BT-Drucksache 16/2502

Integriertes Küstenzonenmanagement kontinuierlich fortentwickeln

Vom 5. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2502
16. Wahlperiode 05. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam), Michael Brand,
Klaus Brähmig, Dr. Maria Flachsbarth, Josef Göppel, Andreas Jung (Konstanz),
Jens Koeppen, Hartmut Koschyk, Katharina Landgraf, Ingbert Liebing, Philipp
Mißfelder, Dr. Georg Nüßlein, Ulrich Petzold, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder,
Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dirk Becker, Marco Bülow, Petra Bierwirth, Gerd
Bollmann, Martin Burkert, Hans-Joachim Hacker, Iris Hoffmann (Wismar), Christian
Kleiminger, Dirk Manzewski, Dr. Matthias Miersch, Marko Mühlstein, Detlef Müller
(Chemnitz), Christoph Pries, Heinz Schmitt (Landau), Olaf Scholz, Frank Schwabe,
Dr. Margrit Wetzel, Ulrich Kelber, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Integriertes Küstenzonenmanagement kontinuierlich fortentwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai
2002 zur Umsetzung einer Strategie für ein integriertes Management der Küs-
tengebiete in Europa sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Strategien
für ein Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) zu erarbeiten. Die Bun-
desregierung ist dieser Anforderung mit der Beschlussfassung vom 22. März
2006 über den Bericht, der der EU-Kommission übermittelt wird, nachgekom-
men.

Das nationale Strategiepapier enthält eine Bestandsaufnahme sowie Grundsätze
für ein integriertes Management der deutschen Küstengebiete und strategische
Zielsetzungen. Demnach will IKZM dazu beitragen, den Küstenbereich als
ökologisch intakten und wirtschaftlich prosperierenden Lebensraum für den
Menschen zu erhalten und zu entwickeln.

Die nationale Strategie ist unter Einbindung von Akteuren aus den Küstenregi-
onen sowie unter Einbeziehung wissenschaftlicher Pilotprojekte erstellt wor-
den. Damit ist bereits in der Erstellungsphase der nationalen Strategie dem
Kerngedanken von IKZM Rechnung getragen worden, möglichst frühzeitig un-
terschiedliche Interessenlagen in Entscheidungsprozesse einzubinden.

Die Empfehlung der Europäischen Union für ein integriertes Management der

Küstengebiete betont die große Bedeutung der Küstenzonen aus ökologischer,
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht und hebt die Bedeutung der Küs-
tenregionen für Erholungszwecke hervor. Gleichzeitig weist die Empfehlung
auf die Bedrohungen der Küstenzonen hin, die infolge von Klimaänderungen
und ökologischen wie ökonomischen Herausforderungen gegeben sind. Dem-
nach zielt die Erstellung von IKZM-Strategien nicht auf neue Planungsinstru-
mente ab, sondern auf die Umsetzung eines ökologisch nachhaltigen, wirt-

Drucksache 16/2502 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schaftlich ausgewogenen, sozial verträglichen und behutsam auf schutzwürdige
Belange achtenden Küstenzonenmanagements, das die Integrität dieser wichti-
gen Ressource aufrecht erhält und gleichzeitig den traditionellen lokalen Tätig-
keiten und Gepflogenheiten, die keine Bedrohung für empfindliche natürliche
Lebensräume und den Erhaltungsstand der wild lebenden Tier- und Pflanzenar-
ten darstellen, Rechnung trägt.

Mit der Empfehlung zur Erstellung von IKZM-Strategien haben sich die Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union folgende strategische Ziele gesetzt:

a) den Schutz der Küstenumwelt auf der Grundlage eines Ökosystem-Ansatzes
zur Gewährleistung ihrer Integrität und ihres Funktionierens sowie ein nach-
haltiges Management der natürlichen Ressourcen sowohl des Meeres- als
auch des Landstreifens der Küstengebiete;

b) die Anerkennung der Gefahren, die den Küstengebieten infolge der Klima-
änderungen drohen, sowie der Risiken aufgrund des Anstiegs des Meeres-
spiegels und der zunehmenden Häufigkeit und Stärke von Stürmen;

c) die Ausarbeitung angemessener und aus ökologischer Sicht verantwortungs-
voller Küstenschutzmaßnahmen, einschließlich des Schutzes von Küsten-
siedlungen und ihres Kulturerbes;

d) die Schaffung nachhaltiger günstiger Bedingungen für die wirtschaftliche
Entwicklung und die Beschäftigungslage;

e) die Wahrung eines funktionierenden sozialen und kulturellen Systems in den
lokalen Gemeinwesen;

f) die Gewährleistung ausreichend großer, der Öffentlichkeit zugänglicher
Flächen für Erholungszwecke und aus ästhetischen Gründen;

g) die Erhaltung bzw. Förderung des Zusammenhalts der Gemeinwesen in
Küstengebieten in Randlage;

h) die bessere Koordinierung von land- und meerseitigen Aktionen, die alle zu-
ständigen Behörden zur Steuerung der Wechselwirkungen zwischen Meer
und Land durchführen.

Diese strategischen Ansätze finden ihre nationale Umsetzung im Beschluss der
Bundesregierung über eine nationale IKZM-Strategie.

Darin wird mit einer umfassenden Bestandsaufnahme der gegenwärtige Zu-
stand der 2 389 km langen deutschen Küstenlinie in den Bundesländern Nieder-
sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sowie den Stadt-
staaten Hamburg und Bremen beschrieben. Zugleich werden Perspektiven,
Herausforderungen und Konflikte dargestellt. Sie betreffen ökonomische Akti-
vitäten genauso wie Fragen der wirtschaftsnahen Infrastruktur, des Verkehrs zu
Wasser und an Land, der Gewinnung von Energie und Rohstoffen, des Küsten-
schutzes, der Verteidigung, der Siedlungsentwicklung und des Schutzes des
Natur- und des Kulturerbes.

