BT-Drucksache 16/3139

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG)

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3139
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jan Korte, Petra Pau, Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Heike
Hänsel, Kersten Naumann, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege
(2. NS-AufhGÄndG)

A. Problem

Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege (NS-AufhG) vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) werden
nach § 1 verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die unter
Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar
1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen
Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder welt-
anschaulichen Gründen ergangen sind. Die genannten Entscheidungen betreffen
nach § 2 des Gesetzes unter anderem auch solche, die auf den in der Anlage zu
§ 2 Nr. 3 NS-AufhG genannten gesetzlichen Vorschriften beruhen. Nicht erfasst
werden durch diese Regelung Verurteilungen wegen Kriegsverrats nach den
§§ 57, 59, 60 des Militärstrafgesetzbuches. Die Betroffenen mussten sich bis-
lang einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Staatsanwaltschaft unterzie-
hen, um die Bestätigung der Aufhebung ihres Urteils zu erhalten. Dies ist nicht
nur unzumutbar, sondern auch undurchführbar, denn außer bei Verurteilungen in
Abwesenheit wurden sie grundsätzlich hingerichtet.

B. Lösung

Die Anlage zu § 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer
Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 wird in Nummer
26a durch die §§ 57, 59, 60 des in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft
geltenden Militärstrafgesetzbuches ergänzt. Entscheidungen nach diesen Para-
graphen werden aufgehoben. Die Bestätigung dieser Aufhebung erfolgt für die
Betroffenen ohne Einzelfallprüfung.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten

Keine

Berlin, den 19. September

Dr. Gregor Gysi, Oskar L
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

2006

afontaine und Fraktion
Drucksache 16/3139 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege
(2. NS-AufhGÄndG)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Die Anlage zu § 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechts-
pflege vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501), zuletzt geän-
dert durch das Gesetz vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2714),
wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 26a wird vor der Angabe „62 bis 65“ die
Angabe „57, 59, 60“ eingefügt.

2. In Nummer 26a wird nach der Angabe „des Militärstraf-
gesetzbuches in den Fassungen der Gesetze vom 16. Juni
1926 (RGBl. I S. 275),“ die Angabe „23. November 1934
(RGBl. I S. 1165),“ eingefügt.

Artikel 2

KZ-Insassen, Zivilisten und auch Soldaten hätten nicht zu
nach den §§ 57, 59, 60 des Militärstrafgesetzbuches nicht
sterben brauchen, wenn mehr „Kriegsverrat“ begangen wor-
den wäre. Die Kriegsverräter haben aus zutiefst humanen
Gründen gehandelt und sind selbst bei anderen Motiven zu

haltbar.

Die unter den Tatbestand des „Kriegsverrats“ subsumierten
Handlungen sind mit den genannten anderen Straftatbestän-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3139

Begründung

A. Allgemeines

Mehr als 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
und der Befreiung vom Nationalsozialismus sind noch im-
mer nicht alle Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz
rehabilitiert.

Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialisti-
scher Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG)
vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) wurden verurteilen-
de strafgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die unter
Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach
dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhal-
tung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politi-
schen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltan-
schaulichen Gründen ergangen sind. Die Generalklausel des
§ 1 wurde durch die Regelbeispiele des § 2 konkretisiert.
Aufgehoben sind gemäß § 2 NS-AufhG insbesondere Ent-
scheidungen des Volksgerichtshofs und der auf Grund der
Verordnung über die Einrichtung von Standgerichten vom
15. Februar 1945 (RGBl. I S. 30) gebildeten Standgerichte,
sowie alle Entscheidungen, die auf den in der Anlage zu § 2
genannten gesetzlichen Vorschriften beruhen. In diese Anla-
ge wurden bisher die Tatbestände des Kriegsverrats nach den
§§ 57, 59, 60 des Militärstrafgesetzbuches nicht aufgenom-
men.

Für die von den Regelbeispielen des § 2 NS-AufhG nicht er-
fassten Entscheidungen kann die Feststellung, ob eine Ent-
scheidung durch das Gesetz aufgehoben wurde, erst nach
einer Einzelfallprüfung durch die Staatsanwaltschaft getrof-
fen werden. Dies ist für die Betroffenen und deren Ange-
hörige unzumutbar, entwürdigend und in den meisten Fällen
über 60 Jahre nach Kriegsende auch aus tatsächlichen Grün-
den nicht realisierbar.

