BT-Drucksache 16/2651

Reformpartnerschaften mit Afrika intensivieren -Afrika muss auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Deutschland 2007

Vom 20. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2651
16. Wahlperiode 20. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Reformpartnerschaften mit Afrika intensivieren
– Afrika muss auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Deutschland 2007

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Jahr 2007 übernimmt die Bundesregierung die G8-Präsidentschaft und wird
somit den Weltwirtschaftsgipfel in der Bundesrepublik Deutschland ausrichten.
Zur Vorbereitung dieses Zusammentreffens bleibt nur noch ein Jahr. Die Bun-
desregierung hat im Rahmen der Agendagestaltung auch zu entscheiden, welche
Bedeutung sie afrikapolitischen Themen beimisst, und somit die Unterstützung
der afrikanischen Entwicklungs- und Reformbemühungen von Seiten der G8-
Staaten bekräftigt.

NePAD (New Partnership for Africa’s Development), die von afrikanischen
Reformpolitikern entwickelte Reformstrategie, ist Referenzrahmen für die G8-
Reformpartnerschaft mit afrikanischen Staaten. Um die Jahrtausendwende ha-
ben sich Reformkräfte Afrikas zusammengefunden, um mit dem Bild vom ab-
hängigen, verlorenen Krisenkontinent und internationalen Almosenempfänger
zu brechen. Diesem in westlichen Industriestaaten dominierenden Bild setzen
sie einen neuen Blick auf Afrika entgegen. Dieser neue Blick, der zugegebener-
maßen von zahlreichen realen Problemen verdeckt wird, offenbart reformwillige
Kräfte, die ihre Zukunftsgestaltung selbst in die Hand nehmen möchten, um ihre
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Chancen in einer globalisierten Welt
zu verbessern, und dabei auch die eigenen Fehler der Vergangenheit nicht unbe-
rücksichtigt lassen. Unter der politischen Verantwortung vor allem der Staats-
und Regierungschefs Südafrikas und Nigerias entwickelten verschiedene afrika-
nische Reformkräfte eine umfassende und weitreichende Reformstrategie für
den afrikanischen Kontinent, die erstmals 2001 auf dem Weltwirtschaftsforum
in Davos, später unter dem Namen NePAD ebenfalls 2001 auf dem Weltwirt-
schaftsgipfel in Genua den G8-Staats- und Regierungschefs vorgestellt wurde.
Zwar wird von verschiedenen Seiten das demokratische Defizit aufgrund der
fehlenden Einbeziehung sowohl der Zivilgesellschaft als auch der nationalen Par-
lamente bei der Entwicklung der NePAD-Initiative kritisiert, dennoch dient sie
als Handlungsorientierung einer afrikanischen Reformpolitik für die nächsten

Jahrzehnte, weil sie die für eine nachhaltige Entwicklung grundlegenden und
zentralen Handlungsbereiche umfasst: Frieden und Sicherheit, Rechtsstaatlich-
keit, Menschenrechte und Demokratie ebenso wie die Sektoren Infrastruktur,
Bildung und Naturressourcen und die notwendige Verbesserung der Rahmenbe-
dingungen für die Entwicklung eines freien und sozial verantwortlichen Unter-
nehmertums. Für eine Vielzahl dieser Bereiche entwickelt NePAD spezifische
Einzelinitiativen, um Entwicklungshemmnisse und Missstände zu überwinden.

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Besonders dringende Herausforderungen werden mit bis dahin unbekannter und
selbstkritischer Deutlichkeit benannt: vom afrikanischen Fluchtkapital, dem
ökonomischen und intellektuellen Aderlass durch den Wegzug afrikanischer
Fachkräfte bis hin zur lähmenden Wirkung der Korruption, dem Verdrängungs-
effekt europäischer Agrarexportsubventionen oder der notwendigen Verbesse-
rung regionaler Wirtschaftskooperation durch den Abbau von innerafrikani-
schen Handelshemmnissen.

