BT-Drucksache 16/2483

Lieferung von Eurofighter Kampfflugzeugen an Saudi-Arabien

Vom 30. August 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2483
16. Wahlperiode 30. 08. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke,
Katrin Kunert, Dr. Norman Paech, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Lieferung von Eurofighter Kampfflugzeugen an Saudi-Arabien

Am 17. August 2006 wurde bekannt, dass die Regierungen Großbritanniens
und Saudi-Arabiens sich auf die Geschäftsbedingungen für den Verkauf von
Eurofighter Kampfflugzeugen an die saudischen Streitkräfte geeinigt haben.
Insgesamt soll es um den Export von 72 Kampfflugzeugen gehen. Der Euro-
fighter wird zu den modernsten Kampfflugzeugen der Welt gerechnet und wird
sowohl Luft- wie auch Bodenziele bekämpfen können.

Der Eurofighter ist ein gemeinschaftliches Rüstungsvorhaben Deutschlands,
Großbritanniens, Italiens und Spaniens. In jedem der Partnerstaaten werden
Komponenten für den Eurofighter hergestellt und Teilsysteme montiert. Aus-
führendes Konsortium ist die Eurofighter GmbH, an der die Rüstungskonzerne
Alenia Aeronautica (21 Prozent), BAE Systems (33 Prozent) und EADS
(46 Prozent) beteiligt sind. Gemäß den Projektverträgen wird in Deutschland
vor allem die Mittelsektion produziert. Die Endmontage findet in dem jeweili-
gen Land durch die beteiligten Rüstungskonzerne statt. Etwa 30 Prozent des
Produktionsvolumens entfällt auf die deutsche Rüstungsindustrie (http://
www.eurofighter.com/Organisation/GmbH/). Folgende Rüstungsfirmen mit
Sitz in Deutschland sind nach Angaben der Eurofighter GmbH als Zulieferer
beteiligt: Autoflug GmbH ACMA, AOA, Autoflug, Ballonfabrik, Behr Indus-
trie, Bodenseewerke Continental, Diehl Avionik Systeme, Draegerwerke,
EADS Deutschland, EADS Dornier, Eaton Fluid Power, ElektroMetall, ESW
Extel Systems Wedel, Goodrich Hella Aerospace, Hawker GmbH, Heckler &
Koch, Honeywell Aerospace, Leach (LRE) International, Liebherr Aerospace
Lindenberg, LITEF, Mauser-Werke Oberndorf, Nord Micro, Rohde & Schwarz,
RWG Frankenjura ind. Flugwerklager, SITEC Aerospace GmbH, Teldix GmbH
(http://www.eurofighter.com/News/Article/default.asp?NewsItemId=140).

Laut den derzeit gültigen Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den
Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern sollten Rüstungs-
exporte an Drittstaaten wie Saudi-Arabien nur in Ausnahmefällen genehmigt
werden. Wichtige Entscheidungsgrundlagen sollen dabei die Situation der
Menschenrechte im Empfängerland sein sowie potenzielle Auswirkungen auf
die regionale Stabilität.
Wie die Entwicklungen im Libanon, in den palästinensischen Autonomie-
gebieten, dem Irak und der Streit um das iranische Atomprogramm belegen,
liegt Saudi-Arabien in einem äußerst brisanten Spannungsgebiet. Auch die
innenpolitische Situation in Saudi-Arabien ist instabil. Die saudische Regie-
rung verweigert nach wie vor weiten Teilen der Bevölkerung elementare Men-
schen- und Bürgerrechte. Im 7. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung
wird die Lage als „problematisch“ bewertet. Unter anderem wird allen Frauen

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das Wahlrecht verweigert und die öffentliche Ausübung nichtislamischer Reli-
gionen verboten (Bundestagsdrucksache 15/5800, S. 170). Darüber hinaus gilt
laut Jahresbericht von amnesty international 2006 nach wie vor die Todesstrafe
– im Berichtszeitraum wurden in Saudi-Arabien 86 Menschen hingerichtet –,
werden die Arbeitsrechte für Frauen massiv eingeschränkt und Menschen nach
wie vor wegen „Verbreitung abweichender Meinungen“ verurteilt (ai-Jahres-
bericht 2006, Länderprofil Saudi-Arabien).

