BT-Drucksache 16/1800

zu 62 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen

Vom 22. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1800
16. Wahlperiode 22. 06. 2006

Deutscher Bundestag Drucksache 16/1800
16. Wahlperiode 22. 06. 2006

Zweite Beschlussempfehlung und Bericht
des Wahlprüfungsausschusses

zu 62 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
eingegangenen Wahleinsprüchen

A. Problem

Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Wahlprüfung
Sache des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschlussempfehlun-
gen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche zur Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag zu entscheiden. Insgesamt sind 195 Wahlein-
sprüche eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten Entscheidun-
gen behandeln 62 Einsprüche. Weitere Beschlussempfehlungen zu den übrigen
Einsprüchen werden jeweils nach Abschluss der Beratungen im Wahlprüfungs-
ausschuss vorgelegt.

Darüber hinaus ist es ständige Praxis des Deutschen Bundestages, auf der
Grundlage der im Rahmen der Wahlprüfung gemachten Erfahrungen die Bun-
desregierung um Prüfung zu bitten, ob und ggf. durch welche Maßnahmen das
geltende Wahlrecht oder seine Anwendung verbessert werden könnte.

B. Lösung

– Zurückweisung von 62 Wahleinsprüchen ohne mündliche Verhandlung
wegen offensichtlicher Unbegründetheit (§ 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG) oder
wegen Unzulässigkeit (§ 6 Abs. 1a Nr. 1 und 2 WPrüfG) – vgl. Nummer 1
der Beschlussempfehlung;

– Bitte an die Bundesregierung um Prüfung bestimmter Wahlvorschriften bzw.
Verfahrensweisen – vgl. Nummer 2 der Beschlussempfehlung.

Offensichtlich unbegründet sind Einsprüche,

a) die einen Sachverhalt vortragen, der einen Fehler bei der Vorbereitung und
Durchführung der Wahl nicht erkennen lässt;

b) die sich auf die Behauptung der Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschrif-
ten stützen (nach ständiger Praxis des Deutschen Bundestages in Wahlprü-
fungsangelegenheiten bleibt die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit

dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten);

c) die mangels ausreichender Angabe von Tatsachen nicht erkennen lassen, auf
welchen Tatbestand der Einspruch gestützt wird;

d) die sich auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung oder Durchführung
der Wahl stützen, ohne dass diese Mängel aber einen Einfluss auf die Man-
datsverteilung haben können.

Drucksache 16/1800 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine hinsichtlich der Ergebnisse der Entscheidungen.

Der Wahlprüfungsausschuss ist entsprechend seinem Selbstverständnis und
seiner ständigen Praxis allen behaupteten Wahlmängeln nachgegangen, auch
wenn sie keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung im 16. Deutschen Bundes-
tag hatten. Diese Art der Behandlung soll dafür Sorge tragen, dass sich fest-
gestellte Wahlmängel bei künftigen Wahlen möglichst nicht wiederholen.

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1800

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. die aus den Anlagen 1 bis 62 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahl-
einsprüchen anzunehmen,

2. die Bundesregierung um Prüfung zu bitten,

– ob durch geeignete Maßnahmen – etwa durch einen Beitritt zum CIEC-
Übereinkommen Nr. 8 vom 10. September 1964, den Abschluss sonstiger
zum Austausch von Einbürgerungsmitteilungen verpflichtender völker-
rechtlicher Verträge oder die Einführung einer Mitteilungspflicht für Deut-
sche, die eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen haben –
sichergestellt werden kann, dass keine Personen an Bundestagswahlen teil-
nehmen, die gemäß § 25 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes durch Er-
langung einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsan-
gehörigkeit und damit das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag verloren
haben;

– ob § 30 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG), § 45 Abs. 1 der Bundes-
wahlordnung (BWO) dahin gehend zu ändern sind, dass aus den
Angaben auf dem Stimmzettel auch das Geschlecht der Wahlbewerber
eindeutig erkennbar wird;

– ob durch geeignete Maßnahmen, insbesondere Informationskampagnen,
der unter den Wählerinnen und Wählern weit verbreiteten Unsicherheit
über den konkreten Wahlvorgang, insbesondere über den Umgang mit
Wahlschein und Wahlbrief bei der Urnenwahl, entgegengewirkt werden
kann;

– ob durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der Vorgaben des § 32
Abs. 1 BWG, insbesondere des Verbots der Wahlwerbung unmittelbar
vor dem Zugang zum Wahlraum, besser sichergestellt werden kann.

Berlin, den 22. Juni 2006

Der Wahlprüfungsausschuss

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender und Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Carl-Christian Dressel
Stellv. Vorsitzender und Berichterstatter

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Ulrich Maurer
Berichterstatter

Petra Merkel (Berlin)
Berichterstatterin

Silke Stokar von Neuforn
Berichterstatterin

allein auf die Angaben der potentiell für eine türkische künftigen Wahlen noch sorgfältiger auf die Einhaltung
Einbürgerung in Frage kommenden Personen angewie-
sen sind, ist zum einen an die Einführung einer eigens
die Einbürgerung durch einen anderen Staat betreffen-

dieser Vorgaben zu achten und insbesondere sicherzu-
stellen ist, dass Werbung auf dem befriedeten Gelände
des Wahllokals grundsätzlich unterbleibt.
Drucksache 16/1800 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Thomas Strobl (Heilbronn)

1. In der ersten Beschlussempfehlung zu den Einsprüchen
gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl 2005 (Bundes-
tagsdrucksache 16/900) hat der Wahlprüfungsausschuss
Entscheidungen zu 51 Einsprüchen vorgelegt. Das Ple-
num hat am 30. März 2006 die Beschlussempfehlung an-
genommen (Plenarprotokoll 16/29, S. 2370). Die vor-
liegende Beschlussempfehlung enthält Entscheidungen
zu 62 weiteren Wahleinsprüchen. Obwohl der Wahl-
prüfungsausschuss in allen Fällen empfohlen hat bzw.
empfiehlt, den Wahleinspruch – in der Regel wegen
offensichtlicher Unbegründetheit – zurückzuweisen, ha-
ben einige Wahleinsprüche mögliche Defizite des gel-
tenden Wahlrechts bzw. seiner Anwendung aufgezeigt.
Diese sind Anlass für die in dieser Beschlussempfehlung
enthaltenen Prüfbitten an die Bundesregierung.

