BT-Drucksache 16/3283

Für eine radikale und konsequente Klimapolitik

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3283
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine radikale und konsequente Klimapolitik

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Klimawandel ist Realität und schreitet dramatisch voran. 2005 war das
wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, es folgen die Jahre 1998,
2002, 2003, 2004 und 2001. Das arktische Eis ist bereits drastisch zurückgegan-
gen, ebenso zahlreiche Gletscher in den Alpen, im Himalaja, in Norwegen, in
Neuseeland oder in Kanada. Der Meeresspiegel steigt um 3 Millimeter pro Jahr.
Extreme Wetterereignisse wie Stürme, Starkregenfälle, Überschwemmungen
oder Dürren haben in den letzten Jahren stark zugenommen. In den USA und in
der Karibik häufen sich die Hurrikane, 2005 war ein Rekordjahr in Zahl und
Intensität. In Europa werden Hitzewellen zur Normalität mit dramatischen Kon-
sequenzen für die menschliche Gesundheit, für Land- und Forstwirtschaft, für
die Energie- und Wasserversorgung. Entwicklungsländer sind am stärksten vom
Klimawandel betroffen. Hohe Temperaturen und starke Schwankungen der Re-
genmenge schaffen schon heute erhebliche Probleme. Eine weitere Erwärmung
verschärft die Situation vor allem in der Landwirtschaft, wo die meisten Men-
schen beschäftigt sind. Ernteerträge vor allem in afrikanischen Ländern würden
sinken. Gleichzeitig wäre mit einem Anstieg von Übertragungskrankheiten wie
Malaria und Dengue-Fieber zu rechnen.

Eine weitere Klimaveränderung hätte dramatische länderübergreifende Konse-
quenzen. So hätte das Ansteigen des Meeresspiegels die Flucht von Millionen
Menschen beispielsweise in Bangladesh zur Folge. Kleine Inselstaaten wie
Tuvalu verhandeln bereits über die Aufnahme ihrer Bürger im Falle der Über-
flutung. Veränderungen der Wasserhaushalte würden zu erheblichen Konflikten
in Westafrika, den Nilanrainerstaaten und anderen Regionen führen. Die Aus-
wirkungen des Klimawandels und deren Bekämpfung müssten systematisch in
die bi- und multilaterale Entwicklungspolitik sowie die Strategien zur Bekämp-
fung der Armut integriert werden.
Auch die Warnungen der Klimaforscher werden immer eindringlicher, der wis-
senschaftliche Konsens über diese Erkenntnisse wird immer größer: Die CO2-
Konzentration in der Atmosphäre ist so hoch wie zuletzt vor mindestens 700 000
Jahren. Die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur ist bisher um
0,8 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten gestiegen. Die Gewissheit
nimmt zu, dass der Klimawandel noch wesentlich dynamischer verlaufen wird
als bisher angenommen. Jüngste Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass die

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globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 2 bis 4,5 Grad Celsius
gegenüber vorindustriellen Werten steigen wird, am wahrscheinlichsten dürfte
ein Anstieg um etwa drei Grad sein. Der Meeresspiegel wird weltweit um
mindestens 1 Meter ansteigen. Die neuen Erkenntnisse werden in den 2007 er-
scheinenden Vierten Sachstandbericht des Intergovernmental Panel on Climate
Change (IPCC) der Vereinten Nationen einfließen und Grundlage politischer
Entscheidungen der kommenden Jahre sein müssen. Auch das Umweltbundes-
amt hat im Oktober 2006 neue regionale Klimasimulationen für Deutschland
vorgestellt: Sie prognostizieren eine Erhöhung der Jahresmitteltemperatur in
Deutschland bis zum Jahr 2100 um 1,5 bis 3,7 Grad Celsius im Vergleich zum
Zeitraum 1961 bis 1990, am wahrscheinlichsten ist eine Erwärmung um 2 bis
3 Grad Celsius.

