BT-Drucksache 16/3282

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Befristungsregelungen im Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege und im Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Justizmodernisierungsauskopplungsgesetz)

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3282
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Gesetzentwurf
des Abgeordneten Jerzy Montag und der FRAKTION BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Befristungsregelungen im Gesetz
zur Entlastung der Rechtspflege und im Gesetz betreffend die Einführung
der Zivilprozessordnung (Justizmodernisierungsauskopplungsgesetz)

A. Problem

Das von der Regierung beschlossene und am 19. Oktober 2006 in den Bundes-
tag eingebrachte „2. Justizmodernisierungsgesetz“ (Bundestagsdrucksache 16/
3038) enthält, neben inhaltlichen Neuerungen, auch Vorschriften zur Verlänge-
rung befristet geltender gesetzlicher Regelungen. So sollen im Gesetz zur Ent-
lastung der Rechtspflege sowie im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung
Befristungen verlängert werden, da ansonsten die Regelungen zum 31. Dezem-
ber 2006 auslaufen würden.

Über diese Regelungen hinaus enthält das 2. Justizmodernisierungsgesetz eine
Vielzahl weiterer Vorschläge, die einer intensiven inhaltlichen Diskussion be-
dürfen. Beispielhaft erwähnt seien hier die Vorschläge zur Ausgestaltung der
Ausweitung des Adhäsionsverfahrens in Strafverfahren gegen Heranwachsen-
de, die Ausweitung der Opferinformations- und Beistandsrechte in Jugendstraf-
verfahren sowie die Regelung, wonach Haftbefehle nach Wiedereinsetzungsent-
scheidungen automatisch wiederaufleben.

B. Lösung

Um ein Auslaufen der befristeten Regelungen zu verhindern, gleichzeitig aber
eine ausführliche inhaltliche Diskussion zu den umfangreichen anderen Vor-
schlägen zu ermöglichen, beschränkt sich der vorliegende Gesetzentwurf auf die
zeitliche Ausweitung der Befristungsregelungen des 2. Justizmodernisierungs-
gesetzes, so dass diese Regelungen in der parlamentarischen Beratung beschleu-
nigt behandelt und verabschiedet werden können.
C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Berlin, den 8. November 2

Renate Künast, Fritz Kuh
006

n und Fraktion

Artikel 2

Änderung des Gesetzes betreffend
die Einführung der Zivilprozessordnung

§ 26 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilpro-
zessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-
rungsnummer 310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung,
zuletzt geändert durch … wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 8 Satz 1 wird die Angabe „31. Dezember
2006“ durch die Angabe „31. Dezember 2011“ ersetzt.

2. In Nummer 9 Satz 1 wird die Angabe „1. Januar 2007“
durch die Angabe „1. Januar 2010“ ersetzt.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Drucksache 16/3282 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Befristungsregelungen im Gesetz
zur Entlastung der Rechtspflege und im Gesetz betreffend die Einführung
der Zivilprozessordnung (Justizmodernisierungsauskopplungsgesetz)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes
zur Entlastung der Rechtspflege

In Artikel 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der
Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50), das zu-
letzt durch … geändert worden ist, wird die Angabe „31. De-
zember 2006“ durch die Angabe „31. Dezember 2008“ er-
setzt.

setzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) bis zum
kam wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes von
31. Dezember 2006 verlängert.

Die großen Strafkammern machen nach wie vor in hohem
Maße in den dafür geeigneten Fällen von der Besetzungs-

vornherein nicht für eine Nichtzulassungsbeschwerde in
Betracht. Bei den Berufungsverfahren vor den Oberlandes-
gerichten erreichen wegen der deutlich höheren Streitwerte
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3282

Begründung

Allgemeiner Teil

Das von der Regierung beschlossene und am 19. Oktober
2006 in den Bundestag eingebrachte „2. Justizmoderni-
sierungsgesetz“ (Bundestagsdrucksache 16/3038) enthält,
neben inhaltlichen Neuerungen, auch Vorschriften zur Ver-
längerung von Befristungen. So sollen im Gesetz zur Ent-
lastung der Rechtspflege sowie im Einführungsgesetz zur
Zivilprozessordnung Befristungen verlängert werden, da an-
sonsten die entsprechenden Regelungen zum 31. Dezember
2006 auslaufen würden.