Der Kriegsverrat nach § 57 war seit der Fassung des Militär-
strafgesetzbuches vom 23. November 1934 mit der Todes-
strafe sanktioniert. Für die Angehörigen getöteter oder mit-
tlerweile verstorbener Verurteilter ist es ein wichtiges
moralisches und politisches Zeichen, dass ihre Verwandten
nicht länger als Straftäter gelten.

Der Bundestag stellte in seiner Entschließung vom 15. Mai
1997 fest: „Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Ver-
nichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland
verschuldetes Verbrechen“ (Bundestagsdrucksache 13/7669
– neu). Es war der größte Völkermord in der Geschichte der
Menschheit.

Kein Soldat musste sich fragen lassen, warum er diesen
Krieg mitgemacht hat und ob er Verbrechen beging. Nur die,
die durch den Verrat des Krieges die Verbrechen verhindern
und denselben beenden wollten und dabei meist ihr Leben
verloren, sind ohne staatsanwaltschaftliche Einzelfallprü-
fung bis heute stigmatisiert und vorbestraft. Millionen

Der Katalog der Straftaten, die im Anhang zu § 2 Nr. 3 NS-
AufhG aufgeführt sind, wurde mit Gesetz vom 23. Juli 2002
(BGBl. I S. 2714) erweitert. Mit dem Gesetz zur Änderung
des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Un-
rechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG)
wurden die §§ 175, 175a Nr. 4 des Reichsstrafgesetzbuches
sowie eine Vielzahl von Verurteilungen unter anderem we-
gen Desertion (§ 69 des Militärstrafgesetzbuches), Feigheit
(§ 85) oder unerlaubter Entfernung (§ 64) in die Anlage zu
§ 2 Nr. 3 NS-AufhG (Nummer 26a) aufgenommen. Dies
erfolgte mit der Begründung, die Einzelfallprüfung führe
zu Unzuträglichkeiten. „Durch auch heute noch bestehende
Vorurteile sehen sich die Betroffenen oft auch nicht in der
Lage, einen entsprechenden Antrag bei der Staatsanwalt-
schaft zu stellen. Ähnlich stellt sich die Situation bei einer
Vielzahl von Verurteilungen nach dem Militärstrafgesetz-
buch dar … Die Personen, die wegen dieser Delikte ver-
urteilt wurden, haben es aus Gewissensgründen oder aus
berechtigter Angst um ihr Leben gewagt, sich sinnlosen Be-
fehlen zu widersetzen oder sie in Frage zu stellen, sich dem
Kriegsdienst durch Flucht zu entziehen oder ihre Dienst-
pflichten zu verletzen. In einem vom nationalsozialistischen
Deutschland verschuldeten Angriffs- und Vernichtungskrieg
war dies weder kriminell noch unehrenhaft. Dennoch müs-
sen die Betroffenen einen Antrag … stellen, um Klarheit
über die Aufhebung ihrer Urteile zu erlangen. Dies wird von
vielen zu Recht als unzumutbar empfunden.“ (Bundestags-
drucksache 14/8276, Begründung, S. 4.)

Diese Umstände sprechen auch dafür, die Verurteilungen
wegen Kriegsverrats nach den §§ 57, 59, 60 des Militärstraf-
gesetzbuches in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG aufzu-
nehmen.

Der Gesetzgeber konnte sich trotz der Aufnahme einer gro-
ßen Zahl von Straftatbeständen des Militärstrafgesetzbuches
in die Anlage zu § 2 Nr. 3 nicht dazu entschließen, dieses
Gesetz im Ganzen einzufügen. Das hätte die Konsequenz,
die Einzelfallprüfung für alle entsprechenden Verurteilungen
entbehrlich zu machen. In der Begründung zu dem Gesetz
zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialis-
tischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege wird dieser
Umstand folgendermaßen begründet: „Es finden sich eine
ganze Reihe von Straftatbeständen, bei denen die Aufhebung
des Urteils ohne Einzelfallprüfung nicht verantwortbar
erscheint. Beispielhaft seien hier der Kriegsverrat, die Plün-
derung, die Fledderei sowie die Misshandlung von Unter-
gebenen genannt. Bei diesen Delikten vermag auch der
Umstand, dass sie während eines völkerrechtswidrigen
Angriffskrieges begangen wurden, keinen Anlass zur Reha-
bilitierung zu begründen.“ (Bundestagsdrucksache 14/8276,
Begründung, S. 6.)