Der Klimawandel geht einher mit gewaltigen volkswirtschaftlichen Schäden. Er
ist ein ebenso großes ökologisches wie ökonomisches Problem. Nur kon-
sequente Klimapolitik kann dies verhindern. Die Kosten einer solchen Politik
wären wesentlich geringer als die drohenden Schäden: Ein im Energy Journal im
Frühjahr 2006 veröffentlichter Vergleich verschiedener ökonomischer Modelle
zur Abschätzung der Kosten von Klimaschutzszenarien kommt zu dem Ergeb-
nis, dass die Klimaschutzkosten bis zum Jahre 2100 unter 1 Prozent der globalen
Wirtschaftsleistung liegen würden, die Schäden lägen dagegen bei etwa 10 Pro-
zent. Auch die umfassende Studie über die wirtschaftlichen Folgen des Klima-
wandels vom ehemaligen Weltbank-Chefökonomen, Sir Nicholas Stern, im
Auftrag der britischen Regierung kommt zu ähnlichen Prognosen: Die drohen-
den Schäden würden zwischen 5 und 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleis-
tung kosten, während die Kosten einer konsequenten Klimaschutzpolitik nur
etwa 1 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes betragen würden. Das
bedeutet: Klimawandel ist eine große Gefahr, seine Bekämpfung hingegen auch
eine enorme ökonomische Chance. Der Nutzen aktiver Klimapolitik übersteigt
die Kosten des Nichtstuns um ein Vielfaches.

Der Deutsche Bundestag betont nachdrücklich, dass der Ausstoß klimaschäd-
licher Gase weltweit schnell und drastisch gesenkt werden muss. Der Anstieg
der globalen Erwärmung muss auf maximal 2 Grad Celsius gegenüber vorindus-
triellen Werten begrenzt werden, um nicht zu bewältigende Schäden für Klima
und Ökosysteme zu verhindern. Deshalb müssen die globalen Treibhausgas-
emissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent reduziert werden. Das bedeutet
eine Reduktion von 60 bis 80 Prozent in den Industrieländern, da diese nach dem
Verursacherprinzip mittelfristig signifikant höhere Reduktionsanstrengungen
unternehmen müssen als die Entwicklungsländer.

Für den globalen Klimaschutz gibt es keine Alternative zu multilateralen,
völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen über Emissionsbegrenzungen
und -minderungen. Das Kyoto-Protokoll ist das erste globale Abkommen dieser
Art und daher ein wichtiger erster Schritt, der entschlossen umgesetzt werden
muss. Zur Bekämpfung des Klimawandels reichen die für den ersten Verpflich-
tungszeitraum des Kyoto-Protokolls 2008 bis 2012 vereinbarten Minderungs-
ziele für Industriestaaten allerdings nicht aus. Wir brauchen daher schnellstmög-
lich ein umfassendes Kyoto-Folgeabkommen „Kyoto Plus“, das der gewaltigen
Herausforderung des Klimawandels gerecht wird und einen wirksamen, lang-
fristigen Rahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen setzt.

Die bevorstehende UN-Klimakonferenz in Nairobi – die zwölfte Konferenz der
Vertragsparteien (COP 12) der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) in Verbin-
dung mit der ersten Tagung der Konferenz der Vertragsparteien dieses Überein-
kommens, die als Tagung der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls dient
(COP/MOP 2) – vom 6. November bis 17. November 2006 ist klimapolitisch

von enormer Bedeutung. Sie muss einen neuen Schub für den internationalen
Klimaschutz erzeugen und den Prozess für die Weiterentwicklung des Kyoto-

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Protokolls mit Nachdruck vorantreiben. Ziel muss es sein, bis spätestens 2008
eine Nachfolgevereinbarung bzw. Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls für
die Zeit nach 2012 auszuhandeln. Dabei muss am Ansatz absoluter Emissions-
obergrenzen für die Industrieländer festgehalten werden. Es ist überfällig, die
USA, die großen Entwicklungs- und Schwellenländer wie China, Indien und
Brasilien sowie den internationalen Flug- und Schiffsverkehr in ein ambitionier-
tes Klimaschutzregime einzubeziehen. Für den Klimaschutz und für Kyoto Plus
kommt auch dem Tropenwaldschutz und dem Erhalt der Biodiversität eine wich-
tige Rolle zu. Es muss verhindert werden, dass durch Abholzung die Fortschritte
im Rahmen des Kyoto-Protokolls zum großen Teil wieder zunichte gemacht
werden. Für den Tropenwaldschutz spielt die Frage von innovativen Finanzie-
rungsinstrumenten und sinnvollen Kompensationen eine bedeutende Rolle,
wenn es darum geht Finanz- und Wirtschaftsminister als starke politische Ak-
teure in wichtigen Entwicklungsländern für den Klimaschutz zu gewinnen.

