BT-Drucksache 16/3392

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Roland Claus gemäß § 44c Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Vom 10. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3392
16. Wahlperiode 10. 11. 2006
Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus-
schuss) hat in seiner 12. Sitzung am 9. November 2006 im Überprüfungsverfah-
ren gemäß § 44c Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der erforderlichen Mehrheit von
zwei Dritteln seiner Mitglieder

eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordneten Roland Claus für das Ministerium
für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
als

erwiesen

festgestellt.

I n h a l t s ü b e r s i c h t

Bericht des 1. Ausschusses

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44c AbgG

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsverfahrens

1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur Durchfüh-
rung der Richtlinien

2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

II. Verfahrensgrundsätze

C. Unterlagen des MfS zum Abgeordneten Roland Claus

D. Vortrag des Abgeordneten Roland Claus

I. Schriftliche Stellungnahme des Abgeordneten Roland
Claus

II. Anhörung durch die Berichterstatter

E. Feststellungen des 1. Ausschusses

Sondervotum der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann,
Fraktion DIE LINKE.

Erklärung des Abgeordneten Roland Claus
Bericht
des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Roland Claus
gemäß § 44c Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG)
B. Ablauf des Verfahrens Anlagen

Drucksache 16/3392 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44c AbgG

§ 44c des Abgeordnetengesetzes* (AbgG) regelt die Über-
prüfung von Mitgliedern des Bundestages auf Tätigkeit oder
politische Verantwortung für das Ministerium für Staats-
sicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) der
ehemaligen DDR. Eine solche Überprüfung wird im Regel-
fall nur auf einen entsprechenden Antrag des oder der jewei-
ligen Abgeordneten durchgeführt. Lediglich dann, wenn der
1. Ausschuss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner
Mitglieder das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für
den Verdacht einer Tätigkeit oder Verantwortung für den
Staatssicherheitsdienst feststellt, erfolgt die Überprüfung ge-
mäß § 44c Abs. 2 AbgG auch ohne Zustimmung des betrof-
fenen Mitglieds.

In der 16. Wahlperiode haben bislang 127 Mitglieder des
Bundestages ihre Überprüfung gemäß § 44c Abs. 1 AbgG
beantragt. Über die Ergebnisse wird dem Plenum gesondert
berichtet. In einem Fall hat der 1. Ausschuss gemäß § 44c
Abs. 2 AbgG eine Überprüfung ohne Zustimmung der Be-
troffenen beschlossen; dabei handelt es sich um das vorlie-
gende Verfahren des Abgeordneten Roland Claus.

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsver-
fahrens

1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur Durchführung
der Richtlinien

Seit der 12. Wahlperiode werden die Überprüfungen von
Mitgliedern des Bundestages auf Tätigkeit oder politische
Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehema-
ligen DDR auf der Grundlage der heute in § 44c AbgG ent-
haltenen Regelung durchgeführt (Anlage 1).

Die gesetzliche Regelung wird durch die diesem Bericht als
Anlage 2 beigefügten, vom Plenum beschlossenen „Richt-
linien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische
Verantwortung für das MfS/AfNS und die vom 1. Ausschuss
beschlossene, als Anlage 3 beigefügte „Absprache zur
Durchführung der Richtlinien gemäß § 44c AbgG“ ergänzt
(zur Entwicklungsgeschichte der für das Überprüfungsver-
fahren maßgeblichen Vorschriften vgl. u. a. die Ausführun-
gen in dem Bericht des 1. Ausschusses vom 13. April 2000
– Drucksache 14/3228).

2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der 13. Wahlperi-
ode mehrfach mit den Verfahren nach § 44c AbgG auseinan-
dergesetzt und die hierzu getroffenen Regelungen als verfas-
sungsgemäß bestätigt (siehe die Entscheidungen vom
21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff. und vom 20. Juli 1998,
BVerfGE 99, 19 ff.). Speziell die Entscheidung vom 21. Mai
1996 enthält grundlegende Aussagen zur Gestaltung der
Überprüfungsverfahren.

II. Verfahrensgrundsätze

Den Regelungen in § 44c AbgG liegt der Gedanke zugrunde,
dass grundsätzlich jedes Mitglied des Bundestages selbst

entscheiden soll, ob es sich auf eine Tätigkeit oder politische
Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemali-
gen DDR überprüfen lassen will. Dementsprechend be-
stimmt § 44c Abs. 1 AbgG als Regelfall, dass solche Über-
prüfungen nur auf einen entsprechenden Antrag des oder der
jeweiligen Abgeordneten durchgeführt werden. Eine Über-
prüfung ohne Zustimmung des betroffenen Mitglieds des
Bundestages findet gemäß § 44c Abs. 2 AbgG nur dann statt,
wenn der 1. Ausschuss das Vorliegen von konkreten An-
haltspunkten für den Verdacht einer Tätigkeit oder Verant-
wortung für den Staatssicherheitsdienst feststellt.

Diese Feststellung muss mit einer Mehrheit von zwei Drit-
teln der Ausschussmitglieder getroffen werden (Nummer 1
Abs. 4 der Richtlinien). Zur Feststellung des Prüfungsergeb-
nisses stehen dem 1. Ausschuss gemäß Nummer 4 der Richt-
linien die Mitteilungen der Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR (im Folgenden: Bundesbeauftragte) sowie sonstige
dem 1. Ausschuss zugeleitete oder von ihm beigezogene Un-
terlagen zur Verfügung. Damit wird auf die Beweismittel des
Zeugen- und des Sachverständigenbeweises verzichtet; die
Verfahren sind auf eine Überprüfung anhand von Urkunden
und Angaben des betroffenen Mitglieds beschränkt. Die
Richtlinien und die Absprache enthalten außerdem eine
Reihe von Mitwirkungsrechten und Schutzbestimmungen
zugunsten des betroffenen Mitglieds. In seiner Entscheidung
vom 21. Mai 1996 hat das Bundesverfassungsgericht die
Sicherungen aufgeführt, die das Überprüfungsverfahren von
Verfassungs wegen zum Schutze des Abgeordneten enthal-
ten muss (BVerfGE 94, 351 [369-371]). Hierzu gehören zu-
nächst Beteiligungsrechte des Abgeordneten, die nicht nur
das rechtliche Gehör gewährleisten, sondern dem betroffe-
nen Abgeordneten auch ermöglichen, aktiv an der Herstel-
lung des Beweisergebnisses mitzuwirken. Ferner muss ge-
währleistet sein, dass die abschließende Feststellung der
Eigenart des gewählten Verfahrens und der zugelassenen Be-
weismittel Rechnung trägt. Entsprechend ist in den Richt-
linien das Akteneinsichtsrecht des betroffenen Mitglieds
(Nummer 2 Abs. 1 der Richtlinien), seine Anhörung (Num-
mer 5 Abs. 1 der Richtlinien) sowie das Recht, den zu veröf-
fentlichenden Feststellungen des 1. Ausschusses eine eigene
Erklärung hinzuzufügen (Nummer 6 der Richtlinien), aufge-
führt.

In der nunmehr geltenden Fassung stellen Nummer 2 Abs. 2
und 3 der Richtlinien darüber hinaus ausdrücklich klar, dass
der vertrauliche Charakter der Überprüfungsverfahren das
Akteneinsichtsrecht der Mitglieder des Bundestages (§ 16
GO-BT) sowie das Zutrittsrecht zu den Ausschussberatun-
gen (§ 69 Abs. 2 GO-BT) beschränkt. Weiterhin enthalten
die überarbeiteten Feststellungskriterien in Nummer 6 der
Absprache zur Durchführung der Richtlinien einen Katalog
von Indizien, die nach der Erfahrung des 1. Ausschusses in
der Regel auf eine inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicher-
heitsdienst der ehemaligen DDR hinweisen. Dieser Katalog
ist allerdings nicht als abschließende Aufzählung zu verste-
hen und ersetzt auch nicht die zur Feststellung einer Tätig-
keit für den Staatssicherheitsdienst in jedem Einzelfall not-
wendige Würdigung der konkret vorliegenden Beweismittel.
Auch die Feststellung des Prüfungsergebnisses bedarf
schließlich einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder

des 1. Ausschusses (Nummer 1 Abs. 4 der Richtlinien).
Soweit nach diesem Ergebnis eine hauptamtliche oder inof-

* Durch Gesetz vom 22. August 2005 (BGBl. I S. 2482) wurde § 44b
a. F. ohne inhaltliche Änderung § 44c.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3392

fizielle Tätigkeit oder eine politische Verantwortung des
überprüften Mitglieds des Bundestages für den Staatssicher-
heitsdienst der ehemaligen DDR erwiesen ist, wird diese
Feststellung unter Angabe der wesentlichen Gründe als
Bundestagsdrucksache veröffentlicht (Nummer 6 der Richt-
linien). Eine Beeinträchtigung der parlamentarischen Rechte
des betroffenen Mitglieds oder gar eine Verpflichtung zur
Mandatsniederlegung ist damit nicht verbunden. Die Beur-
teilung der getroffenen Feststellungen soll vielmehr der Öf-
fentlichkeit, den Wählern, vorbehalten bleiben. Nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai
1996 (2 BvE 1/95; BVerfGE 94, 351 ff.) wird das vom
Deutschen Bundestag festgelegte und durch Richtlinien und
Absprachen näher ausgestaltete Verfahren – auch soweit es
auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachverständigen-
beweises verzichtet und sich auf die Überprüfung anhand
von Urkunden und Angaben des Betroffenen beschränkt –
den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Das Ge-
richt weist jedoch darauf hin, dass der 1. Ausschuss für eine
belastende Feststellung von der Verstrickung des Abgeord-
neten eine so sichere Überzeugung gewinnen muss, dass
auch angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten ver-
nünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung ausge-
schlossen sind. Andernfalls steht es dem Ausschuss offen, in
den Gründen die Beweislage darzustellen. Mutmaßungen
sind dem Ausschuss verwehrt.

B. Ablauf des Verfahrens

Im Fall des Abgeordneten Roland Claus teilte die Bundes-
beauftragte dem Präsidenten des Deutschen Bundestages mit
Schreiben vom 29. März 2006 mit, dass sie im Rahmen der
Erfüllung Ihrer Aufgaben nach § 37 des Gesetzes über die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Ge-
setz, im Folgenden: StUG) eine inoffizielle Tätigkeit des Ab-
geordneten Roland Claus für den Staatssicherheitsdienst
festgestellt habe. Die Bundesbeauftragte ist gemäß § 27
Abs. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe b StUG zur Ab-
gabe solcher Mitteilungen von Amts wegen verpflichtet. Die
über den Abgeordneten Roland Claus vorhandenen Unterla-
gen waren dem Schreiben beigefügt.

