BT-Drucksache 16/3240

Deutsche Rüstungsexporte nach Israel

Vom 2. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3240
16. Wahlperiode 02. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke,
Heike Hänsel, Katrin Kunert, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Rüstungsexporte nach Israel

Die jüngsten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und der His-
bollah haben erneut dokumentiert, dass die gesamte Region des Nahen Ostens
als Spannungsgebiet einzustufen ist. Die Spannungslinien reichen von gezielten
Anschlägen durch Streitkräfte und bewaffneten Gruppierungen bis hin zur An-
drohung und Umsetzung strategischer militärischer Operationen. Darüber hin-
aus verfolgen die Regierungen im Iran, in Israel und in Syrien eine ambivalente
Politik bezüglich des Einsatzes von chemischen und atomaren Waffen.

Israel befindet sich außerdem nach wie vor in bewaffneten Auseinandersetzun-
gen mit palästinensischen Milizen und hat auch die Regierung der palästinen-
sischen Autonomiegebiete wiederholt zum Ziel ihrer Übergriffe gemacht. Die
israelischen Streitkräfte führen nach wie vor massive militärische Angriffe im
palästinensischen Autonomiegebiet durch. Infrastruktur wird zerstört, Kranken-
wagen des Roten Halbmond werden nicht durch Absperrungen gelassen.

Ungeachtet dieses Verhaltens hat die Bundesregierung auch 2005 und 2006 dem
Export von Rüstungsgütern nach Israel zugestimmt. Im November 2005 wurde
die Lieferung von zwei weiteren U-Booten des Typs Dolphin genehmigt und der
israelischen Seite zugesichert, dass man sich mit 330 Mio. Euro an den Beschaf-
fungskosten beteiligen werde. Einer Meldung der Süddeutschen Zeitung vom
3. Juli 2006 zufolge werden Israel außerdem gepanzerte Militärfahrzeuge des
Typs Dingo 2 zu Testzwecken zur Verfügung gestellt, da die Streitkräfte etwa
110 neue Fahrzeuge kaufen wollen. Die Dingo 2 sind auf den Einsatz in feind-
lichen urbanen Gebieten zugeschnitten und würden die Fähigkeit der israeli-
schen Streitkräfte verbessern, militärische Operationen in den palästinensischen
Autonomiegebieten durchzuführen.

Da eine solche Entscheidung nach den gleichen Kriterien wie das eigentliche
Rüstungsexportgeschäft getroffen wird, impliziert der Beschluss der Bundes-
regierung bereits eine Genehmigung für einen eventuellen späteren Export-
antrag. Demgegenüber hat sich die Bundesregierung mit den „Politischen
Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonsti-
gen Rüstungsgütern“ verpflichtet, bei Rüstungsexportentscheidungen u. a. der
Beachtung der Menschenrechte im Endverbleibsland besonderes Gewicht bei-

zumessen (I.2). Rüstungsexporte sollen unterbleiben, wenn dadurch das fried-
liche Zusammenleben der Völker beeinträchtigt wird (III.3) und wenn das Emp-
fängerland in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt ist (III.5).

Drucksache 16/3240 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuellen Geschehnissen im Gaza-
Streifen und deren Konsequenzen für das friedliche Zusammenleben der
Völker in der Region?

2. Stuft die Bundesregierung die Israel und die palästinensischen Autonomie-
gebiete umfassende Region als Spannungsgebiet ein?

3. Gelten die israelischen Angriffe auf die gewählte Regierung der palästinen-
sischen Autonomiegebiete nach Auffassung der Bundesregierung als An-
griff auf einen anderen Staat oder als Strafaktion in einem internen bewaff-
neten Konflikt?

4. Trifft es zu, dass die Bundesregierung Fahrzeuge des Typs „Dingo“ an Israel
liefern wird?

5. Wenn ja, wie viele Fahrzeuge werden zu Testzwecken wann geliefert wer-
den?

6. Trifft es zu, dass der Bundesregierung eine Anfrage vorliegt, in der Israel
um die Lieferung weiterer „Dingos“ bittet?

7. Wenn ja, um wie viele Dingos geht es?

8. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung um sicherzustellen, dass die
von ihr direkt oder über die USA gelieferten Dingos nicht in den palästinen-
sischen Autonomiegebieten ohne Zustimmung der palästinensischen Regie-
rung eingesetzt werden?

9. Will und wird die Bundesregierung diese Möglichkeiten nutzen?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Lieferung der genann-
ten Militärfahrzeuge eine einseitige politische Parteinahme in einer militä-
rischen Auseinandersetzung zugunsten Israels darstellt?

11. Wenn nein, warum nicht?

12. Welche Schutzbedürfnisse der israelischen Streitkräfte werden nach Auf-
fassung der Bundesregierung durch die Lieferung der Dingo erfüllt?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Dingo-Fahrzeuge dazu
geeignet sind, eine sogenannte Fähigkeitslücke der israelischen Streitkräfte
bei der Aufstandsbekämpfung in den palästinensischen Autonomiegebieten
zu schließen?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die politische Wirkung eines solchen
Rüstungsexports in ein Spannungsgebiet, insbesondere bezogen auf die
Chancen einer Verhandlungslösung im Israel/Palästina-Konflikt?

15. Welche seit 2001 genehmigten Rüstungsexporte nach Israel eignen sich
nach Kenntnis der Bundesregierung für die Einsätze der israelischen Streit-
kräfte in den palästinensischen Autonomiegebieten?

16. Welche aus Deutschland entweder direkt oder indirekt über die USA und
die Schweiz nach Israel gelieferten Rüstungsgüter (inkl. Munitionszünder
und Panzermotoren) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von den
israelischen Streitkräften seit 2002 in den palästinensischen Autonomiege-
bieten und im oder über dem Libanon eingesetzt bzw. in dort eingesetzten
Waffen und Waffensystemen eingebaut?

17. Werden die zwei neuen U-Boote des Typs Dolphin genauso wie die drei be-
reits ausgelieferten Dolphin U-Boote auch über Torpedorohre mit einem
Durchmesser von 650 Millimetern verfügen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3240

18. Welchen Stellenwert im Genehmigungsverfahren für ein Rüstungsexport-
geschäft misst die Bundesregierung der Frage bei, ob das zu liefernde Waf-
fensystem für den Einsatz von Atomwaffen geeignet ist?

19. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die U-Boote des Typs Dolphin
zum Abschuss von nuklear bestückten Flugkörpern in der Lage sind oder
dazu umgerüstet werden können?

20. Liegt der Bundesregierung eine schriftliche Erklärung der israelischen Re-
gierung vor, dass sowohl aus den 530-Millimeter- wie den 650-Millimeter-
Torpedorohren keine nuklear bestückten Flugkörper verschossen werden
können?

21. Wenn nicht, warum hat die Bundesregierung bislang auf diese Zusicherung
verzichtet?

22. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um
Israel zu einem Beitritt zum Nichtverbreitungsvertrag zu bewegen und ge-
gebenenfalls sein Atomwaffenarsenal offenzulegen und zu zerstören?

Berlin, den 1. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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