BT-Drucksache 16/2200

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: § 2 - Wahl des Präsidenten und der Stellvertreter

Vom 11. Juli 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2200
16. Wahlperiode 11. 07. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
hier: § 2 – Wahl des Präsidenten und der Stellvertreter

A. Problem

Bei der Wahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter des Bundestagspräsiden-
ten zu Beginn der 16. Wahlperiode haben sich Regelungslücken in § 2 GO-BT
gezeigt. So ist insbesondere ungeregelt, welche Mehrheit (qualifizierte oder ein-
fache) erforderlich ist, falls im dritten Wahlgang nur ein Bewerber antritt. Ebenso
ist ungeregelt, ob bei Erfolglosigkeit des einzigen Kandidaten in drei Wahlgän-
gen ein weiterer Wahlgang über denselben Bewerber durchgeführt werden kann,
aber auch, wie bei Nominierung eines anderen Kandidaten zu verfahren ist.
Schließlich erschien regelungswürdig, wiederholte Nominierungen desselben
Kandidaten zu begrenzen.

B. Lösung

In § 2 Abs. 2 wird für den dritten Wahlgang festgelegt, dass bei nur einem Bewer-
ber dieser die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichen muss, und klarge-
stellt, dass bei Stichentscheid zwischen zwei Bewerbern die relative Mehrheit er-
forderlich ist. Ein neuer Absatz 3 stellt klar, dass ein vierter oder weiterer Wahl-
gang mit einem bisher erfolglosen Bewerber nur nach Vereinbarung im
Ältestenrat stattfinden kann und dass die Nominierung eines anderen Kandidaten
wieder zum Neubeginn des Wahlverfahrens führt.

Einstimmige Annahme

C. Alternativen

Beibehaltung der bisherigen Rechtslage.

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/2200 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

§ 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), die zuletzt laut Bekanntma-
chung vom 28. Februar 2005 (BGBl. I S. 668) geändert worden ist, wird wie folgt
geändert:

1. Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundes-
tages erhält. Ergibt sich im ersten Wahlgang keine Mehrheit, so können für
einen zweiten Wahlgang neue Bewerber vorgeschlagen werden. Ergibt sich
auch dann keine Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages, fin-
det ein dritter Wahlgang statt. Bei nur einem Bewerber ist dieser gewählt,
wenn er die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt. Bei meh-
reren Bewerbern kommen die beiden Bewerber mit den höchsten Stimmen-
zahlen in die engere Wahl; gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich ver-
einigt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los durch die Hand des amtie-
renden Präsidenten.“

2. Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 neu angefügt:

„(3) Weitere Wahlgänge mit einem im dritten Wahlgang erfolglosen Be-
werber sind nur nach Vereinbarung im Ältestenrat zulässig. Werden nach er-
folglosem Ablauf des Verfahrens nach Absatz 2 neue Bewerber vorgeschla-
gen, ist neu in das Wahlverfahren gemäß Absatz 2 einzutreten.“

Berlin, den 30. Juni 2006

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Berlin, den 30. Juni 2006

Bernhard Kaster Christine Lambrecht Jörg van Essen
1. Beratungsanlass und Beratungsverfahren

Anlässlich der Wahlvorgänge zur Bestimmung eines Vize-
präsidenten auf Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. zu
Beginn der laufenden Wahlperiode haben sich die nachfol-
gend unter Nummer 2 dargestellten Regelungslücken in § 2
GO-BT gezeigt.

Nach Vorberatung auf Berichterstatterebene hat der Aus-
schuss in seiner 7. Sitzung in Geschäftsordnungsangelegen-
heiten am 1. Juni 2006 die in der obigen Beschlussempfeh-
lung wiedergegebene Änderung der Geschäftsordnung be-
schlossen. Die Beschlussempfehlung an das Plenum wurde
einstimmig bei Abwesenheit der Fraktion der FDP verab-
schiedet.

2. Vorschläge zur Änderung der Geschäftsordnung

a) Zum einen hat sich als ungeregelt erwiesen, welches
Mehrheitserfordernis (absolute oder einfache Mehrheit)
gilt, wenn in einem dritten Wahlgang nur ein einziger Be-
werber nominiert ist. § 2 Abs. 2 erfasst bisher nur das
Auftreten mehrerer Bewerber. Im dritten Wahlgang findet
demnach ein Stichentscheid über die zwei Bestplatzierten
des zweiten Wahlgangs statt. Ohne insoweit ausdrücklich
ein Mehrheitserfordernis festzulegen, bestimmt § 2 Abs. 2
Satz 3 GO-BT nur, dass bei Stimmengleichheit das Los
entscheidet. Dieser Stichentscheid und das Fehlen weite-
rer Festlegungen sprechen für das Erfordernis einer relati-
ven Mehrheit, während für den ersten und zweiten Wahl-
gang ausdrücklich die absolute Mehrheit gefordert wird.
In der Praxis ist vom Erfordernis einer relativen Mehrheit
in den beiden Fällen in der 2. und 3. Wahlperiode ausge-
gangen worden, in denen die Entscheidung erst im dritten
Wahlgang fiel. Ebenso ist in der konstituierenden Sitzung
der jetzigen Wahlperiode durch Interpretation des § 2 für
den dritten Wahlgang bei nur einem Bewerber nicht von
der Erforderlichkeit einer absoluten Mehrheit ausgegan-
gen worden.

