden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Par-
teien, um gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden,
gestatte das Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG
– unter Umständen – erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften müsse die jeweilige Partei beibringen; eine Listen-
vereinigung oder -verbindung, die es zwei Parteien ermög-
liche, die von ihnen jeweils gesammelten Unterschriften
„zusammenzulegen“, sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der

hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte umso mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimat-
vertriebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste
der CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das
Gesetz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz ge-
zogen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine
entsprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Deutschen Bundestages nach dem Demokratie-
prinzip durch den Wähler getroffen werden solle. Eine Zu-
lassungspraxis, die eine Bewertung der hinter einer Liste
stehenden politischen Kräfte unternähme, würde die Wahl-
entscheidung vom Volk in das Vorfeld der Wahl zu den
Wahlausschüssen verlagern. Damit würde der „Souverän“
von vornherein in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt
und der Zulassungsentscheidung eine materielle, vom Wahl-
recht nach dem Sinn und Zweck des Demokratieprinzips
nicht gewollte politische Bedeutung verschafft.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt,
dass „die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn
sich die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein
gemeinsames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11,
351, 366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall
einer örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei
einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben
erachtet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit ei-
nem gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Par-
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung

teizugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden

Drucksache 16/3900 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungs-
entscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei ge-
folgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die
Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an sich
verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfassungsge-
richt geforderte Homogenität der Liste müsse nicht bereits
dann verneint werden, wenn Mitglieder einer fremden Par-
tei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es müsse viel-
mehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-
des der fremden Partei, sondern auch auf die politische Auf-
fassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das No-
minieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, Ergän-
zungsinformation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005,
S. 10). Die teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“
Kriterien, wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem be-
stimmten Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König,
Anmerkungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffent-
liche Verwaltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahl-
ausschüsse, die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu
entscheiden gehabt hätten, sei die Überprüfung der politi-
schen Haltung einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewe-
sen. Kriterien zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien
auch kaum objektivierbar gewesen. Als einzig handhab-
bares, formales Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der
Landeslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an numeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten
zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-

Nach den Kriterien der Handreichung seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS auf Grund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11, Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Deutschen Bundestag (Hessen: 20 Listen-
plätze, 2 erfolgreich; Niedersachsen: 46 Listenplätze, 3 er-
folgreich). Auf den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen
Landeslisten (nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
seien mit sieben bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber er-
folgreich gewesen) sei jeweils nur ein Bewerber der WASG
platziert gewesen. Allein in Hamburg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz seien auf den ersten fünf Plätzen zwei WASG-
Mitglieder platziert gewesen, was aber die Homogenität
dieser Landeslisten nicht zerstört habe.

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm übersandten Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters nicht geäußert.

II.

Daneben beanstandet der Einspruchsführer, dass er wegen
des vorgezogenen Termins der Neuwahl als Auslands-
deutscher keine Möglichkeit gehabt habe, an der Wahl teil-
zunehmen. Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 25. August 2005 über die Verfassungsmäßigkeit der
Auflösung des Deutschen Bundestages und der Anordnung
der Neuwahl habe man nicht davon ausgehen können, dass
die Anordnung der Neuwahl überhaupt verfassungskonform
gewesen sei. Daher habe aus seiner Sicht eine Eintragung in
das Wählerverzeichnis für im Ausland lebende deutsche
Staatsangehörige vor dem 25. August 2005 als rein vorsorg-
liche Maßnahme für den hypothetischen Fall einer tatsäch-
lichen Neuwahl keinen Sinn gehabt.

III.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Ein Wahlfehler lässt sich bezüglich der Zulassung der von
der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten durch die
Landeswahlausschüsse aller Bundesländer gemäß § 28
BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Landesliste
zwar nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht
aber kein Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer ande-
ren Partei oder Parteilose aufzunehmen (nachfolgend un-
ter Buchstabe a). Zum anderen lässt sich bei den angegriffe-
nen Zulassungsentscheidungen der Landeswahlausschüsse
keine Umgehung des Grundsatzes feststellen, dass eine
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
Handreichung eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Landesliste jeweils nur von einer Partei eingereicht werden
darf (nachfolgend unter Buchstabe b).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/3900

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und 5. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in ihren Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen
des Gesetzgebers angesichts des Wissens um par-
teifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Par-
teimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist,
wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf
Bundesebene – anders als in den beiden vom Bundes-
wahlleiter zitierten Bundesländern – keine wahlrechtli-
chen Bestimmungen gibt, wonach bei Einreichung von
Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eidesstattliche
Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit oder
Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegentei-
ligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentschei-
dung der 5. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entnommen worden, dass es
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste
wird selbstverständlich später noch (nachfolgend unter
Buchstabe b) einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Par-
lamentspraxis, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des
Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im Parla-
ment der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und
Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f., aus-
drücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglieder
anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander konkur-
rieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich
erst mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer
Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber ge-

tenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27
Abs. 2 und § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut
jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird
dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 1990
(BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste gesamtdeutsche
Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch eine Über-
gangsregelung nur für diese Wahl Listenvereinigungen
konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit Sitz auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, § 7
Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einpartei-
iger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das
Vorgehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Auf-
stellung der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS
unter Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw.
Parteilosen und die anschließende Zulassung der Listen
durch die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse
umgangen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der Handreichung des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem
Abstellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einrei-
chenden Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maß-
stab. Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die
Gesamtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Deutschen Bundestag zu
achten, die sich danach bemessen, wo und in welcher
Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vor-
geschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel
besonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei
meinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht wer-
den darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten Lis-

und Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke er-
wartet werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in

Drucksache 16/3900 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht.
Werden unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tat-
bestand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, ge-
ben sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglie-
der der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten
Fünferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt,
mit einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke al-
ler Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20
drei WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste
angesichts der hinteren Platzierung und der 14 Links-
partei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen
umfassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich
vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ers-
ten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüf-
ten Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der 5. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homo-
genität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei
ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über ein eigenes
Programm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des
jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick

bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne Weiteres wahrnehmbar.
Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls par-
lamentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen.“ Abgesehen davon,
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anfor-
derung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung
angesichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine ab-
schließende Aussage entnommen werden, dass es nur
auf das Vorhandensein eines Programms in einem for-
mell verstandenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei
einem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepack-
verfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei
Parteien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt
kooperieren, dass die eine der anderen sichere Wahl-
kreise überlässt, um die Überwindung der Grundman-
datsklausel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an,
die zudem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zu-
sammenarbeiten, sondern einen Zusammenschluss errei-
chen will. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang
auch daran, dass laut Bundesverfassungsgericht im Falle
einer Listenvereinigung, bei der in verfestigter Form des
Zusammenwirkens mehrere Parteien eine gemeinsame
Liste aufstellen, die gleichmäßige Wirkung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgehoben wird
(BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/
Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch
Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfeh-
lung der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar sind.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren

firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im

wahrnehmen wollen, bei der Gemeindebehörde, bei der sie
vor ihrem Fortzug aus dem Wahlgebiet zuletzt gemeldet wa-
ren, bis zum 21. Tag vor der Wahl einen Antrag auf Eintra-

ihrer Anträge bis zur Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts zu warten. Ein solcher Eindruck wurde auch nicht
von Seiten der Wahlbehörden erweckt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/3900

Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-
ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise an-
gesichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen –, auch ange-
sichts des oben referierten „Kooperationsabkommens
III“, der Zeitpläne für die Bundesebene und der Ent-
würfe für programmatische Eckpunkte und Satzungsre-
gelungen keine derartigen Anhaltspunkte zum Zeitpunkt
der Entscheidung über die entsprechenden Wahleinsprü-
che erkennbar geworden.