Auf der Grundlage der Mitteilung der Bundesbeauftragten
stellte der 1. Ausschuss in seiner 4. Sitzung am 6. April 2006
mit der erforderlichen Mehrheit das Vorliegen von konkreten
Anhaltspunkten für den Verdacht einer hauptamtlichen oder
inoffiziellen Tätigkeit oder politischen Verantwortung für
das MfS/AfNS der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik fest und beschloss, ein Überprüfungsverfahren oh-
ne Zustimmung des betroffenen Mitglieds gemäß § 44c
Abs. 2 AbgG einzuleiten. Als Berichterstatter wurden die
Abgeordneten Dr. Ole Schröder, Dr. Uwe Küster, Jörg van
Essen, Dr. Dagmar Enkelmann und Volker Beck (Köln) be-
nannt.

Am 7. April 2006 nahm der Abgeordnete Roland Claus
Einsicht in die beim 1. Ausschuss befindlichen Unterlagen
und übersandte eine persönliche Erklärung (unten in Ab-
schnitt D.I).

Nachdem die Berichterstatter ebenso wie der Abgeordnete

beauftragte oder einen Behördenvertreter zu einer Erläute-
rung der Unterlagen auf Berichterstatterebene einzuladen.
Die Teilnahme an diesem Gespräch, das am 1. Juni 2006
stattfand, stand allen Mitgliedern des Ausschusses offen.
Auf den Inhalt des Gesprächs wird im folgenden Abschnitt
C eingegangen. Am 22. Juni 2006 wurde der Abgeordnete
Roland Claus von den zu seinem Verfahren eingesetzten Be-
richterstattern des 1. Ausschusses angehört. Der Inhalt der
Anhörung wird unter Abschnitt D.II wiedergegeben.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 übersandte der Abgeord-
nete Roland Claus dem 1. Ausschuss einen ihm von der
Bundesbeauftragten übermittelten Sicherungsvorgang des
Staatssicherheitsdienstes zu seiner Person. Die Unterlagen
enthalten auf 65 Seiten u. a. Karteikarten, biographische An-
gaben und Beurteilungen.

Die Unterlagen wurden an die Berichterstatter weitergeleitet.
Die mündlichen und schriftlichen Einlassungen des Abge-
ordneten wurden bei der Entscheidungsfindung des 1. Aus-
schusses berücksichtigt.

In seiner 10. Sitzung am 19. Oktober 2006 stellte der Aus-
schuss das Ergebnis seiner Prüfung des Abgeordneten
Roland Claus vorläufig fest. Hiervon unterrichtete der Vorsit-
zende den Präsidenten des Deutschen Bundestages, die bei-
den Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE. sowie den Be-
troffenen. Ein Sondervotum der Abgeordneten Dr. Dagmar
Enkelmann (Fraktion DIE LINKE.) wurde der vorläufigen
Feststellung beigefügt.

Der Abgeordnete Roland Claus machte am 17. Oktober 2006
von der Möglichkeit Gebrauch, den Feststellungen des
1. Ausschusses eine eigene Erklärung hinzuzufügen.

In seiner 12. Sitzung am 9. November 2006 stellte der
1. Ausschuss das Ergebnis seiner Prüfung endgültig fest –
und zwar mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Unterlagen des MfS zum Abgeordneten
Roland Claus

Der von der Bundesbeauftragten übermittelte Aktenbestand
zu Roland Claus umfasst zehn Seiten und den Zeitraum vom
31. Mai 1976 bis zum 6. Januar 1989. Hierzu haben die Ver-
treter der Bundesbeauftragten ergänzend erläutert, dass über
den Abgeordneten Roland Claus im Hinblick auf die Über-
prüfung einer möglichen Stasiverstrickung keine weiteren
Unterlagen existierten als die vorliegenden zehn Seiten. In
Sicherungsvorgängen wie dem vom Abgeordneten Roland
Claus vorgelegten seien nach Auskunft der Bundesbeauf-
tragten bestimmte Personenkreise erfasst worden, die nach
Auffassung des Staatssicherheitsdienstes z. B. aufgrund
ihrer besonderen Stellung oder beruflichen Tätigkeit zu
„sichern“ gewesen wären. Somit seien in einen Sicherungs-
vorgang mehrere, häufig sehr viele Personen aufgenommen
worden. Eine Erfassung würde nicht bedeuten, dass diese
Personen gezielt und systematisch beobachtet worden seien.
Die Registrierung in Sicherungsvorgängen sei grundsätzlich
ohne Kenntnis der betroffenen Personen geschehen und habe
in der Regel einen geringen Aussagewert besessen.
Roland Claus Kopien der Unterlagen der Bundesbeauftrag-
ten erhalten haben, beschloss der Ausschuss, die Bundes-

Der geringe Umfang des Materials erkläre sich dadurch, dass
mit Duldung des damaligen Zentralen Runden Tisches der

Drucksache 16/3392 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

noch bestehenden DDR die Hauptverwaltung Aufklärung
(HVA) die Möglichkeit gehabt habe, Unterlagen zu vernich-
ten. Trotz der Vernichtung dieser Akten sei aber eine Erfas-
sung des Roland Claus durch das MfS festzustellen, die
durch die HVA erfolgt sei. Die Erfassung ergebe sich aus den
„Rosenholz“-Dateien. Diese Unterlagen enthielten die noch
vom Staatssicherheitsdienst mikroverfilmten Karteien der
ehemaligen, vornehmlich für Auslandsspionage zuständigen
HVA, die während der Umbrüche in der DDR auf nicht be-
kanntem Weg in die USA gelangt seien und die seit dem
Sommer 2000 schrittweise an die BStU (Die Bundesbeauf-
tragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR) zurückgeführt worden seien. Es handele
sich um ca. 290 000 Datensätze zu verschiedenen Karteien
aus der gesamten Zeit der HVA-Tätigkeit bis zum Zeitpunkt
der Verfilmung 1988. Die Datensätze bezögen sich sowohl
auf Bundesbürger als auch auf Bürger der ehemaligen DDR
(zu den „Rosenholz“-Unterlagen vgl. auch: Sechster Tätig-
keitsbericht der BStU [2003], Drucksache 15/1530, S. 18 f.
und 65 ff.).

Bei den betreffenden zehn Seiten handelt es sich um folgen-
de Dokumente:

– Karteikarte F 16 und F 22, jeweils Vorderseite (Anl. 1.1,
Bl. 1-2),

– Auszug aus der SIRA-Datenbank TDB 21 (Anl. 1.2),

– Schreiben der HVA vom 7. Mai 1982 (mit Kopie des
Aktendeckels der AP-Akte – Anl. 1.3, Bl. 1-2),

– Bearbeitungsbogen (mit Kopie des Deckblatts vom
Material der HA XX – Anl. 1.4, Bl. 1-2),

– Bericht der HA XX zu Roland Claus vom 6. Januar 1989
(Anl. 1.5, Bl. 1-3).

1. Die Karteikarten

Die Karteikarte F 16 enthält die Personenangaben (Roland
Claus, geb. am 18. Dezember 1954 in Hettstedt) sowie
Angaben über den Wohnort sowie Beruf (Assistent) und Ar-
beitsstelle (THC Chemie Merseburg). Weiter finden sich die
Registriernummer XV 2952/77, das Kürzel HVA/SWT/V/
754, die Archiv-Nr. 22431 und die Datumsangabe 31. Mai
1976.

Die Karteikarte F 22 weist ebenfalls die Registriernummer
XV 2952/77 sowie die folgenden Angaben auf: Deckname
„Peter Arendt“/I MA 26. September 1977/Mitarbeiter:
Eggert, Asmus (754)/Archiv-Nr. AIM 22431/IM-Akte A
Teil I/29. April 1985 Teil II/1 angelegt. Handschriftlich ist
die Nummer 33 696 eingefügt.

Die Vertreter der Bundesbeauftragten führten dazu aus, dass
die F-16-Karte eine Klarnamenkarteikarte und die F-22-Kar-
te eine Vorgangskarteikarte sei. Vom MfS erfasste Personen
seien auf einer F-16-Karteikarte registriert worden, auf der
die Personalien wie z. B. die Anschrift, das Geburtsdatum
bzw. die Personenkennzahl und die berufliche Tätigkeit ver-
merkt worden seien. Entsprechend der angegebenen Regis-
triernummer sei der Zugriff auf die F-22-Karteikarte mög-
lich, aus der dann die Vorgangsart zu erkennen sei.

Die Karteikarten ließen erkennen, dass der Vorgang seit dem

Decknamen „Peter Arendt“ geführt worden sei. Die Abtei-
lung V der HVA sei für die Auswertung im technischen
Bereich zuständig gewesen.

Das Kürzel HVA/SWT/V/754 auf der F-16-Karteikarte be-
deute, dass bei der HVA, Abteilung Sektor Wissenschaft und
Technik, ein (verschlüsselter) Mitarbeiter mit der Nummer
754 den Vorgang geführt habe. Die Abteilung SWT sei u. a.
für Industriespionage im Ausland und das Gewinnen von
Personal im Inland als Perspektivkader zuständig gewesen.
Diese Karteikarte sei am 31. Mai 1976 angelegt worden. Die
Nummer 22431 sei die ehemalige Archivnummer, unter der
im HVA-Archiv 1985 die Akte zu Roland Claus archiviert
worden sei. Dieses Archiv sei aber vernichtet worden. Die
Karte F 16 verweise auf die am 26. September 1977 an-
gelegte F-22-Vorgangskarteikarte mit der Angabe IMA
26. September 1977. Somit führe die auf den Karten F 16
und F 22 übereinstimmende Registriernummer XV 2952/77
von der Namenskartei auf den Vorgang und belege, dass es
sich um eine Person mit dem Decknamen „Peter Arendt“ und
um einen IM-Vorgang handele. Der Vorgang sei von dem
MfS-Mitarbeiter Asmus Eggert angelegt worden, dessen
Mitarbeiternummer 754 mit der Nummer auf der Karte F 16
übereinstimme. Auch hier finde sich die Querverbindung, da
sich die Archivnummer 22431 unter dem Begriff AIM
22431 (Archivierte IM-Akte) auch auf der Karte F 22 finde.
Der IM-Vorgang sei am 6. Mai 1985 unter der genannten Ar-
chivnummer archiviert worden. Die Akte zu der Registrier-
nummer XV/2952/77 sei aufgrund der Vernichtung des
Archivs der HVA nicht auffindbar.