Diese Feststellung ist für den Tatbestand des Kriegsverrats
rehabilitieren, weil sie sich gegen einen völkerrechtswidri-
gen Angriffs- und Vernichtungskrieg stellten.

den des Militärstrafgesetzbuches nicht vergleichbar, denn sie
waren fast durchweg politisch oder moralisch motiviert und

Drucksache 16/3139 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ein vergleichbarer (krimineller) Unrechtsgehalt wie bei den
Delikten der „Plünderung“ oder der „Fledderei“ ist schlech-
terdings nicht erkennbar. Zudem handelt es sich bei dem
„Kriegsverrat“ um einen Verrat des deutschen Angriffs- und
Vernichtungskrieges, weshalb die Begründung fehlgeht,
wenn sie den Zweiten Weltkrieg lediglich als zeitliches
Umstandsmoment anführt, denn tatsächlich stellt gerade der
nationalsozialistische Krieg selbst die Motivation für die
„Verratshandlung“ dar. Eine nicht ausschließbare Lebens-
gefährdung für eine Vielzahl von Soldaten, die zur Begrün-
dung eines vermeintlichen Unrechtsgehalts herangezogen
wird, findet in den von der NS-Militärjustiz als „Kriegs-
verrat“ verurteilten Handlungen keine Grundlage. Vielmehr
waren diese meist auch Beiträge zur Rettung von NS-Ver-
folgten und Zivilisten und zur Beendigung des Krieges – und
damit zur Rettung von Soldaten – und verdienen daher be-
sondere Würdigung durch die Bundesrepublik Deutschland.

Das Bundessozialgericht stellt in seinem Urteil vom 11. Sep-
tember 1991 hinsichtlich der Todesurteile der Militärstraf-
justiz während des zweiten Weltkrieges fest, dass angesichts
der Gesamtumstände die Rechtswidrigkeit der Urteile zu
vermuten sei. „Die Annahme, es habe in Militärstrafsachen
ein rechtsstaatliches Verfahren gegeben, begegnet schon für
die Zeit ab Kriegsbeginn erheblichen Bedenken und kann
jedenfalls für Verurteilungen seit Januar 1942 nicht mehr
vertreten werden … Im Bereich der Wehrmacht hat es so-
mit keine unabhängige Justiz gegeben. Wenn allgemein die
Todesstrafe ohne Rücksicht auf das Maß persönlichen Ver-
schuldens verhängt wurde, würde es der Wirklichkeit nicht
gerecht, den Betroffenen jeweils den Nachweis in ihrem Ein-
zelfall abzuverlangen.“ (Bundessozialgericht vom 11. Sep-
tember 1991 – 9a RV 11/90.)

Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass das Verhalten
der Menschen, die wegen Kriegsverrats verfolgt und verur-
teilt wurden oder werden konnten, fast durchweg moralisch/
ethisch oder politisch motiviert war. Sie riskierten ihr Leben,
um das barbarische Morden zu beenden. Daher sind sie zwin-
gend den bisher rehabilitierten Opfern der nationalsozialisti-
schen Strafjustiz gleichzustellen. Unabhängig davon bewirkt
die Notwehrlage die Rehabilitierung bei einer Verweigerung
gegenüber einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.

Obwohl die Gründe für Verurteilungen und diese selbst
heute schwer zu erforschen sind, hat der Militärhistoriker
Prof. Dr. Wolfram Wette einige Beispielsfälle zusammen-
tragen können.

Beispiele für von der nationalsozialistischen Militärjustiz als
„Kriegsverrat“ verurteilte oder diesem Tatbestand damals
unterfallende Handlungen sind: das Verraten deutscher
Angriffspläne und Angriffstermine an die Niederlande, an
Frankreich, Belgien, England, Dänemark, Norwegen und Ju-
goslawien und auch an die Sowjetunion („Rote Kapelle“);
das Knüpfen konspirativer Auslandskontakte (z. B. durch
den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich
Goerdeler, den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ernst
von Weizsäcker, Harro Schulze-Boysen u. a.); das Fertigen
und Überbringen eines Berichts über die britischen Bedin-
gungen für eine Zusammenarbeit mit dem nationalkon-
servativen deutschen Widerstand; das Überbringen von
Informationen über die Judenmorde an die alliierten „Feind-

nen; das Führen eines Tagebuches, in dem der Verfasser und
wegen Kriegsverrats zum Tode Verurteilte „sich als Freund
der Juden und Bolschewisten ausgab“; die Mitgliedschaft in
einem sogenannten Soldatenrat; das Überlaufen zu den
Partisanen, z. B. der Anschluss an eine polnisch-litauische
Partisanenorganisation nach Erleben einer Massenerschie-
ßung von etwa 2000 russischen Juden; die Unterstützung des
einheimischen norwegischen Widerstands durch Weitergabe
von kriegswichtigen Informationen – einzelne Beispielsfälle
aus „Historische Recherche zum Thema „NS-Militärjustiz
und ,Kriegsverrat‘ im Zweiten Weltkrieg“ – Ein Zwischen-
bericht von Prof. Dr. Wolfram Wette, Freiburg i. Br. – Stand:
29. März 2006. Während hohe Offiziere und andere hoch-
gestellte Persönlichkeiten wegen eines von ihnen begange-
nen Kriegsverrats oft nicht angeklagt wurden, wurde der ein-
fache Soldat dafür ausnahmslos zum Tode verurteilt.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

