BT-Drucksache 16/3536

Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung

Vom 21. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3536
16. Wahlperiode 21. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Jan Korte, Petra Pau, Kersten Naumann, Ulla Jelpke,
Sevim Dagdelen, Wolfgang Neskovic und der Fraktion DIE LINKE.

Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Es ist moralisches Unrecht und juristisch nicht hinnehmbar, dass Opfer natio-
nalsozialistischer Verfolgung aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der 1956 ver-
botenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) oder wegen politischer
Tätigkeit als Kommunisten nach 1949 die ihnen zustehenden Entschädigungs-
leistungen nicht erhalten (haben) oder schon gezahlte Entschädigungen wieder
zurückzahlen mussten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Ver-
folgung (Bundesentschädigungsgesetz – BEG) dahingehend zu ändern, dass
sichergestellt wird, dass

– Personen von Entschädigungsleistungen nach diesem Gesetz nicht wegen
Mitgliedschaft in der oder einer legalen Tätigkeit für die damalige Kommu-
nistische Partei Deutschlands (KPD) ausgeschlossen werden,

– Personen von Entschädigungsleistungen nach diesem Gesetz nicht ausge-
schlossen werden, wenn sie sich als Kommunisten politisch betätigten,

– schon geleistete Entschädigungen, die nach § 6 Abs. 3 BEG zurückgezahlt
wurden, den Betroffenen oder ihren Erben ausgezahlt werden.

Berlin, den 21. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Begründung

Mit dem vorliegenden Antrag soll ein gesellschaftlicher Skandal in der Bundes-
republik Deutschland (West) beendet werden.

Kommunisten, die wegen Widerstandes gegen das NS-Regime im Konzentra-
tionslager oder in den Fängen der Gestapo litten, haben damit wie andere Opfer
nationalsozialistischer Verfolgung Anspruch auf Entschädigungsleistungen

Drucksache 16/3536 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
nach dem Bundesentschädigungsgesetz erworben. Im Zuge des Kalten Krieges,
des Antikommunismus und schließlich des Verbots der Kommunistischen Par-
tei Deutschlands in der Bundesrepublik Deutschland wurde Mitgliedern der
KPD eine Entschädigung verweigert oder gar die schon geleistete wieder zu-
rückgefordert.

Der Antrag hat zum Ziel, noch lebenden und bereits verstorbenen Kommunis-
ten, die Opfer nationalsozialistischen Terrors waren, eine moralische, politische
und juristische Anerkennung ihrer im Widerstand gegen das Nazi-Regime,
erbrachten Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland zu Teil werden zu
lassen, und sie endlich auch auf dieser Ebene anderen Opfern nationalsozialis-
tischer Verfolgung gleichzustellen.

Der derzeitige § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG legt fest, dass Personen, die nach dem
23. Mai 1949 die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grund-
gesetzes bekämpft haben, von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen sind.
In § 6 Abs. 3 BEG wird geregelt, dass ein Anspruch auf Entschädigung ver-
wirkt ist und Leistungen zurückgefordert werden können, wenn Ausschluss-
gründe nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG vorliegen. Selbst Leistungen, die nach Fest-
stellen des Ausschlussgrundes gezahlt wurden, können zurückgefordert wer-
den.

Für Entschädigungsleistungen sollte ausschließlich, wie es das Vorwort des
Bundesentschädigungsgesetzes auch formuliert, die „Wiedergutmachung für
erlittenes Unrecht“ das entscheidende Kriterium sein, weil der „geleistete
Widerstand ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und des Staates“
war. Die Ausgrenzung der Kommunistinnen und Kommunisten aus den Opfer-
entschädigungsleistungen mag der juristischen Umsetzung der Logik des Kal-
ten Krieges entsprochen haben. Sie aufrechtzuerhalten, widerspricht heutigen
rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Auch das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands 1956 kann eine
juristische Abwertung und die moralische und soziale Ausgrenzung der kom-
munistischen Opfer des Nazi-Regimes – das bedeutet nämlich die Verweige-
rung der Entschädigungsleistungen bis heute – weder juristisch noch moralisch
rechtfertigen.

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