BT-Drucksache 16/1833

Berufsberatung jugendlicher Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Vom 14. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1833
16. Wahlperiode 14. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Kornelia Möller, Dr. Petra Sitte, Volker
Schneider (Saarbrücken), Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion
DIE LINKE.

Berufsberatung jugendlicher Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Berufsberatung sowie Schullaufbahnberatung sind Teil des Bildungsauftrags
des Staates. Allen Kindern und Jugendlichen gleich welcher Herkunft sollten
solche Beratungsangebote in gleich hoher Qualität zur Verfügung stehen. Gera-
de Kinder und Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Familien sind stärker
auf ein gutes Beratungsangebot und gut ausgebildete Beraterinnen und Berater
angewiesen.

Bereits im Jahr 2005 haben sich Bundesrat und Bundestag mit der Frage be-
schäftigt, in welcher Hand die Kompetenz für die Berufsberatung Jugendlicher
bzw. von Schülerinnen und Schülern liegt, die unter das SGB II fallen. So kam
auf Bundesratsinitiative ein Antrag zustande, nach dem diese Kompetenz aus-
schließlich der Bundesagentur für Arbeit (BA) obliegen sollte („Entwurf eines
Gesetzes zur Optimierung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II – Op-
timierungsgesetz)“, Bundestagsdrucksache 15/5908 vom 12. Juli 2005). Der
Antrag wurde jedoch nicht weiter behandelt. Somit gelten weiterhin § 16 Abs. 1
Satz 1 SGB II, die §§ 22, 29 sowie 33 SGB III, wonach die Jobcenter in den op-
tierenden Kommunen für die Berufsberatung zuständig sind, wenn Empfänger
von Leistungen des SGB II betroffen sind, d. h. wenn Kinder und Jugendliche in
Bedarfsgemeinschaften leben; im Übrigen ist die Agentur für Arbeit zuständig.
Der Entwurf wurde jedoch nach der Sommerpause sowie in der 16. Wahlperiode
nicht weiter verfolgt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum hat die Bundesregierung die Änderungen v. a. des § 16 Abs. 1 Satz 1
SGB II gemäß Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 15/5908) in der
16. Wahlperiode nicht wieder in den Deutschen Bundestag eingebracht?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Änderungen am § 16 Abs. 1 Satz 1
SGB II noch vorzunehmen?
3. Wie viele Fälle seit Juli 2005 sind der Bundesregierung bekannt, in denen Ar-
beitsagenturen die Beratung von Kindern und Jugendlichen aus Bedarfsge-
meinschaften abgelehnt haben bzw. diese Gruppe darauf hingewiesen haben,
dass sie nicht von der BA, sondern im Jobcenter beraten werden?

Wie viele Fälle sind bekannt, wo eine getrennte Beratung tatsächlich umge-
setzt wurde und Jugendliche aus der BA-Beratung verwiesen wurden?

Drucksache 16/1833 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Welche Direktiven hat die Bundesregierung diesbezüglich an die BA ausge-
geben und wie wurden diese umgesetzt?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der bestehenden
Stigmatisierung auf Grund getrennter Berufsberatungen für die Kinder und
Jugendlichen aus Bedarfsgemeinschaften?

6. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung unternehmen, um die mit
der bisherigen rechtlichen Regelung und Praxis der Berufsberatung verbun-
dene Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen aus Bedarfsgemein-
schaften zu verhindern bzw. abzumildern, solange oder falls keine gesetz-
liche Änderung vorgenommen wird?

7. Sieht die Bundesregierung neben der noch bestehenden Berufsberatungs-
regelung weitere Bereiche, in denen Kinder und Jugendliche aus Bedarfs-
gemeinschaften auf Grund des ALG-II-Bezugs ihrer Sorgeberechtigten
stigmatisiert werden, etwa weil sie anderweitig gezwungen werden zu
offenbaren, dass sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben?

8. Welche sonstigen Änderungen im SGB II und/oder SGB III plant die Bun-
desregierung vorzunehmen, um der vom ALG-II-Bezug durch Sorgebe-
rechtigte ausgehenden Stigmatisierung entgegenzuwirken?

9. Wie schätzt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass die Beraterin-
nen und Berater der Jobcenter oftmals über eine wesentlich kürzere Aus-
bildung und Beratungserfahrung verfügen als Beraterinnen und Berater der
BA, die Qualität der Beratung, die den Kindern und Jugendlichen aus
Bedarfsgemeinschaften in Jobcentern angeboten wird, im Vergleich zur
Beratung der BA ein?

10. Liegen der Bunderegierung Evaluationserkenntnisse zur Qualität der Bera-
tung in Arbeitsagenturen und Jobcentern vor und falls nein, sind diesbezüg-
lich Evaluationen geplant?

11. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um ein ver-
gleichbares Qualitätsniveau möglichst aller in der Berufsberatung tätigen
Beraterinnen und Berater zu schaffen, obwohl in den Optionskommunen die
Trägerschaft der Berufsberatung vollständig von der BA bzw. dem Bund
abgekoppelt ist?

Wie gedenkt sie diesbezüglich mit den Beraterinnen und Beratern der Job-
center der Nichtoptionskommunen umzugehen?

12. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass
der Kompetenzstreit von BA und kommunalen Trägern um die Berufsbera-
tung zu Stigmatisierungen von Kindern und Jugendlichen geführt hat, die
Etablierung dieses Wettbewerbssystems in der Arbeitsmarktpolitik?

13. Welche Auswirkungen wird nach Ansicht der Bundesregierung die noch
existente unterschiedliche Beratung auf die schulische und berufliche Lauf-
bahn der Kinder und Jugendlichen aus Bedarfsgemeinschaften haben?

Berlin, den 14. Juni 2006

Cornelia Hirsch
Kornelia Möller
Dr. Petra Sitte
Volker Schneider (Saarbrücken)
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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