Die Aufgaben und Herausforderungen aus den verschiedensten Politikberei-
chen, die in der IKZM-Strategie zusammengebunden werden, stellen dabei
auch einen Beitrag zur Lissabon-Strategie dar, mit der die Europäische Union
bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasier-
ten Wirtschaftsraum der Welt entwickelt werden soll. Auf dieses Ziel, das
durch die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung ergänzt wurde, sind alle
übrigen Politikbereiche auszurichten. Die von der Bundesregierung vorgelegte
IKZM-Strategie trägt diesen Anforderungen Rechnung, indem sie die Zielset-
zung einer nachhaltigen Entwicklung in den Mittelpunkt stellt, die die Küsten-
regionen sowohl ökologisch intakt als auch wirtschaftlich prosperierend erhal-

ten und entwickeln will.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2502

Dabei kommt dem Thema IKZM gerade unter Berücksichtigung neuer Ent-
wicklungen der Meerespolitik eine besondere Bedeutung zu. Entwicklungen
auf dem Meer sind nicht zu trennen von Entwicklungen an der Küste. Deshalb
kommt es entscheidend darauf an, die Fortentwicklung des IKZM-Prozesses
mit der Meerespolitik, z. B. der neuen EU-Meeresstrategie, dem Meeresschutz,
den wirtschaftlichen Potentialen und der Risikovorsorge zu verbinden.

Zur konkreten Umsetzung der nationalen IKZM-Strategie gibt es bereits eine
Reihe vielversprechender lokaler und regionaler Ansätze. Sie sind zum Beispiel
in den IKZM-Pilotprojekten „Forschung für ein IKZM in der Odermündungs-
region“ (Ostsee) und „IKZM an der Westküste Schleswig-Holsteins, Coastal
Futures“ (Nordsee) entstanden. Die Entwicklung eines maritimen Clusters
(Schleswig-Holsteins Initiative „Zukunft Meer“) stellt genauso einen Baustein
regionaler IKZM-Aktivitäten dar wie das „Raumordnungskonzept für das
Niedersächsische Küstenmeer (ROKK)“ und das Landesraumentwicklungspro-
gramm (LEP) des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit einem Kapitel „Inte-
griertes Küstenzonenmanagement und Raumordnung im Küstenmeer“.

Auch auf internationaler Ebene sind bereits eine Reihe Erfolg versprechender
IKZM-Aktivitäten zu verzeichnen. Dies gilt z. B. für Projekte im Ostseeraum
oder im Bereich des Wattenmeeres für die lokale Initiative der Städte und Ge-
meinden auf den Inseln und Halligen im Wattenmeer (Euregio „Die Watten“)
und insbesondere für das Trilaterale Wattenmeerforum (WSF), in dem Vertreter
von Behörden und von Interessenorganisationen der lokalen und regionalen
Ebene Strategien für eine nachhaltige Entwicklung der Wattenmeerregion erar-
beitet haben, die wiederum im November 2005 Eingang in die Ministererklä-
rung der Wattenmeerkooperation der Niederlande, Deutschlands und Däne-
marks gefunden haben.

II. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bundesregierung,

1. den IKZM-Prozess fortzusetzen, die nationale Strategie praxistauglich zu
machen und mit Leben zu erfüllen,

2. die weitere Entwicklung der IKZM-Strategie und deren Umsetzung mit allen
anderen die Küstenregionen betreffenden Politikbereichen zu verzahnen,

3. IKZM als Instrument zu nutzen, damit die deutschen Küstengebiete einen
Beitrag zur Erreichung der Lissabon-Ziele leisten,

4. in den IKZM-Prozess, der im Wesentlichen auf der lokalen, regionalen und
Landesebene erfolgt, seitens des Bundes koordinierend und unterstützend
mitzuwirken.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. auf europäischer Ebene, besonders im Rahmen des Ratsvorsitzes 2007, ihren
Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass die noch ausstehenden natio-
nalen IKZM-Berichte zeitnah vorgelegt werden und gemeinsam mit dem
Grünbuch über eine künftige Meerespolitik der EU und einer gemeinsamen
europäischen Meeresschutzpolitik zusammengefasst werden,

2. das Thema des Klimawandels und des Anstieges des Meeresspiegels als
einen wichtigen Baustein des weiteren IKZM-Prozesses zu betrachten und
dabei Instrumente einer vorsorgenden Planung und eines nachhaltigen Küs-
tenschutzes zu entwickeln,

3. die künftige Entwicklung des IKZM für alle beteiligten Akteure auf lokaler,
regionaler und nationaler Ebene so schlank wie möglich zu gestalten und das

Potenzial von IKZM zum Bürokratieabbau durch frühzeitige Konflikterken-
nung und Vermeidung zu befördern,

Drucksache 16/2502 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. den freiwilligen und integrativen Ansatz des IKZM nicht aus den Augen zu
verlieren und durch die Förderung informeller Koordinations- und Kommu-
nikationsstrukturen zu unterstützen,

5. den ökologischen sowie den ökonomischen Aspekten der Entwicklung der
Küstenbereiche gleichermaßen Bedeutung beizumessen,

6. dass in Bezug auf das weitere Verfahren und den Vorschlag neuer Maßnah-
men von Seiten der Kommission die Maßgabe der Freiwilligkeit und der
Entbürokratisierung fortbesteht.

Berlin, den 5. September 2006

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.