II.

Auch die die Wahlteilnahme von Auslandsdeutschen betref-
fende Rüge greift nicht durch. Der Ablauf der Frist für die
Stellung von Anträgen auf Eintragung ins Wählerverzeich-
nis am 28. August 2005 entsprach den gesetzlichen Vorga-
ben und führte insbesondere nicht zu einer Benachteiligung
von im Ausland lebenden Wahlberechtigten.

Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 5, § 18 Abs. 1
Satz 1 BWO müssen Auslandsdeutsche, die ihr Wahlrecht

gung in das Wählerverzeichnis stellen. Der 21. Tag vor der
Wahl war vorliegend der 28. August 2005. Denn „Tag der
Wahl“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO ist der vom
Bundespräsidenten gemäß § 16 Abs. 1 BWG festgesetzte
Wahltag. Das war gemäß der Anordnung des Bundespräsi-
denten vom 21. Juli 2005 hier der 18. September 2005. Der
Umstand, dass seit 29. Juli bzw. 1. August 2005 beim Bun-
desverfassungsgericht Organklagen anhängig waren, die
sich gegen die Anordnungen des Bundespräsidenten vom
21. Juli 2005, den 15. Deutschen Bundestag aufzulösen und
am 18. September 2005 Neuwahlen durchzuführen, richte-
ten, ändert nichts am Ablauf der Frist des § 18 Abs. 1 Satz 1
BWO. Denn im Unterschied etwa zur Erhebung einer An-
fechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt gemäß § 40 ff.
der Verwaltungsgerichtsordnung hat die Einleitung eines
Organstreitverfahrens nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 GG,
§ 13 Nr. 5, § 63 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
keine aufschiebende Wirkung.

Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass durch den Ablauf
der Frist für die Stellung der Anträge auf Eintragung ins
Wählerverzeichnis nur drei Tage nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts Auslandsdeutschen nicht die
Möglichkeit genommen wurde, an der Wahl teilzunehmen.
Denn da die Pflicht der Gemeindebehörden, Anträge auf
Eintragung ins Wählerverzeichnis zu bearbeiten, durch die
Erhebung der Organklagen nicht suspendiert wurde, waren
Auslandsdeutsche keineswegs gezwungen, mit der Stellung

Sachsen“ ein. Dem Kreiswahlvorschlag waren 16 Unterstüt-
zungsunterschriften beigefügt sowie eine Anlage „als Ersatz

heit Ostdeutsche verleumdet und beleidigt“ werden könne.
unter Hinweis auf eine weitere Anlage jeweils selbst.

Der Kreiswahlvorschlag wurde vom Kreiswahlausschuss
am 19. August 2005 mit der Begründung zurückgewiesen,

bzw. am 27. Juli 2005 eingereicht worden.

Schließlich sei „die Wahl“ vom Kreiswahlleiter bekannt ge-
macht worden, obwohl das Bundesverfassungsgericht über
für die fehlenden 184“. In dieser Anlage stellt der Ein-
spruchsführer unter Hinweis auf die zu seinem letzten Wahl-
einspruch (Az. WP 50/02) gegen die Wahl zum 15. Deut-
schen Bundestag ergangene Beschlussempfehlung (Bundes-
tagsdrucksache 15/2400, Anlage 2) fest, dass „keine 200
Unterstützungsunterschriften erforderlich sind“. Zur Be-
gründung gibt er an: „Unterstützungsunterschriften konnten
komplett nicht erbracht werden durch SZ-Wahlforum mit
Herrn Westerwelle am 8. 8. 05 und Bericht darüber am
10. 8. 05 in der SZ und Behinderung durch Beginn Wahl-
kampf durch SPD-Bewerber Herr Schröder am 13. 8. 05
und 15. 8. 05 in Dresden (Beginn 15.30 h), in Rufweite
Theaterplatz und direkt an der Zufahrt zum Theaterplatz.“
Die drei Unterschriften von drei Wahlberechtigten auf dem
genannten Kreiswahlvorschlag leistete der Einspruchsführer

Zudem sei im Wahlkreis 161 ein Kreiswahlvorschlag der
Vereinigung „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahl-
alternative (WASG)“ ohne Unterstützungsunterschriften an-
erkannt und gleichzeitig der der „Bürger von Sachsen“ zu-
rückgewiesen worden. Auch sei er durch das Anbringen von
Wahlwerbung und durch Wahlkampfveranstaltungen von
politischen Parteien und anderen Wahlbewerbern beim Sam-
meln von Unterstützungsunterschriften behindert worden.

Der Einspruchsführer trägt weiter vor, dass im Zeitraum
vor dem 29. Juli 2005 bis zum 15. August 2005 Wahl-
vorschläge der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutsch-
lands (MLPD) und der UNABHÄNGIGEN KANDIDA-
TEN … für Direkte Demokratie + bürgernahe Lösungen
(UNABHÄNGIGE) vom Kreiswahlleiter angenommen
worden seien. Die Wahlvorschläge seien am 26. Juli 2005
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/3900

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. V., 01169 Dresden
– Az.: WP 175/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Telefax vom 17. November 2005, das beim Deutschen
Bundestag am 18. November 2005 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 ein-
gelegt.

Der Einspruchsführer trägt – teilweise unter Bezugnahme
auf weitere, der Einspruchsschrift beigefügte Schreiben –
im Wesentlichen vor, der von ihm am 1. August 2005 ein-
gereichte Kreiswahlvorschlag sei unzulässigerweise zurück-
gewiesen worden und die Wähler – insbesondere diejenigen
in Sachsen – seien vor der Wahl in ihrer Wahlentscheidung
in unzulässiger Weise beeinflusst worden.

Dem Vorbringen des Einspruchsführers bezüglich der Zu-
rückweisung seines Kreiswahlvorschlages liegt folgender
Sachverhalt zugrunde: Der Einspruchsführer reichte am
1. August 2005 beim Kreiswahlleiter der Bundestagswahl-
kreise 160 (Dresden I) und 161 (Dresden II – Meißen I)
einen Kreiswahlvorschlag unter dem Kennwort „Bürger von

einen so genannten anderen Kreiswahlvorschlag erforderli-
chen Unterschriften von 200 Wahlberechtigten dem Kreis-
wahlvorschlag nicht beigefügt gewesen seien.