Auf dem Weltwirtschaftsgipfel im Juni 2002 in Kananaskis beschlossen die G8-
Staats- und Regierungschefs, die NePAD-Initiative zu unterstützen, und verab-
schiedeten den so genannten G8-Afrika-Aktionsplan. Darüber hinaus verstän-
digten sie sich darauf, den afrikanischen Kontinent bis zum Jahr 2010 regel-
mäßig auf die Tagesordnung der G8-Gipfel zu setzen, die Reformanstrengungen
afrikanischer Regierungen systematisch zu begleiten und zu unterstützen und
den Fortschritt der Reformpartnerschaft der G8-Staaten mit den NePAD-Staaten
einer kontinuierlichen Bewertung zu unterziehen. Dem wurde auf dem Gipfel in
Evian 2003, in Sea Island 2004 und Gleneagles 2005 entsprochen. Beim dies-
jährigen G8-Treffen im Juli in St. Petersburg wurde ein Gipfeldokument zu
Afrika verabschiedet.

Der Kern der G8-NePAD-Partnerschaft besteht im Konzept der „bevorzugten
Partnerschaft“ („Enhanced Partnership“), wie es von den G8-Staaten in der Prä-
ambel des G8-Afrika-Aktionsplanes 2002 beschlossen worden ist. Diese sieht
vor, mit den afrikanischen Staaten besondere Beziehungen zu pflegen, die die
von NePAD vorgesehenen Reformen auch umsetzen. Das innovative Kernele-
ment dieser Reformen ist der „Peer Review“, ein formalisierter Prozess, zu dem
sich afrikanische Regierungen zur Bewertung ihrer Regierungspolitik freiwillig
verpflichten, um innenpolitische Defizite und Schwächen, aber auch Stärken zu
identifizieren mit dem Ziel, Erkenntnisse über Reformnotwendigkeiten zu erlan-
gen. Die beiden ersten Berichte im Rahmen dieses formalisierten Bewertungs-
prozesses in Ghana und Ruanda sind inzwischen fertig gestellt und veröffent-
licht.

Um dem Ansatz der „Enhanced Partnership“ Rechnung zu tragen, entwickelte
die Bundesregierung nach Verabschiedung des G8-Afrika-Aktionsplanes 2002
als Leitgedanken ihrer Afrika-Politik den Ansatz der „Reformpartnerschaften“.
Jenen afrikanischen Staaten, die ernsthafte Reformschritte einleiten und hierfür
„Peer Reviews“ in ihren Ländern durchführen, sollte hierbei Unterstützung an-
geboten werden – wobei der Schwerpunkt der Unterstützungsangebote auf Re-
formen in den Bereichen Frieden und Sicherheit, verantwortungsvolles Regie-
rungshandeln und grenzüberschreitendes Ressourcenmanagement gelegt wurde.
Wichtig dabei ist, dass Parlamente und zivilgesellschaftliche Organisationen
und Verbände bei der Durchführung der „Peer Reviews“ und der Erarbeitung der
Länderberichte stärker einbezogen werden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

1. dass die G8-Staaten, angesichts der neuen politischen Dynamik auf dem afri-
kanischen Kontinent, auf dem G8-Gipfel in Genua 2001 entschieden haben,
die NePAD-Reforminitiative mit einem konkreten Aktionsplan zu unterstüt-
zen und diesen in einem intensiven Dialogprozess zwischen den persönlichen
Afrikabeauftragten der G8-Staats- und -regierungschefs und den persön-
lichen NePAD-Beauftragten der afrikanischen Staats- und Regierungschefs
ausgearbeitet haben. Der „G8-Afrika-Aktionsplan“ wurde ein Jahr später auf
dem G8-Gipfel in Kananaskis, Kanada, in Anwesenheit der Staatschefs von
Algerien, Nigeria, Senegal und Südafrika sowie dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen, Kofi Annan, verabschiedet und sieht vor, mit jenen afri-

kanischen Staaten „bevorzugte Partnerschaften“ einzugehen, die ernsthafte
Schritte zur Umsetzung notwendiger Reformen in die Wege leiten. Diese auf

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Dialog basierende neue G8-Afrika-Partnerschaft beinhaltet eine neue Quali-
tät der Beziehungen zwischen den G8-Staaten und den Ländern Afrikas;

2. dass NePAD von den afrikanischen Reformpolitikern als politisches Instru-
ment zur Transformation des Grundverständnisses über die Aufgaben und
Ziele von verantwortlichem Regierungshandeln in Afrika, sei es auf nationa-
ler, regionaler oder pan-afrikanischer Ebene, entwickelt wurde. Es geht da-
rum, dass afrikanische Regierungen und Regierungsverantwortliche das All-
gemeinwohl über das Wohl des Einzelnen und über Partikularinteressen von
Ethnien, Clans oder Großfamilien stellen. Entwicklung im Sinne einer ge-
rechteren Verteilung von Chancen und materiellen Werten setzt dieses Ver-
ständnis zwingend voraus. Dieses politische Verständnis von Staat ist in wei-
ten Teilen Afrikas nicht verbreitet und stellt ein großes Entwicklungshemm-
nis dar. Die reformorientierten Kräfte in Afrika haben dieses erkannt und in
NePAD diesen Grundgedanken auf der Grundlage gemeinsamer Überzeu-
gungen über den Wert von Demokratie, Partizipation, Rechtssicherheit und
einer gemeinsamen Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung implizit fest-
geschrieben;