2. Die erste Prüfbitte geht auf drei Einsprüche (WP 08/05,
WP 102/05, WP 143/05, vgl. Anlagen 26, 27, 28 dieser
Drucksache) zurück, die sich auf die Behauptung stüt-
zen, dass in großer Zahl Personen an der Wahl teil-
genommen hätten, die zum Zeitpunkt der Stimmabgabe
nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit
und damit des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag ge-
wesen seien. Hintergrund ist, dass nach § 25 Abs. 1 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes in seiner seit dem 1. Januar
2000 geltenden Fassung die deutsche Staatsangehörig-
keit grundsätzlich verliert, wer auf seinen Antrag eine
ausländische Staatsangehörigkeit erwirbt – und zwar
ohne dass es hierzu eines weiteren Aktes einer deutschen
Behörde bedarf und unabhängig davon, ob der Betref-
fende im Inland seinen regelmäßigen Aufenthalt hat.
Nach einer Mitteilung der türkischen Regierung, die
allerdings die Identität der betroffenen Personen nicht
preisgibt, sollen seit dem Jahre 2000 ca. 50000 türkisch-
stämmige Deutsche wieder die türkische Staatsangehö-
rigkeit erworben haben.

Diese Einsprüche können zwar nicht zur Ungültigkeit
der Wahl führen. Denn aus den vorgetragenen und ermit-
telbaren Tatsachen ergibt sich lediglich die Möglichkeit
des behaupteten Geschehens – die Stimmabgabe nicht
mehr wahlberechtigter Personen –, nicht hingegen, dass
sich diese Möglichkeit auch tatsächlich realisiert hat.
Die bloße Möglichkeit eines Wahlfehlers kann aber nicht
zu einer erfolgreichen Anfechtung der Wahl führen.

Gleichwohl wäre es aus Sicht des Wahlprüfungsaus-
schusses wünschenswert, wenn diese Möglichkeit, mag
sie als solche auch noch nicht zur Ungültigkeit der Wahl
führen, für künftige Wahlen weitestgehend ausgeschlos-
sen werden könnte. Da die türkischen Behörden bislang
nicht mitteilen, welche konkreten Personen die türkische
Staatsangehörigkeit wieder erlangt haben, und die deut-
schen Melde- und Wahlbehörden aus diesem Grunde

Bundesregierung, von der türkischen Seite detailliertere
Informationen über von der Türkei vorgenommene
Einbürgerungen deutscher Staatsangehöriger zu erhal-
ten, fortgesetzt werden. In diesem Zusammenhang stellt
sich auch die Frage, weshalb die Bundesrepublik
Deutschland nicht dem Abkommen Nr. 8 der Commis-
sion Internationale de l‘Etat Civil (CIEC) vom 10. Sep-
tember 1964, das die Türkei zum Austausch von Einbür-
gerungsmitteilungen verpflichtet, beitritt.

3. Die zweite Prüfbitte geht auf die Beratung des Einspruchs
WP 27/05 (Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 24)
zurück. Der Einspruchsführer hatte moniert, dass die auf
den Stimmzetteln aufgeführten Kandidaten ohne Anrede
aufgeführt werden. Der Einspruch wurde als offensicht-
lich unbegründet zurückgewiesen, weil das geltende
Wahlrecht die Angabe der Familien- und Vornamen der
Bewerber fordere, nicht aber eine besondere Anrede.

Er gab jedoch Anstoß zu der Überlegung, dass der Vor-
name des Bewerbers in einigen Fällen nicht hinreichend
sicher Auskunft über das Geschlecht des Bewerbers ge-
ben könnte, dies aber im Interesse einer besseren Infor-
mation der Wählerinnen und Wähler wünschenswert er-
scheine.

4. Der dritten Prüfbitte liegt der Einspruch WP 42/05 (An-
lage 33 dieser Drucksache) zugrunde. Ein Wähler, der
Briefwahlunterlagen beantragt hatte, aber dann doch im
Wahllokal wählen wollte, empfand es als für ihn nicht
nachvollziehbare Schikane, dass er hierzu seinen Wahl-
schein (den er zunächst nicht dabei hatte) vorlegen und
einen neuen Stimmzettel ausfüllen musste anstatt ein-
fach seinen Wahlbrief mit dem bereits ausgefüllten
Stimmzettel abgeben zu können. Für den Wahlprüfungs-
ausschuss zeigt dies, dass die Unkenntnis und Unsicher-
heit über den Wahlvorgang und den Umgang mit Wahl-
schein und Wahlbrief nach wie vor noch sehr verbreitet
sind. Um Zurückweisungen von Wählerinnen und Wäh-
lern bei der Stimmabgabe zu vermeiden und auch um
Politikverdrossenheit vorzubeugen, ist daher zu überle-
gen, wie die Information über den konkreten Wahlvor-
gang verbessert werden kann.

5. Die vierte Prüfbitte geht auf die Einsprüche WP 32/05,
40/05 und insbesondere 166/05 zurück (vgl. Anlagen 29,
30 und 31 dieser Drucksache). Die Fälle betreffen das
Aufstellen von Wahlplakaten in der Umgebung von
Wahllokalen sowie den Einsatz eines Kleinbusses mit
Wahlwerbung zum Transport älterer und behinderter
Wählerinnen und Wähler zum Wahllokal. In keinem die-
ser Fälle konnte ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 32
Abs. 1 BWG mit der im Wahlprüfungsverfahren erfor-
derlichen Sicherheit festgestellt werden. Nach Ansicht
des Wahlprüfungsausschusses zeigen sie aber, dass bei
den Mitteilungspflicht des Betroffenen zu denken. Zum
anderen sollten die bislang erfolglosen Bemühungen der

6. Die zahlreichen die Nachwahl in Dresden (vgl. WP 09/05,
Anlage 1 dieser Drucksache) und die Dortmunder Brief-

Berlin, den 22. Juni 2006

Thomas Strobl (Heilbronn)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1800

wahl (vgl. WP 93/05, Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 1) betreffenden Einsprüche haben weiteren Prü-
fungsbedarf in Bezug auf Änderungen des geltenden
Wahlrechts aufgezeigt. Da insoweit aber bereits der
Bundesrat in einer Entschließung die Bundesregierung
zur Prüfung aufgefordert (vgl. Bundesratsdrucksache
789/1/05, Bundesratsplenarprotokoll, 819. Sitzung, S. 5
[C]) und im Hinblick auf das Nachwahlproblem sogar
einen Gesetzentwurf eingebracht hat (vgl. Bundestags-
drucksache 16/1036), sieht der Wahlprüfungsausschuss
davon ab, eigene Prüfbitten zu formulieren, bevor ein Er-
gebnis zur Bundesratsinitiative vorliegt bzw. der Gesetz-
entwurf des Bundesrates beraten wird.

a) Die Nachwahl in Dresden eröffnete den Wählern
des betroffenen Wahlkreises die Möglichkeit, ihre
Stimme in Kenntnis des Abstimmungsergebnisses im
übrigen Wahlgebiet abzugeben. Damit stellt sich die
Frage, ob und ggf. wie Nachwahlen als Folge des
Todes eines Wahlkreisbewerbers vermieden werden
sollten. Der vom Bundesrat insoweit eingebrachte,
aber noch nicht in erster Lesung beratene Gesetz-
entwurf sieht – unter ausführlicher Darstellung mög-
licher Altenativen – vor, den Wahlvorschlagsträgern
anheim zu stellen, einen Ersatzbewerber zu benennen
mit der Folge, dass todesfallbedingte Nachwahlen
nur noch stattfinden, wenn Wahlkreisbewerber und
Ersatzperson nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags aber noch vor der Wahl sterben.