Der Einspruchsführer hat gegen diese Zurückweisung am
22. August 2005 Beschwerde beim Landeswahlausschuss
eingelegt und u. a. vorgetragen, dass der Innenminister des
Landes Sachsen vor dem Hintergrund einer neunfachen
Kindstötung in Brandenburg in der „von der SED erzwun-
genen Proletarisierung eine der wesentlichen Ursachen für
die Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft“ gesehen habe.
Mit dieser Aussage habe der Minister den Einspruchsführer
so beleidigt, dass er „für mehrere Tage unfähig war für Un-
terstützung zu werben“. Weiter verweist der Einspruchsfüh-
rer auf eine Aussage des Ministerpräsidenten von Bayern
(„Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber“),
mit der der Einspruchsführer als „Mörder (Metzger)“ be-
zeichnet werde, der seine „Wähler (Kälber)“ schlachte. Der
Kreiswahlvorschlag „Bürger von Sachsen“ betreffe eine
nationale Minderheit, so dass Unterstützungsunterschriften
nicht erforderlich seien, da „straffrei die nationale Minder-
dass sich auf dem Kreiswahlvorschlag lediglich die Unter-
schrift des Einspruchsführers befunden habe und die für

eingereichte Verfassungsbeschwerden noch nicht entschie-
den hatte. Auf Grund der bestehenden Rechtsunsicherheit

Drucksache 16/3900 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

seien die Wahlberechtigten des Wahlkreises 161 nicht bereit
gewesen, den Wahlvorschlag des Einspruchsführers zu un-
terstützen.

Zu weiteren Ausführungen des Einspruchsführers wird auf
das Einspruchsschreiben sowie die genannten Anlagen Be-
zug genommen.

Die Beschwerde des Einspruchsführers wurde vom Landes-
wahlausschuss mit Schreiben vom 30. August 2005 eben-
falls zurückgewiesen.

Zu dem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des Frei-
staates Sachsen am 22. Dezember 2005 wie folgt Stellung
genommen.

Gemäß § 18 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) hätten
Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem Landtag
seit deren letzter Wahl nicht auf Grund eigener Wahlvor-
schläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten
vertreten waren, als solche einen Wahlvorschlag nur einrei-
chen können, wenn sie spätestens am siebenundvierzigsten
Tag vor der Wahl (2. August 2005) dem Bundeswahlleiter
ihre Beteiligung an der Wahl schriftlich angezeigt hätten
und der Bundeswahlausschuss ihre Parteieigenschaft festge-
stellt habe.

Mit Stand vom 3. August 2005 habe der Bundeswahlleiter
über die Vereinigungen informiert, die gemäß § 18 Abs. 2
BWG dem Bundeswahlleiter ihre Beteiligung an der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag angezeigt hätten. In dieser
Aufstellung seien die „Bürger von Sachsen“ nicht vertreten
gewesen. Es sei daher nicht die erforderliche Beteiligungs-
anzeige eingereicht worden. Somit habe der Bundeswahl-
ausschuss in seiner Sitzung am 12. August 2005 keine Fest-
stellung zu den „Bürgern von Sachsen“ getroffen. Es habe
sich somit um keine Partei im Sinne des § 18 Abs. 4 Nr. 2
BWG gehandelt.

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 BWG gelte das Erfordernis von
200 Unterschriften nicht für Kreiswahlvorschläge von Par-
teien nationaler Minderheiten.

Da durch den Bundeswahlausschuss nach dem oben Gesag-
ten schon keine Feststellung zur Parteieigenschaft habe ge-
troffen werden können, sei es auf die Prüfung und Feststel-
lung der Eigenschaft als Partei einer nationalen Minderheit
nicht mehr angekommen. Vielmehr habe es sich beim Vor-
schlag der „Bürger von Sachsen“ um einen anderen Kreis-
wahlvorschlag gemäß § 20 Abs. 3 BWG gehandelt.

Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BWG müssten andere Kreis-
wahlvorschläge von mindestens 200 Wahlberechtigten des
Wahlkreises persönlich und handschriftlich unterzeichnet
sein. Die Formblätter würden auf Anforderung vom Kreis-
wahlleiter kostenfrei geliefert (§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 der
Bundeswahlordnung [BWO]). Durch den Kreiswahlleiter
des Wahlkreises 161 seien den „Bürgern von Sachsen“ nach
Aufforderung vom 1. August 2005 am 3. August 2005 250
Stück Formblätter zur Sammlung von Unterstützungsunter-
schriften übergeben worden. Den „Bürgern von Sachsen“
sei somit nach der Ausgabe der Unterschriftenformulare ein
Zeitraum von nicht einmal zwei Wochen zur Sammlung von
Unterstützungsunterschriften verblieben. Der Kreiswahl-

geben worden. Für eine Mängelbeseitigung habe somit kein
Raum bestanden.

Von den „Bürgern von Sachsen“ seien für den anderen
Kreiswahlvorschlag im Wahlkreis 161 (Dresden II – Mei-
ßen I) jedoch nur 17 Formblätter zur Sammlung von Unter-
stützungsunterschriften, davon 16 gültige Unterstützungs-
unterschriften, eingereicht worden. Somit habe nicht die er-
forderliche Anzahl von 200 Unterstützungsunterschriften
vorgelegen.

Zudem habe der andere Kreiswahlvorschlag an einem wei-
teren Mangel gelitten.

Nach § 34 Abs. 3 BWO hätten bei anderen Kreiswahl-
vorschlägen drei Unterzeichner des Wahlvorschlages ihre
Unterschriften auf dem Kreiswahlvorschlag (Anlage 13)
selbst zu leisten. Dieses Erfordernis sei nicht erfüllt worden,
da der Bewerber diese drei Unterschriften geleistet habe.
Somit habe der Kreiswahlvorschlag unter formellen Fehlern
gelitten, die zur Zurückweisung durch den Kreiswahlaus-
schuss in seiner Sitzung am 19. August 2005 geführt hätten.

Gegen die Zurückweisung des Kreiswahlvorschlages durch
den Kreiswahlausschuss sei gemäß § 26 Abs. 2 BWG
i. V. m. § 37 Abs. 1 BWO Beschwerde an den Landeswahl-
ausschuss eingelegt worden. In seiner Beschwerdesitzung
am 25. August 2005 habe der Landeswahlausschuss ein-
stimmig entschieden, dass die Beschwerde zwar zulässig,
aber unbegründet sei.

Bis zum Ablauf der Einreichungsfrist – 34. Tag vor der
Wahl (§ 19 BWG) – seien sämtliche Mängel eines Kreis-
wahlvorschlages behebbar. Nach Ablauf dieser Frist bis zur
Zulassungsentscheidung durch den Kreiswahlausschuss
(§ 26 Abs. 1 BWG) sei nur noch die Behebung von Män-
geln an sich gültiger Wahlvorschläge zulässig (§ 25 Abs. 2
BWG). Zumindest bei den fehlenden Unterstützungsunter-
schriften habe es sich um einen unbehebbaren Mangel (§ 25
Satz 2 Nr. 2 BWG) gehandelt. Die vom Einspruchsführer
vorgebrachten Umstände, die ihn an der Sammlung von
Unterstützungsunterschriften hinderten, seien sachfremd
gewesen und hätten daher keine Berücksichtigung finden
können.