Weiterhin sei auf der Karte F 22 dokumentiert, dass ein Teil I,
d. h. eine Personalakte zum IM, und ein Teil II, d. h. eine Ar-
beits- bzw. Berichtsakte, angelegt worden seien. Der Teil II,
Band 1 sei am 29. April 1985 angelegt worden. Die Zahl 33696
in der Mitte der Karte sei 1987 handschriftlich eingefügt wor-
den und diene als Nachweis dafür, dass die Karte EDV-mäßig
erfasst worden sei.

Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass das Vorhan-
densein einer Vorgangskarteikarte über eine Person lediglich
einen Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen liefere. Eine
Feststellung, dass die erfasste Person IM oder Opfer gewe-
sen sei, erlaube das bloße Auffinden einer Vorgangskartei
nicht. Auch die Existenz eines Decknamens alleine sage
noch gar nichts aus, da auch Opfer operativer Akten Deck-
namen hätten haben können.

2. Die SIRA-Datenbank

Der Ausdruck aus der SIRA-Datenbank enthält ebenfalls die
Registriernummer XV/2952/77, den identischen Decknamen
Peter Arendt, das übereinstimmende Registrierdatum
26. September 1977 und die Vorgangsart IMA, d. h. IM-Vor-
gang mit Arbeitsakte. Weiter finden sich die Angabe „aktive
Erfassung für OP.DE“ und die Nummer ZV 8233696. Als
Registrierdatum ist der 9. November 1987 angegeben.

Erläuternd wurde hierzu ausgeführt, dass SIRA das System zur
Informationsrecherche der HVA gewesen sei. Alle Dienst-
einheiten der HVA und die ihnen zugeordneten Abteilungen
XV der Bezirksverwaltungen hätten Informationen in die
SIRA-Datenbanken eingespeist. Die HVA-/SIRA-TDB 21
26. September 1977 von der Abteilung V/3 der HVA als
IMA (Inoffizieller Mitarbeiter mit Arbeitsakte) unter dem

stelle ein Pendant zur Vorgangskartei F 22 des MfS dar und
beinhalte neben der Registriernummer die Merkmale der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3392

Vorgangsart und den Decknamen. Die auf der F-22-Karte
befindliche Nummer 33696 finde sich neben dem Kürzel
ZV 82 als Datensatz auf dem EDV-Ausdruck der SIRA-Teil-
datenbank 21 wieder. Aktive Erfassung bedeute, dass es sich
um einen aktuellen Vorgang handele. „OP. DE“ stehe für
Operative Diensteinheit.

3. Die AP-Akte

Das Aktenstück stellt ein Schreiben der HVA, SWT, Abtei-
lung V vom 7. Mai 1982 an den Leiter der Hauptabteilung XX
dar. Es bezieht sich auf ein (nicht vorhandenes) Schreiben
zum Betreff „Kaderauftrag 1796“ der Hauptabteilung XX
vom 3. Mai 1982 und hat folgenden Inhalt: „Claus, Roland,
geb. am 18. Dezember 1954 in Hettstedt ist für unsere Dienst-
einheit positiv erfasst. C. leistete in der bisherigen inoffiziel-
len Zusammenarbeit eine zuverlässige Arbeit. (…) Zum vor-
gesehenen Einsatz in die Kaderreserve des ZK der SED
bestehen durch uns keine Einwände. gez. Beyer, Oberst,
stellv. Leiter der Abteilung“. Das Schreiben war in der „AP-
Akte 80376/92, Roland Claus“ enthalten.

Hierzu wurde erläutert, dass das Schreiben in der AP-Akte
(Allgemeine Personenablage) enthalten sei. AP sei ein Sam-
melbegriff für die aktenmäßige Zusammenfassung von Ma-
terial zu einer Person gewesen. Der Satz „C. leistete in der
bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit eine zuverlässige
Arbeit“ sei so zu lesen, dass aus Sicht des MfS eine normale
Zusammenarbeit stattgefunden habe, sich die Person also
nicht entzogen, sondern ihre Aufgaben erfüllt habe. Das ge-
naue Maß der Zusammenarbeit ergebe sich daraus nicht.
Über Personen, die unzuverlässig oder unehrlich gewesen
seien, seien aber entsprechend anders lautende Berichte ver-
fasst worden. Es handele sich aus Sicht eines Geheimdiens-
tes hierbei um wichtige Einschätzungen, bei denen der Leser
auf die zutreffende Beurteilung angewiesen gewesen sei, da
er sie habe übernehmen müssen, ohne sie selber nachprüfen
zu können. Es sei für die Arbeit wichtig gewesen, genau zu
wissen, ob der Kontakt zu einem IM bestehe oder zu einer
anderen Person. Bei einer offiziellen Zusammenarbeit seien
solche Akten nicht angelegt worden. Daher könne die For-
mulierung „zuverlässige Arbeit“ auch nicht im Zusammen-
hang mit einer Person gewählt worden sein, die unwissent-
lich instrumentalisiert worden sei und unbewusst etwas
gemacht habe, was dem MfS genützt habe. „Einsatz in die
Kaderreserve“ bedeute, dass die genannte Person die Vor-
aussetzungen erfülle, um in die Personalreserve des ZK auf-
zurücken.

Vorliegend gehe es um einen dokumentierten Schriftverkehr
zwischen zwei Diensteinheiten des MfS, nämlich der Haupt-
verwaltung A, bei der Roland Claus geführt worden sei, und
der Hauptabteilung XX, die für „Staatsapparat, Kultur, Kir-
che, Untergrund“ zuständig gewesen sei. Es handele sich um
einen normalen Informationsbericht von einer Diensteinheit
zu einer anderen, wie er im Rahmen von Kaderaufträgen üb-
lich gewesen sei. Bei dem Schriftverkehr handele es sich um
eine Anfrage, mit der Roland Claus als Kaderreserve, also
als Personalnachwuchs, in den Unterlagen des MfS abge-
prüft worden sei. Dabei habe man offensichtlich festgestellt,
dass es eine Erfassung bei der HVA gegeben habe, und
deshalb habe die Abteilung XX die HVA nach Informationen

sich, dass aus Sicht des MfS und in dessen inneren Rahmen
Roland Claus als inoffizieller Mitarbeiter geführt und als IM
von den beiden Diensteinheiten eingestuft worden sei sowie
dass Informationen über ihn weitergegeben worden seien.

Über die vorhandenen Karteikarten hinausgehend läge mit
diesem Schreiben ein Beleg für eine Tätigkeit von Roland
Claus als IM vor, was ein wichtiger Schritt dafür gewesen sei,
dass die Bundesbeauftragte die Mitteilung gemacht habe.

4. Der Bearbeitungsbogen

Der Vorgang der HA XX enthält einen Erfassungsbogen mit
Namen, Geburtsdatum, Tätigkeit (Abteilungsleiter) und
Arbeitsstelle (Zentralrat der FDJ/Verbandsorganisation) von
Roland Claus sowie neben einem Vermerk über eine Dienst-
reise am 21. November 1986 u. a. diese Angaben: „F 10 vom
27. 6. 88, erfasst für HA XX/2 (seit 8. Juli 1988) (vorher
erfasst für HVA SWT/V/3/754, Genosse Eckard, Material
AIM XV/2952/77 gesperrt, wurde eingesehen!“. Am Ende
des Bogens findet sich der Eintrag: „IM Berichte: siehe
Bericht 1/89 der HA XX/2“.

Hierzu wurde erläutert, dass der Abgeordnete Roland Claus
danach zunächst von der HVA/SWT/V und anschließend
von der HA XX/2 erfasst gewesen sei. F 10 sei das Kürzel für
ein Formblatt gewesen, mit dem abgefragt worden sei, ob die
Person in irgendeiner Diensteinheit schon einmal bearbeitet
worden sei, und in dem die Ergebnisse in Kurzform zusam-
mengestellt worden seien. Das sei am 27. Juni 1988 erfolgt
für HA XX/2. Der weitere Text „vorher erfasst für HVA
SWT/V/3/754 Genosse Eckard, Material AIM gesperrt, wur-
de eingesehen“ bedeute, dass der Vorgang von dem Mitar-
beiter eingesehen worden sei, der diesen Übersichtsbogen
erstellt habe. Unter IM-Berichte sei der Bericht 1/89 der HA
XX/2 aufgeführt, der die Anlage 1.5 darstelle. Daraus ergebe
sich, dass die archivierte IM-Akte eingesehen worden sei
und dass über diese Einsicht der Vermerk angelegt worden
sei, der in Kurzform den Inhalt der Akte wiedergebe.

5. Der Bericht zu Roland Claus vom 6. Januar 1989

Der „Bericht zu Roland Claus“ mit Datum vom 6. Januar
1989 wurde erstellt von OS Winning, HA XX/2 „aus dem
Material der HVA/SWT/V/3/754 AIM XV/2952/77 bei Gen.
Eckhard“. Er enthält u. a. folgende Angaben: „1. Nach posi-
tivem Hinweis der KP ,Kiefer‘ im Mai 1976 kam es am
16. 9. 77 in der TH Merseburg zur Werbung des C. als IM
der Kat. IMS mit Decknamen ‚Peter Arendt‘“. Nach einer
Beschreibung der „charakterlichen Einschätzung“ und des
Lebenslaufs ist „zur operativen Nutzung des Roland C. als
IM“ vermerkt: „Roland C. wurde als IMS zur Erarbeitung
von Kaderhinweisen genutzt. Er wurde von den Genossen
Eckard und Gen. Eggert geführt. Beide gehören der auf
Seite 1 genannten Abteilung der HVA an. In seiner Arbeit als
IM wird er als positiv eingeschätzt, jedoch gab es einige
Auseinandersetzungen zwischen C. und den o. g. Genossen
wegen der Termindisziplin des C. Durch seine gesellschaft-
lichen Verpflichtungen hatte er sehr wenig Zeit. Diese Pro-
bleme wurden aber in Gesprächen geklärt. Am 12. 3. 81 und
11. 5. 81 erfolgte jeweils eine NSW-Reisekaderbestätigung
durch die HVA/SWT/Abt. V. Im Mai 1982 wurde C. in die
gefragt. Das Schreiben vom 7. Mai 1982 stelle den entspre-
chenden Bericht dazu dar. Aus diesem Schriftverkehr ergebe

Kaderreserve des ZK der SED aufgenommen. Der Ab-
schlussbericht zur operativen Nutzung des C. datiert auf den

Drucksache 16/3392 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

25. 4. 85. Der IMS wurde aufgrund einer hauptamtlichen
Parteifunktion abgelegt.“

Ergänzend wurde hierzu erläutert, dass KP Kontaktperson
bedeute und aus der Sicht des MfS eine Kategorie von Per-
sonen bezeichne, die als staatsnah oder auch MfS-freundlich
angesehen worden seien. „IM der Kat. IMS“ bedeute, dass
Roland Claus als Inoffizieller Mitarbeiter der Kategorie IM
Sicherheit geworben worden sei. Werbung bedeute, dass das
MfS überlegt habe, welche Art von Mensch benötigt werde.
Aus diesem Aktenzusammenhang ergebe sich somit in indi-
rekter Form, wie die Abteilung XX Roland Claus damals ge-
sehen habe. So habe ein Mitarbeiter der Abteilung XX die
Akte angefordert und einen Aktenvermerk als Bericht ange-
fertigt, der die Werbung und Erfassung des Roland Claus am
16. September 1977 als IMS dokumentiere. Wenn die Wer-
bung positiv abgeschlossen worden sei, sei die Person ent-
sprechend kategorisiert worden und ihr die Zusammenarbeit
eröffnet worden. Aus dem Satz ergebe sich die Tatsache,
dass Roland Claus vom MfS als IM geführt worden sei.