b) Bei der Versendung der Briefwahlunterlagen der bei-
den Dortmunder Wahlkreise wurden in großem
Umfang die Stimmzettel des jeweils anderen Wahl-
kreises versandt. Wurden solche Stimmzettel zur
Stimmabgabe verwendet, hatte dies gemäß § 39
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 2 BWG
nicht nur die Ungültigkeit der Erststimme, sondern
auch die der Zweitstimme zur Folge. Diese Rechts-
folge, zu der es auch kommen kann, wenn im
Wahllokal irrtümlich die Stimmzettel eines anderen
Wahlkreises ausgegeben werden (vgl. WP 192/05,
Anlage 37 dieser Drucksache), erscheint fragwürdig,
wenn es sich – wie im Dortmunder Fall – um
Stimmzettel eines Wahlkreises desselben Landes
handelt. Denn dann stehen, was die Zweitstimme
betrifft, die richtigen Wahlvorschläge auf dem
Stimmzettel. Deshalb hatte der Wahlprüfungsaus-
schuss bereits in der letzten Wahlperiode eine ent-
sprechende Änderung des § 39 Abs. 1 BWG emp-
fohlen. Zu einer Gesetzesinitiative ist es allerdings
nicht mehr gekommen. In dieselbe Richtung geht
nunmehr die in der erwähnten Entschließung des
Bundesrates enthaltene Aufforderung an die Bundes-
regierung, eine Änderung des § 39 Abs. 1 BWG zu
prüfen. Auch der Bundeswahlausschuss hat sich
gegenüber dem Deutschen Bundestag – sowohl in
dieser als auch in der letzten Wahlperiode – für solch
eine Änderung ausgesprochen.

Drucksache 16/1800 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Akten-
zeichen Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 09/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 1 9

WP 81/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 2 17

WP 88/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 3 25

WP 07/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 4 33

WP 15/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 5 39

WP 17/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 6 45

WP 26/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 7 51

WP 52/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 8 59

WP 72/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 9 67

WP 74/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 10 73

WP 77/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 11 81

WP 85/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 12 87

WP 92/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 13 95

WP 110/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 14 103

WP 124/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 15 109

WP 135/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 16 117

WP 139/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 17 123

WP 144/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 18 131

WP 151/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 19 137

WP 157/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 20 143

WP 183/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 21 149

WP 191/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 22 155

WP 111/05 Nachwahl in Dresden Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 23 163

WP 109/05 Nachwahl in Dresden u. a. Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 24 165

WP 118/05 Nachwahl in Dresden u. a. Abg. Benneter/Abg. Dr. Götzer 25 175

WP 102/05
Wiedererlangung
türkische Staatsangehörigkeit

Abg. Strobl (Heilbronn)/
Abg. van Essen

26 183

WP 08/05
Wiedererlangung
türkische Staatsangehörigkeit

Abg. Strobl (Heilbronn)/
Abg. van Essen

27 191

WP 143/05
Wiedererlangung
türkische Staatsangehörigkeit

Abg. Strobl (Heilbronn)/
Abg. van Essen

28 199

WP 32/05 Wahlwerbung vor dem Wahllokal u. a. Abg. van Essen 29 205

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/1800

Akten-
zeichen Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 40/05 Wahlwerbung vor dem Wahllokal Abg. van Essen 30 207

WP 166/05 Wahlwerbung vor dem Wahllokal Abg. van Essen 31 211

WP 61/05 Nichtzulassung Kreiswahlvorschlag u. a. Abg. van Essen 32 213

WP 42/05 Nichtzulassung zur Stimmabgabe Abg. van Essen 33 215

WP 35/05 Zulassung Partei Abg. Dr. Dressel 34 217

WP 192/05 Verwechslung Stimmzettel Abg. Dr. Götzer 35 219

WP 34/05 Wahlvorenthaltung Abg. Kaster 36 221

WP 41/05 Wahlvorenthaltung Abg. Kaster 37 223

WP 114/05 Wahlvorenthaltung Abg. Kaster 38 225

WP 152/05 Unterschriftenquoren u. a. Abg. Maurer 39 227

WP 33/05 Unterschriftenquoren Abg. Maurer 40 233

WP 67/05 Unterschriftenquoren Abg. Maurer 41 235

WP 170/05 Unterschriftenquoren Abg. Maurer 42 239

WP 188/05 Unterschriftenquoren Abg. Maurer 43 243

WP 63/05 Faltung des Stimmzettels Abg. Merkel (Berlin) 44 249

WP 147/05 Gestaltung des Stimmzettels u. a. Abg. Merkel (Berlin) 45 251

WP 89/05 Auszählung im Wahllokal Abg. Merkel (Berlin) 46 253

WP 90/05 Auszählung im Wahllokal Abg. Merkel (Berlin) 47 255

WP 91/05 Auszählung im Wahllokal Abg. Merkel (Berlin) 48 257

WP 95/05 Auszählung im Wahllokal Abg. Merkel (Berlin) 49 259

WP 142/05 Einrichtung der Wahlzellen Abg. Merkel (Berlin) 50 261

WP 36/05
Passives Wahlrecht/
Staatsangehörigkeit u. a.

Abg. Stokar von Neuforn 51 263

WP 107/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 52 267

WP 39/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 53 271

WP 78/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 54 273

WP 80/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 55 275

WP 130/05 Ermittlung des Wahlergebnisses Abg. Stokar von Neuforn 56 277

WP 193/05 Allgemeine Gründe Abg. Stokar von Neuforn 57 279

WP 23/05 Allgemeine Gründe Abg. Dr. Dressel 58 283

WP 194/05 Einspruchsfrist Abg. Dr. Götzer 59 285

WP 189/05 Einspruchsfrist Abg. Stokar von Neuforn 60 287

WP 01/06 Einspruchsfrist Abg. Strobl (Heilbronn) 61 289

WP 185/05 Einspruch ohne Unterschrift Abg. Kaster 62 291

der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter

Stimmabgabe und der Einflussnahme auf die Bildung der
stärksten Fraktion, die traditionell mit der Regierungsbil-
stehenden taktischen Möglichkeiten gewichteten. Nach Ver-
kündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses hätten
Unsicherheiten wegen der Zahl der Überhangmandate von

Eine taktische Wahlmanipulation hätte durch schlichtes Ab-
warten bei der öffentlichen Auszählung ausgeschlossen
werden können. Hierin hätte entgegen der Auffassung des
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und
bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für
298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Die Einspruchsführerin sieht in der Ermittlung und Veröf-
fentlichung des Wahlergebnisses am Tag der Hauptwahl
eine Verletzung des Prinzips der Chancengleichheit der
Wahl. Sie bezieht sich auf ein Urteil des Hessischen Wahl-
prüfungsgerichts vom 18. September 1995 (Staatsanzeiger
für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018, 4028 ff.).
Dieses habe anlässlich der vergleichbaren Situation bei
einer Nachwahl zur hessischen Landtagswahl 1995 als mit
dem Grundsatz der Wahlgleichheit unvereinbar bezeichnet
habe, wenn die von der Nachwahl betroffenen Wähler den
Wissensvorsprung über den Ausgang der Wahlen in den
sonstigen Wahlkreisen hätten und ihre Nachwahlentschei-
dung durch die den sonstigen Wählern nicht zur Verfügung

dung beauftragt werde und die größere Chance habe, den
Bundeskanzler zu stellen, nicht auf das tatsächliche Wahl-
verhalten am 2. Oktober 2005 an.