Vor diesem Hintergrund und dem Bekenntnis der Bundesregierung zu einer
restriktiven Rüstungsexportpolitik ist es notwendig zu klären, welche Zusagen
seitens der Bundesregierung bereits im Vorfeld gegenüber den Partnerstaaten
hinsichtlich der Möglichkeit von Eurofighter-Exporten gemacht wurden, und
über welchen Handlungsspielraum die Bundesregierung verfügt, um dem
Grundsatz einer restriktiven Rüstungsexportpolitik bei diesem Geschäft zur
Geltung zu verhelfen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Muss die britische Regierung bzw. die ausführenden Rüstungskonzerne BAe
Systems oder EADS bei der Bundesregierung eine Genehmigung für den
Export von in Deutschland hergestellten oder weiterverarbeiteten Bestand-
teilen beantragen, wenn diese entweder in Großbritannien in die für Saudi-
Arabien bestimmten Eurofighter eingebaut oder direkt nach Saudi-Arabien
exportiert werden?

2. Für welche in Deutschland hergestellten oder weiterverarbeiteten Bestand-
teile des Eurofighters ist eine Weiterexportgenehmigung nach Saudi-Ara-
bien erforderlich (bitte unter Nennung der Bestandteile und des entsprechen-
den Postens auf den Ausfuhrlisten Teil 1 A und C)?

3. Für welche in Deutschland hergestellten oder weiterverarbeiteten Bestand-
teile des Eurofighters ist eine solche Genehmigung nicht erforderlich?

4. Umfasst das Rüstungsgeschäft zwischen Großbritannien und Saudi-Arabien
auch die spätere Lieferung von in Deutschland hergestellten Ersatzteilen,
und wenn ja, welchen?

5. Hat die britische Regierung bzw. der in Großbritannien für das Eurofighter-
Geschäft hauptverantwortliche Rüstungskonzern BAE Systems bereits eine
Genehmigung bei der Bundesregierung für den Weiterexport deutscher
Eurofighterkomponenten nach Saudi-Arabien beantragt?

6. Wurde die Bundesregierung im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung zwi-
schen der britischen und saudischen Regierung zu diesem Geschäft von
einer der beiden Seiten konsultiert, und wenn ja, wann und mit welchem
Ergebnis?

7. Hat die Bundesregierung gegenüber der britischen, der italienischen oder
der spanischen Regierung oder den Rüstungskonzernen EADS, BAE Sys-
tems und Alenia Aeronautica in den Beschaffungsverträgen für den Euro-
fighter schriftlich zugesichert, dass sie Eurofighter ohne Genehmigung
durch die Bundesregierung an Drittstaaten exportieren zu dürfen?

8. Welche rechtlichen Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und Großbritannien sowie zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und Saudi-Arabien existieren, die der britischen und saudischen Regierung
garantieren, dass in Großbritannien endmontierte Eurofighter mit deutschen
Komponenten und Teilsystemen an Saudi-Arabien ausgeliefert werden dür-
fen (bitte mit Angabe der entsprechenden Passagen der Vereinbarung)?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass diese und ähnliche Verein-
barungen, die mit anderen Staaten getroffen wurden, im Widerspruch stehen

zu einer restriktiven Rüstungsexportpolitik, die den Export von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern nur im Ausnahmefall genehmigen sollte?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2483

10. Begrüßt die Bundesregierung das Zustandekommen dieses Geschäfts?

11. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, dass im Rahmen dieses
Rüstungsgeschäfts auch Fertigungsanlagen für den Eurofighter in Saudi-
Arabien aufgebaut werden sollen?

12. Unter welchen Bedingungen kann die Bundesregierung die Lieferung von
Ersatzteilen entweder über Großbritannien oder direkt nach Saudi-Arabien
nicht genehmigen?

13. Sieht die Bundesregierung im Erwerb von Eurofighter-Kampfflugzeugen
durch Saudi-Arabien einen Beitrag zur regionalen Stabilität im Nahen
Osten, und wenn ja, aus welchen Gründen?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Erwerb von Eurofighter-
Kampfflugzeugen durch Saudi-Arabien die internationalen Bemühungen
um Entspannung und regionale Abrüstung im Nahen Osten erschwert,
und wenn nicht, mit welcher Begründung?

15. Sieht die Bundesregierung angesichts der Vertragsunterzeichnung zwischen
der britischen Regierung und Saudi-Arabien Handlungsbedarf bei der
saudischen Regierung zur Verbesserung der Gewährleistung von Bürger-
und Menschenrechten für ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger?

16. Kann die Bundesregierung für die Zukunft ausschließen, dass die saudi-
sche Regierung die Eurofighter in bewaffneten Konflikten oder bei einem
Angriffskrieg einsetzen wird?

17. Beurteilt die Bundesregierung dieses Rüstungsgeschäft als im Einklang mit
den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Rüstungsexport
und dem Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren, und wenn ja, aus
welchen Gründen?

Berlin, den 28. August 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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