BT-Drucksache 16/3341

Fortentwicklung der Internationalen Rechnungslegungsstandards im Rahmen der Präsidentschaft Deutschlands in EU und G8 thematisieren

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3341
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Mechthild Dyckmans,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster),
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Fortentwicklung der Internationalen Rechnungslegungsstandards
im Rahmen der Präsidentschaft Deutschlands in EU und G8 thematisieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bedeutung internationaler Bilanzierungsstandards nimmt in Deutschland
immer stärker zu. Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen ab 2005 die In-
ternational Financial Reporting Standards (IFRS) gemäß der IAS-Verordnung
(Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 19. Juli 2002 betreffend internationale Rechnungslegungsstandards) sowie
des Bilanzrechtsreformgesetzes vom 4. Dezember 2004 anwenden. Für Kon-
zernabschlüsse anderer, nichtkapitalmarktorientierter Unternehmen und für Ein-
zelabschlüsse aller Kapitalgesellschaften besteht ein Wahlrecht zur Anwendung
der internationalen Rechnungslegungsvorschriften zu Informationszwecken.
Für steuerliche Zwecke muss jedoch weiterhin der Abschluss nach dem Han-
delsgesetzbuch (HGB) aufgestellt werden.

Der Großteil deutscher Unternehmen besteht aus mittelständischen, nichtkapi-
talmarktorientierten Unternehmen. Wie aus einer Studie des Deutschen Indus-
trie- und Handelskammertages (DIHK) (International Financial Reporting Stan-
dards (IFRS) in mittelständischen Unternehmen, Juli 2005) hervorgeht, stellt

bereits die freiwillige Anwendung der IFRS für mittelständischen Unternehmen
in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Nach der
DIHK-Studie bilanzieren 8 Prozent der mittelständischen Unternehmen nach
IFRS. Als wesentliche Gründe führen diese Unternehmen die Erleichterung der
internen und externen Berichterstattung im Konzern sowie die bessere Darstel-
lung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage an. Diesen Vorteilen stünden je-
doch Nachteile wie ein – vor allem für mittelständische Betriebe – beachtlicher

Drucksache 16/3341 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Umstellungs- und Folgeaufwand sowie die Komplexität der Standards gegen-
über. Weitere 11 Prozent der Unternehmen planen dieser Studie zufolge die
Erstellung der IFRS-Bilanz neben der HGB-Bilanz. Die weit überwiegende
Anzahl der an der Studie teilnehmenden Unternehmen – knapp 80 Prozent –
sehen derzeit keinen Bedarf für eine IFRS-Bilanzierung. Diese Unternehmen ver-
fügten überwiegend über einen geringen Auslandsumsatz und keine Konzern-
struktur. Obwohl sie die Vorteile einer IFRS-Bilanzierung erkennen, überwiegen
für sie Nachteile, wie z. B. hoher Umstellungs- und Folgeaufwand, interne Per-
sonalstruktur bzw. Personalumstrukturierungen sowie externe Beratungskosten.