Weiter ergebe sich aus dem Bericht über die „operative Nut-
zung des Herrn C. als IM“, dass Roland Claus als Tippgeber
gefragt gewesen sei, d. h. das MfS habe sich von ihm Hin-
weise auf geeignete Personen aus dem Kreis der Studenten
und Assistenten erhofft, die langfristig für einen Einsatz
auch im Ausland aufgebaut werden sollten. Dazu sei es
wichtig gewesen, Hinweise auf Personen zu bekommen, die
positiv zu Staat und Regierung eingestellt, aktiv und kon-
taktfreudig gewesen seien.

Der im Mai 1976 erfolgte Hinweis der KP „Kiefer“ auf
Roland Claus habe dazu geführt, dass die Namenskartei F 16
schon im Mai 1976 angelegt worden sei. Die Kartei sei also
über eine Person angelegt worden, ohne dass klar gewesen
sei, wohin die Person weiter entwickelt werden solle.

Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass über die ge-
machten Aussagen hinaus nicht gesagt werden könne, in
welchem Umfang und mit welcher Intensität Roland Claus
für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR tätig
gewesen sei.

D. Vortrag des Abgeordneten Roland Claus

I. Schriftliche Stellungnahme

Nach der Einsicht in die Unterlagen aus der Rosenholz-Datei
gab der Abgeordnete Roland Claus am 10. April 2006 fol-
gende schriftliche Stellungnahme ab, die er am Folgetag
auch auf seiner Abgeordnetenhomepage veröffentlichte:

„Nach meiner Einsicht am 07. 04. 2006 kann ich bestätigen,
was ich schon immer diesbezüglich öffentlich erklärt habe:

Meine Kontakte zu MfS-Mitarbeitern verliefen im Rahmen
offizieller dienstlicher Kontakte in meinen verschiedenen
FDJ-Funktionen zwischen 1976 und 1989. Eine Tätigkeit für
die HVA des MfS habe ich weder angestrebt noch ausge-
führt. Die Akte besteht aus Darstellungen über meine Per-
son. Es gibt keinerlei von mir angefertigte oder gezeichnete
Schriftstücke.

Vorwiegend wird meine Arbeit als FDJ-Sekretär an der
Technischen Hochschule (TH) Merseburg eingeschätzt. Sinn

sind richtig, andere sind falsch wiedergegeben. Darunter
z. B.:

● Ich war an der Hochschule, entgegen der Karteikarte,
nicht als Assistent tätig.

● Die Hochschule hieß schon lange nicht mehr ,THC Che-
mie‘, wie dort berichtet wird.

● Entgegen dem dortigen Bericht, bin ich zu keinem Zeit-
punkt vor Ende 1989, also auch nicht 1985, in eine haupt-
amtliche SED-Funktion eingetreten. Selbst ehrenamt-
liches Mitglied des Sekretariats der SED-Bezirksleitung
wurde ich nicht 1985, sondern 1983.

● Als NSW-Reisekader war ich, entgegen dem Bericht,
nicht tätig. Lediglich 1983 war ich mit ,Jugendtourist‘ in
Hamburg (keine Reisekadertätigkeit). So falsch wie diese
Behauptungen sind auch andere.

Es bleibt dabei, dass ich zu keinem Zeitpunkt als IM der
Staatssicherheit tätig war.

Roland Claus“.

II. Anhörung durch die Berichterstatter

Während seiner Anhörung vor den Berichterstattern des
1. Ausschusses verwies der Abgeordnete Roland Claus auf
seine Presseerklärung. Ein Teil seiner politischen Biografie
sei in den Unterlagen falsch dargestellt. Zu den bereits in der
Erklärung beanstandeten Angaben sei auch die Aussage
falsch, dass er aus einer Handwerkerfamilie käme.

Die Feststellung der Bundesbeauftragten, dass er als IM tätig
gewesen sei, wies er zurück. Sein Leben in der DDR sei ein
die DDR bejahendes politisches Leben gewesen, aber es sei
immer öffentlich politisch gewesen. Für ihn passe seine
politische Biografie daher auch nicht zum Sinn und zum
Wirken der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. Die
Existenz der vorliegenden Akten könne er sich nicht erklä-
ren. Aus dem ihm von der Bundesbeauftragten übermittelten
sog. Sicherungsvorgang ergebe sich aber, dass er als Objekt
und nicht als Subjekt für das MfS interessant gewesen sei.
Der Vorgang enthalte aber keine erheblichen Neuheiten.

Er könne daher nur mutmaßen, dass die vorliegenden Akten
aus seinen offiziellen Begegnungen mit Angehörigen der
Staatssicherheit entstanden seien. Zu diesen offiziellen Kon-
takten mit Mitarbeitern des MfS erklärte der Abgeordnete
Roland Claus, dass er in seinen FDJ-Funktionen an der Tech-
nischen Hochschule in Merseburg, später bei der Bezirkslei-
tung der FDJ in Halle und auch im Zentralrat der FDJ in Ber-
lin mit Angehörigen des MfS zu tun gehabt habe. Nach
seiner Erinnerung sei ihm aber nie angetragen worden, für
die HVA zu arbeiten, weder offiziell noch inoffiziell. Ihm sei
in allen seinen Funktionen immer bekannt gewesen, welcher
konkrete Mitarbeiter für diesen Bereich im MfS zuständig
gewesen sei. Dieser sei bei staatlichen Stellen, bei allen
politischen Parteien und den großen gesellschaftlichen Orga-
nisationen ein- und ausgegangen, so dass immer hinreichend
Gelegenheit bestanden habe sich abzusprechen. Das MfS
habe sich für seine Einschätzung der Lage z. B. im studenti-
schen Bereich interessiert. Auf diese offiziellen Kontakte
habe er sich ganz normal und offiziell eingelassen und im
und Zweck der angelegten Akte erschließen sich für mich
nicht. Teile meiner politischen und persönlichen Biografie

Zusammenhang mit diesen offiziellen Kontakten habe er
auch Beurteilungen über Personen abgegeben. Es habe sich

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3392

dann aber um Aussagen über deren Fähigkeiten gehandelt,
nicht um verdeckt gehandelte Informationen oder Personen-
einschätzungen. Er habe jetzt über diese Kontakte nachge-
dacht und sich gefragt, ob er einmal eine Fehlhandlung, z. B.
in Richtung einer Denunziation, begangen habe. Diesen Vor-
wurf müsse er sich aber ausdrücklich nicht machen. Die
Übereinstimmung mit dem System bedeute keineswegs,
dass alle moralischen und ethischen Werte zum Zwecke der
Systemstabilisierung persönlich über den Haufen zu werfen
gewesen seien.

Auf die Frage nach seiner Kaderarbeit antwortete der Ab-
geordnete Roland Claus, dass er als Erster Sekretär der
Bezirksleitung Halle der FDJ natürlich nicht die Befugnis
gehabt habe, nach Gutdünken Positionen und Ämter zu
besetzen, er habe aber entsprechende Personalvorschläge
machen müssen. Während der Tätigkeit an der Hochschule
sei dies nicht in diesem Maße straff organisiert gewesen. Als
er 1979 Vorsitzender der FDJ an dieser Hochschule gewor-
den sei, habe er die Auswahl von FDJ-Funktionären in den
einzelnen Fakultäten getroffen und sehr häufig Abstimmun-
gen mit der SED getroffen. An die Namen und Funktionen
seiner Kontaktpersonen in den Kaderabteilungen in Merse-
burg und Halle erinnere er sich nicht mehr. Er habe weniger
mit den Kaderabteilungen zu tun gehabt als vielmehr mit den
Sekretären. Der eine habe Kl., der andere Ki. geheißen. Eine
Mitarbeit von Ki. für das MfS sei ihm nicht bekannt, sie wür-
de auch den Regeln für die Mitarbeit ausdrücklich wieder-
sprechen, weil dieser als Zweiter Sekretär einer Bezirkslei-
tung dem Zugriff des MfS entzogen gewesen wäre.

Der auf der F-22-Karteikarte genannte Name des Führungs-
offiziers Asmus Eggert sei ihm bekannt, Asmus Eggert sei
einer seiner Vorvorgänger in der Funktion an der Techni-
schen Hochschule in der FDJ-Funktion gewesen. Er habe ihn
damals aber weder direkt kennengelernt noch habe er mit
ihm zusammengearbeitet oder sonst zu tun gehabt. Er habe
aber gewusst, dass er zum MfS gegangen sei. Der Name des
anderen Führungsoffiziers Eckard sage ihm nichts. Auf
Nachfrage teilte der Abgeordnete Roland Claus mit, dass er
nicht versucht habe, mit den in den Unterlagen genannten
Personen Kontakt aufzunehmen. Er habe dies erwogen, da-
von aber Abstand genommen, um sich nicht dem Zweifel
auszusetzen, Manipulationsversuche zu unternehmen. Die
genannten Personen sind auch nicht mit ihm in Kontakt ge-
treten.

Den Eintritt in die SED habe er, da er sehr spät erfolgt sei,
sehr bewusst vorgenommen. Er habe auch stets das Interesse
gehabt, die Arbeit in der FDJ gut zu machen, und sich gefreut,
als er im Vergleich zu anderen Ersten Sekretären als relativ
junger Mensch in diese Aufgabe gekommen sei. Die Auf-
nahme in diese Kaderreserve habe für ihn aber keine beson-
dere Motivation gehabt. Ihm sei aber irgendwann klar ge-
worden, dass er zu dieser Kaderreserve gehöre, ohne dass er
ein Datum dafür angeben könne, ab wann dieser Nomen-
klatureintritt wirklich begonnen habe. Ganz sicher sei dies
mit der Funktion des Ersten Sekretärs der Bezirksleitung
1983 der Fall gewesen.

