BT-Drucksache 16/3420

Nachhaltiger Konsum - Stand der Umsetzung

Vom 14. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3420
16. Wahlperiode 14. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Peter Hettlich,
Undine Kurth (Quedlinburg), Christine Scheel, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann,
Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Reinhard Loske und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nachhaltiger Konsum – Stand der Umsetzung

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich bei der Konferenz der Verein-
ten Nationen 1992 in Rio de Janeiro zum Leitbild einer Nachhaltigen Entwick-
lung bekannt. Mit der „Agenda 21“ wurde ein umfassendes Handlungspro-
gramm beschlossen, das sich an Regierungen wie an die Zivilgesellschaft
richtet.

Deutschland hat als Unterzeichnerstaat Maßnahmen entwickelt, die eine sozial
gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung zum Ziel hatten. Im Jahr
2001 hat die Bundesregierung den Rat für Nachhaltige Entwicklung eingesetzt
und im April 2002 die „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen und im
Jahr 2004 hierzu den ersten Fortschrittsbericht veröffentlicht. Im Januar 2004
hat der Deutsche Bundestag einen Parlamentarischen Beirat eingesetzt, der die
nationale Nachhaltigkeitsstrategie im Parlament seitdem begleitet.

Die Ansätze zur Veränderung der Konsumgewohnheiten gehen zurück auf das
Kapitel 4 der Agenda 21. In zahlreichen internationalen Kommissionen und
Programmen stand die Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsstruk-
turen im Mittelpunkt, z. B. im UN-Umweltprogramm (UNEP) mit seinem Pro-
gramm „Nachhaltigen Konsum“ (seit 1998).

Die UNO hat für die Jahre 2005 bis 2014 eine Dekade „Bildung für nachhaltige
Entwicklung“ ausgerufen und die UNESCO mit ihrer Durchführung beauftragt.
Aufgabe der Bildung für nachhaltige Entwicklung ist es, den Menschen die
nötigen Kompetenzen und Einstellungen zu vermitteln, dass künftige Genera-
tionen eine lebenswerte Welt vorfinden. Bildung für nachhaltige Entwicklung
zielt auf Bewusstseinsbildung und Identifikation mit dem eigenen Lebensraum
und ist somit nicht nur Wissensvermittlung, sondern handlungsorientiertes poli-
tisches Lernen.

Damit Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Konsumentscheidungen an den
Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten können, benötigen sie Informationen
und Orientierungshilfen. Die Bundesregierung hat deshalb im Jahr 2005 ent-

sprechende Aufklärungsmaßnahmen für Verbraucher gestartet und z. B. mit der
Informationskampagne „Echt gerecht – clever kaufen“ allein im zurückliegen-
den Jahr in über 70 deutschen Städten bürgernah für Nachhaltigen Konsum ge-
worben.

Die von den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD geführte Bundes-
regierung entzieht sich nun der Verantwortung für einen wesentlichen Teil der

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Nachhaltigkeitsstrategie und kürzt in erheblicher Weise die Haushaltsmittel für
Aufklärungsmaßnahmen zum Nachhaltigen Konsum (von 2,5 Mio. Euro auf
1 Mio. Euro im Jahr 2007).

Wir fragen die Bundesregierung:

Verbraucherinformation, Labeling

1. Wie begründet die Bundesregierung die massive Kürzung der Aufklä-
rungsmaßnahmen für Nachhaltigen Konsum, und beabsichtigt die Bundes-
regierung die Informationskampagne „Echt gerecht – clever kaufen“ wei-
terzuführen, wenn ja, in welcher Form?

2. Welche Initiativen und Projekte hat die Bundesregierung zusätzlich zur
Informationskampagne „Echt gerecht“ in welchem Zeitraum durchgeführt,
um nachhaltige Konsum- und Verbrauchsmuster in der Öffentlichkeit zu
verankern und am Markt zu etablieren?

3. Welche Institutionen, die neue Wege für nachhaltiges Konsumverhalten
entwickeln, werden von der Bundesregierung wie gefördert?

4. Welche seriösen Informationsdatenbanken zum nachhaltigen Konsum ste-
hen privaten Verbrauchern frei und kostenlos zur Verfügung?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung eine allgemeine und eine regionale Her-
kunftskennzeichnung für Verbraucherprodukte einzuführen, insbesondere
für Textilien und Sportartikel, die auch über die Produktionsbedingungen
in den Herkunftsländern Auskunft gibt, und wenn nein, warum nicht?

6. Wie steht die Bundesregierung zu Studien, die Auskunft darüber geben,
mit welchen Konsumbeschränkungen die Bundesbürger in den nächsten
zehn Jahren rechnen müssen, und wann die ökologischen Grenzen über-
schritten sein werden?

7. Welche Verbrauchsuntergrenzen für private Konsumprodukte bei Wasser,
Kraftstoffen und Strom sind heute bereits technisch serienreif erreichbar,
insbesondere bei Wasserkochern, Autos, Motorrädern, Computern, Drucker,
Fernseher und Flachbildschirmen?

Welche strahlungsarmen Mobilfunkgeräte mit blauem Engel sind auf dem
Markt erhältlich?

8. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung damit der Verbraucher
beim Kauf von Mobilfunkgeräte umfassend über deren Strahlungseigen-
schaften aufgeklärt wird?

9. Welche Informationspflichten über soziale, ethische und ökologische Be-
lange müssen Bank- und Kreditinstitute ihren privaten Kunden gegenüber
einhalten, insbesondere bei Anlagegeschäften?

10. Wie überprüft die Bundesregierung die Einhaltung der jährlichen Nach-
haltigkeitsberichtspflicht aus dem Altersvorsorgezertifizierungsgesetz
(AltZertG) für Pensionsfonds, Pensionskassen und betrieblichen Direkt-
versicherungen, ob und wie ethische, ökologische und soziale Kriterien bei
der Kapitalanlage berücksichtigt werden?

11. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ethische, soziale und
ökologische Belange bei Kapitalanlagen wie der privaten Altersvorsorge,
Pensionsfonds, Pensionskassen und betrieblichen Direktversicherungen
und ggf. darüber hinaus stärker zu berücksichtigen?

12. Wie bewertet die Bundesregierung das australische Label SRI für nachhal-
tige Geldanlagen der Ethical Investment Association?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3420

Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ein ähnliches Label
EU-weit einzurichten?

13. Wie haben sich die Indikatoren für nachhaltigen Konsum in den privaten
Haushalten in den letzten fünf Jahren entwickelt?

14. Welche Indikatoren legt die Bundesregierung zur Beurteilung des Ernäh-
rungsstatus und des individuellen Wohlbefindens zu Grunde, und zu wel-
chem Ergebnis kommen sie?

Nationale Nachhaltigkeitsstrategie

15. Wie möchte die Bundesregierung die Forderung des Bundesministers
Thomas de Maizère umsetzen, die Politik der Nachhaltigkeit müsse kon-
kreter werden?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung den Beitrag der ökologischen Landwirt-
schaft zu den in der Nachhaltigkeitstrategie aufgestellten Zielen der Bun-
desregierung für eine nachhaltige Entwicklung?

Welche Unterstützung erhält dieser Sektor?

17. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung dem Bereich der Erneuer-
baren Energien im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie ein, und welche
Änderungen im Bereich der Förderung dieses Sektors hat es seit dem
Regierungswechsel gegeben?

18. Welche weiteren Marktbranchen haben eine besondere Bedeutung für die
Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie, und welche Unterstützung erhal-
ten diese durch die Bundesregierung?

19. Welche an Nachhaltigkeit orientierten Produktinnovationen hat die Bun-
desregierung bisher in welcher Weise gefördert?

20. Beabsichtigt die Bundesregierung den Lebensstil und die Konsummuster
der Bundesbürger zum Schwerpunktthema des nächsten Fortschritts-
berichts zur „Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie“ zu machen, und wenn
nein, warum nicht?

Konkrete Maßnahmen

21. Welche Aktivitäten zum nachhaltigen Konsum sind für die Zeit der deut-
schen EU-Ratspräsidentschaft geplant?

22. Beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung von Abgaben auf
umweltschädliche Substanzen, z. B. auf Pestizide, Düngemittel, Weich-
macher, Kerosin etc., um die externen Umweltkosten zu internalisieren,
und wenn nein, warum nicht?

23. Beabsichtigt die Bundesregierung ein allgemeines Verbot von nicht kom-
postierbaren Plastiktüten wie es in Frankreich im Jahr 2010 eingeführt
werden wird, und wenn nein, warum nicht?

24. Plant die Bundesregierung im Jahr 2007 einen autofreien Tag durchzufüh-
ren, um auf die Umwelt- und Klimabelastungen durch individuellen Auto-
verkehr aufmerksam zu machen, und wenn nein, warum nicht?

25. Mit welchen steuerlichen Hilfen können Privatverbraucher rechnen, wenn
sie ihr beruflich genutztes Auto auf umweltfreundlichere Antriebe um-
rüsten?

26. Welche Kriterien für eine nachhaltige Bewirtschaftung landwirtschaft-
licher Flächen und den Schutz natürlicher Lebensräume plant die Bundes-

regierung für die Anerkennung von Biokraftstoffen festzulegen?

Drucksache 16/3420 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Öffentliche Beschaffung

27. Welche Beschaffungsgrundsätze müssen die Bundesbehörden/Landesbe-
hörden/Kommunalbehörden in Hinsicht auf Nachhaltigkeit auf Grundlage
der aktuellen Gesetzgebung einhalten, und liegt eine Lieferantenliste mit
umweltfreundlichen Anbietern und Produkten vor?

28. Wie wird die Bundesregierung die Zielsetzung der nachhaltigen Beschaf-
fung umsetzen, und welche Maßnahmen werden konkret durch welche
Bundesbehörden dazu ergriffen?

Welche Kriterien und Überprüfungsmaßnahmen werden dabei zugrunde
gelegt?

29. Wie bewertet die Bundesregierung das EU-Handbuch zur umweltfreund-
lichen Beschaffung, und beabsichtigt sie auf dieser Grundlage einen Ak-
tionsplan mit Zielvorgaben, Berichtspflichten über die Zielerreichung und
Schaffung einer Internetseite über Grüne Beschaffung aufzustellen?

Berlin, den 14. November 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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