BT-Drucksache 16/2027

Verhandlungsstand über ein Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpaket

Vom 27. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2027
16. Wahlperiode 27. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verhandlungsstand über ein Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpakt

Bereits die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 nimmt in den
Artikeln 23 bis 27 auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
(wsk-Rechte) Bezug. 1966 schufen die Vereinten Nationen mit dem Internatio-
nalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (VN-Sozialpakt)
das universelle Menschenrechtsinstrument für wsk-Rechte, dem bis heute 153
Paktstaaten angehören.

Die Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte 1993 hat erklärt, dass wsk-
Rechte untrennbarer und gleichrangiger Teil der allgemeinen Menschenrechte
sind und in einem unauflöslichen Zusammenhang mit den bürgerlichen und po-
litischen Rechten stehen. Das Prinzip der Unteilbarkeit ist heute ein von allen
Staaten anerkannter Grundsatz.

Seit Beginn der 90er Jahre wird zur Stärkung der wsk-Rechte über die Einrich-
tung eines Individualbeschwerdeverfahrens verhandelt, das durch ein Zusatz-
protokoll zum VN-Sozialpakt eingerichtet werden soll.

Bereits 1993 stellte der VN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte (VN-Sozialpaktausschuss) auf seiner 7. Tagung die Notwendigkeit eines
Fakultativprotokolls fest und legte der Wiener Weltkonferenz für Menschen-
rechte 1993 eine entsprechende Empfehlung vor. Auf der 15. Tagung des
VN-Sozialpaktausschusses 1997 stellte dieser einen eigenen Entwurf zu einem
Fakultativprotokoll vor, der den Paktstaaten mit der Bitte um Stellungnahme
übersandt wurde.

Die Notwendigkeit eines Individualbeschwerdeverfahrens begründet der VN-
Sozialpaktausschuss mit der erforderlichen Gleichstellung von wsk-Rechten mit
bürgerlichen und politischen Rechten sowie damit, dass die einzelfallbezogene
Spruchpraxis die inhaltliche Konkretisierung der wsk-Rechte und damit das
allgemeine Verständnis über den VN-Sozialpakt befördern werde.

Darüber hinaus hat die Rechtsprechung in den nationalen Rechtsordnungen, wie
z. B. in Südafrika und Indien, gezeigt, dass die Einklagbarkeit von wsk-Rechten
die Rechtsposition der betroffenen Personen wesentlich gestärkt und die natio-
nalen Prozesse zur Verwirklichung der sozialen Menschenrechte anstößt bezie-

hungsweise konstruktiv unterstützt. Diese Funktion hätte auch ein Beschwerde-
verfahren auf der internationalen Ebene.

Die VN-Menschenrechtskommission (MRK) setzte auf ihrer 59. Tagung 2002
eine Arbeitsgruppe (VN-Arbeitsgruppe) ein, die die Frage nach einem Fakulta-
tivprotokoll zum VN-Sozialpakt untersuchen und offene Fragen klären sollte.
Deren Mandat wurde auf der 60. Tagung der MRK bis 2006 verlängert und endet

Drucksache 16/2027 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
nach der pauschalen Mandatsverlängerung durch die MRK nunmehr im Jahr
2007. Im Anschluss an die mehrjährige Vertiefung und hinreichende Klärung
offener Fragen hat sich die große Mehrheit der Staaten auf der letzten Sitzung
der VN-Arbeitsgruppe im Januar 2006 dafür ausgesprochen, mit den Entwurfs-
arbeiten zu einem Zusatzprotokoll zu beginnen.

Die Bundesregierung hat seit 1998 den Diskussionsprozess um das Zusatzpro-
tokoll zum VN-Sozialpakt konstruktiv begleitet. 1998 äußerte sie sich positiv zu
dem Ansatz eines Individualbeschwerdeverfahrens, weil es grundsätzlich dazu
geeignet sei, Rechtsstellung und Rechtsbewusstsein der Betroffenen zu stärken.
Auch im Aktionsprogramm 2015 zur Armutsbekämpfung aus dem Jahr 2002
erklärte die Bundesregierung, dass eine Klärung offener Fragen „im Hinblick
auf einen funktionierenden Beschwerdemechanismus zügig vorangetrieben
werden“ soll.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Bundesregierung nach wie vor der Auffassung, dass die Einrichtung
eines Individualbeschwerdeverfahrens zum VN-Sozialpakt durch ein Fakul-
tativprotokoll die Durchsetzung der wsk-Rechte stärken und verbessern
könnte?

2. Wann und in welcher Form wird sich nach Kenntnis der Bundesregierung der
neue Menschenrechtsrat der VN mit den bisherigen Ergebnissen aus der VN-
Arbeitsgruppe zu einem Fakultativprotokoll befassen?

3. Über welche konkreten Schritte wird der VN-Menschenrechtsrat nach
Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich der Erarbeitung eines Fakultativ-
protokolls zu entscheiden haben?

4. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, das Mandat der bestehenden
VN-Arbeitsgruppe dahingehend zu erweitern, dass sie damit beauftragt wird,
ein Zusatzprotokoll für ein Individualbeschwerdeverfahren zu entwerfen?

a) Wenn ja, wie setzt sie sich dafür konkret ein?

b) Wenn nein, welches sind nach Haltung der Bundesregierung die offenen
Fragen, die vor der Erarbeitung eines Textentwurfs geklärt werden müs-
sen, und wie treibt die Bundesregierung eine solche Klärung voran?

Berlin, den 26. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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