Über diese Befristungsausweitungen hinaus enthält das
2. Justizmodernisierungsgesetz eine Vielzahl von Vor-
schlägen, die einer intensiven inhaltlichen Diskussion
bedürfen. Beispielhaft erwähnt seien hier die Vorschläge zur
Ausgestaltung der Ausweitung des Adhäsionsverfahrens in
Strafverfahren gegen Heranwachsende, die Ausweitung der
Opferinformations- und Beistandsrechte in Jugendstraf-
verfahren sowie die Regelung, wonach Haftbefehle nach
Wiedereinsetzungsentscheidungen automatisch wiederauf-
leben.

Um ein Auslaufen der befristeten Regelungen zu verhindern,
gleichzeitig aber eine ausführliche inhaltliche Diskussion zu
den umfangreichen anderen Vorschläge zu ermöglichen,
beschränkt sich der vorliegende Gesetzentwurf auf die zeit-
lichen Ausweitung der Befristungsregelungen des 2. Justiz-
modernisierungsgesetzes, so dass diese in der parlamenta-
rischen Beratung beschleunigt behandelt und verabschiedet
werden können.

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes zur Entlas-
tung der Rechtspflege)

Nach § 76 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)
und § 33b Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) können
die großen Strafkammern und die großen Jugendkammern
bei Eröffnung des Hauptverfahrens beschließen, dass sie in
der Hauptverhandlung in der Besetzung mit zwei statt drei
Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sind, sofern nicht
die Strafkammer als Schwurgericht entscheidet oder der
Umfang oder die Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung
eines dritten Berufsrichters notwendig erscheinen lassen.
Die so genannte Besetzungsreduktion wurde mit dem Gesetz
zur Entlastung der Rechtspflege befristet eingeführt. Sie hat
sich in der Praxis bewährt, da sie der Justiz eine Aus-
schöpfung ihrer Binnenreserven bei gleichzeitiger Sicherung
der hohen Qualität richterlicher Entscheidungsfindung er-
möglicht. Dies ergibt sich aus dem Erfahrungsbericht über
die Besetzungsreduktion, den die Bundesregierung im Fe-
bruar 2000 dem Deutschen Bundestag vorgelegt hat (Bun-
destagsdrucksache 14/2777). Die Regelung wurde zuletzt
durch Artikel 12g Abs. 20 des 1. Justizmodernisierungsge-

Strafkammern ab 2007 ausnahmslos in voller Besetzung zu
entscheiden hätten, was zu einer Mehrbelastung führen und
gerichtsorganisatorische Maßnahmen im Jahr 2007 er-
fordern würde. Die Verlängerung der Geltungsdauer der
Bestimmungen der § 76 Abs. 2 GVG, § 33b Abs. 2 JGG ist
daher geboten.

Die Fortgeltung der Besetzungsreduktion soll auf weitere
zwei Jahre befristet werden. Auf diese Weise soll der Dis-
kussion über eine mögliche Reform der Besetzung der
Spruchkörper, insbesondere auch im Rahmen der zur Großen
Justizreform eingesetzten Arbeitsgruppe 1.1 – Vereinheit-
lichung der Gerichtsverfassungen/Prozessordnungen – nicht
vorgegriffen werden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Gesetzes betreffend
die Einführung der Zivilprozessord-
nung – ZPO)

Zu Nummer 1 (§ 26 Nr. 8 EGZPO)

Die Übergangsregelung zur ZPO-Reform in § 26 Nr. 8
Satz 1 EGZPO sieht vor, dass die Nichtzulassungsbeschwer-
de nach § 544 ZPO bis zum 31. Dezember 2006 nur bei
Beschwerdewerten von mehr als 20 000 Euro eröffnet ist.
Die Regelung hat sich bewährt: Die Statistik des Bundes-
gerichtshofs für das Jahr 2005 belegt, dass dessen Gesamt-
belastung inzwischen auf ein erträgliches Maß gesunken ist.