Auf die Frage, ob er sich an das in den Unterlagen für seine
Anwerbung als IMS genannte Datum erinnere, erklärte der
Abgeordnete Roland Claus, dass ihm das konkrete Datum

oder 1981 zurück. Er habe sich auch gefragt, ob es in dieser
Zeit solche Kontakte gegeben haben könne. Zwar sei er zu
dieser Zeit an der TH Merseburg gewesen. Er wisse aber
nicht, wie es zu dieser Aussage gekommen sei, es sei aber
wohl keine besondere Sorgfalt bei der Erstellung der Akten
festzustellen, da auch die Aussage nicht zutreffe, dass die
Tätigkeit wegen einer hauptamtlichen Funktion in der SED
beendet worden sei. Die habe er jedoch vor 1989 nie inne-
gehabt.

Das Zustandekommen der Formulierung „C. leistete in der
bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit eine zuverlässige
Arbeit“ könne er sich nicht erklären, weil es aus seiner Sicht
eben keine zuverlässige Tätigkeit als IM gegeben habe.
Möglicherweise beziehe man sich auch hier auf andere Be-
urteilungen seiner Person, die fast wortgleich seien.

Zu der Formulierung in dem Bericht vom 6. Januar 1989, er
sei „zur Erarbeitung von Kaderhinweisen genutzt“ worden,
könne er nur sagen, dass er kein sog. Tippgeber gewesen sei.
Er könne aus den Kontakten, die er gehabt habe, weder defi-
nitiv ausschließen, dass er über Personen etwas gesagt habe,
noch könne er es in irgendeiner Weise bestätigen. So sei bei
Gesprächen, die die Einschätzung politischer Lageberichte
betroffen hätten, zwar auch zu handelnden Personen gespro-
chen worden. Er habe diese aber nicht so in Erinnerung, dass
er irgendwelche aktiven Vorschläge zum Einsatz von ent-
sprechenden Leuten gemacht hätte. Zu der in dem Bericht
erwähnten mangelnden Termindisziplin erklärte der Ab-
geordnete Roland Claus, dass er diese Einschätzung nicht
nachvollziehen könne. Von mangelnder Termindisziplin
hätte nur jemand sprechen können, mit dem er in einer
Art Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis gestanden hätte.
Dies sei ausdrücklich nicht der Fall gewesen. Es sei so ge-
wesen, dass man sich, wenn solche Kontakte stattgefunden
hätten, auf üblichem Wege verabredet habe.

Zu der Frage nach Westreisen erklärte der Abgeordnete
Roland Claus, dass er nicht den Rang eines Reisekaders ge-
habt habe. Nach einer Hamburgreise mit Jugendtourist im
Jahr 1982 oder 1983 habe er, wie es generell üblich gewesen
sei, einen entsprechenden Bericht vorlegen müssen. Er gehe
davon aus, dass dieser Bericht ganz ohne Umwege auch den
Leitungen der Partei und den zuständigen Behörden des MfS
zugestellt worden sei. Er habe aber keine Aufträge des MfS
zur Kontaktaufnahme oder zum Einkauf von Gegenständen
gehabt und nach der Rückkehr auch keine Gespräche über
diese Reise geführt.

E. Feststellungen des 1. Ausschusses

Der 1. Ausschuss sieht eine inoffizielle Tätigkeit des Abge-
ordneten Roland Claus für das Ministerium für Staatssicher-
heit der ehemaligen DDR als erwiesen an. Diese Feststellung
ist das Ergebnis einer Würdigung der dem Ausschuss vorlie-
genden Unterlagen in Kenntnis der Tatsache, dass keine Ver-
pflichtungserklärung oder vergleichbare Dokumente und
auch keine von dem Abgeordneten Roland Claus unterzeich-
neten Berichte o. Ä. vorliegen, sowie unter Berücksich-
tigung der Einlassung des Abgeordneten Roland Claus, nie
als IM der Staatssicherheit tätig gewesen zu sein.

Eine inoffizielle Tätigkeit im Sinne des § 44c AbgG umfasst

(16. September 1977) nicht erinnerlich sei. Die Sammlung
seiner persönlichen Kalender reiche nur bis in das Jahr 1980

jede bewusste und gewollte Zusammenarbeit des betroffe-
nen Mitglieds des Bundestages mit dem Staatssicherheits-

Drucksache 16/3392 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dienst bzw. dem Amt für Nationale Sicherheit der ehema-
ligen DDR. Eine solche „Verstrickung“ setzt demnach in
objektiver Hinsicht ein auf Lieferung von Informationen ge-
richtetes Tätigwerden für den Staatssicherheitsdienst voraus
(äußerer Tatbestand). In subjektiver Hinsicht muss dieses
äußere Erscheinungsbild von der Vorstellung des Handeln-
den getragen worden sein (innerer Tatbestand). Eine für das
betroffene Mitglied belastende Feststellung darf durch den
1. Ausschuss nur dann getroffen werden, wenn die Verwirk-
lichung des äußeren und inneren Tatbestandes durch die dem
Ausschuss zur Verfügung stehenden zulässigen Erkenntnis-
quellen bewiesen ist. Wie das Bundesverfassungsgericht in
diesem Zusammenhang festgestellt hat, „muss der Aus-
schuss von der Verstrickung des Abgeordneten eine so siche-
re Überzeugung gewinnen, dass auch angesichts der be-
schränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der
Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind“ (Entschei-
dung vom 21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff.; 370). In Zwei-
felsfällen muss der Ausschuss demnach zugunsten des be-
troffenen Mitglieds entscheiden und feststellen, dass eine
Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst nicht erwiesen ist
(vgl. auch Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, Ber-
lin, 2002, § 44c Anm. 45).

Kraft des aus Artikel 38 Abs. 1 des Grundgesetzes resultie-
renden Schutzes der Mandatsausübung in Verbindung mit
den Richtlinien zu § 44c AbgG ist der Feststellungsauftrag
des 1. Ausschusses begrenzt. Nach Nummer 3 der Richt-
linien ist dieser darauf beschränkt festzustellen, ob eine
hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeit oder eine politische
Verantwortung für das MfS/AfNS als erwiesen anzusehen ist
(„Verstrickung“). Diese Feststellung trifft der 1. Ausschuss
ausschließlich aufgrund der Mitteilungen des Bundesbeauf-
tragten, des Vorbringens des betroffenen Abgeordneten und
sonstiger ihm zugeleiteter oder von ihm beigezogener Unter-
lagen.

Dabei ist gemäß den unter Punkt 6.III der Richtlinien aufge-
zählten Feststellungskriterien von einer Verstrickung eines
Abgeordneten u.a. auszugehen, „wenn ein Tätigwerden für
das MfS/AfNS auf sonstige Weise zweifelsfrei belegt wird;
Indizien hierfür sind beispielsweise (…) eine nachgewiesene
Eintragung in den Karteien, insbesondere

– falls unterschiedliche Registriernachweise miteinander
korrelieren (oder)

– korrelierende Registriernachweise auf eine längere Zeit
der inoffiziellen Zusammenarbeit hindeuten.“

Dem 1. Ausschuss lagen bei seiner Überprüfung hinsichtlich
der Erfassung des Abgeordneten Roland Claus als „IM Peter
Arendt“ unter der identischen Registriernummer die Klar-
namenkarteikarte und die Vorgangskarteikarte (jeweils in
Kopie) sowie der Auszug aus der SIRA-Datenbank vor. Da-
rüber hinaus existieren ein Teil eines Schriftwechsels zwi-
schen zwei Diensteinheiten des MfS über Roland Claus so-
wie ein Bericht der HA XX des MfS, aus denen für das
Überprüfungsverfahren wesentliche Angaben oben im Wort-
laut wiedergegeben sind. Die Existenz dieser Unterlagen
lässt sich nicht anders erklären, als dass Roland Claus als IM
für das MfS tätig gewesen ist.

Diese Feststellung stützt sich auf eine Reihe von Indizien,
auf die im Folgenden eingegangen wird:

Roland Claus als IM „Peter Arendt“ ergibt. Der Bezug der
F- 16-Karteikarte, die zutreffende Angaben über Namen, Ge-
burtsdatum und Geburtsort des Abgeordneten Roland Claus
enthält, zu der Karte F 22 wird über die übereinstimmende
Registriernummer erkennbar. Die Querverbindung ergibt
sich auch aus der Archivnummer 22431 auf der Karte F 16,
die sich unter dem Begriff AIM 22431 auch auf der Karte
F 22 findet. Die Unterlagen belegen also das Vorhandensein
eines IM-Vorgangs mit Arbeitsakte. Die übereinstimmende
Registriernummer, der Deckname, die Bezeichnung IM-
Akte, die Archivnummer sowie das Erfassungsdatum finden
sich wiederum in der SIRA-Datenbank. Auch der auf der
F- 22-Karte angegebene Name des MfS-Führungsoffiziers
Asmus Eggert und dessen Dienstnummer finden sich auf
dem SIRA-Auszug. Die Einspeisung der Daten erfolgte
durch die Diensteinheiten der HVA und ist damit ein weite-
res Indiz für die Erfassung des Roland Claus als IM.

In diesem Zusammenhang ist die Einlassung des Abgeord-
neten Roland Claus, dass er zu der Existenz der vorliegenden
Akten nur mutmaßen könne, dass sie aus seinen offiziellen
Begegnungen mit Angehörigen der Staatssicherheit entstan-
den seien, nicht überzeugend. Die Erfassung als Inoffizieller
Mitarbeiter geht gerade über die offiziellen Kontakte mit
dem MfS hinaus und hat auch eine entscheidend andere Qua-
lität. Auch der Hinweis auf unzutreffende Angaben in den
vorliegenden Unterlagen betrifft weitgehend nur Details wie
seine Berufsbezeichnung (Assistent), den Namen des Ar-
beitgebers (THC Chemie) oder seine Herkunft (Handwer-
kerfamilie). Selbst wenn zu Gunsten des Abgeordneten
Roland Claus unterstellt wird, dass diese Angaben unzutref-
fend sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
Unterlagen manipuliert oder gefälscht sind. Hierfür liegen
keine Anhaltspunkte vor. Auch der Abgeordnete Roland
Claus behauptet nicht, dass die Unterlagen manipuliert seien
oder dass er von der Staatssicherheit „abgeschöpft“ worden
sei. Der ebenfalls vorliegende Sicherungsvorgang enthält
auch insoweit, wie der Abgeordnete Roland Claus angibt,
keine neuen Erkenntnisse.