Der International Accounting Standards Board (IASB) hat mit der Entwicklung
eigener Standards für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) begonnen (so
genanntes Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities-Projekt
– SME-Projekt). Die Entwicklung eigener IFRS für KMU ist sinnvoll, da Full-
IFRS in der derzeitigen Form für die meisten mittelständischen Unternehmen
nicht geeignet sind und von dem Grundgedanken einer Börsennotierung der Ge-
sellschaften ausgehen. Es ist notwendig, dass sich die deutsche Regierung bei
der Entwicklung dieser Standards für eine besondere Berücksichtigung der
Interessen des deutschen Mittelstandes und der gesellschaftsrechtlichen Rah-
menbedingungen für diese Unternehmen einsetzt. Wie aus der Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Gefahr für
das bilanzielle Eigenkapital von mittelständischen Unternehmen“ (Bundestags-
drucksache 16/793) hervorgeht, teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die
Schwierigkeiten, die durch die Anwendung des IAS 32 (IAS: International
Accounting Standards) und der daraus resultierenden Umklassifizierung von
Eigen- in Fremdkapital bei Personenhandelsgesellschaften entstehen, auf deut-
sches Gesellschaftsrecht zurückgehen. Daraus wird deutlich, dass internationale
Bilanzierungsstandards wenig Rücksicht auf nationales Gesellschaftsrecht, aber
auch auf die verschiedenen Formen der damit verbundenen Unternehmenspoli-
tik nehmen. Vielfach steht gerade für KMU in Deutschland die über Generatio-
nen gehende Werterhaltung im Vordergrund, die ihren Niederschlag in der
Rechtsform findet. Deswegen ist es wichtig, bei der Entwicklung von neuen
Standards für KMU oder der Fortentwicklung bestehender Standards die Beson-
derheiten des deutschen Rechts und die Interessen der deutschen Wirtschaft so-
wohl dem IASB als auch der EU-Kommission zu verdeutlichen und sich für eine
bessere Berücksichtigung einzusetzen.

Auf Ebene des deutschen Gesetzgebers wird zur Zeit das so genannte Bilanz-
rechtsmodernisierungsgesetz erarbeitet. Durch dieses Gesetz soll die Rech-
nungslegung nach HGB den internationalen Standards der IFRS angenähert
werden. IFRS werden dadurch unmittelbar auch den Einzelabschluss beeinflus-
sen. Die Entwicklung internationaler Standards nimmt Einfluss auch auf die
deutschen Rechnungslegungsvorschriften. Die Entwicklung der internationalen
Standards kann und soll nicht aufgehalten werden. Wichtig ist jedoch, dass deut-
sche Interessen bei dieser Entwicklung ausreichend Berücksichtigung finden.
Rechnungslegungsvorschriften haben für die Außendarstellung von Unterneh-
men besondere Bedeutung und beeinflussen die Unternehmenskultur insgesamt.
Dabei sind sowohl die Interessen von Anlegern und in- und ausländischen In-
vestoren als auch von Wettbewerbern und Geschäftspartnern deutscher Unter-
nehmen sowie Kreditinstituten zu berücksichtigen.

Deutsche Unternehmen müssen vielfach nicht nur die Standards der IFRS an-
wenden. Bei einer Börsennotierung in den USA zum Beispiel besteht auch für
deutsche Unternehmen eine zusätzliche Bilanzierungspflicht nach US-GAAP.
Am 27. Februar 2006 haben sich der IASB und der Financial Accounting Stan-
dards Board (FASB) in einem Memorandum of Understanding auf einen Kon-
vergenzfahrplan (Roadmap of Convergence between IFRS and US-GAAP –

2006–2008) geeinigt. Sie legen darin einen Arbeitsplan hin zu einer gegenseiti-
gen Anerkennung der Bilanzstandards fest. Die vom IASB erlassenen IFRS und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3341

die vom FASB erlassenen „Generally Accepted Accounting Principles“ (US-
GAAP) unterscheiden sich in einigen Punkten voneinander. Die gegenseitige
Anerkennung würde für international tätige Unternehmen sowohl positive als
auch überdenkenswerte Konsequenzen haben. Die Annäherung der Bilanzstan-
dards ist grundsätzlich zu befürworten. Es ist wichtig, gegenüber den Verhand-
lungspartnern der USA eine starke, einheitliche und europäische Position zu ver-
treten. Die Bundesregierung geht bisher davon aus, dass die Verhandlungsposi-
tion in dieser Weise am besten gestärkt werden kann (so in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Konvergenzfahrplan von IASB
und FASB“, Bundestagsdrucksache 16/2208). Es ist jedoch notwendig, auch die
deutschen Interessen ergänzend hervorzuheben, da sowohl die IFRS als auch die
US-GAAP von der angloamerikanischen Bilanzierungssichtweise geprägt sind.