Im Schreiben vom 10. Oktober 2005 bezieht sich die Ein-
spruchsführerin auf verschiedene Medien, die Möglichkei-
ten strategischer Stimmabgabe aufzeigten und je nach par-
teipolitischer Präferenz empfahlen. Den Wahlberechtigten
sei als „Paradoxon des deutschen Wahlsystems“ der Wegfall
eines Überhangmandats für die CDU bei etwas mehr als
41 000 Zweitstimmen, dagegen der Erwerb eines weiteren
Überhangmandats bei Erfolg des CDU-Direktkandidaten
und wenigen CDU-Zweitstimmen bewusst gewesen. Das
taktische Wahlverhalten habe sich tatsächlich an der Stimm-
abgabe für die CDU und die FDP gezeigt. So sei die CDU
bei den Zweitstimmen nur auf 24,1 Prozent, die FDP dage-
gen überdurchschnittlich auf 16,6 Prozent gekommen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/1800

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau E. I., 66538 Neunkirchen
– Az.: WP 09/05 –

Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. J. P., 66482 Zweibrücken

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom
19. September und 10. Oktober 2005 hat die Einspruchsfüh-
rerin gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 Einspruch eingelegt.
Der Einspruch richtet sich angesichts der auf den 2. Oktober
2005 festgesetzten Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I)
gegen die Ermittlung und Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses der Bundestagswahl bereits am 18. Septem-
ber 2005.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am 18. September
abgesagt und öffentlich bekannt gemacht, dass eine Nach-
wahl stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag

dererseits sei der Nachwahl entscheidendes Gewicht für die
politische Bedeutung und die Gestaltungsmöglichkeiten der
beiden großen Parteien sowie der Bildung von Koalitionen
bis zur Frage, wer Bundeskanzler werde, zugekommen. Die
Wähler im Wahlkreis 160 könnten beispielsweise, wie von
der Einspruchsführerin vor der Nachwahl betont, ihre
Zweitstimme gezielt an Parteien vergeben, die nur noch
recht wenige Stimmen zum Gewinn eines zusätzlichen Sit-
zes oder für oder gegen ein vorläufiges Überhangmandat
benötigten. Damit könnten sie im Ergebnis den Erfolgswert
ihrer Stimmen erhöhen und Parteien außen vor lassen, bei
denen sich die Stimmabgabe nicht mehr auswirken könne.
Gerade auch die Kombination von Personen- und Verhält-
niswahlrecht mit dem Ausgleich durch Überhangmandate
verstärke gravierend die Chance taktischer Stimmabgabe.
Dabei komme es für die Beurteilung der Verfassungswidrig-
keit der Bundestagswahl wegen der möglichen taktischen
SPD und CDU/CSU bestanden. Bei einem Abstand von
zwei Mandaten zwischen CDU/CSU einerseits und SPD an-

Bundeswahlleiters kein Verstoß gegen das Öffentlichkeits-
prinzip der Wahlhandlung vorgelegen. Der Bundeswahllei-

Drucksache 16/1800 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ter verkenne, dass der Gesetzgeber sowohl im Bundeswahl-
gesetz als auch in der Bundeswahlordnung sich zu der hier
vorliegenden Fallkonstellation ausschweige und damit eine
Regelungslücke vorliege. Auch im Bericht zur Änderung
von Wahlrechtsvorschriften, der von der Bundesregierung
im Anschluss an die Prüfung der Bundestagswahl 2002
unter Einbeziehung eines Erfahrungsaustauschs mit den
Ländern und dem Bundeswahlleiter vorgelegt worden sei
(Bundestagsdrucksache 15/3872, S. 5), werde die Vermei-
dung nicht auszuschließenden reaktiven Wahlverhaltens
angesprochen. Der Bundeswahlleiter habe, so die Ein-
spruchsführerin wörtlich, „eine klarstellende Regelung zur
Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Ergebnisses und der
vorläufigen Berechnung der Sitzverteilung am Tag der
Hauptwahl für den Fall, dass die Nachwahl nicht am Tag
der Hauptwahl stattfindet, angeregt, weil er eine Bekannt-
gabe des vorläufigen amtlichen Ergebnisses erst nach
Abschluss der Nachwahl aus dem Gedanken der Öffentlich-
keit der Wahlhandlung und dem Informationsinteresse der
Öffentlichkeit vermeiden wollte.“

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – der Einspruchs-
führerin zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst
daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 [ZRP 2005], S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach

weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (StAnz.
1995, S. 4018, 4029).

Eine von der Einspruchsführerin behauptete Regelungslü-
cke im Bundeswahlgesetz oder in der Bundeswahlordnung
über das Auszählen der Stimmen bei noch anstehender
Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben. Auf eine Rege-
lungslücke habe der Bundeswahlleiter auch nicht im Zu-
sammenhang mit einem Erfahrungsaustausch nach der Bun-
destagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache 15/3872, S. 5)
aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich eine klarstel-
lende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe des vorläufi-
gen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei noch ausste-
hender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wähler-
verzeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der
Nachwahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen
untergebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-

Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/1800

um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis
für das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestagswahl
2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahlkreis 160
(Dresden I) weder durch die Absage der gesamten Wahl im
Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses am 18. Sep-
tember 2005 (nachfolgend unter Nummer 2) noch durch die
sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl
(unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwendung
von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahl-
kreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Be-
stimmungen des Wahlrechts liegt, wie auch vom
Bundeswahlleiter hervorgehoben, der Gedanke zu-
grunde, dass die Stimmabgabe mit einem einzigen
Stimmzettel für die Erst- und die Zweitstimme
vorgesehen ist. Die Beibehaltung der Hauptwahl am
18. September 2005 bezüglich der Zweitstimme und
die Beschränkung der Nachwahl auf die Erststimme
wären nicht zulässig gewesen. Die Nachwahl findet
gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl
statt. So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des
Stimmzettels dergestalt, dass er zum einen für die
Wahl in den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewer-
ber der zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält
und zum anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a.
die Namen der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2
Satz 2 BWG findet die Stimmabgabe unter anderem
dadurch statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet
und in die Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine
Erststimme und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32
Abs. 2 Satz 1 BWG). Auch die Bestimmung des § 6
Abs. 1 Satz 2 BWG, wonach unter den dort näher ge-
nannten Voraussetzungen Zweitstimmen nicht be-
rücksichtigt werden dürfen, setzt notwendig den Ein-
satz eines einzigen Stimmzettels für die Erst- und die
Zweitstimme voraus. Vor diesem Hintergrund waren
die zuständigen Wahlorgane auch für den Fall der
Nachwahl nicht berechtigt, die Nachwahl am 2. Ok-
tober 2005 allein auf die Erststimme zu begrenzen,
um z. B. einem möglichen, in anderem Zusammen-
hang noch anzusprechenden taktischen Wählen zu
begegnen (vgl. auch Ipsen, Nachwahl und Wahl-
rechtsgleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005
[DVBl 2005], S. 1465; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 5; ders., Nachwahl-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

regelung im Wahlgesetz, ZRP 2005, S. 252, 254; So-
dan/Kluckert, Rechtsprobleme durch die Nachwahl,

Drucksache 16/1800 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Neue Juristische Wochenschrift 2005 [NJW 2005],
S. 3241, 3242; für eine vergleichbare hessische
Wahlrechtsvorschrift auch Hessisches Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine Bedenken
auf (anders aber Ipsen, DVBL 2005, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist
für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl au-
ßerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich unter-
bleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtigten
von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grund-
gesetz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden
Möglichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern
sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss

genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., Nachwahlregelung im
Wahlgesetz, ZRP 2005, S. 254; ebenso StAnz. 1995,
S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundeswahl-
recht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegangen,
dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergebnisse zu
ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-

selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/1800

sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der SechsWochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7). Auch die bisherige
Praxis ist davon ausgegangen, dass § 71 BWO auch
den Fall einer Hauptwahl trotz anschließender Nach-
wahl abdeckt. Dem widerspricht auch nicht eine An-
regung des Bundeswahleiters im Rahmen eines Er-
fahrungsaustauschs nach der Bundestagswahl 2002.
Danach wurde eine klarstellende Regelung zur Be-
kanntgabe des vorläufigen amtlichen Ergebnisses
und der vorläufigen Berechnung der Sitzverteilung

aber von einer erstmaligen Regelung zur Ausfüllung
einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie von einer
Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, § 43 Rn. 6; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1;
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242; ebenso wohl
auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das Hessische
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte
keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe fest,
sah in der erfolgten Bekanntmachung aber keinen
Verstoß gegen Landeswahlgesetz und Landeswahl-
ordnung; die hessische Landeswahlordnung enthält
und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entsprechende
Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolg-
schance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
am Tag der Hauptwahl angeregt (Bundestagsdrucksa-
che 15/3872, S. 5). Eine klarstellende Regelung ist

anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen

Drucksache 16/1800 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen.

Die konkreten Wahlergebnisse deuten darauf hin,
dass diese Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern
bewusst waren und auch in ihre Wahlentscheidung
eingeflossen sind. So verblieb der Anteil der Zweit-
stimmen mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als
für den Erwerb eines weiteren Mandats schädlich be-
zeichnet worden war. Der Anteil der Zweitstimmen
blieb auch deutlich unter den Werten der Bundestags-
wahl 2002 (49 638) und dem Erststimmenergebnis
(57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-
Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimm-
abgabe für eine andere Partei, da die ursprünglich
favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern
wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet

Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch StAnz. 1995, S. 40309, folgerte aus möglicher
Stimmenbündelung bei knappem Wahlausgang eine
Verletzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler
jedoch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsge-
richtshof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen
Anordnungsverfahren eine Berührung des Erfolgs-
werts durch die Nachwahl ohne nähere Begründung
verneint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht,
1995 [NVwZ 1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43

vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/1800

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen

sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-

bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

Der Einspruchsführer verweist zunächst auf § 43 Abs. 3
BWG, wonach die Nachwahl nach denselben Vorschriften

führer zugänglich gemachten – Stellungnahme, die wegen
Bindung an die gesetzlichen Regelungen nicht die Frage der
die Regelung über die Bekanntgabe der Wahlergebnisse
(§ 79 BWO), die an den Abschluss der Feststellungen der
Wahlergebnisse anknüpft, nicht den Fall erfasse, dass noch

wahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht enthalte
keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe der
Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe sich
und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfin-
det. Eine dieser Grundlagen stelle die Gleichheit der Wahl
nach Artikel 38 GG dar. Der Grundsatz der Wahlgleichheit
sei dadurch verletzt worden, dass den „Nachwählern“ das
Ergebnis der Hauptwahl bekannt gewesen sei. Sie hätten
strategisch wählen können und hätten dies auch getan. Ihre
Stimme habe also eine andere Erfolgswertigkeit gehabt als
diejenige der Teilnehmer an der Hauptwahl. Auch der
Grundsatz der geheimen Wahl sei verletzt worden, da den
Teilnehmern der Nachwahl das Ergebnis der Hauptwahl
bekannt gewesen sei. In der nicht geheimen Wahl erblickt
der Einspruchsführer wiederum eine ungleiche Wahl. Arti-
kel 38 GG schließe eine Nachwahl aus, bei der das Ergebnis
der Hauptwahl bekannt sei.

Einfachrechtlich geht der Einspruchsführer davon aus, dass

Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG disku-
tiert, zunächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod ei-
nes Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der
Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der Haupt-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/1800

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K.-D. H., 27432 Bremervörde
– Az.: WP 81/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 16. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG
stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der
Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und be-
kannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für 298
Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Spezielle Regelungen zur Bekanntmachung von Wahlergeb-
nissen bei bevorstehender Nachwahl hat der Einspruchsfüh-
rer den wahlrechtlichen Bestimmungen nicht entnehmen
können. Auch im Rahmen der Ermächtigung des Bundesmi-
nisteriums des Innern, gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG in
der Bundeswahlordnung Rechtsvorschriften über die
Durchführung von Nachwahlen zu erlassen, finde sich
nichts Anderslautendes.