Weiter gibt der Abgeordnete Roland Claus zu dem Namen
Asmus Eggert an, dass dieser sein Vorvorgänger in seiner
FDJ-Funktion an der TH Merseburg gewesen ist. Nach eige-
ner Darstellung des Abgeordneten Roland Claus ist ihm auch
bekannt gewesen, dass Asmus Eggert „zum MfS gegangen“
ist. Die Existenz dieser Person und seine Tätigkeit für das
MfS sind somit unstreitig. Von einer Fälschung oder Erfin-
dung kann nicht ausgegangen werden. Der Name des ande-
ren Führungsoffiziers „Eckard“ ist dem Abgeordneten
Roland Claus nach seiner Darstellung nicht bekannt. Auch
der Umstand, dass die Schreibweise „Eckard“ (Anl. 1.4,
Bl. 2 und 1.5, Bl. 1) und „Eckhard“ (Anl. 1.5, Bl. 2) in den
Unterlagen zu finden ist, führt nicht zu dem Schluss, dass die
Angaben in diesem Punkt manipuliert sind. Vermutlich han-
delt es sich um einen Schreibfehler. Auch die übrigen vom
Abgeordneten Roland Claus beanstandeten Unrichtigkeiten
in den vorliegenden Unterlagen betreffen z. B. nur die unge-
naue Wiedergabe seiner Berufsangabe oder die Bezeichnung
des Namens seines damaligen Arbeitgebers. Sie sind damit
für die hier vorzunehmende Entscheidungsfindung als uner-
heblich anzusehen.

Ein weiteres entscheidendes Indiz für eine Tätigkeit des Ab-

So liegen mit den Karteikarten F 16 und F 22 zwei Unter-
lagen vor, aus denen sich die Erfassung des Abgeordneten

geordneten Roland Claus als IM ist in dem in der AP-Akte
enthaltenen Schreiben der HVA vom 7. Mai 1982 zu sehen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3392

wonach der Abgeordnete Roland Claus „in der bisherigen in-
offiziellen Zusammenarbeit eine zuverlässige Arbeit (leiste-
te)“. Die Bundesbeauftragte hat überzeugend erläutert, dass
die Aktenkategorie AP zunächst nicht bedeutet, ob die darin
enthaltenen Unterlagen zu einem IM oder einem Opfer
gehört haben. Hier geht es ausweislich des Betreffs aber um
einen internen Schriftwechsel zwischen Diensteinheiten des
MfS, nämlich der Hauptverwaltung A, bei der Roland Claus
geführt wurde, und der Hauptabteilung XX. Das vorliegende
Schreiben stellt offensichtlich die Antwort auf eine Anfrage
der HA XX vom 3. Mai 1982 dar, in der die Abteilung XX
– nach der festgestellten Erfassung des Roland Claus bei der
HVA – diese um Informationen „zum vorgesehenen Einsatz
in der Kaderreserve des ZK der SED“ gebeten hat. In der
Antwort wird mitgeteilt, dass dazu „keine Einwände“ beste-
hen und dass der Abgeordnete Roland Claus „in der bishe-
rigen inoffiziellen Zusammenarbeit“ zuverlässige Arbeit ge-
leistet hat. Aus diesem Schriftverkehr ergibt sich, dass der
Abgeordnete Roland Claus vom MfS als IM geführt und von
den beiden Diensteinheiten auch als IM eingestuft wurde.

Die Bundesbeauftragte hat weiter erläutert, dass Berichte
dieser Art nur über IMs verfasst worden sind. Dies überzeugt
schon deshalb, weil die verschiedenen Dienststellen eines
Geheimdienstes bei der Zusammenarbeit darauf angewiesen
sind, dass die übermittelten Berichte inhaltlich zutreffend
sind. Es musste also Klarheit darüber herrschen, ob der Kon-
takt zu einem IM oder zu einer anderen Person besteht. Da-
rüber hinaus hat die Bundesbeauftragte mitgeteilt, dass bei
einer offiziellen Zusammenarbeit solche Akten nicht ange-
legt worden sind.

Die ausdrückliche Erwähnung der inoffiziellen Zusammen-
arbeit stellt ein starkes Indiz für die Tätigkeit des Abgeord-
neten Roland Claus als IM des MfS dar.

Weiterhin spricht der in einem Vorgang der HA XX enthal-
tene Bearbeitungs- bzw. Erfassungsbogen für eine Tätigkeit
des Abgeordneten Roland Claus als IM des MfS. Aus diesem
ist ersichtlich, dass der Abgeordnete Roland Claus zunächst
von der HVA/SWT/V und seit dem 8. Juli 1988 von der HA
XX/2 erfasst gewesen ist. In dem F-10-Formblatt wird zu-
dem auf den IM-Bericht vom 6. Januar 1989 verwiesen, in
dem der Ausschuss ein weiteres entscheidendes Indiz für die
Tätigkeit des Abgeordneten Roland Claus als IM „Peter
Arendt“ sieht.

Diesen Bericht, der als Anl. 1.5 vorliegt, hat ein Mitarbeiter
der Abt. XX nach Einsichtnahme in die damals existierende
Akte der HVA über den Abgeordneten Roland Claus gefer-
tigt. Darin wird von einer mehrjährigen Erfassung des Abge-
ordneten Roland Claus bei der HVA berichtet. Der Bericht
ist nach Auskunft der Bundesbeauftragten nicht vernichtet
worden, weil er nicht im Rahmen der HVA archiviert worden
ist. In ihm wird in indirekter Weise Stellung zum Abgeord-
neten Roland Claus genommen und daraus ergibt sich u. a.,
dass der Abgeordnete Roland Claus

– am 16. September 1977 als IM mit dem Decknamen
„Peter Arendt“ geworben,

– als IMS zur Erarbeitung von Kaderhinweisen genutzt und

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Einlassung des
Abgeordneten Roland Claus, derzufolge die Angabe in dem
Bericht unzutreffend ist, dass er im Mai 1982 in die Kader-
reserve des ZK der SED aufgenommen worden sei. So konn-
te der Abgeordnete Roland Claus auf Nachfrage kein genau-
es Datum dafür angeben, wann ihm bewusst geworden ist,
dass er zur Kaderreserve gehört hat. Dies war nach seiner
Erinnerung aber spätestens 1983 der Fall. Soweit sich der
Abgeordnete Roland Claus eingelassen hat, dass er erst 1989
eine Funktion in der SED übernommen hat, steht dies nicht
in Widerspruch zu dem Bericht. Dieser Bericht aus dem Jahr
1989 stellt ohne Angabe eines Datums fest, dass der IMS
aufgrund einer hauptamtlichen Parteifunktion abgelegt wor-
den sei. Es ist durchaus denkbar, dass der Bericht Anfang
1989 aufgrund der Übernahme dieser Funktion durch den
Abgeordneten Roland Claus als Abschlussbericht gefertigt
wurde.

Im Gesamtergebnis ist somit festzustellen, dass folgende
Querverweise in den vorliegenden Unterlagen existieren:
Die Karteikarte F 16 über Roland Claus verweist auf die
F- 22-Kartei, in der unter der übereinstimmenden Registrier-
nummer der Deckname „Peter Arendt“ vermerkt ist. Dieser
erscheint auch in der SIRA-Datenbank, die wiederum die
Archivnummer der F-16-Karteikarte enthält. Der Deckname
„Peter Arendt“ erscheint zudem in dem Bericht der HA XX.
Hier werden schließlich, unter Bezug auf die nicht mehr vor-
handenen Akten der HVA, der Name des Abgeordneten
Roland Claus und sein IM-Deckname „Peter Arendt“ mit-
einander in Beziehung gesetzt. Auch die Angabe in dem Be-
richt vom 6. Januar 1989, dass der Abgeordnete Roland
Claus im Mai 1982 in die Kaderreserve des ZK der SED auf-
genommen worden sei, entspricht dem Antwortschreiben
der HVA an die HA XX vom 7. Mai 1982, demzufolge der
vorgesehene Einsatz des Abgeordneten Roland Claus in der
Kaderreserve des ZK der SED keinen Einwänden begegne.
Das Feststellungskriterium der miteinander korrelierenden
Registriernachweise ist somit in mehrfacher Weise gegeben.
Zudem ist dem internen Schriftwechsel verschiedener
Diensteinheiten des MfS über den Abgeordneten Roland
Claus zu entnehmen, dass die Zusammenarbeit mit ihm als
„zuverlässig“ eingeschätzt wurde. Dies ist auch insofern von
Bedeutung, als sich aus einer Detailangabe ergibt, dass an-
fängliche Terminschwierigkeiten mit dem IM „in Gesprä-
chen geklärt“ werden konnten. Den Unterlagen ist weiter zu
entnehmen, dass der Abgeordnete Roland Claus von der
Werbung am 16. September 1977 bis zum Ende seiner „ope-
rativen Nutzung“ am 25. April 1985 als IM erfasst war. Da
somit eine Erfassung über einen Zeitraum von mehr als sie-
ben Jahren festzustellen ist, ist auch das Feststellungskrite-
rium einer mehrjährigen Tätigkeit erfüllt. Schließlich enthal-
ten die Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass der
Abgeordnete Roland Claus von der Staatssicherheit der ehe-
maligen DDR unbewusst „abgeschöpft“ worden wäre. Viel-
mehr ergibt sich bereits aus dem über ihn angefertigten Be-
richt, dass er mit der Stasi „zusammengearbeitet“ und
Kaderhinweise „erarbeitet“ hat. Somit ist von einer wissent-
lichen und willentlichen Ausübung dieser Tätigkeit als IM
auszugehen. Im Übrigen hat auch der Abgeordnete Roland
Claus nicht vorgetragen, „abgeschöpft“ worden zu sein. Eine
Verpflichtung des Abgeordneten Roland Claus zur inoffizi-
– von den Führungsoffizieren Eggert und Eckard der HVA
geführt wurde.

ellen Kooperation mit der Staatssicherheit aufgrund seiner
beruflichen oder gesellschaftlichen Funktionen ist ebenfalls

Drucksache 16/3392 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nicht vorgetragen worden. Vernünftige Zweifel an der Fest-
stellung dieser inoffiziellen Zusammenarbeit des Abgeord-
neten Roland Claus mit dem MfS bestehen daher nicht.

Angesichts dieser aussagestarken und eindeutigen Indizien
ist der 1. Ausschuss trotz des Umstandes, dass die eigent-
lichen Unterlagen sowie Akten nicht mehr vorhanden sind,
zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abgeordnete Roland
Claus als IM für das Ministerium für Staatssicherheit der
ehemaligen DDR tätig gewesen ist. Dabei ist es dem Aus-
schuss nicht möglich, vollständige Angaben zu Inhalt und
Umfang der Tätigkeit zu machen. Aus den vorliegenden Un-
terlagen ergibt sich auch nicht, dass der Abgeordnete Roland
Claus durch seine IM-Tätigkeit andere Personen mittelbar
oder unmittelbar geschädigt hat.

Berlin, den 9. November 2006

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/3392

Sondervotum der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Fraktion DIE LINKE.