3. dass eine Reihe von Reformen eingeleitet worden und bereits erste Fort-
schritte zu verzeichnen sind. Am deutlichsten werden diese Fortschritte
durch die Konstituierung des Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsrates
und den Aufbau des Direktorates der Afrikanischen Union (AU) für Frieden
und Sicherheit. Hierdurch nahmen die Veränderungen vor allem im sicher-
heitspolitischen Sektor bereits konkrete institutionelle Formen an und bilde-
ten sich neue völkerrechtliche Grundlagen für eine eigenständige afrika-
nische Friedenspolitik heraus. Die Ernsthaftigkeit der Übernahme dieser
neuen sicherheitspolitischen Eigenverantwortung unter neuen völkerrecht-
lichen Vorzeichen zeigt sich etwa in der Entsendung der Friedensmission der
AU nach Darfur. Zwar ist ihr Potential zur friedlichen Krisenbewältigung
nach wie vor nicht besonders stark ausgeprägt, wie die katastrophale huma-
nitäre Situation in Dafur und die geringe Interventionskraft der AU vor
Augen führen. Gleichwohl gibt es Anzeichen für wachsende Fähigkeiten in
Afrika, Konflikte künftig gewaltfrei zu bewältigen. So konnten Regional-
organisationen wie etwa die westafrikanische ECOWAS bei der Eindäm-
mung und Lösung regionaler Konflikte erfolgreich eingreifen und vermitteln
und afrikanische Streitkräfte zur Überwachung von Waffenstillständen und
Friedensabkommen in andere afrikanische Staaten entsandt werden;

4. dass eine Reihe von afrikanischen Staaten mit der Umsetzung des „Peer
Reviews“ begonnen hat. Dank der Abkehr der AU vom strikten Nichtein-
mischungsgebot in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten konnte mit
der Annahme von NePAD als strategischem Politikrahmen für Afrikas Ent-
wicklung auch der „African Peer Review“ beschlossen werden, demgemäß
die afrikanischen Staaten einander erstmals nach selbst gesetzten Prinzipien
und Standards gegenseitig beurteilen wollen. Dieser Prozess steht jedem Mit-
glied der Afrikanischen Union offen, das sich mit den politischen NePAD-
Zielen hinsichtlich Demokratie, verantwortungsvoller Regierungsführung
und nachhaltiger Entwicklung identifiziert. Bisher haben sich 26 Staaten zur
Durchführung dieses formalisierten gegenseitigen Beurteilungsprozesses
verbindlich angemeldet. Mit den ersten „Peer-Review“-Prozessen begannen
2004 Ghana, Kenia, Mauritius und Ruanda; bis 2007 sollen weitere acht fer-
tig gestellt sein. Dieser Prozess sollte möglichst transparent und unter Betei-
ligung der Zivilgesellschaften in den jeweiligen Ländern organisiert werden;

5. dass die G8-Staaten gewillt sind, den G8-Afrika-Dialog als einen politischen
Prozess auf der Ebene der Regierungschefs für einige Zeit fortzuführen und

Afrika bis zum Jahr 2010 auf der G8-Tagesordnung zu behalten. Dies ist rich-
tig, denn um ein modernes Staats- und Regierungsverständnis in politisches

