BT-Drucksache 16/2217

Grünbuch Energie

Vom 13. Juli 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2217
16. Wahlperiode 13. 07. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Heike Hänsel, Dr. Barbara Höll
und der Fraktion DIE LINKE.

Grünbuch Energie

Derzeit wird in verschiedenen Gremien der Europäischen Union über die zu-
künftige Ausgestaltung der Energiepolitik in der EU beraten. Eine wichtige
Grundlage ist das Grünbuch „Eine Europäische Strategie für nachhaltige, wett-
bewerbsfähige und sichere Energie“ (KOM(2006) 105 endg.).

In dem Grünbuch wird die Verlagerung von Kompetenzen der einzelstaatlichen
Energiepolitik auf die Ebene der Europäischen Union eingefordert. Zu dieser
geplanten Kompetenzverlagerung gab es bereits kritische Stellungnahmen von
Seiten der Bundesregierung.

Obwohl lediglich acht von 25 Mitgliedstaaten in der Atomenergienutzung eine
Zukunft sehen, bereitet die EU-Kommission im Grünbuch eine Neubewertung
der Atomenergie vor, empfiehlt eine „transparente und objektive Debatte“ über
deren künftige Bedeutung und würdigt sie als „größte weitgehende CO2-freie
Energiequelle“.

Neben einer gemeinsamen Binnenmarktpolitik wird im Grünbuch auch eine ge-
meinsame Energie-Außenpolitik entworfen, deren Ziel unter anderem sein soll,
„die Bedingungen für europäische Unternehmen, die Zugang zu globalen Res-
sourcen haben wollen“, zu verbessern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gibt es Teilbereiche der Energiepolitik, in denen die Bundesregierung einer
Kompetenzverlagerung auf die Ebene der Europäischen Union zustimmen
würde, wenn ja, welche, und welchen konkreten Handlungsbedarf sieht die
Bundesregierung diesbezüglich?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Grünbuches, einen
europäischen Netzkodex zu erarbeiten und einen europäischen Netzregulie-
rer bzw. ein europäisches Zentrum für Energienetze einzurichten?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die im Grünbuch vertretene Auffassung,
dass Investitionen in die Infrastruktur öffentlich gefördert werden müssten,
insbesondere vor dem Hintergrund der Debatte um die Höhe von Netzzunut-
zungsgebühren und der Rekordgewinne der großen Stromkonzerne?
4. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des Grünbuches, dass die
EU im Rahmen der Vollendung der Binnenmärkte einen Anreizrahmen für
Neuinvestitionen schaffen sollte, oder ist sie der Ansicht, dass die Energie-
konzerne auch ohne einen solchen Anreizrahmen die ihren Vorstellungen
entsprechenden Investitionen tätigen?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

Drucksache 16/2217 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine nachhaltige Energiever-
sorgung nicht nur einer Reduktion des CO2-Ausstoßes bedarf, sondern
auch eine Reduktion der radioaktiven Belastung und Gefahren umfassen
muss, und wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Versuche der EU-
Kommission, die Atomenergienutzung neu zu bewerten?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission,
einen bestimmten Mindestanteil von „sicheren“ und „CO2-armen“ Ener-
giequellen am gesamten Energieträgermix in der EU vorzuschreiben, und
wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass eine derartige Festlegung
weder den Ausstieg aus der Atomenergienutzung behindert, noch gar die
Nutzung der Atomenergie fördert?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass im 7. Forschungsrah-
menprogramm der EU der finanzielle Förderanteil der nuklearen Ener-
gieforschung fast doppelt so hoch ist wie der Anteil für nichtnukleare
Energieforschung, und wie hoch sollte nach Einschätzung der Bundes-
regierung der Anteil für erneuerbare Energien am Gesamtetat sein (bitte in
Prozent und Euro)?

8. Wird die Bundesregierung Initiativen dahingehend ergreifen, dass die be-
vorzugte Förderung der Atomenergienutzung durch die Europäische Union
beendet und die Förderung regenerativer Energien entsprechend verstärkt
werden, und wenn ja, welche?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die im Grünbuch unterbreite-
ten Vorschläge der EU-Kommission für eine kohärente Energieaußenpoli-
tik eine Überbetonung der globalen Energiehandelsbeziehungen gegenüber
einer möglichen Strategie zur Förderung dezentraler Energieerzeugung er-
kennen lassen?

Wie begründet sie ihre Haltung?

10. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von dem im Grünbuch an-
gemahnten Frühwarnsystem zur schnellen Reaktion auf sich abzeichnende,
durch krisenhafte Situationen in Lieferländern verursachte Energieversor-
gungsprobleme, und welche konkreten Vorschläge will sie für die Ausge-
staltung eines solchen Mechanismus unterbreiten?

11. Kann die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ausschließen, dass
zur Sicherung des Energiebedarfs und des Energietransits im Rahmen einer
EU-Energieaußenpolitik auch militärische Mittel eingesetzt werden?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die im Grünbuch formulierte Absicht,
die WTO und andere handelspolitische Instrumente zu nutzen, um die
Ausbeute der Rohstoffreserven und den Energietransit zu forcieren und zu
sichern?

Welche konkreten Schritte sollen diesbezüglich nach Meinung der Bundes-
regierung unternommen werden, und welchen Einfluss hätten diese auf die
staatliche Souveränität und die politischen Handlungsmöglichkeiten von
Rohstoffförderländern und Energietransitländern?

13. Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierung von der Um-
setzung der im Grünbuch eingeforderten Integration energiepolitischer
Anliegen in die europäische Entwicklungszusammenarbeit, und welche
Initiativen sieht sie vor, um im Rahmen der europäischen Entwicklung und
Zusammenarbeit regenerative Energien und Mikroenergieerzeugung zu
fördern?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2217

14. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für die Europäische
Union, Bemühungen zu unterstützen, die darauf abzielen, die Verfügung
über die Energiequellen, Energieerzeugung und -distribution wieder stär-
ker unter demokratische Kontrolle zu stellen?

15. Welche Schwerpunkte will die Bundesregierung für die deutsche EU-Rats-
präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 für den Bereich Energiepolitik
setzen?

16. In welchem Rahmen werden diese Schwerpunkte vor der Übernahme der
Ratspräsidentschaft im Parlament und der Öffentlichkeit zur Diskussion
gestellt werden?

17. Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung im
Rahmen der Energie-Außenpolitik der EU und national, den Importanteil
von Erdgas, Mineralöl und Steinkohle bis zum Beginn der nächsten Heiz-
periode zu senken, und durch welche Maßnahmen sollen die Importquellen
bis dahin diversifiziert werden?

Berlin, den 11. Juli 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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