Deutschland und die EU müssen im internationalen Klimaschutzprozess weiter-
hin eine klare Vorreiterrolle übernehmen. Vor allem Deutschland steht im nächs-
ten Jahr während seiner Präsidentschaft in EU und G8 in einer besonderen
Verantwortung. Die G8-Präsidentschaft muss genutzt werden, um die inter-
nationalen Klimaverhandlungen voranzubringen. Insbesondere muss ein Weg
gefunden werden, die USA wieder konstruktiv in den UN-Klimaschutzprozess
einzubinden und eine mögliche Abkehr Kanadas vom Kyoto-Protokoll zu ver-
hindern. Der EU-Vorsitz ermöglicht der Bundesregierung, neue Initiativen der
EU anzustoßen und die europäische Vorreiterrolle wieder mit glaubwürdigen
Programmen zur Bekämpfung des Klimawandels und einer geschlossenen Posi-
tion für ein Kyoto-Plus-Abkommen zu untermauern. Dabei kommt es entschei-
dend darauf an, dass während der deutschen Präsidentschaft ein neues EU-Kli-
maschutzziel vereinbart wird: die Senkung der Treibhausgasemissionen der EU
bis 2020 um mindestens 30 Prozent gegenüber 1990. Um dieses von den EU-
Partnern glaubwürdig einzufordern, ist es unerlässlich, dass sich die Bundes-
regierung als erste Amtshandlung ihres EU-Vorsitzes Anfang 2007 zu einem
nationalen Reduktionsziel bis 2020 von 40 Prozent gegenüber 1990 verpflichtet.

Der Deutsche Bundestag beobachtet mit großem Interesse die erfreulichen, kli-
mapolitischen Entwicklungen in den USA, die sich jenseits der negativen Hal-
tung der Bush-Administration zum Kyoto-Protokoll auf vielen Ebenen ausbrei-
ten und verstärken. Dazu gehört die gesetzliche Festlegung in Kalifornien, die
Emissionen bis 2020 um 25 Prozent zu senken und dafür auch ein Emissions-
handelssystem zu etablieren, welches mit dem europäischen System verbunden
werden könnte. Auch die „Regional Greenhouse Gas Initiative“ (RGGI) von
bislang sieben Staaten im Nordosten der USA hat sich den Aufbau eines eigenen
Emissionshandelsystems zum Ziel gesetzt. Das Klimabündnis der Bürgermeis-
ter, in dem sich Großstädte und Kommunen gemeinsam zum Klimaschutz ver-
pflichten und dem Kyoto-Protokoll unterwerfen, gehört ebenso zu den hoff-
nungsvollen Signalen aus den USA wie die „Apollo Alliance“, ein Bündnis fast
aller Umweltorganisationen und Gewerkschaften, und die Resonanz auf den
Film und die Vorträge von Al Gore über „Eine unbequeme Wahrheit“ des Kli-
mawandels. Die vielen positiven Entwicklungen lassen hoffen, dass sich auch
die US-Bundesregierung in Washington in naher Zukunft verändern und eine
aktive, progressive Klimaschutzpolitik einleiten wird.

Deutschland ist bislang auf relativ gutem Wege zur Erfüllung seiner nationalen
Reduktionspflicht im Rahmen der EU-Lastenverteilung zur Erfüllung des
Kyoto-Zieles der EU von 21 Prozent der Emission von Treibhausgasen gegen-
über 1990 für den ersten Verpflichtungszeitraum (2008 bis 2012). Ohne zusätz-
liche Maßnahmen wird dieses Ziel aber dennoch verfehlt werden. Die vor allem
unter der rot-grünen Bundesregierung vorangebrachte Politik des Ausbaus der

erneuerbaren Energien, des Energiesparens und der Erhöhung der Energie-
effizienz muss daher konsequent fortgesetzt und optimiert werden. Der Deut-

Drucksache 16/3283 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sche Bundestag betont, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis
2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 reduzieren
muss, um einen wirksamen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leis-
ten, die Chancen für Innovationen und Beschäftigung zu nutzen und frühzeitig
langfristige Investitionsanreize für Industrie und Energiewirtschaft zu setzen.

Der Versuch der Atomwirtschaft, den Klimawandel für eine Renaissance der
Atomkraft zu nutzen, wird scheitern. Sollte diese Energieform einen auch nur
bescheidenen Beitrag zum Klimaschutz leisten, müssten in den nächsten Deka-
den Tausende neuer Atomkraftwerke gebaut werden, was allein aufgrund der
Begrenztheit der Uranreserven ein Luftschloss ist. Die Folge einer solchen
Strategie wären gewaltige Risiken von Unfallgefahren bis zum militärischen
Missbrauch, gigantische Mengen an Atommüll und eine unvertretbare Geldver-
schwendung. Würde man die gewaltigen Schattensubventionen für die Atom-
kraft, vor allem die weitgehende Freistellung von Haftungsrisiken, abschaffen,
wäre sie schon heute nicht mehr wettbewerbsfähig. Atomkraft ist kein Klima-
schutz, sondern ein umwelt-, energie- und wirtschaftspolitischer Irrweg.