Aber auch bezüglich des Fehlens der Unterschriften der drei
wahlberechtigten Unterzeichner seien durch den Ein-
spruchsführer bis zur Zulassungsentscheidung durch den
Kreiswahlausschuss keine Anstrengungen unternommen
worden, diesen Mangel zu beseitigen. Der Kreiswahlaus-
schuss sei bei seiner Entscheidung über die Zurückweisung
des Kreiswahlvorschlages ebenso wie der Landeswahlaus-
schuss bei seiner Beschwerdeentscheidung an die gesetzli-
chen Vorschriften gebunden gewesen. Das Wahlrecht allein
habe den Prüfungsmaßstab gebildet. Die vom Einspruchs-
führer im Kreiswahlvorschlag und in der Beschwerde sowie
auch im Wahleinspruch aufgeführten Erwägungen, warum
der Kreiswahlvorschlag nicht habe formal korrekt erbracht
werden können, seien sachfremd und hätten bei den Ent-
scheidungen der Wahlorgane daher keine Berücksichtigung
finden können.

Zum weiteren Vorbringen des Einspruchsführers werde wie
folgt Stellung genommen:
vorschlag der „Bürger von Sachsen“ sei am 15. August
2005, 16:15 Uhr, und somit am letzten Tag der Frist abge-

Im Wahlkreis 161 sei kein Kreiswahlvorschlag der Vereini-
gung Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/3900

(WASG) eingereicht worden. Insofern entsprächen die Aus-
führungen des Einspruchsführers nicht den Tatsachen.

Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb der Ein-
spruchsführer durch das Anbringen von Wahlwerbung und
durch Wahlkampfveranstaltungen von politischen Parteien
und anderen Wahlbewerbern beim Sammeln von Unterstüt-
zungsunterschriften behindert worden sein solle. Zunächst
entscheide hierüber nicht die Landeswahlleiterin. Vielmehr
erfolge die erforderliche Zulassung durch die zuständigen
Kommunen vor Ort. Dem Grundsatz der Wahlfreiheit
komme im Wahlkampf, also bei Wahlpropaganda und
Wahlwerbung besondere Bedeutung zu. Dies betreffe ins-
besondere die politischen Parteien, die mit diesen Mitteln
um eine gezielte Stimmabgabe der Wählerinnen und Wähler
konkurrieren und werben würden.

Soweit der Einspruchsführer vorträgt, dass im Zeitraum vor
dem 29. Juli 2005 bis zum 15. August 2005 Wahlvorschläge
vom Kreiswahlleiter angenommen worden seien, sei dies
zutreffend. Die Wahlvorschläge der MLPD und der UNAB-
HÄNGIGEN KANDIDATEN seien am 26. Juli 2005 bzw.
am 27. Juli 2005 eingereicht worden. Hierbei sei jedoch
festzustellen, dass die wahlrechtlichen Regelungen keinen
Fristbeginn zur Einreichung der Wahlvorschläge benennen,
sondern nur ein Fristende (§ 19 BWG) kennen würden. Es
werde nicht dargelegt, weshalb vor dem 29. Juli 2005 die
Einreichung von Wahlvorschlägen unzulässig gewesen sein
solle.

Im Übrigen liege es im Verantwortungsbereich des Ein-
spruchsführers, wenn er erst am 1. August 2005 beim Kreis-
wahlleiter Formulare zur Sammlung von Unterstützungs-
unterschriften angefordert habe. Wenn andere Wahlbewer-
ber zu diesem Zeitpunkt die Sammlung der erforderlichen
Unterschriften bereits (erfolgreich) abgeschlossen hätten, so
liege darin keine Bevorteilung dieser Wahlbewerber. Viel-
mehr zeige dies die Untätigkeit des Beschwerdeführers,
rechtzeitig mit der eigenen Sammlung und Werbung um
Unterstützung zu beginnen.

In der Besprechung des Bundeswahlleiters mit den Landes-
wahlleitern, Vertretern der Innenministerien der Länder und
dem Bundesministerium des Innern zur Vorbereitung einer
etwaigen Bundestagswahl im Jahr 2005 am 5. Juli 2005
habe der Bundeswahlleiter empfohlen, vor der Bestimmung
des Wahltages durch den Bundespräsidenten keine Auffor-
derungen zur Einreichung von Wahlvorschlägen nach § 32
Abs. 1 BWO zu veröffentlichen. Die Parteien seien durch
Informationsschreiben der Landeswahlleiter und des Bun-
deswahlleiters sowie deren Internetangebote hinreichend
über das Verfahren bei einer etwaigen vorgezogenen Wahl
des 16. Deutschen Bundestages und die dann voraussicht-
lichen, für sie relevanten Fristen informiert gewesen. Mit
Anordnung vom 21. Juli 2005, verkündet am 23. Juli 2005
(BGBl. I S. 2170) habe der Bundespräsident den Tag der
Wahl zum Deutschen Bundestag auf den 18. September
2005 bestimmt.

Daraufhin sei die Aufforderung des Kreiswahlleiters zur
Einreichung von Wahlvorschlägen im Dresdner Amtsblatt
Nr. 30/2005 vom 28. Juli 2005 veröffentlicht worden.

Unerheblich für die Bekanntmachung sei gewesen, dass das

noch nicht entschieden hatte. Mit der Bekanntgabe des
Wahltages und der Verordnung über die Abkürzung von
Fristen im Bundeswahlgesetz für die Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag vom 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2179) hät-
ten die zu beachtenden Fristen bestimmt werden können.
Die entsprechenden Bekanntmachungen seien zu veranlas-
sen gewesen. Dies werde auch am Wortlaut des § 32 Abs. 1
BWO deutlich, wonach die Aufforderungen nach der Be-
stimmung des Wahltages zu erfolgen hätten.

Wenn der Einspruchsführer vortrage, dass auf Grund aus-
stehender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Rechtsunsicherheit bestanden habe und daher die Wahl-
berechtigten des Wahlkreises 161 nicht bereit gewesen
seien, den Wahlvorschlag des Einspruchsführers zu unter-
stützen, so könne dem nicht gefolgt werden. Es sei festzu-
stellen, dass andere Wahlvorschlagsträger unter denselben
Bedingungen erfolgreich um Unterstützung geworben hät-
ten. Im Wahlkreis 161 habe das insbesondere auf die bereits
erwähnte MLPD, die Bürgerrechtsbewegung Solidarität
(BüSo) und die Deutsche Soziale Union (DSU) zugetroffen,
die die erforderlichen 200 Unterstützungsunterschriften hät-
ten sammeln können.

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm bekannt gegebe-
nen Stellungnahme nicht geäußert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus
dem vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich.

