BT-Drucksache 16/2303

Deutscher Beitrag zur atomaren Abrüstung

Vom 25. Juli 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2303
16. Wahlperiode 25. 07. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke,
Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Deutscher Beitrag zur atomaren Abrüstung

Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA), Mo-
hamed ElBaradei, hat bei einer Konferenz der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands (SPD) am 26. Juni 2006 in Berlin gefordert, dass den Zielen der
nuklearen Nichtverbreitung und der nuklearen Abrüstung „gleiche und hohe
Priorität“ eingeräumt werden müsse. Dabei verwies der IAEA-Generaldirektor
nicht nur auf die „acht, neun Länder, die über Kernwaffen verfügen“, sondern
auch auf „das Konzept der nuklearen Abschreckung als Schlüssel für die Militär-
doktrin der NATO und anderer Militärbündnisse“. Es gäbe „damit 30 Länder, die
sich weiterhin auf die nukleare Abschreckung verlassen“ (www.spd.de).

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sprach sich bei derselben Veranstaltung dafür
aus, die deutschen Präsidentschaften innerhalb der Europäischen Union und der
G8 im Jahr 2007 dazu zu nutzen, das Thema Abrüstung auf die Tagesordnung zu
setzen. Er habe „kein Verständnis dafür, dass einzelne Staaten laut darüber nach-
denken, Atomwaffen taktisch und vermeintlich ‚begrenzt‘ einzusetzen.“ Der
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, vertrat in seinem
Redebeitrag bei der Konferenz die Auffassung, dass man „nicht einseitig nur die
Nichtverbreitung betonen und einfordern“ könne (www.spd.de).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass eine glaub-
würdige nukleare Nichtverbreitungspolitik nicht auf einseitigen Forderun-
gen an andere Staaten beruhen kann?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass auch
Deutschland mit konkreten Maßnahmen zur Abkehr von der nuklearen
Abschreckung beitragen kann?

c) Wenn ja, welche Maßnahmen könnten dies sein?

2. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, wonach die
nukleare Nichtverbreitungspolitik nicht nur von denjenigen Staaten ge-
fährdet wird, die im Besitz von Atomwaffen sind, sondern auch von den-

jenigen, deren Militärdoktrin das Konzept der nuklearen Abschreckung
einschließt (vgl. auch die Rede von IAEA-Generaldirektor Mohamed El-
Baradei am 26. Juni 2006 in Berlin)?

b) Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung der Fragesteller zu, wonach
die Bundesrepublik Deutschland zu den von IAEA-Generaldirektor
Mohamed ElBaradei genannten „30 Ländern“ gehört, „die sich weiterhin
auf die nukleare Abschreckung verlassen“?

Drucksache 16/2303 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Betrachtet die Bundesregierung bei potentiellen neuen Atomwaffenstaaten
die Produktion, Stationierung oder Lagerung von für den Atomwaffenein-
satz geeigneten Trägermitteln (Flugzeuge, Raketen etc.) als Element oder
mögliches Element der atomaren Bewaffnung jener Staaten?

4. Kann ein Staat, nach Auffassung der Bundesregierung, potentielle neue
Atomwaffenstaaten glaubwürdig von der Notwendigkeit atomarer Abrüs-
tung und dem Verzicht auf nukleare Abschreckung überzeugen, wenn die
nukleare Abschreckung Teil des eigenen Verteidigungskonzepts ist?

5. Kann ein Staat, nach Auffassung der Bundesregierung, potentielle neue
Atomwaffenstaaten glaubwürdig von der Notwendigkeit atomarer Abrüs-
tung und dem Verzicht auf nukleare Abschreckung überzeugen, wenn dieser
selbst die Lagerung von Atomwaffen auf seinem Territorium gestattet?

6. a) Von welchen Nicht-NATO-Staaten liegen der Bundesregierung Stellung-
nahmen vor, die darauf hindeuten, dass diese die Bereitstellung von Trä-
germitteln für den Atomwaffeneinsatz durch die Bundesrepublik nicht als
Beitrag zur atomaren Bewaffnung der NATO insgesamt oder einzelner
NATO-Staaten betrachten?

b) Welche Nicht-NATO-Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung
durch Stellungnahmen bei internationalen Konferenzen oder in anderer
Form Kritik an der so genannten nuklearen Teilhabe der NATO geäußert?

7. a) Hat die Bundesregierung Verständnis dafür, dass in einzelnen Staaten laut
darüber nachgedacht wird, Atomwaffen taktisch und vermeintlich be-
grenzt einzusetzen?

b) Wenn nein, wann und in welcher Form hat die Bundesregierung gegen-
über den betreffenden Staaten ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck
gebracht?

c) In welchen Staaten gibt es nach Informationen der Bundesregierung Be-
strebungen, Atomwaffen taktisch und vermeintlich begrenzt einzuset-
zen?

8. a) Hat die Bundesregierung Verständnis dafür, dass einzelne Staaten neue
Typen von Kernwaffen entwickeln?

b) Wenn nein, wann und in welcher Form hat die Bundesregierung gegen-
über den betreffenden Staaten ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck
gebracht?

c) In welchen Staaten, einschließlich der etablierten Kernwaffenstaaten,
gibt es nach Informationen der Bundesregierung Pläne für die Entwick-
lung neuer Atomwaffen?

9. a) Trägt nach Auffassung der Bundesregierung die Stationierung von US-
Atomwaffen in Deutschland zu der vom Bundesminister des Auswärtigen
Dr. Frank-Walter Steinmeier angemahnten Glaubwürdigkeit des Nicht-
verbreitungsvertrages bei (vgl. die Rede des Bundesministers Dr. Frank-
Walter Steinmeier am 26. Juni 2006 in Berlin)?

b) Trägt nach Auffassung der Bundesregierung die nukleare Teilhabe
Deutschlands zu der vom Bundesminister des Auswärtigen Dr. Frank-
Walter Steinmeier angemahnten Glaubwürdigkeit des Nichtverbreitungs-
vertrages bei?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2303

10. a) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Deutschland seine EU- und
G8-Präsidentschaften im Jahr 2007 dazu nutzen sollte, das Thema Abrüs-
tung auf die Tagesordnung dieser Foren zu setzen?

b) Wenn ja, welche Ziele und welche Maßnahmen zu deren Umsetzung ste-
hen bei der Vorbereitung der Präsidentschaften für die Bundesregierung
im Vordergrund?

Berlin, den 12. Juli 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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