Als Alternativen zur Bekanntmachung der Ergebnisse nach
der Hauptwahl, um eine Verletzung des Grundsatzes der
Gleichheit der Wahl zu vermeiden, weist der Einspruchsfüh-
rer auf eine Auszählung am Tag der Hauptwahl unter Ver-
zicht auf eine Bekanntmachung sowie auf die Versiegelung
der Wahlurnen und die Auszählung erst nach der Nachwahl
hin. Denkbar seien auch eine Einschränkung der Pressefrei-
heit, um z. B. Umfragen zum Wahlergebnis zu verhindern,
oder ein entsprechender freiwilliger Verzicht der Presse ge-
wesen.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
eine Nachwahl erfolge, sondern nur solche Wahlen betreffe,
die nur an einem Termin stattfänden.

aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes, dass
für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwenden sei

Drucksache 16/1800 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben seien
(vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2 BWG).
Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstimmen und
eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen laut Bun-
deswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang auf Schrei-
ber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeitschrift für
Rechtspolitik 2005 [ZRP 2005], S. 252, 254, bezieht, dem
Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätten aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wähler-
verzeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der
Nachwahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen
untergebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden

der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in
geeigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit

kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/1800

Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Der Einspruchsführer bekräftigt seine Zweifel, dass es sich
beim Ergebnis einer Hauptwahl um ein vorläufiges i. S. d.
§ 71 BWO handelt. Bei an einem Termin durchgeführten
Wahlen lägen die Ergebnisse mit typisch statistisch vorläu-
figem Charakter bereits vor; die Stimmabgabe sei abge-
schlossen, so dass eine externe Einflussnahme auf die Wah-
lenscheidung oder das Wahlergebnis unmöglich sei. Dem-
gegenüber stünde bei Haupt- und Nachwahlen die Stimm-
abgabe der Nachwählergruppe noch aus, so dass das
Zwischenergebnis nicht als statistisch vorläufig einzuord-
nen sei. Vorläufig könne etwas nur sein, wenn es annähernd
die Situation des Endergebnisses widerspiegele. Bleibe das
Hauptwahlergebnis nicht geheim, könne die Nachwähler-
gruppe je nach Größe einen Einfluss ausüben, der das
Hauptwahlergebnis nicht mehr vorläufig sein lasse. Da die
wahlrechtlichen Bestimmungen verschiedene Ausgangsla-
gen zu gewährleisten hätten, müsse zwangsläufig das Ge-
setz geändert und die Auslegung und Anwendung korrigiert
werden. Zudem könne vom Verständnis und Wortgebrauch
her etwas nur vorläufig sein, wenn das danach Kommende
bereits abgeschlossen sei. Schließlich spreche die Eintei-
lung der Ergebnisse in Haupt- und Nachwahl und deren ge-
sonderte Regelung darauf hin, dass die Bezeichnung und
Einordnung der Ergebnisse anders sein müsse als im Falle
einer Wahl an nur einem Termin.

Soweit der Bundeswahlleiter geschrieben habe, dass durch
die Stimmabgabe bei der Hauptwahl bereits alle 598 Man-
date endgültig verteilt worden seien, werde unzutreffend der
Eindruck erweckt, dass die Mandatsverteilung mit der
Hauptwahl schon abgeschlossen gewesen sei. Da der Bun-
deswahlleiter eine Klarstellung zum Inhalt der Bekanntgabe
angeregt habe, impliziere dies, dass es eine klarere Rege-
lung geben könne. Es fehle auch an einer klarstellenden Re-
gelung, dass vor Ende der Wahlhandlungen gar kein Inhalt
bekannt zu geben sei. Daher gebe es Handlungsfreiheit und
Verantwortlichkeit der Wahlorgane, gestaltend eingreifen zu
müssen. Alternativ könnte in einer vergleichbaren Konstel-
lation die gesamte Wahl verschoben werden – verbunden
mit einer Nachrücklösung, um wiederholtes Verschieben zu
vermeiden, oder einer Nachwahl ohne vorherige Ergebnis-
bekanntgabe.

Entgegen der Auffassung des Bundeswahlleiters bezögen
sich die Regelungen in § 37 BWG, § 67 BWO nicht auf die
Hauptwahlergebnisse, da hier ein Sonderfall vorliege, der
anders zu gestalten und zu regeln sei. Auch die Ermächti-

Auszählung nicht nachvollziehbar, da die eingewandten
Risiken minimiert werden könnten. Schließlich teilt der
Einspruchsführer nicht die Bedenken des Bundeswahllei-
ters, eine Geheimhaltung der Ergebnisse trotz öffentlicher
Auszählung zu gewährleisten.

Bezüglich weiterer Vorschläge und einer tabellarischen
Aufstellung und Wertung verschiedener Lösungsalternati-
ven wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der gesamten
Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Nummer 1) noch
durch die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
am 18. September 2005 (nachfolgend unter Nummer 2) noch
durch die sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der
Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahl-
kreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Be-
stimmungen des Wahlrechts liegt, wie auch vom
Bundeswahlleiter hervorgehoben, der Gedanke zu-
grunde, dass die Stimmabgabe mit einem einzigen
Stimmzettel für die Erst- und die Zweitstimme vor-
gesehen ist. Die Beibehaltung der Hauptwahl am
18. September 2005 bezüglich der Zweitstimme und
die Beschränkung der Nachwahl auf die Erststimme
wären nicht zulässig gewesen. Die Nachwahl findet
gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl
statt. So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des
Stimmzettels dergestalt, dass er zum einen für die
Wahl in den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewer-
ber der zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält
und zum anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a.
die Namen der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2
Satz 2 BWG findet die Stimmabgabe unter anderem
dadurch statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet
und in die Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine
Erststimme und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32
Abs. 2 Satz 1 BWG). Auch die Bestimmung des § 6
Abs. 1 Satz 2 BWG, wonach unter den dort näher ge-
gung in § 82 Abs. 6 BWO beschränke sich nicht auf die
Nachwahl. Weiterhin seien die Einwände gegen eine spätere

nannten Voraussetzungen Zweitstimmen nicht be-
rücksichtigt werden dürfen, setzt notwendig den Ein-

Drucksache 16/1800 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

satz eines einzigen Stimmzettels für die Erst- und die
Zweitstimme voraus. Vor diesem Hintergrund waren
die zuständigen Wahlorgane auch für den Fall der
Nachwahl nicht berechtigt, die Nachwahl am
2. Oktober 2005 allein auf die Erstimme zu be-
grenzen, um z. B. einem möglichen, in anderem Zu-
sammenhang noch anzusprechenden taktischen Wäh-
len zu begegnen (vgl. auch Ipsen, Nachwahl und
Wahlrechtsgleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt
2005 [DVBl 2005], S. 1465; Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage, § 43 Rn. 5; ders., Nachwahl-
regelung im Wahlgesetz, ZRP 2005, S. 252, 254;
Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch die Nach-
wahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005 [NJW
2005], S. 3241, 3242; für eine vergleichbare hessi-
sche Wahlrechtsvorschrift auch Hessisches Wahl-
prüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Deutschen Bundestages
die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfindet,
keine Bedenken auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468, soweit § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-
Wochen-Frist für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen
davon, dass der Deutsche Bundestag im Rahmen der
Wahlprüfung nicht die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften feststellen kann, bestehen
schon sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmä-
ßigkeit von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vor-
zeitigem Ablauf der Wahlperiode den spätestmögli-
chen Termin der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus
Sondersituationen erforderlich werden (z. B. Natur-
katastrophen, Tod eines Kandidaten), sollen durch
die Grundgesetzbestimmung dagegen nicht ausge-
schlossen werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger
Auflösung des Deutschen Bundestages eine Nach-
wahl außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich
unterbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberech-
tigten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grund-
gesetz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden
Möglichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern
sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die Er-
gebnisse ermittelt und auch bekannt gemacht worden
sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-

Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf eine
Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die Durch-
führung der Hauptwahl getroffen worden. Auch die
auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückgehende Ermäch-
tigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich zudem nur an
den Landeswahlleiter richtet, „im Einzelfall Regelun-
gen zur Anpassung an besondere Verhältnisse zu tref-
fen“, betrifft die Durchführung der Nachwahl, gestat-
tet aber keine Abweichung bei den für die Hauptwahl
geltenden Regelungen. Auch die Hinweise des Bun-
deswahlleiters, dass eine bis zur Nachwahl verscho-
bene Auszählung Schwierigkeiten in personeller wie
technischer Hinsicht bewirken und die Ermittlung
des korrekten Ergebnisses gefährden könnte, bestä-
tigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übrigen wird auch
im wahlrechtlichen Schrifttum ausdrücklich (Schrei-
ber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43
Rn. 1; ders., Nachwahlregelung im Wahlgesetz, ZRP
2005, S. 254; ebenso Hessisches Wahlprüfungsge-
richt, StAnz. 1995, S. 4029) oder stillschweigend
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6)
davon ausgegangen, dass bereits nach der Hauptwahl
deren Ergebnisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach

lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/1800

Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
Wahlgebiets verwendet, bezeichnet dieser Begriff das
jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wortlaut
würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in die-
sem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit

Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, § 43 Rn. 6; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1;
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242; ebenso wohl
auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das Hessische
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte
keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe fest,
sah in der erfolgten Bekanntmachung aber keinen
Verstoß gegen Landeswahlgesetz und Landeswahl-
ordnung; die hessische Landeswahlordnung enthält
und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entsprechende
Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für

der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des

das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-

Drucksache 16/1800 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, sondern
auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglichkeit
Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn ein
derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahlbe-
rechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe bei
der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist z. B.
an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Prozent-
Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe für eine
andere Partei, da die ursprünglich favorisierte auf je-
den Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass

den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 f.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 40309, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995 [NVwZ
1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl

gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/1800
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen inte-
ressierten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahl-
rechtlich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und
sich von ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu
überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere aber
Medien oder Meinungsforschungsinstituten die Mög-
lichkeit, die Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen
und hochzurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche
Bekanntmachung böte also keine Gewähr, durch Ver-
hinderung entsprechender Informationen ein takti-
sches Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl den
Zutritt und die Anwesenheit bei der Stimmauszäh-
lung bei der Hauptwahl nur den zuständigen Wahlor-
ganen vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang
mit einem auf das Demokratieprinzip zurückzufüh-
renden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vor-
gegebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich
erscheint überdies, ob entsprechende Regelungen
auch angesichts der großen Zahl der Beteiligten über-
haupt geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder
zumindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-

tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

geben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise,
verteilte aber alle 598 Mandate.

sonsten würde eine Abwägung zwischen der Schwere des
Fehlers und der Gleichheitsverletzung zu Gunsten des Be-
dem Demokratieprinzip ableiten. Hiergegen spreche schon,
dass das Bundeswahlgesetz es bezüglich der Regelungen
zur Veröffentlichung des Wahlergebnisses bei einer Verord-

S. 4018, 4028 ff.) für auf die Bundestagswahl übertragbar.
Das Urteil stellt im Hinblick auf eine Nachwahl fest, dass
der Erfolgswert der Stimmen der Nachwahlteilnehmer
Der Einspruchsführer sieht im Vorgehen des Bundeswahl-
leiters eine Verletzung des Grundsatzes der gleichen Wahl.
Dieser Grundsatz gebiete nicht nur den gleichen Zählwert,
sondern auch im Rahmen des Verhältniswahlsystems den
gleichen Erfolgswert jeder Stimme. Rechtfertigungsgründe
für eine Verletzung des Grundsatzes der gleichen Wahl lä-
gen nicht vor. Differenzierungen seien nur bei zwingendem
Grund und Verhältnismäßigkeit zulässig. Da die Wähler im
Wahlkreis 160 über ein überlegenes Wissen verfügt hätten,
hätten ihre Stimmen einen größeren Erfolgswert gehabt.
Diese Wähler hätten am Tag der Nachwahl aufgrund des be-
kannt gemachten vorläufigen Ergebnisses und der Veröf-
fentlichung der Zweitstimmenaufteilung auf die Landeslis-
ten genau gewusst, wie sich ihre Stimmabgabe auswirken
würde. Sie hätten somit in besonderem Maße taktisch oder
reaktiv wählen können. Ein zwingender Grund für die Ver-
öffentlichung der Teilergebnisse lasse sich auch nicht aus

standes des Deutschen Bundestages und gegen eine Wieder-
holung ausfallen.

Auch die die Veröffentlichung von Wählernachbefragungen
vor Ablauf der Wahlzeit untersagenden § 32 Abs. 2, § 49a
BWG zeigten, dass ein Wissensvorsprung einiger Wähler
unterbunden werden müsse. Was für eine Prognose privater
Institute richtig sei, gelte besonders für amtliche Daten der
Wahlorgane. Dieselbe Wertung enthalte Artikel 10 Abs. 2
des Direktwahlakts für die Wahlen zum Europäischen Parla-
ment, wonach ein Mitgliedstaat das ihn betreffende Wahl-
ergebnis erst dann amtlich bekannt geben darf, wenn die
Wahl in dem Mitgliedstaat, dessen Wähler als Letzte wäh-
len, abgeschlossen ist.