Wie das Bundesverfassungsgericht für das Verfahren als
deutliche Mahnung mitgegeben hat, „muss der Ausschuss
von der Verstrickung des Abgeordneten eine so sichere
Überzeugung gewinnen, dass auch angesichts der be-
schränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der
Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind.“ (Ent-
scheidung vom 21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff.; 370.)

In diesem Sinne komme ich nach Einsicht der vorhandenen
Unterlagen und in Auswertung der Anhörung des Kollegen
Roland Claus zu einem anderen Ergebnis in der Bewertung
als die Mehrheit des Ausschusses.

„Vernünftige Zweifel“ sind insbesondere deswegen ange-
bracht,

– weil sich der Bericht mehrfach allein auf Indizien stützt,

– weil Schlussfolgerungen zum Kollegen Roland Claus aus
dem „internen Schriftwechsel verschiedener Dienstein-
heiten des MfS über den Abgeordneten Roland Claus“
gezogen wurden,

– weil mit der Formulierung, er sei „zur Erarbeitung von
Kaderhinweisen genutzt“ worden, Roland Claus unzuläs-
sig als „Tippgeber“ eingestuft wurde (Kollege Roland

– weil zwar nach Aktenlage eine Erfassung des Kollegen
Roland Claus durch das MfS dokumentiert wurde, nicht
zweifelsfrei jedoch geklärt werden konnte, zu welchem
Zweck. Der Bericht selbst verweist darauf: „Eine Feststel-
lung, dass die erfasste Person IM oder Opfer gewesen sei,
erlaube das bloße Auffinden einer Vorgangskartei nicht.“
(S. 7),

– weil es zwar Schreiben bzw. Berichte des MfS über den
Kollegen Roland Claus, nicht aber Berichte oder sonstige
Akten von ihm selbst gibt,

– weil aus der Tatsache der Vernichtung von Akten im Auf-
trag des Zentralen Runden Tisches 1989/1990 nicht zwei-
felsfrei geschlossen werden kann, dass sich darunter auch
Akten, Berichte etc. des Kollegen Roland Claus befan-
den,

– weil die Feststellung in einem Bericht des MfS über den
Kollegen Roland Claus („leistete eine zuverlässige
Arbeit“) nichts über Umfang, Inhalt, Qualität der
„Arbeit“ ausgesagt und vor allem den Nachweis schuldig
bleibt, dass diese von ihm stammt.

Eine vorurteilsfreie „Würdigung der dem Ausschuss vorlie-
Claus hat immer bestätigt, im Rahmen seiner beruflichen
Tätigkeit offizielle Kontakte gehabt zu haben),

– weil es keine Verpflichtungserklärung gibt,

genden Dokumente“ konnte wegen der mehr als dürftigen
Aktenlage gar nicht vorgenommen werden. Die zweifels-
freie Feststellung einer inoffiziellen Tätigkeit für das MfS ist
damit nicht gegeben.

Chemie“, wie dort berichtet wird. Entgegen dem dor- kratischen Republik teilte dem zuständigen Aus-

tigen Bericht, bin ich zu keinem Zeitpunkt vor Ende
1989, also auch nicht 1985, in eine hauptamtliche
SED-Funktion eingetreten. Selbst ehrenamtliches

schuss mit, außer den zehn übersandten Seiten gäbe es
keine weiteren Auskünfte zu meiner Person. Mehrere
Wochen später erhielt ich auf Antrag von der Bundes-
Drucksache 16/3392 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Erklärung des Abgeordneten Roland Claus zur Feststellung des 1. Ausschusses

1. Der zuständige Ausschuss des Deutschen Bundestages
will mehrheitlich festgestellt haben, dass ich als IM tätig
war. Er hat dafür nach eigenen Angaben keine Beweise,
weshalb er sich auf Indizienbelege beruft, die wesentlich
auf Interpretationen der Bundesbeauftragten für die Un-
terlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik beruhen.

Dazu stelle ich fest:

Die Mutmaßungen des zuständigen Ausschusses sind un-
zutreffend und falsch.

Leider wird kaum jemand im Deutschen Bundestag die
verwirrenden Darlegungen des zuständigen Ausschusses
gelesen haben, so auch nicht meine Gegendarstellung.

2. Am 10. April 2006 habe ich eine Erklärung abgegeben,
an deren Inhalt ich auch nach der Anhörung im zuständi-
gen Ausschuss nichts zu korrigieren habe, allenfalls habe
ich hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der zitierten Unter-
lagen untertrieben. Vor der Information durch den zustän-
digen Ausschuss des Bundestages waren die Vorwürfe in
diversen Medienberichten erschienen. Meine Erklärung
war und ist:

Erklärung nach Einsicht in die Unterlagen aus der so ge-
nannten „Rosenholz“-Datei

Nach meiner Einsicht am 7. April 2006 kann ich bestäti-
gen, was ich schon immer diesbezüglich öffentlich erklärt
habe:

Ich war niemals IM, habe keine Verpflichtungserklärung
unterschrieben und keinen Decknamen angenommen.

Meine Kontakte zu MfS-Mitarbeitern verliefen im Rah-
men offizieller dienstlicher Kontakte in meinen verschie-
denen FDJ-Funktionen zwischen 1976 und 1989. Eine
Tätigkeit für die HVA des MfS habe ich weder angestrebt
noch ausgeführt. Die Akte besteht aus Darstellungen
über meine Person. Es gibt keinerlei von mir angefertigte
oder gezeichnete Schriftstücke.

Vorwiegend wird meine Arbeit als FDJ-Sekretär an der
Technischen Hochschule Merseburg eingeschätzt. Sinn
und Zweck der angelegten Akte erschließen sich für mich
nicht.

Teile meiner politischen und persönlichen Biografie sind
richtig, andere sind falsch wiedergegeben. Darunter
z. B.:

● Ich war an der Hochschule, entgegen der Karteikarte,
nicht als Assistent tätig.

● Die Hochschule hieß schon lange nicht mehr „THC

● Als NSW-Reisekader war ich, entgegen dem Bericht,
nicht tätig. Lediglich 1983 war ich mit „Jugendtou-
rist“ in Hamburg (keine Reisekadertätigkeit).

● Meine Eltern waren zu keiner Zeit als Handwerker
tätig.

So falsch wie diese Behauptungen sind auch andere. Es
bleibt dabei, dass ich zu keinem Zeitpunkt als IM der
Staatssicherheit tätig war.

3. Der zuständige Ausschuss verlässt sich hauptsächlich auf
die „Rosenholz“-Dateien. Diese werden je nach Bedarf
von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen De-
mokratischen Republik als unzuverlässig (in Bezug auf
Bundestagsabgeordnete in der nicht vereinigten Bundes-
republik Deutschland) oder aber als beweiskräftig (z. B.
bei mir) interpretiert. Als eine Art Vorverurteilung be-
werte ich, dass der zuständige Ausschuss sich am 1. Juni
2006, also drei Wochen vor meiner Anhörung mit den
Experten der Stasiunterlagenbehörde beraten und – wie
in der Stellungnahme zu ersehen – deren Interpretation
angeschlossen hat. Eine vorurteilsfreie Anhörung von
mir war meines Erachtens damit nicht gegeben.

4. In meiner Erklärung vom 10. April 2006 habe ich auf
zahlreiche fehlerhafte Darstellungen in den Stasiunter-
lagen hingewiesen. Der zuständige Ausschuss bezeichnet
dies als unerheblich.

Dazu stelle ich fest:

a) Es ist meines Erachtens nicht unerheblich, dass ich
1976/1977 nicht als Assistent an der Hochschule be-
schäftigt war, wie in den MfS-Unterlagen behauptet
wird. Das war seinerzeit für mich schon deshalb nicht
unerheblich, als ich ca. ein halbes Jahr kein Einkom-
men hatte.

b) Es ist nicht unerheblich, dass ich nicht 1985, sondern
erst 1989 eine hauptamtliche SED-Funktion über-
nahm.

c) Es ist nicht unerheblich, dass ich bereits 1981 in eine
DDR-Nomenklaturfunktion kam, die mit einer MfS-
Verbindung unvereinbar war.

5. Der zuständige Ausschuss hat nach eigener Darstellung
in seinem Feststellungsbericht kundgetan, dass es mir
nicht gelungen sei, Vorwürfe aus den MfS-Akten zu ent-
kräften.

Er verlangt damit von mir, in Umkehr der Beweislast,
dass ich erklären soll, wovon ich nichts weiß.

Ich beschränke mich auf drei Feststellungen:

a) Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staats-
sicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demo-
Mitglied des Sekretariats der SED-Bezirksleitung
wurde ich nicht 1985, sondern 1983.

beauftragten ca. 55-seitige Akten, in denen ich als
Objekt des MfS geführt wurde. Abgesehen von

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/3392
Wahlperiode – 13 – D

persönlichen und zum Teil intimen Betrachtungen
war dies in der Tat nicht neuwertig, es widerspricht al-
lerdings der Darstellung der Bundesbeauftragten vom
April 2006, dass es zu meiner Person keine weiteren
Akten gäbe.

b) Im Vergleich der so genannten Objekt-Akte mit der so
genannten Subjekt-Akte ist unschwer erkennbar, dass
viele Einschätzungen aus vermeintlichen MfS-Akten
wahrscheinlich aus FDJ-Beurteilungen abgeschrieben
wurden (z. B. „Zuverlässigkeit“, „kritische Positionen
zur SED“). Dies blendet der Bericht des zuständigen
Ausschusses völlig aus.

c) Meine Nomenklaturfunktion in der DDR wird beliebig
interpretiert. Seit 1983 war ich FDJ-Bezirkschef in
Halle, damit qua Amt im Sekretariat der SED-Bezirks-
leitung. Es ist absurd zu vermuten, dass das MfS auf
Mitglieder dieser Parteiebene Zugriff gehabt hätte.

Ich habe zwar Berichte von denen gelesen, aber mit
Gewissheit für sie keine verfasst.

6. Es war und ist mir nicht gleichgültig, wie der zuständige
Ausschuss sich entscheidet. Der Feststellungsbericht aller-
dings entspricht nicht der Wahrheit. Dass bereits der Re-
ferentenentwurf des Berichtes Gegenstand von Medien-
veröffentlichungen war, hat mich nicht verwundert, aber
erneut enttäuscht. Die „Bild-Zeitung“ hat dennoch dem
1. Ausschuss seine Entscheidung gewissermaßen „vorge-
geben“. Der Ausschuss kann über mein politisches Leben
urteilen, wie er will. Ich nehme mir aber die Freiheit, über
mein Leben selbst zu urteilen. Ich habe mir einiges vor-
zuwerfen, jedoch nichts, wozu mich der Ausschuss nun
verurteilen will.

