BT-Drucksache 16/2835

Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit schützen - Entschiedenes Vorgehen gegen Zerstörungen von Wertprüfungs- und Sortenversuchen sowie von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen

Vom 28. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2835
16. Wahlperiode 28. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Cornelia Pieper, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit schützen – Entschiedenes Vorgehen
gegen Zerstörungen von Wertprüfungs- und Sortenversuchen sowie von Feldern
mit gentechnisch veränderten Pflanzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland gehörte ehemals zu den Pionieren der Erforschung gentechnisch
veränderter Pflanzen: Bereits 1983 wurden am Max-Planck-Institut für Züch-
tungsforschung in Köln die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen gezüch-
tet, 1989 erstmals gentechnisch veränderte Pflanzen (Petunien) durch dieses
Institut freigesetzt und 1993 folgte der erste Freisetzungsversuch von gentech-
nisch veränderten Nutzpflanzen, virusresistente Zuckerrüben. Doch erst 2006
konnte der erste kommerzielle Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen,
Bt-Mais, der resistent ist gegen den Maiszünsler, in den entsprechenden Be-
fallsgebieten erfolgen.

Parallel zur erfolgreichen Züchtungsforschung hatte von Anfang an die Sicher-
heitsforschung einen hohen Stellenwert. Daran hat Dr. Joachim Schiemann,
Präsident der Wissenschaftlervereinigung „International Society for Biosafety
Research“, in einem Interview aus Anlass des am 25. September 2006 in Jeju in
Südkorea beginnenden 9. Weltkongresses der Biologischen Sicherheitsforschung
angeknüpft und herausgestellt: Die „Biologische Sicherheitsforschung hat

überall einen hohen Stellenwert, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Eu-
ropa. Ähnliche Programme gibt es in den USA und Israel. …“. Das breit ange-
legte Programm des alle zwei Jahre stattfindenden Kongresses zeigt den hohen
Standard der Erforschung der biologischen Sicherheit von gentechnisch verän-
derten Pflanzen.

Drucksache 16/2835 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Diese Erfolgsgeschichte der Züchtungsforschung der Grünen Gentechnik in
Deutschland ist durch die immer noch ausstehende Novelle des Gentechnikge-
setzes und die zahlreichen Zerstörungen von Versuchsfeldern gefährdet. In die-
sem Jahr sind nach Mitteilung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Le-
bensmittelsicherheit (BVL) bis jetzt Zerstörungsaktionen an elf Standorten
bekannt geworden. Tatsächlich hat es in diesem Jahr sogar 18 Aktionen zur
Zerstörung von Feldern an 15 Standorten gegeben. Das Ausmaß der Zerstörun-
gen ist unterschiedlich und reicht von geringfügigen Schäden z. B. kommer-
zieller Bt-Maisfelder bis zur Totalzerstörung insbesondere von Wertprüfungen.
Drei Standorte wurden mehrfach heimgesucht. Bemerkenswert ist insbesondere
das Ausschütten von Mineralöl auf einem Standort der biologischen Sicher-
heitsforschung in Roggendorf in Bayern, auf dem im vergangenen Jahr trans-
gene Kartoffeln wuchsen und im letzten Herbst herkömmlich gezüchteter Wei-
zen eingesät worden war. Eine derartige Umweltkriminalität ist bis jetzt
einmalig. Der durch Mineralöl belastete Boden musste ausgetauscht werden
(Bundestagsdrucksache 16/1458).

Erstmalig waren in diesem Jahr insbesondere Wertprüfungs- und Sortenver-
suche von den Zerstörungen betroffen. Bei den Wertprüfungen werden auf klei-
nen Parzellen Zuchtlinien, deren Zulassung beantragt ist, mit bereits zugelasse-
nen Sorten verglichen, um so den Züchtungsfortschritt der neuen Zuchtlinien
zu dokumentieren. Eine Behinderung von Wertprüfungen verhindert die Zulas-
sung neuer Sorten, verhindert, dass der Züchtungsfortschritt der Pflanzenzüch-
ter von den Landwirten genutzt werden kann, und schwächt die Wettbewerbs-
position heimischer Landwirte und Pflanzenzüchter. Mit der Zerstörung solcher
Versuche wird langfristig die wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Produk-
tion sowohl der konventionellen Landwirtschaft wie auch des ökologischen
Landbaus in Deutschland in Frage gestellt.

Laut Auskunft des Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt
des Freistaats Thüringen beträgt z. B. die Schadenshöhe eines in Dachwig zer-
störten Wertprüfungsversuchs 150 000 Euro. Insgesamt ist eine Schadenshöhe
von über 1 Mio. Euro zu befürchten, die bislang durch die Zerstörung von allen
Feldversuchen entstanden ist. Dabei sind die durch eine spätere Zulassung
neuer Zuchtlinien verursachten finanziellen Folgebelastungen nicht mitgerech-
net.