Wie bereits in der Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Unsicherhei-
ten bei der Finanzierung des International Accounting Standards Board“ (Bun-
destagsdrucksache 16/2207) herausgearbeitet wurde, wird derzeit die Unsicher-
heit der Finanzierung des IASB über das Jahr 2007 hinaus diskutiert. Da es sich
bei dem IASB um einen privaten Standardsetter handelt, erfolgt die Finanzie-
rung bisher über freiwillige Beiträge von Unternehmen und Wirtschaftsprüfern.
Die Finanzierungszusagen reichen bis Ende 2007. Hierbei tragen deutsche Un-
ternehmen bislang ca. 15 Prozent des IASB-Budgets. Da die IFRS, wie bereits
dargelegt, großen Einfluss sowohl auf die Bilanzierung deutscher Unternehmen
als auch auf die nationale Gesetzgebung haben, ist eine langfristige Finanzie-
rung sicherzustellen. Zwar ist für die Sicherstellung der Finanzierung des IASB
die International Accounting Standards Committee Foundation zuständig. Auf-
grund der Relevanz dieses Gremiums wird es als notwendig erachtet, dass in
verschiedenen Gesprächen der Bundesregierung auf EU-Ebene, mit der Wirt-
schaft und anderen Staaten, die ebenfalls IFRS als Bilanzierungsstandards aner-
kannt haben, die Sicherstellung der Finanzierung thematisiert wird und die Inte-
ressen Deutschlands hervorgehoben werden.

Aufgrund der dargestellten immer größer werdenden Bedeutung der internatio-
nalen Rechnungslegungsstandards für den deutschen und europäischen Gesetz-
geber und für kapitalmarktorientierte sowie mittelständische und nichtkapital-
marktorientierte Unternehmen ist es von herausragender Bedeutung, diese The-
men nicht nur auf nationaler Ebene zu diskutieren und die Wichtigkeit deutscher
Interessen zu betonen. Die deutschen Interessen und insbesondere die des deut-
schen Mittelstandes müssen in den Entwicklungen der internationalen Bilanzie-
rungsstandards mehr Bedeutung erhalten. Die Präsidentschaft Deutschlands in
der EU und der Gruppe der G8 bieten die ideale Grundlage, diese Interessen ver-
stärkt nach außen zu tragen und deren bessere Berücksichtigung zu fördern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der bevorstehenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU
und der Gruppe der G8 bei dem IASB und der EU-Kommission für eine stär-
kere Berücksichtigung der Interessen deutscher Unternehmen, insbesondere
des Mittelstandes, bei der Fortentwicklung der IFRS einzusetzen,

2. sich im Rahmen der bevorstehenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU
und der Gruppe der G8 für eine an den Bedürfnissen des deutschen Mittel-
standes orientierten Entwicklung der IFRS für KMU einzusetzen,

3. im Rahmen der bevorstehenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU da-
rauf hinzuwirken, dass die Anwendung so genannter Full-IFRS oder der
geplanten IFRS für KMU für nichtkapitalmarktorientierte, mittelständische
Unternehmen weiterhin auf freiwilliger und nicht auf verpflichtender Basis
erfolgen kann,

Drucksache 16/3341 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. sich im Rahmen der bevorstehenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU
und der Gruppe der G8 hinsichtlich der Verhandlungen zum Konvergenzfahr-
plan zwischen IASB und FASB einzusetzen für

– die Durchsetzung der Interessen besonders des deutschen Mittelstandes
innerhalb der europäischen Interessendefinition und

– die Durchsetzung der europäischen Interessen gegenüber den US-ameri-
kanischen Interessen,

sowie

5. im Rahmen der bevorstehenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU und
der Gruppe der G8 auf eine langfristige und sichere Finanzierung des IASB
hinzuwirken.

Berlin, den 8. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.