BT-Drucksache 16/1816

Bildungspolitische Auswirkungen der geplanten Kindergeldbefristung auf 25 Jahre

Vom 14. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1816
16. Wahlperiode 14. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Kornelia Möller, Diana Golze, Jörn Wunderlich,
Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.

Bildungspolitische Auswirkungen der geplanten Kindergeldbefristung auf 25 Jahre

Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2007 ist eine Absenkung der Alters-
grenze beim Kindergeld von derzeit 27 auf 25 Jahre vorgesehen. Diese Maß-
nahme wird Auswirkungen auf die finanzielle Situation von Studierenden
haben. Angesichts der ohnehin prekären finanziellen Situation von vielen Stu-
dierenden und der zusätzlich belastenden Einführung von Studiengebühren,
wie sie derzeit in zahlreichen Ländern geschieht, befürchten wir, dass eine
Absenkung der Altersgrenze zu zusätzlichen Belastungen führt und eine deut-
liche studienzeitverlängernde Wirkung hat. Weiter droht diese Maßnahme, die
soziale Selektivität im Bildungssystem weiter zu verschärfen.

Bereits im November 2005 wurde im Deutschen Bundestag nach dem Stand der
Planungen gefragt (Bundestagsdrucksache 16/158, S. 18); hier verwies die Bun-
desregierung jedoch ohne weitere Angaben lediglich auf den laufenden Pla-
nungsprozess. Im „Nationalen Reformprogramm Deutschland“ (Bundestags-
drucksache 16/313) wurde keinerlei Aussage zu diesem Komplex getätigt. Auch
eine Antwort auf eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/642) im Feb-
ruar 2006 hat die Bundesregierung mit dem Verweis auf den noch laufenden
Diskussionsprozess verweigert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viele Familien mit Kindern werden in welcher Höhe von der Kinder-
geldkürzung betroffen sein (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

b) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die finanziellen Aus-
wirkungen für diese Familien bzw. Einzelpersonen zumindest teilweise zu
kompensieren?

2. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkung der Kindergeldkür-
zung auf die soziale Selektivität des Bildungssystems?

b) Wie will die Bundesregierung ihr Ziel der Chancengleichheit, das sie unter
anderem in ihrem Nationalen Reformprogramm Deutschland (Bundes-

tagsdrucksache 16/313, S. 6, Abschnitt C) genannt hat, trotz der zu be-
fürchtenden Verschärfung der sozialen Selektivität durch die Kindergeld-
kürzung erreichen?

3. a) Wie viele Familien mit Kindern bzw. Einzelpersonen werden durch die
Kindergeldbefristung in welcher Höhe von dem Wegfall von weiteren
Unterstützungsleistungen, die an den Kindergeldanspruch gekoppelt sind
(Bezug von Waisen- und Halbwaisenrente, Anspruch auf Steuerklasse II

Drucksache 16/1816 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bei Alleinerziehenden, Anspruch auf Kinderzulagen im Besoldungsrecht
und im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes, Anspruch auf Beihilfe bei Be-
amtinnen und Beamten etc.) betroffen sein (bitte aufgeschlüsselt nach den
einzelnen Leistungen)?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen auf die Möglichkei-
ten zur Bildungsbeteiligung von Kindern aus Familien, die über diesen
Wegfall der an den Kindergeldanspruch gekoppelten Leistungen von der
geplanten Befristung besonders betroffen sind?

c) Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen für Alleinerziehen-
de – auch vor dem Hintergrund der Geschlechtergerechtigkeit, da Allein-
erziehende zum größten Anteil Frauen sind?

d) Welche Kompensationsmaßnahmen sind bezüglich des Wegfalls dieser
weiteren an das Kindergeld gekoppelten Unterstützungs- und Transfer-
leistungen geplant, um negative Auswirkungen auf Chancengleichheit im
Bildungssystem und Geschlechtergerechtigkeit zu vermeiden?

4. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkung der Kürzung auf die
Studierendenquote?

b) Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung einer negativen Aus-
wirkung auf die Studierendenquote entgegenwirken?

c) Wie bewertet die Bundesregierung Auswirkungen der zusätzlichen Belas-
tung durch den Wegfall des Kindergelds und der Einführung von Studien-
gebühren auf die Chancen von Menschen aus sozial schwächer gestellten
Familien, ein Studium aufzunehmen und erfolgreich abzuschließen?

5. a) Welche Erkenntnisse und/oder wissenschaftlich fundierte Prognosen über
die Auswirkungen der Kindergeldkürzung für die Bildungsbeteiligung
von Menschen, die eher ungerade Bildungsbiographien aufweisen, also
etwa den zweiten Bildungsweg wählen, zunächst eine Ausbildung machen
oder aber auf Grund von Wartesemester längere Zeit auf den gewählten
Studiengang warten müssen, liegen der Bundesregierung vor?

b) Wie bewertet die Bundesregierung diese Auswirkungen?

c) Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um negativen Auswirkungen für
diese Gruppe entgegenzuwirken?

d) Wie will die Bundesregierung vor diesem Hintergrund ihr anvisiertes Ziel
der Öffnung der Hochschulen für Menschen des zweiten Bildungswegs
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/313, S. 8, LL24 ) realisieren?

6. a) Wie hoch ist die Anzahl von Studierenden aus Beamtenfamilien, die sich
im Vertrauen auf ihre Beihilfeberechtigung von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Krankenversicherung haben befreien lassen und nun
mit der Kindergeldkürzung bereits ab dem 25. Lebensjahr den vollen Bei-
trag zur privaten Krankenversicherung bezahlen müssen (bitte nach Bun-
desländern aufschlüsseln)?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die zu erwartende höhere finanzielle
Belastung dieser Gruppe?

c) Welche Kompensationsmaßnahmen und/oder Übergangsregelungen sind
geplant?

7. a) Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass die Finan-
zierung der Ausbildung weitgehend den Eltern überlassen ist, aber sich
die wenigsten Studiengänge und Ausbildungen vor dem 25. Lebensjahr
abschließen lassen, ihren verfassungsmäßigen Auftrag des besonderen

Schutzes von Familien?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1816

b) Wie steht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang zu Überlegun-
gen, die Bildungsfinanzierung im tertiären Sektor komplett elternunab-
hängig zu gestalten?

Berlin, den 14. Juni 2006

Cornelia Hirsch
Kornelia Möller
Diana Golze
Jörn Wunderlich
Dr. Petra Sitte
Volker Schneider (Saarbrücken)
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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