Insbesondere Natur- sowie Umweltverbände und -organisationen haben in der
Vergangenheit die Überprüfung möglicher Auswirkungen der Grünen Gentech-
nik auf Menschen, Tiere, Pflanzen und Umwelt gefordert. Diesen berechtigten
Forderungen nach wissenschaftlicher Begleitung der Grünen Gentechnik wird
durch Versuche der biologischen Sicherheitsforschung entsprochen. Versuche
zur biologischen Sicherheitsforschung haben das Ziel, mögliche Gefährdungen
frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Damit wird durch die Zerstörung
dieser Versuche eine wissenschaftliche Bewertung der Grünen Gentechnik zum
Nachteil der Verbraucher und Verbraucherinnen erschwert und zum Teil verhin-
dert. Zudem sind derartige Feldzerstörungen nicht mit dem grundgesetzlich
verankerten Schutz der Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit vereinbar.

Die Naturschutz- und Umweltverbände äußerten sich unterschiedlich zu den
Zerstörungen. So stellte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Bran-
denburg in einer Pressemitteilung klar, er stehe Genfeldzerstörungen kritisch
gegenüber und werde sich nicht an ihnen beteiligen. Greenpeace hingegen be-
grüßte laut einer Sprecherin „eine Vielfalt von Protesten – auch wenn die Um-
weltorganisation selbst andere Formen des Protests gegen Genmais wähle“. Die
Bevölkerung in Badingen, einem Standort in Brandenburg, an dem Aktivisten
intensiv und mit vergleichsweise geringer Resonanz für die Zerstörung eines

Maisfeldes geworben haben, hat diese Aktionen abgelehnt und laut Bericht der
„taz“ geäußert: „Wir haben andere Probleme.“ Bundesminister Seehofer hat

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2835

sich anders als seine Vorgängerin Frau Künast eindeutig von den Zerstörungen
distanziert.

In verschiedenen Veranstaltungen sind die Zerstörungen von Feldern mit gen-
technisch veränderten Pflanzen als „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ be-
zeichnet worden. Diese Bewertung ist nicht zutreffend. Der von den Aktivisten
angeführte „Rechtfertigende Notstand“ gilt hier nicht. § 34 des Strafgesetz-
buches (StGB) hält hierfür „gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für
Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut“ für notwen-
dig. In diesem Falle wäre eine Tat als „angemessenes Mittel, die Gefahr abzu-
wenden, nicht rechtswidrig“. Dies kann im Falle der Aussaat von gentechnisch
veränderten Pflanzen nicht gelten, ebenso wenig für Freiland- oder Sortenver-
suche. Die biologische Sicherheitsforschung hat eindeutig dargestellt, dass die
umfangreichen Prüfungen von gentechnisch veränderten Sorten deren Sicher-
heit gewährleisten. Bereits die Anfang der 90er Jahre durchgeführte Technik-
folgenabschätzung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen hat heraus-
gestellt, dass nicht die Züchtungsmethode, sondern die Eigenschaften der
gezüchteten Sorten für die Bewertung der Umwelteigenschaften der Sorte und
deren Eignung als Lebens- und Futtermittel entscheidend ist.

Die Zerstörung von Feldern ist eine gesetzeswidrige Aktion, die eine Sachbe-
schädigung nach § 303 StGB darstellt. Hier heißt es: „Wer rechtswidrig eine
fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jah-
ren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Den Aktivisten ist dies bekannt. So sagte eine
Aktivistin nach einem Bericht der „taz“ vom 28. Juli 2006: „Wir wissen, dass
es sich im Prinzip um Sachbeschädigung handelt und gehen von einer Anklage
aus.“

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit Landwirten, Pflanzenzüchtern und Unternehmen wirksame
Maßnahmen gegen mutwillige Sachbeschädigungen zu entwickeln, um die
Zukunft landwirtschaftlicher Züchtungsforschung und landwirtschaftlicher
Produktion in Deutschland zu sichern. Der im Grundgesetz verankerte
Schutz der Eigentumsrechte und der Forschungsfreiheit ist zu verteidigen
und zu gewährleisten, um weitere Zerstörungen von Versuchsfeldern insbe-
sondere zur wissenschaftlichen Begleitung der Grünen Gentechnik und gen-
technisch veränderter Organismen zukünftig zu verhindern;

2. dem Deutschen Bundestag einen vollständigen Bericht über die Folgen der
Zerstörungen von Wertprüfungs- und Sortenversuchen und deren Auswir-
kungen auf die High-Tech-Strategie der Bundesregierung abzugeben;

3. sachlich über die Chancen der Anwendung der Züchtungsmethode Grüne
Gentechnik zu informieren;

4. den konstruktiven, öffentlichen Dialog mit Gentechnikgegnern und Gen-
technikbefürwortern zu suchen und zu unterstützen, um einen Ausgleich der
Interessen zu ermöglichen;

5. zu überprüfen, ob institutionell oder steuerlich geförderte Vereine, Verbände
sowie andere gesellschaftliche Gruppen an kriminellen Handlungen direkt
oder indirekt beteiligt waren, und wenn nötig, daraus die entsprechenden
Schlussfolgerungen zu ziehen.

Berlin, den 27. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.