Für eine glaubwürdige, problemadäquate Klimapolitik bis 2012 und darüber
hinaus ist insbesondere die anstehende zweite Phase des EU-Emissionshandels
von zentraler Bedeutung. Die zweiten Nationalen Allokationspläne (NAP II) der
Mitgliedstaaten werden in den kommenden Wochen und Monaten von der EU-
Kommission geprüft und bewertet. Sie muss dabei zwingend auf angemessene
Mengenziele sowie die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Fehl-
anreizen zugunsten klimaschädlicher Energieerzeugung achten. Der Kabinetts-
beschluss vom 28. Juni 2006 zum zweiten Nationalen Allokationsplan für
Deutschland weist diesbezüglich erhebliche Mängel auf: Die vorgesehene
Zuteilungsmenge für die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie in Höhe von
482 Millionen Tonnen jährlich für den Zeitraum 2008 bis 2012 ist zu hoch und
liegt sogar über den tatsächlichen Emissionen des Jahres 2005. Mit der weiter
vorgesehenen Gratisausstattung mit Emissionszertifikaten und dem Verzicht auf
eine Versteigerung, obwohl die EU-Richtlinie es erlaubt hätte, 10 Prozent der
Zertifikate zu versteigern, wird die Chance vertan, das Zuteilungsverfahren
einfacher und transparenter zu gestalten, stärkere Anreize für klimafreundliche
Investitionen zu schaffen und die Mitnahmeeffekte der Energieerzeugungsunter-
nehmen zugunsten der Verbraucher umzuverteilen. Schließlich fehlen im geplan-
ten deutschen NAP II Anreize zum Brennstoffwechsel hin zu kohlendioxidarmen
Energieträgern. Stattdessen werden Kohlekraftwerke deutlich bevorzugt, indem
sie etwa doppelt so viele Emissionsrechte pro erzeugter Kilowattstunde Strom
erhalten wie Gaskraftwerke und zudem bei Neuinvestitionen für 14 Jahre von
jeglicher Reduktionspflicht ausgenommen werden sollen. Mit einem solchen
NAP II verliert Deutschland jede klimapolitische Glaubwürdigkeit und verab-
schiedet sich von seiner Vorreiterrolle.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich innerhalb der EU und weltweit dafür einzusetzen, dass das Kyoto-Proto-
koll konsequent umgesetzt und die darin vereinbarten Minderungsziele ein-
gehalten werden;

2. sich auf der kommenden UN-Klimakonferenz in Nairobi (COP12 – COP/
MOP2) dafür einzusetzen, dass der Prozess zur Weiterentwicklung der
Klimaschutzverpflichtungen über 2012 hinaus entschlossen und zügig voran-
getrieben wird. Dazu gehört auch ein konkreter Zeitplan mit dem Ziel,
bis 2008 ein Kyoto-Folgeabkommen „Kyoto Plus“ für den Zeitraum nach
2012 zu vereinbaren;

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3. darauf zu achten, dass das Kyoto-Protokoll in seiner Grundstruktur weit-
gehend beibehalten wird. Dazu gehören insbesondere die Festlegung von
absoluten Emissionsobergrenzen je Staat, die projektbezogenen Mechanis-
men und die Instrumente der Berichterstattung, Überprüfung und Erfül-
lungskontrolle;

4. sich für die schrittweise Einbeziehung großer Schwellen- und Entwicklungs-
länder, insbesondere China, Indien und Brasilien, in das fortgeschriebene
Kyoto-Protokoll einzusetzen, damit auch sie ihren Beitrag zum Klimaschutz
leisten. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass die Industrieländer bis-
her die Hauptverantwortung für die hohen Treibhausgasemissionen und
deren negative Folgen für das Weltklima tragen und dass sich aus Gründen
der globalen Gerechtigkeit langfristig die Pro-Kopf-Emissionen aller Länder
auf einem klimaverträglichen Niveau annähern sollten. Für die Einbeziehung
von Schwellen- und Entwicklungsländern können abgestufte Formen von
Verpflichtungen entwickelt werden, etwa sektorspezifische Ziele, Ziele zur
Verbesserung der Energieproduktivität und zum Anteil erneuerbarer Ener-
gien oder Mechanismen zur Förderung umweltverträglicher Stromerzeu-
gung und Verkehrssysteme;