Drucksache 16/3392 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anlage 1

§ 44c des Abgeordnetengesetzes (AbgG)

Überprüfung auf Tätigkeit oder politische
Verantwortung für das Ministerium für

Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

(1) Mitglieder des Bundestages können beim Präsidenten
schriftlich die Überprüfung auf eine hauptamtliche oder in-
offizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den
Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demo-
kratischen Republik beantragen.

(2) Eine Überprüfung findet ohne Zustimmung statt,
wenn der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung das Vorliegen von konkreten Anhaltspunk-
ten für den Verdacht einer solchen Tätigkeit oder Verant-
wortung festgestellt hat.

(3) Das Verfahren wird in den Fällen der Absätze 1 und 2
vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung durchgeführt.

(4) Das Verfahren zur Feststellung einer Tätigkeit oder
Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt
für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demo-
kratischen Republik legt der Deutsche Bundestag in Richt-
linien fest.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/3392

Anlage 2

Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik vom 13. Dezember 2001 (BGBl. 1992 I S. 76), geändert am
1. Oktober 1999 (Bekanntmachung vom 7. Oktober 1999, BGBl. I S. 2072), für die
16. Wahlperiode in der 1. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Oktober 2005
übernommen
Gemäß § 44c des Abgeordnetengesetzes werden die fol-
genden Richtlinien erlassen:

1. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung (1. Ausschuss) ist zuständig für Über-
prüfungen gemäß § 44c des Abgeordnetengesetzes.

Dem 1. Ausschuss sind die Mitteilungen des Bundesbe-
auftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens-
tes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
(Bundesbeauftragter) und sonstige Unterlagen zur Über-
prüfung eines Mitgliedes des Bundestages unmittelbar
zuzuleiten.

Er kann aus seiner Mitte Mitglieder mit der Durchsicht
von Unterlagen beauftragen.

Entscheidungen nach § 44c Abs. 2 des Abgeordnetenge-
setzes, Entscheidungen über Ersuchen um zusätzliche
Auskünfte des Bundesbeauftragten und Entscheidungen
zur Feststellung des Prüfungsergebnisses trifft der
1. Ausschuss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner
Mitglieder.

2. Das betroffene Mitglied kann Einsicht in die beim
1. Ausschuss befindlichen Unterlagen verlangen. Es
kann sich einer Vertrauensperson bedienen.

Im Übrigen dürfen Einsicht in die zu den Überprüfungs-
verfahren geführten Akten des 1. Ausschusses nur die
Ausschussmitglieder sowie die mit der Bearbeitung der
Vorgänge befassten Sekretariatsmitarbeiter nehmen.

Bei den Beratungen des 1. Ausschusses zu den Überprü-
fungsverfahren ist das Zutrittsrecht für Mitglieder des
Bundestages auf die ordentlichen Ausschussmitglieder
und deren Stellvertreter beschränkt. Der 1. Ausschuss
kann im Einzelfall Ausnahmen beschließen.

3. Der Präsident des Deutschen Bundestages ersucht den
Bundesbeauftragten um Mitteilung von Erkenntnissen
aus seinen Unterlagen über ein Mitglied des Bundesta-

ges und um Akteneinsicht, falls dieses Mitglied des Bun-
destages es verlangt.

Er ersucht den Bundesbeauftragten auch, falls der
1. Ausschuss konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht
einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit oder
politischen Verantwortung eines Mitgliedes des Bundes-
tages für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für
Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) der ehemaligen Deut-
schen Demokratischen Republik festgestellt hat.

Das Mitglied des Bundestages ist über das Ersuchen in
Kenntnis zu setzen.

4. Der 1. Ausschuss trifft auf Grund der Mitteilungen des
Bundesbeauftragten und auf Grund sonstiger ihm zuge-
leiteter oder von ihm beigezogener Unterlagen die Fest-
stellung, ob eine hauptamtliche oder inoffizielle Mit-
arbeit oder eine politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Si-
cherheit (MfS/AfNS) der ehemaligen Deutschen Demo-
kratischen Republik als erwiesen anzusehen ist.

5. Vor Abschluss der Feststellungen gemäß Nummer 4 sind
die Tatsachen dem betroffenen Mitglied des Bundes-
tages zu eröffnen und mit ihm zu erörtern.

Der Vorsitzende des 1. Ausschusses unterrichtet den Prä-
sidenten des Deutschen Bundestages und den Vorsitzen-
den derjenigen Fraktion oder Gruppe, der das betroffene
Mitglied des Bundestages angehört, über die beabsich-
tigte Feststellung des 1. Ausschusses.

6. Die Feststellung des 1. Ausschusses über ein Mitglied
des Bundestages wird unter Angabe der wesentlichen
Gründe als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. In die
Bundestagsdrucksache ist auf Verlangen eine Erklärung
des betroffenen Mitgliedes des Bundestages in angemes-
senem Umfang aufzunehmen.

Der Vorsitzende unterrichtet den Ausschuss über Anregun- tige Weise zweifelsfrei belegt wird; Indizien hierfür
Die Originale bleiben im Sekretariat. Sie können dort von
jedem Ausschussmitglied eingesehen werden.

Für das Überprüfungsverfahren werden grundsätzlich nur

b) eine nachgewiesene Eintragung in den Karteien,
insbesondere falls
gen anderer Mitglieder des Bundestages.

4. Aktenaufbewahrung und Akteneinsicht

sind beispielsweise

a) die nachgewiesene Entgegennahme von Zuwen-
dungen, Vergünstigungen, Auszeichnungen oder
Vergleichbarem,
Drucksache 16/3392 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anlage 3

Absprache zur Durchführung der Richtlinien gemäß § 44c, für die 16. Wahlperiode
in der 2. Sitzung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
am 15. Dezember 2005 übernommen

1. Einzelfallüberprüfung

Die Einzelfallüberprüfung übernehmen Berichterstatter-
gruppen.

Die Berichterstattergruppen bestehen jeweils aus dem Vor-
sitzenden und seinem Stellvertreter sowie je einem Mitglied
der Fraktionen und Gruppen.

Es werden vier Berichterstattergruppen gebildet. Die Zu-
weisung der Überprüfungsvorgänge an die einzelnen Grup-
pen nimmt der Ausschussvorsitzende vor.

Jedes Mitglied des Ausschusses kann sich an der Aktenein-
sicht beim Bundesbeauftragten beteiligen.

Den Bericht der Berichterstattergruppe und den Entwurf des
Entscheidungsvorschlages für den Einzelfall an den Aus-
schuss legt der Vorsitzende vor.

Die Feststellung des Ausschusses wird vom Vorsitzenden
ausgefertigt.

2. Anhörung des Betroffenen

Termin und Ort bestimmt der Vorsitzende, er gibt dies in
einer Ausschusssitzung bekannt.

Die Anhörung wird von der Berichterstattergruppe durchge-
führt; jedes Ausschussmitglied kann teilnehmen.

Die Einladung erfolgt schriftlich mit dem Hinweis, dass das
betroffene Mitglied des Bundestages vorher Einsicht in die
Akten des Ausschusses nehmen kann.

Das betroffene Mitglied des Bundestages kann nach Ende
der Anhörung dem Ausschuss eine schriftliche Stellung-
nahme zuleiten. Ob und inwieweit diese Stellungnahme für
die Antragstellung gemäß Nummer 5 der Richtlinien bewer-
tet wird, muss zum Zeitpunkt der Abfassung der Beschluss-
empfehlung entschieden werden.

3. Überprüfung von Amts wegen

Die Überprüfung von Mitgliedern des Bundestages gemäß
§ 44c Abs. 2 AbgG kann von jedem Ausschussmitglied be-
antragt werden.

Dem Antrag sind Belegmaterialien beizufügen.

für ihre Arbeit außerhalb der Sekretariatsräume jeweils eine
weitere Kopie zur Verfügung zu stellen.

Einsicht in die Akten des Ausschusses wird dem betrof-
fenen Mitglied des Bundestages nur in den Räumen des
Ausschusses gewährt. Bei der Einsichtnahme müssen der
Vorsitzende oder von ihm beauftragte Mitglieder des Aus-
schusses oder des Sekretariats anwesend sein. Anonymi-
sierte Kopien werden dem betroffenen Mitglied des Bun-
destages auf Verlangen ausgehändigt. Aufzeichnungen kann
sich das betroffene Mitglied des Bundestages anfertigen.

5. Öffentlichkeit

Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Verschwiegenheit
über schutzwürdige persönliche Daten überprüfter Abge-
ordneter verpflichtet.

Presseerklärungen über die inhaltliche Bewertung von Ein-
zelfällen werden nicht abgegeben.

Hörfunk- und Fernsehaufzeichnungen im Sitzungssaal wäh-
rend der Sitzungen und Gespräche sind unzulässig.

6. Feststellungskriterien

Feststellungskriterien für den Ausschuss sind:

A. hauptamtliche Tätigkeit für das MfS/AfNS (vgl. § 6
Abs. 4 Nr. 1 StUG);

B. inoffizielle Tätigkeit für das MfS/AfNS (vgl. § 6 Abs. 4
Nr. 2 StUG);

von dieser kann in der Regel insbesondere dann ausge-
gangen werden,

I. wenn eine unterzeichnete Verpflichtungserklärung
vorliegt, es sei denn, es liegt Geringfügigkeit („Ba-
gatellfall“) nach § 19 Abs. 8 Nr. 2 StUG vor oder
ein tatsächliches Tätigwerden kann wegen fehlen-
der Unterlagen nicht festgestellt werden;

II. wenn nachweislich Berichte oder Angaben über
Personen außerhalb offizieller Kontakte geliefert
wurden;

III. wenn ein Tätigwerden für das MfS/AfNS auf sons-
zwei Kopien gezogen, die ebenfalls im Sekretariat verblei-
ben. Der Ausschuss kann beschließen, den Berichterstattern

– unterschiedliche Registriernachweise mitein-
ander korrelieren,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/3392

– korrelierende Registriernachweise auf eine
längere Zeit der inoffiziellen Zusammenar-
beit hindeuten oder

– während der Dauer der Erfassung die Füh-
rungsoffiziere wechselten.

IV. Von dieser Indizwirkung kann in der Regel dagegen
nicht ausgegangen werden, wenn Hinweise darauf

bestehen, dass Unterlagen zu Lasten Betroffener
manipuliert worden sind;

C. politische Verantwortung für das MfS/AfNS oder seine
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

D. Sind durch eine Tätigkeit oder politische Verantwortung
für das MfS/AfNS Einzelpersonen nachweislich weder
mittelbar noch unmittelbar belastet oder benachteiligt
worden, ist dies in die Feststellungen aufzunehmen.

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