Die Belastung des Bundesgerichtshofs hatte im Jahr 2002
mit 4 595 neu eingegangenen Revisionen und Nichtzu-
lassungsbeschwerden ihren Höhepunkt erreicht. In den
nachfolgenden Jahren sank die Anzahl der eingegangenen
Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden kontinuier-
lich, bis sie im Jahre 2005 mit 3 233 Neueingängen deutlich
unter der Belastungsspitze des Jahres 2002 lag und auch die
Eingangszahlen vor Inkrafttreten der ZPO-Reform unter-
schritt. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Rechts-
beschwerden und ähnlicher Verfahren erhöht sich die Zahl
der Neueingänge des Jahres 2005 allerdings auf 4 702. Dabei
fällt zusätzlich ins Gewicht, dass Rechtsbeschwerden häufig
einen beträchtlichen Arbeitsaufwand verursachen, der dem-
jenigen von Nichtzulassungsbeschwerden nicht nachsteht,
sondern ihn oft genug sogar deutlich übersteigt.

Die Belastungssituation des Bundesgerichtshofs ist danach
zwar immer noch angespannt, hält sich aber in erträglichen
Grenzen, was vor allem der Übergangsregelung in § 26 Nr. 8
EGZPO zu verdanken ist. Dies verdeutlicht bereits der Blick
auf den durchschnittlichen Streitwert der landgerichtlichen
Berufungsverfahren, der im Jahr 2003 bei (nur) 3 441 Euro
lag. Von der Gesamtzahl der durch streitiges Urteil erledig-
ten Berufungen (29 339) waren 2 092 infolge Zulassung mit
der Revision anfechtbar. Der ganz überwiegende Anteil der
verbleibenden 27 247 landgerichtlichen Berufungsurteile
reduktion Gebrauch. Ein Auslaufen dieser Regelungen zum
Ende des Jahres 2006 würde dazu führen, dass die großen

zwar wesentlich mehr Urteile den Beschwerdewert von
20 000 Euro. Jedoch sind auch hier infolge der Wertgrenze

Drucksache 16/3282 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

des § 26 Nr. 8 EGZPO ungefähr die Hälfte aller 20 577 strei-
tigen Urteile (2003) von der Nichtzulassungsbeschwerde
ausgeschlossen. Insgesamt kann deshalb davon ausgegangen
werden, dass es ohne die Beschränkung nach § 26 Nr. 8
EGZPO zu einer deutlich höheren Belastung des Bundes-
gerichtshofes gekommen wäre.

Unter Berücksichtigung der zurzeit noch angespannten
Belastungssituation bei dem Bundesgerichtshof einerseits
und der dargestellten hypothetischen Entwicklung ohne die
Übergangsregelung in § 26 Nr. 8 EGZPO andererseits er-
scheint deren Wegfall zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
vertretbar. Vielmehr sollte die Entwicklung für einen weite-
ren Zeitraum von fünf Jahren beobachtet werden.

Zu Nummer 2 (§ 26 Nr. 9 EGZPO)

§ 26 Nr. 9 Satz 1 EGZPO schließt bis zum 31. Dezember
2006 die Möglichkeit einer Nichtszulassungsbeschwerde in
Familiensachen aus. Auch mit dieser Übergangsregelung
wollte der Gesetzgeber der ZPO-Reform einer möglichen
Überlastung des Bundesgerichtshofs vorbeugen.

Die Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Ange-
legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – auf der Grund-
lage des vom Bundesministerium für Justiz im Februar 2006
vorgelegten Gesetzentwurfes (Artikel 1: FAmFG-E) – soll
dazu führen, dass stets eine Entscheidung durch Beschluss
erfolgt (§ 38 FamFG-E), gegen den unter den Voraussetzun-
gen des § 73 FAmFG-E die Rechtsbeschwerde eröffnet sein
wird. Durch diese Umstellung wird die Möglichkeit einer
Nichtszulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, die nur gegen
Berufungsurteile eröffnet ist, entfallen. Es erscheint nicht
sinnvoll, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen Berufungs-
urteile in Familiensachen für den kurzen Zeitraum vom 1. Ja-
nuar 2007 bis zum Inkrafttreten des FamFG zu eröffnen.
Dies wäre zudem in Anbetracht der oben dargestellten
Belastungssituation des Bundesgerichtshofs kaum vertret-
bar. Schließlich würde eine solche Interimslösung der mit
§ 73 FamFG-E vorgenommenen Wertung widersprechen.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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