BT-Drucksache 16/3786

Berichte über Planung und Durchführung von Gefangennahmen und Verschleppungen von Menschen auf deutschem Territorium

Vom 11. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3786
16. Wahlperiode 11. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Dr. Norman Paech, Monika Knoche,
Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger und der Fraktion DIE LINKE.

Berichte über Planung und Durchführung von Gefangennahmen und
Verschleppungen von Menschen auf deutschem Territorium

Verschleppung ist ein Verbrechen. Jeder Mensch hat das Recht auf ein faires
Gerichtsverfahren und auf rechtlichen Beistand. Wer einem Festgenommenen
diese Rechte verwehrt, missachtet nicht nur ein allgemeines Menschenrecht.
Wer dies in der Bundesrepublik Deutschland tut, macht sich strafbar.

Die US-Regierung unterhält u. a. in Guantanamo (Kuba) und auf dem US-Luft-
waffenstützpunkt in Bagram (Afghanistan) Hafteinrichtungen, in denen Men-
schen ohne Rechtsbeistand und Anklage festgehalten wurden und werden. Noch
ist das gesamte Ausmaß der US-amerikanischen Verfolgung und Gefangen-
nahme mutmaßlicher Attentäter nicht absehbar. Allerdings hat die US-Regie-
rung im September eingeräumt, dass der Geheimdienst CIA im Rahmen des so
genannten Krieges gegen den Terrorismus geheime Gefängnisse im Ausland
unterhalten hat. Der CIA-Sonderausschuss des Europäischen Parlaments geht
inzwischen von etwa 1 200 geheimen Gefangenentransportflügen aus (dpa vom
28. November 2006).

Deutschland ist nicht nur wegen der Militärflughäfen eine wichtige Drehscheibe
für die US-Kriegsführung. Einem Bericht in der ARD-Sendung „Report“ vom
27. November 2006 zufolge war an der Koordination der Gefangenentransporte
auch das US-Hauptquartier für die Streitkräfte in Europa und Afrika EUCOM in
Stuttgart beteiligt, in dem auch deutsche Verbindungsoffiziere eingesetzt wer-
den. Auch bei dem für die Militäreinsätze in Afghanistan zuständigen US-Zen-
tralkommando CENTCOM in Tampa (Florida) werden deutsche Verbindungs-
offiziere eingesetzt, um die Einsätze im so genannten Anti-Terror-Krieg mit den
US-Streitkräften zu koordinieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele deutsche Verbindungsoffiziere oder - beamte waren im Januar
2002 bei EUCOM stationiert?

2. Mit welchem Auftrag waren sie dort tätig?
3. Wie viele deutsche Verbindungsoffiziere oder - beamte waren im Januar
2002 bei CENTCOM stationiert?

4. Mit welchem Auftrag waren sie dort tätig?

5. Wem müssen die Verbindungsoffiziere bei EUCOM und CENTCOM Be-
richt erstatten, und durch welche Stellen wird die anschließende Auswertung
dieser Berichte gewährleistet?

Drucksache 16/3786 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6. Werden die täglichen Erfahrungen der Verbindungsoffiziere und - beamten
bei EUCOM und CENTCOM vom Leiter der Verbindungskommandos in
den Einsatztagebüchern festgehalten?

7. Haben sich die deutschen Verbindungsoffiziere bei EUCOM und
CENTCOM im Rahmen ihres Auftrages mit den Gefangenentransporten
der US-Streitkräfte oder der CIA befasst?

8. Wenn ja, was haben sie berichtet?

9. Waren die deutschen Verbindungsoffiziere anderweitig beteiligt an diesen
Vorgängen oder hatten sie Kenntnisse hiervon?

10. Welche Beschränkungen für den Zugang zu Informationen für Operationen
im Bereich der Terrorismusbekämpfung bestanden und bestehen für die deut-
schen Verbindungsoffiziere oder - beamten bei EUCOM und CENTCOM?

11. Wie viele deutsche Verbindungsoffiziere oder -beamte waren im Januar 2002
auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Incirlik (Türkei) stationiert und mit wel-
chem Auftrag?

12. Haben sich die deutschen Verbindungsoffiziere in Incirlik im Rahmen ihres
Auftrages mit den Gefangenentransporten der US-Streitkräfte oder der CIA
befasst?

13. Welche Kenntnisse hatten die in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten
über die im Januar und Februar 2002 erfolgten Flugbewegungen zwischen
Incirlik und Kandahar, Incirlik und Ramstein sowie Incirlik und Tuzla?

14. Welche deutschen Verbindungsoffiziere oder -beamte waren zwischen
Dezember 2001 und Februar 2002 im SFOR-Hauptquartier in Bosnien und
KFOR-Hauptquartier im Kosovo stationiert?

15. War dem in Bosnien stationierten deutschen Kontingent bekannt, dass am
17. Januar 2002 in Sarajewo sechs Menschen von US-Soldaten verschleppt
wurden?

16. Wenn ja, welche Schritte haben die zuständigen Dienststellen in Bosnien
danach unternommen, um von den US-Streitkräften Aufklärung über die
Entführung und den Verbleib der sechs Menschen zu erhalten?

17. Wie viele Flugzeuge des Typs C-130 sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Januar 2002 vom Militärflughafen in Ramstein gestartet oder dort
gelandet (bitte unter Angabe des Datums, der gemeldeten Flugzeugnummer
und des Abflug- bzw. Zielortes)?

18. In wie vielen Fällen haben deutsche Verbindungsoffiziere oder -beamte bei
US-Einheiten, insbesondere in Bagram und Kandahar (Afghanistan), sich
über das Vorgehen der US-Einheiten gegenüber festgenommenen bzw. fest-
gesetzten mutmaßlichen Terroristen informiert?

19. Aufgrund welcher rechtlichen Grundlage kann US-Militärpersonal in
Deutschland nichtamerikanische Staatsbürger festhalten, deren Festnahme
vorbereiten oder einen Transport von Nicht-US-Staatsbürgern gegen den
Willen dieser Menschen koordinieren?

20. Welche Informationspflichten bestehen für die USA gegenüber der Bundes-
regierung für den Fall, dass das US-Militärpersonal, wie in Frage 19 be-
schrieben, verfährt oder verfahren will?

21. In welchem Verfahren beurteilt die Bundesregierung die Rechtmäßigkeit
bzw. Unrechtmäßigkeit derartiger Handlungen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3786

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ohne Zustimmung deutscher
Behörden keine Personen aus Drittstaaten von in Deutschland stationierten
Streitkräften und Nachrichtendiensten aus NATO-Mitgliedstaaten gegen
ihren Willen festgehalten oder transportiert werden dürfen, oder solche Maß-
nahmen geplant und vorbereitet werden dürfen?

23. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung seit dem Bekanntwerden der
Haftbedingungen in Guantanamo, der Durchführung so genannter Rendi-
tions sowie der Geschehnisse um Murat Kurnaz und Khaled El Masri für die
Arbeit deutscher Verbindungsoffiziere und -beamter bei US-Einheiten gezo-
gen?

24. Welche konkreten Schritte, mit welchem Ergebnis, hat die Bundesregierung
seit Bekanntwerden der Vorwürfe unternommen, um die mögliche Beteili-
gung von EUCOM und deutschen Verbindungsoffizieren und -beamten bei
EUCOM zu prüfen?

Berlin, den 11. Dezember 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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