5. ergänzend zur Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls eine umfassende
Technologiestrategie für erneuerbare Energien zu entwickeln. Daneben gilt
es, eine stärkere bi- und multilaterale Technologiekooperation, insbeson-
dere im Bereich der erneuerbaren Energien, der Energieeinsparung und der
Energieeffizienz, voranzubringen. Dies bedeutet vor allem darauf hinzu-
wirken, dass ein weltweiter Prozess zur Einführung und zum Ausbau der
erneuerbaren Energien initiiert wird, mit gesetzlichen Rahmenbedin-
gungen wie Einspeisungsgesetzen, Steueranreizen sowie intensiven For-
schungs- und Entwicklungsanstrengungen. Zudem gilt es, die Gründung
einer IRENA nach dem Vorbild der IAEO voranzubringen;

6. sich dafür einzusetzen, dass der Mechanismus für eine umweltverträgliche
Entwicklung (CDM) die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt und zum
Transfer klimafreundlicher Technologien, insbesondere auf den Gebieten
der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz, führt;

7. sich im Rahmen dieser Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die Emis-
sionen des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs in zukünftigen Ver-
pflichtungszeiträumen in das internationale Klimaschutzregime mit eigenen
ehrgeizigen Minderungspflichten einbezogen werden;

8. sich dafür einzusetzen, dass alle Entwicklungsländer an den Verhandlungen
teilnehmen können und bestehende Fonds, die sie dazu befähigen sollen,
entsprechend auszustatten;

9. die Vorreiterrolle Deutschlands beim Klimaschutz konsequent fortzusetzen
und während des deutschen EU-Vorsitzes 2007 intensiv darauf hinzuwir-
ken, dass auch die EU insgesamt ihre Vorreiterrolle in der internationalen
Klimaschutzpolitik behält;

10. zu Beginn der deutschen EU-Präsidentschaft mit der Verkündung eines
verpflichtenden nationalen Klimaschutzzieles zur Reduzierung der natio-
nalen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um
80 Prozent gegenüber 1990 an die EU-Partnerländer ein klares Zeichen für
die Bedeutung des Klimaschutzes zu senden;

11. sich mithilfe der besonderen Glaubwürdigkeit des eigenen Vorangehens in-
nerhalb der EU intensiv dafür einzusetzen, dass sich die EU bis Mitte 2007
zu einer Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 30 Prozent und
bis 2050 um 60 bis 80 Prozent gegenüber 1990 verpflichtet;

Drucksache 16/3283 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

12. den zweiten Nationalen Allokationsplan (NAP II) so umzugestalten, dass er
der drängenden Problematik des Klimaschutzes gerecht wird, die Glaub-
würdigkeit der deutschen Klimapolitik erhält und konsequente Anreize für
eine klimafreundliche Energieerzeugung schafft. Dafür müssen das Men-
genziel von 482 Mio. Tonnen deutlich auf höchstens 464 Mio. Tonnen
gesenkt, 10 Prozent der Emissionsrechte versteigert, die lange Freistel-
lungsfrist von Emissionsminderungspflichten bei neuen Kraftwerken redu-
ziert und ein brennstoffunabhängiger Benchmark für die Stromerzeugung
eingeführt werden;

13. eine Strategie vorzulegen, mit der im Verkehrssektor insgesamt die Treib-
hausgasemissionen deutlich reduziert werden, entsprechend dem hohen
Anteil dieses Bereichs an den klimaschädlichen Emissionen;

14. darauf hinzuwirken, dass auch die USA wieder aktiv am globalen Klima-
schutzprozess teilnehmen und somit ihrer besonderen Verantwortung als
weltgrößter Emittent von Treibhausgasen gerecht werden;

15. zu diesem Zweck die verschiedenen existierenden Aktivitäten in den USA
in den Nordoststaaten, in Kalifornien sowie in den Städten und Kommunen
zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam eine neue klimapolitische Basis
zwischen den USA und Europa zu schaffen;

16. in diesem Zusammenhang konkrete Klima-Partnerschaften z. B. mit Kali-
fornien oder der Regional Greenhouse Gas Initiative (RGGI) zu initiieren
und Verknüpfungen mit dem EU-Emissionshandel zu schaffen, um gemein-
sam den globalen Klimaschutz voranzubringen;

17. sich mit allen verfügbaren politischen und diplomatischen Mitteln dafür ein-
zusetzen, einen Ausstieg Kanadas aus dem Kyoto-Protokoll zu verhindern;

18. die Bekämpfung des Klimawandels systematisch in die bi- und multilaterale
Entwicklungspolitik und die Strategien zur Bekämpfung der Armut zu inte-
grieren.

Berlin, den 8. November 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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