Zum anderen wurde, ohne dass derartige Schritte in § 2
GO-BT vorgesehen waren, ein vierter Wahlgang mit
demselben Bewerber für zulässig erachtet und auch prak-
tiziert, wobei wiederum vom Erfordernis der einfachen
Mehrheit ausgegangen wurde. Nachdem der Bewerber
auch im vierten Wahlgang erfolglos blieb, wurde nach
Nominierung einer anderen Bewerberin mit dem gesam-
ten Wahlvorgang erneut begonnen und das Erreichen der
absoluten Mehrheit vorausgesetzt.

an dessen Grundkonzeption fest. Weiterhin soll das Erfor-
dernis einer qualifizierten Mehrheit nur für den ersten und
zweiten Wahlgang gelten. Ein dritter Wahlgang wird so-
dann für beide denkbare Fallgestaltungen ausgestaltet,
auch wenn angesichts des Grundmandatsanspruchs in
Absatz 1 Satz 2, wonach jede Fraktion durch mindestens
eine(n) Vizepräsidentin/Vizepräsidenten im Präsidium ver-
treten ist, im Regelfall nur mit einem Bewerber zu rechnen
sein wird. Bei nur einem Bewerber wird eine Mehrheit der
abgegebenen Stimmen künftig ausdrücklich vorausge-
setzt. Gewählt ist demnach, wer mehr Ja- als Nein-Stim-
men erhält, wobei Stimmenthaltungen unberücksichtigt
bleiben. Für den weiterhin nicht auszuschließenden Fall
von zwei Bewerbern im dritten Wahlgang wird sodann
klargestellt, dass gewählt ist, wer die meisten Stimmen,
d. h. mehr als der Mitbewerber, auf sich vereinigt.

In einem neuen Absatz 3 soll ein vierter oder weiterer
Wahlgang mit einem bisher erfolglosen Bewerber von
einer Vereinbarung im Ältestenrat abhängig gemacht
werden, um zu verhindern, dass ein absehbar oder höchst-
wahrscheinlich erfolgloser Vorgang mehrfach wiederholt
wird. Eine derartige Voraussetzung kollidiert nicht mit
einem Grundmandatsanspruch der vorschlagenden Frak-
tion. Diese besitzt weder ein Benennungsrecht noch einen
Anspruch darauf, dass ihrem Vorschlag in geheimer Wahl
entsprochen wird. Selbst wenn geltend gemacht würde,
dass ein Vorschlag, der als solcher allen Anforderungen
an die zu besetzende Stelle gerecht wird, aus sachwidri-
gen Erwägungen abgelehnt worden sei, ließe sich ein
Konflikt zwischen dem Vorschlagsrecht und der freien
Entscheidung der Abgeordneten in geheimer Wahl nicht
verfahrensmäßig auflösen. Die mögliche Befassung des
Ältestenrates bietet zudem eine Chance zur Verständi-
gung. Auch ein Recht des Abgeordneten und der Fraktio-
nen aus Artikel 38 GG, sich an parlamentarischen Wahlen
zu beteiligen und Kandidaten vorzuschlagen, kann keinen
Anspruch auf unbegrenzte Wiederholung umfassen.

Schließlich wird im neuen Absatz 3 klargestellt, dass eine
Fortsetzung des bisher erfolglosen Wahlvorgangs mit
weiteren Wahlgängen aber nicht in Betracht kommt,
wenn neue Bewerber nominiert werden. In diesem Fall ist
mit dem Wahlverfahren neu zu beginnen. Damit sollen
eine Besserstellung gegenüber anderen Bewerbern ver-
mieden und auch diese Kandidatur – wie beim ausdrück-
lich zugelassenen Neuvorschlag im zweiten Wahlgang –
an der Hürde der absoluten Mehrheit gemessen werden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2200

Bericht der Abgeordneten Bernhard Kaster, Christine Lambrecht,
Jörg van Essen, Dr. Dagmar Enkelmann und Volker Beck (Köln)

b) Die vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 GO-BT hält
Berichterstatter Berichterstatterin Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

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