Der Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers vom 1. Au-
gust 2005 wurde vom Kreiswahlausschuss zu Recht zurück-
gewiesen, denn er war mit formellen Fehlern behaftet. Ge-
mäß § 20 Abs. 3 BWG müssen so genannte andere Kreis-
wahlvorschläge von mindestens 200 Wahlberechtigten des
Wahlkreises persönlich und handschriftlich unterzeichnet
sein. Diese Voraussetzung hat der Kreiswahlvorschlag des
Einspruchsführers nicht erfüllt. Soweit der Einspruchsfüh-
rer dazu vorträgt, es handele sich bei seinem Kreiswahlvor-
schlag um einen solchen einer nationalen Minderheit, kann
dieser Vortrag das Erfordernis von 200 Unterstützungs-
unterschriften nicht entfallen lassen, da § 20 Abs. 2 Satz 3
BWG nur für Kreiswahlvorschläge von Parteien nationaler
Minderheiten gilt. Diese Voraussetzung ist hier nicht gege-
ben.

Außerdem müssen gemäß § 34 Abs. 3 BWO bei anderen
Kreiswahlvorschlägen drei Unterzeichner des Wahlvor-
schlages ihre Unterschriften auf dem Kreiswahlvorschlag
selbst leisten. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt worden, da
der Bewerber diese drei Unterschriften selbst geleistet hat.
Auf die dem Einspruchsführer bekannten Ausführungen der
Landeswahlleiterin sowie die gleichlautenden Ausführun-
gen in der Beschlussempfehlung zum Wahleinspruch des
Einspruchsführers gegen die Bundestagswahl 2002 (Bun-
Bundesverfassungsgericht zu diesem Zeitpunkt über die Or-
ganklagen zur Auflösung des 15. Deutschen Bundestages

destagsdrucksache 15/2400, Anlage 2) wird zur Vermei-
dung von Wiederholungen Bezug genommen.

führer durch das Anbringen von Wahlwerbung und durch
Wahlkampfveranstaltungen von politischen Parteien und
anderen Wahlbewerbern beim Sammeln von Unterstüt-
zungsunterschriften behindert worden sei.

Auch in der Annahme von Wahlvorschlägen anderer Par-
teien durch den Kreiswahlleiter vor dem 29. Juli 2005 ist
kein Wahlfehler zu erkennen. § 19 BWG regelt nur die
Frist, bis zu der „spätestens“ die Kreiswahlvorschläge ein-
gereicht werden müssen. Aus diesem Grund kann die Ein-
reichung von Wahlvorschlägen vor dem 29. Juli 2005 nicht
unzulässig gewesen sein.

Schließlich kann auch in dem Vortrag des Einspruchsführers
kein Wahlfehler gesehen werden, dass die ausstehende Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Rechtsun-
sicherheit geführt habe und daher die Wahlberechtigten des
Wahlkreises 161 nicht bereit gewesen seien, den Wahlvor-
schlag des Einspruchsführers zu unterstützen. Die Landes-
wahlleiterin hat überzeugend dargestellt, dass andere Wahl-
vorschlagsträger unter denselben Bedingungen erfolgreich
um Unterstützung geworben haben. So haben im Wahl-
kreis 161 die MLPD, die Bürgerrechtsbewegung Solidarität
(BüSo) und die Deutsche Soziale Union (DSU) die erforder-
lichen 200 Unterstützungsunterschriften sammeln können.

Soweit der Einspruchsführer Aussagen vom Innenminister
des Freistaates Sachsen oder vom Ministerpräsidenten des
Landes Bayern anspricht, verkennt er, dass sich auch Amts-
träger aktiv am Wahlkampf beteiligen dürfen, um sich der
(Wieder-)Wahl zu stellen, und außerhalb der Ausübung ih-
res Amtes nicht der Neutralitätspflicht unterliegen. Bei den
Aussagen über einen erschütternden Fall von neunfacher
Kindstötung und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerun-
gen handelt es sich erkennbar um Meinungsäußerungen der
betreffenden Politiker, die zudem zu zahlreichen Gegen-
äußerungen geführt haben. Vor diesem Hintergrund ist nicht
erkennbar, warum der Einspruchsführer durch diese Äuße-
rungen am Sammeln der erforderlichen Unterstützungs-
unterschriften gehindert gewesen sein sollte.

Soweit der Einspruchsführer in seinem Vortrag die ver-
kürzte Frist zur Sammlung von Unterstützungsunterschrif-
ten rügen will, ist festzustellen, dass die in Artikel 39 Abs. 1
Satz 4, Artikel 63 Abs. 4 Satz 3, Artikel 68 Abs. 1 GG für
den Fall der Auflösung des Deutschen Bundestages ange-
ordnete Durchführung von Neuwahlen zu einer Verkürzung

mine durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bun-
desrates abzukürzen.“ Im Jahr 2005 hat der Bundespräsi-
dent den Deutschen Bundestag am letzten Tag der 21-Tage-
Frist nach Artikel 68 Abs. 1 Satz 1 GG aufgelöst, so dass
der letzte Sonntag innerhalb der 60-Tage-Frist nach Artikel
39 Abs. 1 Satz 4 GG der 18. September 2005 war, an dem
dann die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag stattfand. Das
BMI hat die entsprechende Rechtsverordnung über die
Abkürzung von Fristen für die Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag an dem Tag (21. Juli 2005) erlassen, an dem der
Bundespräsident den Deutschen Bundestag aufgelöst hat, so
dass ein Wahlfehler nicht zu erkennen ist.

§ 52 Abs. 3 BWG ist bereits 1985 in das Bundeswahlgesetz
eingefügt worden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bun-
deswahlgesetzes vom 8. März 1985 (BGBl. I S. 521) hat der
Bundesgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, an dem Er-
fordernis eines Unterschriftenquorums ausnahmslos – und
damit auch im Fall der Wahlvorbereitung nach einer Auf-
lösung des Deutschen Bundestages – festhalten zu wollen
(vgl. hierzu BVerfG, 2 BvE 5/05 vom 23. August 2005, Ab-
satz 21 und 43). Durch die Einführung des heutigen § 21
Abs. 3 Satz 4 BWG hat der Gesetzgeber nämlich eine Son-
derregelung in Bezug auf die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4
Halbsatz 1 BWG für den Fall der vorzeitigen Beendigung
der Wahlperiode geschaffen. Danach gelten die Fristen,
nach deren Ablauf die Parteien frühestens mit der Auf-
stellung von Parteibewerbern beginnen dürfen, nicht im Fall
des vorzeitigen Endes der Wahlperiode. Mit dieser auch auf
den Auflösungsfall nach Artikel 68 GG anzuwendenden
Sonderregelung (vgl. Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 39)
hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die wahl-
rechtlichen Folgen einer Bundestagsauflösung nach Arti-
kel 68 GG, die aus der Fristverkürzung des Artikels 39
Abs. 1 Satz 4 GG resultieren, bedacht hat. Dabei hat er da-
von abgesehen, entsprechende Ausnahmetatbestände zum
Erfordernis der Unterstützungsunterschriften – z. B. in
Form einer Absenkung oder Suspendierung des Quorums –
zu schaffen.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht darauf hin-
gewiesen, dass „äußerst knappe Zeiträume“ hinzunehmen
seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger Auflösung des
Bundestages – für alle betroffenen Parteien im gesamten
Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, S. 353,
368).
Drucksache 16/3900 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Landeswahlleiterin hat überzeugend dargestellt, dass
der Vortrag des Einspruchsführers unzutreffend ist, dass im
Wahlkreis 161 ein Kreiswahlvorschlag der Vereinigung Ar-
beit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG)
ohne Unterstützungsunterschriften anerkannt und gleichzei-
tig der der „Bürger von Sachsen“ zurückgewiesen worden
sei. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum der Einspruchs-