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Handeln umzusetzen, bedarf es entsprechend langwieriger Reformen. Dieser
Anspruch kann nicht von heute auf morgen erfolgreich umgesetzt werden,
sondern bedarf eines langen Atems. Es werden immer wieder Rückschläge
den Prozess behindern und Fehlentwicklungen zu korrigieren sein. Um aber
die Dynamik des Transformationsprozesses aufrechtzuerhalten – trotz unter-
schiedlicher Reformgeschwindigkeiten in verschiedenen Ländern und Regi-
onen, trotz unterschiedlichster Interessen und Zwänge, in die einzelne Ak-
teure eingebunden sind – muss der G8-NePAD-Dialog den politischen Trans-
formationsprozess in Afrika auf der Ebene der Regierungschefs für einige
Zeit begleiten. Das Jahr 2010 wurde als eine Zielmarke deshalb gewählt, weil
es das einzige Jahr ist, das im G8-Afrika-Aktionsplan als Zeitrahmen erwähnt
ist. Die G8-Staaten verpflichten sich dort in Kapitel I Abs. 1.2 alles zu tun,
um afrikanische Staaten und afrikanische Regionalorganisationen in die Lage
zu versetzen, bis zum Jahr 2010 selbständige Friedensmissionen durchzufüh-
ren. Es gibt unterschiedliche Gründe, sich darauf einzustellen, dass Afrika
eines Tages nicht mehr selbstverständlich auf der G8-Tagesordnung steht.
Dies ist dann auch richtig, wenn sich die Reformländer auf gutem Wege be-
finden.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf;

1. beim G8-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft im Jahr 2007 Afrika auf die
Tagesordnung zu setzen, um die Reformpartnerschaft zwischen den G8-Staa-
ten und den afrikanischen Reformstaaten zu stärken und ihr neue Impulse zu
verleihen;

2. dafür zu sorgen, dass die G8-Staaten nationale „Umsetzungsberichte“ über
ihre Aktivitäten zur Einlösung der Beschlüsse, wie sie mit dem G8-Afrika-
Aktionsplan gefasst worden sind, auf dem G8-Gipfel in Deutschland in 2007
vorlegen;

3. die Staatspräsidenten der Kerngruppe der NePAD-Staaten, den Präsidenten
und den Kommissionsvorsitzenden der Afrikanischen Union sowie die Prä-
sidenten der Staaten, die bis zum Juli 2007 den formalisierten gegenseitigen
Beurteilungsprozess („Peer Review“) durchgeführt haben, zum Gipfeltreffen
einzuladen;

4. die von der rot-grünen Bundesregierung auf der Grundlage der neuen Re-
formbereitschaft auf dem afrikanischen Kontinent vorgenommene Neube-
stimmung der Afrikapolitik im Rahmen der G8 fortzuführen und sich im
Sinne der „Reformpartnerschaft“ mit afrikanischen Ländern den außenpoli-
tischen, entwicklungspolitischen und sicherheitspolitischen Herausforderun-
gen gleichermaßen anzunehmen;

5. dass sie ihre entwicklungspolitischen Instrumente flexibilisiert, um auf spe-
zifische, im Rahmen des NePAD-Prozesses formulierte Anforderungen der
Reformpartner in afrikanischen Ländern wirksam reagieren zu können;

6. ihre Anstrengungen hinsichtlich der im G8-Afrika-Aktionsplan festgelegten
prioritären Reformbereiche Frieden und Sicherheit; verantwortungsvolles
Regierungshandeln; Handel, Investitionen und nachhaltiges Wirtschafts-
wachstum; Entschuldung; Bildung und Ausbildung; Gesundheit und Aids-
bekämpfung; Landwirtschaft und die Bewirtschaftung von Wasserressourcen
zu verstärken;

7. die von Deutschland im Rahmen der G8 initiierte Unterstützung von afrika-
nischen Regionalagenturen zum grenzüberschreitenden Wassermanagement
weiterzuführen, zu verstärken, weitere Partner hinzuzugewinnen und insbe-
sondere den Afrikanischen Wasserministerrat („AMCOW“) in seinen Bemü-

hungen zu unterstützen, das Wassermillenniumsziel für Afrika zu erreichen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/2651

und durch verbessertes grenzüberschreitendes Wassermanagement und die
Stärkung von Flussgebietskommissionen krisenpräventiv zu wirken;

8. dass sie den von Deutschland initiierten, im „Berlin-Prozess“ erarbeiteten
und auf dem G8-Gipfel in Evian am 1. Juni 2003 verabschiedeten gemeinsa-
men Afrika-G8-Friedensplan zur Stärkung der afrikanischen Kapazitäten für
friedensunterstützende Operationen aktiv begleitet, die Initiative zur Umset-
zung einzelner Maßnahmen ergreift und weiterhin Finanzmittel zur Verfü-
gung stellt, um die Afrikanische Union und die Regionalorganisationen bis
zum Jahr 2010 in die Lage zu versetzen, eigenverantwortliche Friedensmis-
sionen auf dem afrikanischen Kontinent durchzuführen. Im Mittelpunkt hier-
bei sollten die Friedensausbildungszentren in Accra/Ghana, in Nairobi/Kenia
und die Unterstützung des Friedens- und Sicherheitsdirektorates der Afrika-
nischen Union stehen.