Die NS- Militärjustiz hat über 30 000 Todesurteile und zehn-
tausende Zuchthausurteile verhängt. Der Straftatbestand des
„Kriegsverrats“ nach § 57 des Militärstrafgesetzbuches war
seit der Fassung vom 23. November 1934 (RGBl. I S. 1165)
mit der Todesstrafe sanktioniert.

Nach § 1 NS-AufhG sind u. a. strafgerichtliche Entscheidun-
gen aufgehoben, die unter Verstoß gegen elementare
Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur
Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozia-
listischen Unrechtsregimes aus militärischen oder politi-
schen Gründen ergangen sind. Hierunter fallen auch Verur-
teilungen wegen „Kriegsverrat“, allerdings erschließt sich
dies nicht zweifelsfrei aus dem Wortlaut des § 1 NS-AufhG
selbst; um eine Bescheinigung zu erhalten, müssen die
Betroffenen eine Einzelfallprüfung veranlassen. Diese Ein-
zelfallprüfung ist entwürdigend, moralisch unangemessen
und oft praktisch undurchführbar.

Die NS-Militärjustiz war eine der zentralen Apparate zur
Aufrechterhaltung des NS-Unrechtsregimes und zur Füh-
rung des Angriffs- und Vernichtungskrieges. Jeder, der den
Mut hatte, sich an demselben nicht zu beteiligen, und im
Gegensatz hierzu sogar dessen weiteren Fortgang zu been-
den suchte, dessen Verurteilung muss ohne Einzelfallprü-
fung aufgehoben werden.

Eine Einzelfallprüfung ist für die Angehörigen der Betrof-
fenen und die wenigen überlebenden Betroffenen auch we-
gen der damit verbundenen Beweisführung, dass eine ent-
sprechende Verurteilung erfolgt sei, unzumutbar. Mehr als
60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird ein
Betroffener oder Angehöriger nur noch in Ausnahmefällen
eine Urteilsabschrift vorlegen können. Sowohl die Umstän-
de der Verurteilung (Namen der Richter etc.) als auch die der
durch die Nationalsozialisten vorgeworfenen Handlungen
sind zumeist unmöglich nachzuweisen.

Ebenso wie für die bereits in die Nummer 26a der Anlage zu
§ 2 Nr. 3 NS-AufhG aufgenommenen Straftatbestände gilt,
mächte“; der Versuch, Jüdinnen und Juden das Leben zu
retten; die Kontaktaufnahme zu russischen Kriegsgefange-

dass unabhängig vom Beurteilungszeitpunkt in der Verwei-
gerung gegenüber dem deutschen Vernichtungskrieg oder

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3139

in Handlungen, die die Beendigung desselben zu forcieren
suchten, kein Unrecht erblickt werden kann. Deshalb sind
die diesbezüglichen strafgerichtlichen Entscheidungen ohne
Einzelfallprüfung aufzuheben.

In die Nummer 26a der Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG wer-
den deshalb die §§ 57, 59, 60 des Militärstrafgesetzbuches
eingefügt; die Urteile sind dann ohne Einzelfallprüfung
durch das Gesetz aufgehoben.

Zu Nummer 2

Die Aufnahme der Fassung des Militärstrafgesetzbuches
vom 23. November 1934 (RGBl. I S. 1165) ist erforderlich,

da diese Fassung bisher nicht in der Anlage zu § 2 Nr. 3
NS-AufhG Nummer 26a bezeichnet wird. Das Militärstraf-
gesetzbuch in der Fassung vom 16. Juni 1926 (RGBl. I
S. 275) enthielt die Paragraphen 57 bis 60 zum Kriegsverrat.
Mit der Fassung vom 23. November 1934 wurde der zuvor
als Qualifikationstatbestand mit der Strafandrohung des
Todes geltende § 58 des Militärstrafgesetzbuches gestrichen
und gleichzeitig für den „Kriegsverrat“ nach § 57 des Mili-
tärstrafgesetzbuches generell die Todesstrafe eingeführt.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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