der in § 16 ff. BWG für den „Normalfall einer Neuwahl“
vorgesehenen Fristen und Termine führen kann (vgl. Schrei-
ber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 52 Rn. 5).
Aus diesem Grunde ermächtigt § 52 Abs. 3 BWG das Bun-
desministerium des Innern dazu, „im Falle einer Auflösung
des Deutschen Bundestages die in dem Bundeswahlgesetz
und in der Bundeswahlordnung bestimmten Fristen und Ter-

ten Stimmzettel des Wahlkreises 20 (Hamburg-Altona), das
der Einspruchsführer übersandt hat, ergibt sich weiter, dass
dort der mit der Erststimme wählbare Kandidat auch unter

Verhandlung abzusehen.
16. Deutschen Bundestag behindert habe.

Weiter rügt der Einspruchsführer, dass er laut Gesetz nur in

BWO abgedruckte Stimmzettelmuster, das eine solche dop-
pelte Nennung des Namens eines Kandidaten enthält). Zwar
ist es richtig, dass sich aus den in Artikel 38 des Grund-
der mit der Zweitstimme wählbaren Partei genannt wird.
Hinzu kommt nach Ansicht des Einspruchsführers, dass ein
Nichtmitglied einer Partei nicht als Wahlkreisabgeordneter
gewählt werden könne.

Aus der vom Einspruchsführer als Anlage übersandten
„Verfassungsbeschwerde“ vom 2. August 2005 an das Bun-
desverfassungsgericht (BVerfG) ergibt sich, dass der Ein-
spruchsführer darin eine Verletzung verschiedener Artikel
des Grundgesetzes sieht. Unter anderem trägt er vor, dass es
ihm „als Folge der kurzen Zeit“ nicht möglich gewesen sei,
die erforderlichen 200 Unterstützungsunterschriften beizu-
bringen. Der Einspruchsführer wurde daraufhin auf die Zu-
ständigkeit des Deutschen Bundestages für Wahlprüfungs-
verfahren hingewiesen. Der Einspruchsführer trägt vor, dass
das BVerfG dadurch seine Beteiligung an der Wahl zum

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Soweit der Einspruchsführer rügt, dass Bewerber von Par-
teien zweifach wählbar seien und er als parteiloser Ein-
zelbewerber benachteiligt sei, ist ein Wahlfehler nicht zu
erkennen. § 6 Abs. 4 Satz 3 Bundeswahlgesetz (BWG) be-
stimmt, dass Bewerber, die in einem Wahlkreis gewählt
sind, auf der Landesliste unberücksichtigt bleiben. Daraus
ergibt sich, dass die gleichzeitige Bewerbung um einen Ab-
geordnetensitz in einem Wahlkreis und auf einer Landesliste
zulässig ist (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage, 2002, § 20 Rn. 2 sowie das als Anlage 26 zu § 45
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/3900

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R.H., 22359 Hamburg
– Az.: WP 190/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 14. November 2005, das beim Deut-
schen Bundestag am 18. November 2005 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September
2005 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass die Bewerber von
Parteien „2-fach wählbar werden, je einmal über die Wahl
als Wahlkreisabgeordneter und wenn dies nicht klappt, über
den sicheren Weg über die Landesliste“. Aus den vom Ein-
spruchsführer übersandten Unterlagen ergibt sich, dass er
seine Teilnahme an der Bundestagswahl 2005 als Einzel-
bewerber unter dem Kreiswahlvorschlag „Pro für die Ein-
haltung der Menschenrechte – Contra dem Staats-Folter-
Terror“ angemeldet hat. Den Unterlagen ist nicht zu entneh-
men, ob er die erforderliche Zahl von Unterstützungsunter-
schriften beigebracht hat.

Aus einem als Muster in einem Zeitungsartikel abgedruck-

Abgeordneter das ganze Volk vertrete und Unterstützungs-
unterschriften auch von Personen kommen würden, die
nicht in dem betreffenden Wahlkreis des Kandidaten woh-
nen würden. So erhalte ein Bewerber bei einem öffentlichen
Stand „garantiert auch Unterschriften von Wahlberechtig-
ten, die in einem anderen Wahlkreis wohnen“.

Zudem sei die Erstattung der Wahlkampfkosten eine rechts-
widrige „Geldzuschiebung“ zu den Parteien, da diese auch
die Erstattung der für Einzelbewerber abgegebenen Stim-
men erhielten, wenn diese nicht die Mindestanzahl von
Wählerstimmen erhalten hätten. Hierdurch würden „klei-
nere Mit-Bewerber“ benachteiligt.

Die darüber hinaus erhobenen Rügen betreffen u. a. Strei-
tigkeiten des Einspruchsführers mit unterschiedlichen Be-
hörden über Warenzeichen für ein Lotto-System. Es wird
insoweit auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
seinem Wahlkreis Unterstützungsunterschriften sammeln
könne. Dies könne das Gesetz aber nicht fordern, da ein

gesetzes (GG) mit Verfassungsrang ausgestatteten Grund-
sätzen der allgemeinen und gleichen Wahl auch der Grund-

Drucksache 16/3900 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/3900 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

satz der Wettbewerbs- und Chancengleichheit aller Wahl-
vorschlagsträger ableitet. Dies ist in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich anerkannt. Die
Gewährleistung gleicher Chancen im Wahlwettbewerb ist
ein unabdingbares Element des vom Grundgesetz gewollten
freien und offenen Prozesses der Meinungs- und Willensbil-
dung des Volkes (BVerfGE 44, 125, 145; 51, 222, 235). Der
Grundsatz der Gleichheit der Wahl bezieht sich somit auch
auf das passive Wahlrecht. Neben den Parteien untereinan-
der haben alle Aktivbürger, denen Artikel 38 Abs. 2 GG die
Wählbarkeit ausdrücklich garantiert, als Wahlbewerber ein
Recht auf Chancengleichheit, das eine Differenzierung nur
aus zwingenden Gründen zulässt (BVerfGE 41, 399, 413;
78, 350, 358).