Berlin, den 20. September 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Reformschritte Afrikas geben Grund zu Hoffnung und müssen von den G8-
Staaten weiterhin unterstützt werden.

Die Skepsis gegenüber afrikanischem Reformwillen und afrikanischer Reform-
fähigkeit ist groß. Dies ist – angesichts fast unüberbrückbarer Probleme, aber
auch angesichts vieler fehlgeschlagener Initiativen zur „Rettung des Konti-
nents“ – zum Teil verständlich.

Nicht zuletzt gibt das Verhalten der afrikanischen Reformer gegenüber dem
Regime von Robert Mugabe in Simbabwe immer wieder Anlass, dem Reform-
willen afrikanischer Politiker zu misstrauen. Das inakzeptable Verhalten der
äthiopischen Regierung nach den Wahlen gegenüber der Opposition oder die
Aidspolitik des südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki reihen sich
hier ebenfalls ein. Trotzdem dürfen die Chancen nicht verkannt werden. Die
neue politische Dynamik hat in den letzten zehn Jahren zu Veränderungen ge-
führt, die zum Teil atemberaubend sind. Am spektakulärsten ist die Abkehr von
den beiden eisernen Prinzipien des postkolonialen Afrikas, nämlich dem Prinzip
der „Nichteinmischung“ in innere Angelegenheiten anderer afrikanischer Staa-
ten und dem Prinzip der „Nichtintervention“. Ersteres hatte zur Folge, dass im
Rahmen von NePAD der so genannte Peer Review als formalisierter gegenseiti-
ger Beurteilungsprozess eingerichtet wurde, dem sich bereits mehrere Staaten,
darunter Ruanda, Ghana, Kenia und Mauritius unterzogen haben. Auch wenn zu
beklagen ist, dass die „Peer Reviews“ nicht schnell und umfassend genug durch-
geführt werden, sollte doch anerkannt werden, dass es sich um grundlegende
Änderungen im Denken afrikanischer Politiker handelt. Es soll überhaupt nicht
gerechtfertigt werden, dass in der Tat – aus Sicht der betroffenen Bevölkerung –
vieles zu langsam geht, aber es muss daran erinnert werden, dass solche grund-
legenden Einstellungs- und Verhaltensänderungen auch Zeit brauchen! Die
Herausforderungen für die NePAD-Initiative werden allerdings in den nächsten
Jahren darin bestehen, die Parlamente und die Zivilgesellschaft Afrikas in die
Selbstüberwachung und die Beobachtung der politischen und sozioökono-
mischen Parameter einzubeziehen. Ferner ist zu hoffen, dass sich zukünftig alle

NePAD-Mitgliedstaaten auch an dem APRM beteiligen werden.

Drucksache 16/2651 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Abkehr vom Prinzip der Nichtintervention hat zu größten Veränderungen
auf dem afrikanischen Kontinent geführt. So zeigt die afrikanische Friedensmis-
sion der AU in Darfur, wo ein schleichender Völkermord stattfindet, dass eine
Situation wie 1994 in Ruanda nicht mehr denkbar ist, als kein afrikanischer Staat
eine Intervention erwogen hat. Offensichtlich ist aber auch, dass die AU im Mo-
ment noch nicht in der Lage ist, alleine solche Friedensmissionen erfolgreich
durchzuführen. Die Tatsache, dass die internationale Staatengemeinschaft sie
dabei unterstützen muss, ist kein Beweis für die Skeptiker, dass es Afrika „wie-
der nicht schafft“. Betrachtet man die Ausgangsbedingungen von vor zehn bis
15 Jahren insgesamt, so kann man feststellen, dass Afrika gegenwärtig einen
enormen Modernisierungsschub erlebt. Natürlich ist dies kein stetiger Prozess
des Fortschritts in allen Ländern und auf allen Ebenen. Es sind Modernisie-
rungsprozesse voll von Widersprüchen, Friktionen und Ungleichzeitigkeiten. So
schmerzlich dies alles für die Betroffenen und die Opfer ist, aber auch Europa
hat seine Entwicklung hin zur Moderne nicht geradlinig vollzogen.

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