BT-Drucksache 16/273

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU und SPD -16/109, 16/245- Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

Vom 14. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/273
16. Wahlperiode 14. 12. 2005

Änderungsantrag
der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/109, 16/245 –

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur
Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Bundes-
tagsdrucksache 16/109), wie folgt zu ändern:

Artikel 5 (Änderung des Arbeitszeitgesetzes) entfällt.

Berlin, den 14. Dezember 2005

Werner Dreibus
Dr. Axel Troost
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Mehr als 12 Jahre nach Inkrafttreten der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie soll
die Schutzvorschrift Arbeitszeitgesetz aufgrund einer weiteren Übergangsfrist
für Dienstleistungstätigkeiten mit Bereitschaftsdienst außer Kraft bleiben. Da-
mit werden die Gesundheit der Beschäftigten und die Sicherheit der Patientin-
nen und Patienten und anderer Betroffener fahrlässig gefährdet. Dieses poli-
tisch verursachte Risiko ist nicht hinnehmbar.

– Negative Auswirkung auf die Gesundheit der Beschäftigten/Steigendes Feh-
lerrisiko bei betroffenen Dienstleistungen
Arbeitszeiten in Dienstleistungsberufen mit Bereitschaftsdienst sind in doppel-
ter Weise belastend. Lange und teilweise überlange tägliche und wöchentliche
Arbeitszeiten gehen mit einer ungünstigen Lage während der Nacht und am
Wochenende einher. Lange Arbeitszeiten in Verbindung mit Schicht- und
Nachtarbeit führen bei den Beschäftigten häufig zu gesundheitlichen Beein-
trächtigungen.

Drucksache 16/273 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Überlange Arbeitszeiten, die aus der Kombination mit Bereitschaftsdiensten
resultieren, ruinieren nicht nur die Gesundheit derer, die sie leisten, sondern
auch die Gesundheit derer, die von übermüdetem Personal betreut oder behan-
delt werden: Unter langen und besonders belastenden Arbeitszeiten leidet die
Konzentrationsfähigkeit, das Fehlerrisiko steigt. Insofern besteht auch aus der
Sicht der Zielgruppen der Dienstleistungen (Patienten etc.) ein Interesse an
möglichst belastungsarmen Arbeitszeiten der Beschäftigten im Gesundheits-
bereich, in Rettungsdiensten, in Feuerwehren etc.

– Übergangsfrist verstößt gegen EU-Recht

Eine nationale Übergangsfrist sieht die aktuelle EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/
88/EG nicht vor. Insofern stellt die Gewährung einer Übergangsfrist einen Ver-
stoß gegen die europäische Arbeitszeitrichtlinie dar. Das Einführen einer Über-
gangsfrist im Jahr 2004 widersprach also bereits dem Ziel der Gesetzes-
änderung, die europäische Arbeitszeitrichtlinie umzusetzen und damit
europarechtskonforme gesetzliche Regelungen in Deutschland einzuführen.
Bereits am 23. November 1996 war die Frist für die Umsetzung der im Jahr
1993 verabschiedeten Arbeitszeitrichtlinie abgelaufen. Dementsprechend ist
eine weitere Verlängerung der Übergangsfrist in § 25 des Arbeitszeitgesetzes
rechtlich nicht zulässig.

– Verlängerung der Übergangsfrist ist in der Sache kontraproduktiv

Begründet wird die geplante Verlängerung mit dem Argument, den Tarifpar-
teien Zeit für die noch nicht erfolgreich beendeten Tarifverhandlungen zu ge-
ben. Tatsächlich ist die beabsichtigte Verlängerung der Übergangsfrist bezüg-
lich der formulierten Zielsetzung kontraproduktiv.

Erstens konterkariert sie die Bemühungen der Krankenhäuser und anderer Ein-
richtung, die bereits unter großen Mühen arbeitszeitgesetzkonforme Dienst-
planmodelle entwickelt und umgesetzt haben. Neben dem Gesundheitssektor
praktizieren auch andere Wirtschaftsbereiche, bei denen, wie etwa bei den
Flughäfen, die Besonderheiten der Betriebs- bzw. Servicezeiten extreme Anfor-
derungen an Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeiten stellen, seit längerer
Zeit flexible Arbeitszeitmodelle mit kurzen Arbeitszeiten. Auf der betriebli-
chen Ebene haben zahlreiche Pilotprojekte mittlerweile gezeigt, wie sich geset-
zeskonforme Arbeitszeitmodelle organisieren lassen.

Zweitens läuft die Verlängerung der Übergangsfrist der Zielsetzung einer tarif-
vertraglichen Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie entgegen. Dass entspre-
chende Vereinbarungen bisher nicht für alle Beschäftigten mit Bereitschafts-
dienst getroffen wurden, lässt vermuten, dass mit Blick auf die Bemühungen
auf europäischer Ebene, die Arbeitszeitrichtlinie zu ändern, hier von einigen
Arbeitgebern eine Verzögerungstaktik angewendet wurde. Ohne eine Verlänge-
rung der Übergangsfrist wären diese Arbeitgeber gezwungen, endlich in Ver-
handlungen über eine bereichsspezifische Anwendung der Richtlinie einzutre-
ten oder das Arbeitszeitgesetz ab dem 1. Januar 2006 ohne spezifische
Regelungen (z. B. den Bereitschaftsdienst im Gesundheitsbereich) anzuwen-
den. Mit einer weiteren Übergangsfrist wird dieser Druck zum Abschluss geset-
zeskonformer Arbeitszeitregelungen in Tarifverträgen genommen.
Änderungsantrag

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