Soweit der Einspruchsführer die Chancengleichheit verletzt
sieht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Wahlvorschläge
für die Wahl nach Landeslisten im Gegensatz zu Wahlvor-
schlägen für die Wahl in den Wahlkreisen nur von politi-
schen Parteien eingereicht werden können (vgl. § 1 Abs. 2,
§§ 4, 6 und 27 BWG). Dieser Regelung liegt die Erwägung
zugrunde, dass die Wahl einer Liste nur dann sinnvoll ist,
wenn die auf ihr bezeichneten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm eng verbunden sind (vgl. Schreiber,
a. a. O., § 27 Rn. 2). Das Bundesverfassungsgericht hat den
hierdurch bedingten Ausschluss „parteiloser“ Landeslisten-
vorschläge und damit das Nominierungsmonopol der politi-
schen Parteien als sich „aus der Natur der Sache erge-
bend“ bezeichnet und als mit den Wahlrechtsprinzipien des
Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG übereinstimmend bestätigt
(BVerfGE 5, 77, 82; 46, 196, 199; 41, 399, 417 f.). Da inso-
fern die Wahl nach Landeslisten mit dem Grundsatz der
gleichen Wahl gemäß Artikel 38 GG, der ein Anwendungs-
fall des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes gemäß Artikel 3
Abs. 1 GG ist, vereinbar ist, bestehen insoweit auch keine
Anhaltspunkte für eine Verletzung des Artikels 3 Abs. 1
GG. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 5. April 1952 (BVerfGE 1, 208 ff., 243 ff.) ist zudem in
Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Grund-
satz der „personalisierten Verhältniswahl“ mit dem Demo-
kratieprinzip des Grundgesetzes gemäß Artikel 20 Abs. 1
GG, dem Grundsatz der Volkssouveränität gemäß Artikel 20
Abs. 2 GG und den Wahlrechtsgrundsätzen des Artikels 38
GG, die ihrerseits eine Spezifizierung des Demokratieprin-
zips bedeuten, vereinbar ist (vgl. Schreiber, a. a. O., § 1
Rn. 33). Im Übrigen ergeben sich durch die doppelte Wähl-
barkeit eines Parteibewerbers nicht zwingend verbesserte
Wahlchancen gegenüber einem Einzelbewerber, da der
Wähler seine Erst- und Zweitstimme unterschiedlich verge-
ben kann. Zudem ist sogar die Möglichkeit zur Kandidatur
eines Bewerbers sowohl in einem Wahlkreis als auch auf
einer Landesliste in einem anderen Bundesland vom Bun-
deswahlgesetz gestattet (vgl. bereits Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses – Bundestagsdrucksache
13/3927, Anlage 8; Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage,
1976, § 20 Rn. 2; Schreiber, a. a. O., § 20 Rn. 2). Schließ-
lich rechtfertigt sich auch der unterschiedliche Erfolgswert
von Wählerstimmen und die Inkaufnahme von Überhang-
mandaten aus der Entscheidung des Gesetzgebers für eine
personalisierte Verhältniswahl (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 2 BWG). Diese Auswirkungen des gegenwärtigen

tigten Gestaltungsspielraums und der Entscheidung für die
personalisierte Verhältniswahl, die Hälfte der Abgeordneten
in Wahlkreisen und die andere Hälfte über Parteilisten zu
wählen (vgl. BVerfGE 95, 335, 354).

Soweit der Einspruchsführer in diesem Zusammenhang
keine konkreten Mängel bei der Wahlvorbereitung und der
Wahldurchführung beanstandet, sondern die Verfassungs-
widrigkeit wahlrechtlicher Vorschriften und des Wahlsys-
tems insgesamt geltend machen will, ist daran zu erinnern,
dass sich der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht als berufen ansieht, die Verfassungswidrigkeit
von Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle
ist stets – vgl. zuletzt zur Bundestagswahl 2002 auf Bundes-
tagsdrucksache 15/2400, S. 49 – dem Bundesverfassungs-
gericht vorbehalten worden (vgl. insoweit auch BVerfGE
89, 291, 300). Davon abgesehen werden die gegen die Aus-
gestaltung des Wahlsystems erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Hinsichtlich der Rüge der verkürzten Frist zur Sammlung
von Unterstützungsunterschriften ist festzustellen, dass die
in Artikel 39 Abs. 1 Satz 4, Artikel 63 Abs. 4 Satz 3, Arti-
kel 68 Abs. 1 GG für den Fall der Auflösung des Deutschen
Bundestages angeordnete Durchführung von Neuwahlen zu
einer Verkürzung der in § 16 ff. BWG für den „Normalfall
einer Neuwahl“ vorgesehenen Fristen und Termine führen
kann (vgl. Schreiber, a. a. O., § 52 Rn. 5). Aus diesem
Grunde ermächtigt § 52 Abs. 3 BWG das Bundesministe-
rium des Innern (BMI) dazu, „im Falle einer Auflösung des
Deutschen Bundestages die in dem Bundeswahlgesetz und
in der Bundeswahlordnung bestimmten Fristen und Termine
durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates
abzukürzen“. Im Jahr 2005 hat der Bundespräsident den
Deutschen Bundestag am letzten Tag der 21-Tage-Frist nach
Artikel 68 Abs. 1 Satz 1 GG aufgelöst, so dass der letzte
Sonntag innerhalb der 60-Tage-Frist nach Artikel 39 Abs. 1
Satz 4 GG der 18. September 2005 war, an dem dann die
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag stattfand. Von einer
Reduzierung des Unterschriftenquorums wurde bei der
Fristverkürzung abgesehen. Das BMI hat die entsprechende
Rechtsverordnung über die Abkürzung von Fristen für die
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag an dem Tag (21. Juli
2005) erlassen, an dem der Bundespräsident den Deutschen
Bundestag aufgelöst hat, so dass ein Wahlfehler nicht zu er-
kennen ist.

§ 52 Abs. 3 BWG ist bereits 1985 in das Bundeswahlgesetz
eingefügt worden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bun-
deswahlgesetzes vom 8. März 1985 (BGBl. I S. 521) hat der
Bundesgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, an dem Er-
fordernis eines Unterschriftenquorums ausnahmslos – und
damit auch im Fall der Wahlvorbereitung nach einer Auf-
lösung des Deutschen Bundestages – festhalten zu wollen
(vgl. hierzu BVerfG, 2 BvE 5/05 vom 23. August 2005, Ab-
sätze 21 und 43). Durch die Einführung des heutigen § 21
Abs. 3 Satz 4 BWG hat der Gesetzgeber nämlich eine Son-
derregelung in Bezug auf die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4
Halbsatz 1 BWG für den Fall der vorzeitigen Beendigung
der Wahlperiode geschaffen. Danach gelten die Fristen,
nach deren Ablauf die Parteien frühestens mit der Aufstel-
lung von Parteibewerbern beginnen dürfen, nicht im Fall
Wahlrechts halten sich im Rahmen des dem Gesetzgeber
eingeräumten und vom Bundesverfassungsgericht bekräf-

des vorzeitigen Endes der Wahlperiode. Mit dieser auch auf
den Auflösungsfall nach Artikel 68 GG anzuwendenden

Abs. 1 Satz 4 GG resultieren, bedacht hat. Dabei hat er da-
von abgesehen, entsprechende Ausnahmetatbestände zum
Erfordernis der Unterstützungsunterschriften – z. B. in
Form einer Absenkung oder Suspendierung des Quorums –
zu schaffen.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht darauf hin-
gewiesen, dass „äußerst knappe Zeiträume“ hinzunehmen
seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger Auflösung des
Bundestages – für alle betroffenen Parteien im gesamten
Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, 353,
368).

Auch in der Rüge des Einspruchsführers, dass er nur in sei-
nem Wahlkreis Unterstützungsunterschriften habe sammeln
dürfen, liegt kein Wahlfehler, da § 20 Abs. 3 BWG aus-
drücklich fordert, dass für die dort genannten Kreiswahl-
vorschläge, die nicht von politischen Parteien eingereicht
werden, Unterstützungsunterschriften von mindestens 200
„Wahlberechtigten des Wahlkreises“ eingereicht werden.
Die für den Zeitpunkt der Unterschriftsleistung bestehende
Wahlberechtigung für den betreffenden Wahlkreis ist bei
Einreichung des Kreiswahlvorschlages durch die Vorlage
von Bescheinigungen der Gemeindebehörde(n) nachzuwei-
sen (§ 34 Abs. 3 und 4 Nr. 3 BWO). Gelingt der Nachweis
nicht, da nicht mindestens 200 Unterschriften von Wahl-
berechtigten aus dem Wahlkreis vorliegen, liegt kein gülti-
ger Kreiswahlvorschlag vor.

Soweit der Einspruchsführer die Verfassungsmäßigkeit des
§ 20 Abs. 3 BWG in Frage stellen möchte, gilt das oben zu
§ 45 BWO Gesagte entsprechend: Der Deutsche Bundestag
sieht sich im Rahmen der Wahlprüfung nicht dazu berufen,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften fest-
zustellen. Im Übrigen begegnet die Ausgestaltung des § 20
Abs. 3 BWG auch keinen verfassungsrechtlichen Beden-
ken. So hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger
Rechtsprechung anerkannt (seit BVerfGE 1, 208, 248), dass
Zulassungsbedingungen aufgestellt werden können und
dass ein angemessenes Unterschriftenquorum bei der Ein-
reichung von Wahlvorschlägen mit dem Grundsatz der for-
malen Wahlrechtsgleichheit sowie der Garantie des passi-
ven Wahlrechts vereinbar ist. Zugleich hat es das Quorum
von 200 Unterschriften von Wahlberechtigten des Wahlkrei-
ses als verfassungskonform bestätigt (BVerfGE 24, 260,
265).

In der vom Einspruchsführer gerügten Ausgestaltung der
Parteienfinanzierung (früher: Erstattung von Wahlkampf-
kosten) ist keine Verletzung des Grundsatzes der Chancen-
gleichheit zu sehen. Es ist zwar zutreffend, dass die geltende
Rechtslage für parteiangehörige Wahlbewerber andere Re-
geln trifft als für parteilose. Die Kostenerstattung für Par-
teien richtet sich nach § 18 des Parteiengesetzes und setzt

gegenüber nach § 49b BWG. Hier beträgt der zu errei-
chende Mindeststimmenanteil 10 Prozent der in einem
Wahlkreis abgegebenen gültigen Erststimmen. Diese Re-
geln mitsamt der darin vorgenommenen Differenzierung
sind auch in Ansehung des Grundsatzes der Chancengleich-
heit zulässig. Zwar haben auch parteilose Wahlbewerber
grundsätzlich einen Anspruch auf Teilhabe an der staatli-
chen Wahlkampfkostenerstattung. Die Sicherung des Cha-
rakters der Wahl als eines entscheidenden Integrationsvor-
gangs rechtfertigt es aber, der Stimmenzersplitterung und
Bildung von Kleinstparteien vorzubeugen. Diesem Zweck
dient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts nicht nur die Fünf- Prozent-Klausel des § 6 Abs. 6
BWG; auch im Vorfeld der Wahl kann der Gesetzgeber der
Stimmenzersplitterung durch eine angemessene Beschrän-
kung der Erstattung von Wahlkampfkosten entgegentreten.
Dies dient dem legitimen Ziel sicherzustellen, dass die Be-
teiligung am Wahlkampf ernst gemeint, d. h. allein auf den
Wahlerfolg und nicht lediglich auf eine Beteiligung an der
Wahlkampfkostenerstattung gerichtet ist (BVerfGE 41, 399,
421, 422).

Dabei liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts in gewissen Grenzen im Ermessen des Ge-
setzgebers, wie hoch er den Mindeststimmenanteil für die
Teilhabe des unabhängigen Bewerbers an der Wahlkampf-
kostenerstattung festsetzen will. Einerseits ist zwingend ge-
boten, dafür Sorge zu tragen, dass die Beteiligung am Wahl-
kampf ernst gemeint ist. Andererseits wäre es mit den
Grundsätzen der gleichen und freien Wahl nicht vereinbar,
den Mindeststimmenanteil so hoch heraufzusetzen, dass der
unabhängige Bewerber auch bei einem beachtlichen Wahl-
erfolg leer ausginge. Unter diesen Umständen hat das Ge-
richt einen Mindeststimmenanteil von 10 Prozent als „nicht
unverhältnismäßig“ angesehen (BVerfGE 41, 399, 424, 425).

Es entspricht auch dem Mindeststimmenanteil, den gemäß
§ 18 BWG Wahlkreisbewerber solcher Parteien erreichen
müssen, für die keine Landesliste zugelassen ist. Eine unan-
gemessene Benachteiligung gegenüber solchen Parteien, für
die Mindeststimmenanteile von 0,5 bzw. 1 Prozent gelten,
liegt schon deswegen nicht vor, weil sich diese Größen auf
die im gesamten Bundesgebiet bzw. im Gebiet einer Land-
tagswahl abgegebenen Stimmen beziehen, während die in
§ 49b BWG geforderten 10 Prozent lediglich die wesent-
liche geringere Anzahl der in dem eng begrenzten Gebiet
eines Wahlkreises abgegebenen Stimmen als Bezugsgröße
haben. Im Übrigen hat der Einspruchsführer, wie dargelegt,
nicht vorgetragen, dass die genannten Bestimmungen zu
einer konkreten Benachteiligung geführt hätten.

Sonstige Einwände lassen keinen wahlrechtlich relevanten
Bezug erkennen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/3900Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/3900

Sonderregelung (vgl. Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 39)
hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die wahl-
rechtlichen Folgen einer Bundestagsauflösung nach Arti-
kel 68 GG, die aus der Fristverkürzung des Artikels 39

voraus, dass die betreffende Partei mindestens 0,5 Prozent
der Stimmen bei den letzten Bundestagswahlen erreicht hat.
Die Wahlkampfkostenerstattung für sog. andere Kreiswahl-
vorschläge, also für parteilose Bewerber, richtet sich dem-

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