Der Einspruchsführer hält Aussagen eines Urteils des Hessi-
schen Wahlprüfungsgerichts vom 18. September 1995
(Staatsanzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995],
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/1800

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. B., 65207 Wiesbaden
– Az.: WP 88/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 7. Oktober und 7. November 2005
hat der Einspruchsführer gegen die Bundestagswahl am
18. September 2005 Einspruch eingelegt. Der Einspruch
betrifft die Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betroffenen
Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005 gemäß
§ 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am 18. Sep-
tember 2005 abgesagt und öffentlich bekannt gemacht, dass
eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG stattfindet.
Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der Nachwahl
gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober 2005 festge-
setzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter – wie be-
reits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein vorläu-
figes Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und bekannt ge-

wäre eine Delegation unzulässig gewesen. Selbst wenn die
Veröffentlichungspflicht unmittelbar aus dem Demokratie-
prinzip abgeleitet werden sollte, würde in einer Abwägung
das Gleichheitserfordernis überwiegen. Die Ungewissheit
über das Wahlergebnis hätte nur zwei Wochen bestanden,
eine auf ungleicher Wahl beruhende Zusammensetzung des
Deutschen Bundestages bleibe bis zum Ende der Wahlperi-
ode bestehen. Auch wenn eine Geheimhaltung unpraktisch
sein könnte, wäre das die Folge der Ausgestaltung des
Wahlrechts. Da Ersatzbewerber nicht vorgesehen seien,
könnten die Folgen nicht als zwingende Gründe eine Ein-
schränkung der Wahlgleichheit rechtfertigen. Schließlich sei
auch die Bestimmung über Wiederholungswahlen des § 44
Abs. 1 BWG kein Ausdruck eines zwingenden Grundes.
Eine teilweise Wiederholung mit vergleichbaren Reaktions-
möglichkeiten komme nur für schwerste, in einer stabilen
Demokratie kaum auftretende Wahlfehler in Betracht. An-
nungsermächtigung belasse. Wären die Regelungen der
BWO verfassungsrechtlich in den Einzelheiten geboten,

durch die Bekanntgabe des übrigen Wahlergebnisses derge-
stalt verändert worden ist, dass relativ wenige Wähler ein

Drucksache 16/1800 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bestimmtes Ergebnis, z. B. die Überwindung der Fünf-Pro-
zent-Hürde, anstreben konnten. Da der Landeswahlleiter
durch die aufgrund der einschlägigen wahlrechtlichen Be-
stimmungen nicht gebotene Vorabbekanntgabe die Wähler
im Nachwahlkreis in die Lage versetzt habe, durch gezielte
Bündelung von Stimmen bei einem ansonsten knappen
Wahlausgang das Ergebnis und die Sitzverteilung zu beein-
flussen, war nach Auffassung des Gerichts eine Unregelmä-
ßigkeit im Wahlverfahren gegeben.

Nach Auffassung des Einspruchsführers bestand keine
rechtliche Verpflichtung des Bundeswahlleiters, ein vorläu-
figes Teilergebnis zu veröffentlichen. § 71 Abs. 5 und 6
BWO sähe eine Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses
„für das Wahlgebiet“ vor. Dies sei gemäß § 2 Abs. 1 BWG
das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Ein Ergebnis
aus nur 298 Wahlkreisen sei deshalb kein Ergebnis für das
Wahlgebiet. Zu einer Ergänzung der Bundeswahlordnung,
die der Bundeswahlleiter in Bezug auf die Bekanntgabe von
Teilwahlergebnissen im Fall einer Nachwahl angeregt hatte
(vgl. Bundestagsdrucksache 15/3872, S. 5) sei es nicht mehr
gekommen.

Selbst wenn die bestehenden Vorschriften so auszulegen
sein sollten, dass ein Teilergebnis veröffentlich werden
müsste, wären sie aus den genannten Gründen nichtig. Auch
der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl erfordere zwar
eine Nachwahl, gebiete aber nicht eine sofortige Veröffentli-
chung.

Im Rahmen der Wahlprüfung könne der Deutsche Bundestag
entgegen seiner bisherigen Auffassung auch die Vereinbar-
keit der Bundeswahlordnung mit höherrangigem Recht prü-
fen. Als in der zweiten Wahlperiode eine Überprüfung der
Bundeswahlordnung abgelehnt worden sei, sei dies nicht be-
gründet worden worden. Das Verwerfungsmonopol des Bun-
desverfassungsgerichts aus Artikel 100 GG gelte nur für for-
melle Gesetze. Auch eine Verfassungsbeschwerde biete keine
Abhilfe. So habe das Bundesverfassungsgericht unter Bezug-
nahme auf § 49 BWG festgestellt, dass eine Verfassungsbe-
schwerde im Vorfeld einer Wahl nicht statthaft sei (Beschluss
vom 13. September 2005 – 2 BvQ 31/05). Auch der Grundsatz
der Gewaltenteilung stehe einer Überprüfung nicht entgegen.

Der Einspruchsführer hält den von ihm gerügten Wahlfehler
angesichts des knappen Teilwahlergebnisses auch für man-
datsrelevant.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme, die wegen
Bindung an die gesetzlichen Regelungen nicht die Frage der
Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG disku-
tiert, zunächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod ei-
nes Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der
Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 [ZRP 2005], S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (StAnz.
1995, S. 4018, 4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/1800

Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-

der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Der Einspruchsführer stimmt dem Bundeswahlleiter inso-
weit zu, dass die Nachwahl nicht auf die Erststimmen be-
schränkt und die Auszählung der bei der Hauptwahl abgege-
benen Stimmen nicht verschoben werden konnte. Demge-
genüber sei die Auslegung des Bundeswahlleiters nicht
zwingend, dass gemäß § 71 Abs. 5 und 6 BWO ein Teilwah-
lergebnis bekannt gegeben werden müsse. Die Vorschrift
sehe eine Bekanntgabe des Ergebnisses „im Wahlgebiet“
vor; der Wortlaut erfasse nicht ein unvollständiges Ergebnis.
Auf die Tragweite des § 82 Abs. 6 BWO komme es dem-
nach nicht an, weil auf diese Sonderermächtigung gar nicht
zurückgegriffen werden müsse. Da der Bundeswahlleiter
selbst eine Klarstellung angesprochen habe (Bundestags-
drucksache 15/3872, S. 5), sei die Regelung einer verfas-
sungskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich
gewesen. Zumindest hätte die Berechnung und Zuteilung
der Abgeordnetensitze nicht im Internet zugänglich ge-
macht werden müssen. Das Informationsinteresse der Öf-
fentlichkeit hätte durch die Angabe, wie sich die Zweitstim-
men prozentual auf die einzelnen Parteien verteilten, befrie-
digt werden können. So wäre es nicht möglich gewesen, die
Zweitstimmenzahl zu berechnen, die die CDU unterschrei-
ten musste, um wegen des Phänomens der negativen
Stimmgewichte den Verlust des Überhangmandats in
Sachsen zu vermeiden. Die im Fernsehen veröffentlichten
Prognosen hätten eine solche Berechnung nicht erlaubt. Im
Übrigen sei die Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit
der Wahl durch die Veröffentlichung auch nicht durch einen
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl zu rechtfertigen. Ein
derartiges Prinzip enthielten die Wahlrechtsgrundsätze des
Artikels 38 Abs. 1 GG nicht. Die Öffentlichkeit der Auszäh-
lung und die anschließende mündliche Bekanntgabe sollten
Manipulationen ausschließen, eigenständige Bedeutung hät-
ten sie aber nicht.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-

gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss

fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Drucksache 16/1800 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der gesamten
Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Nummer 1) noch
durch die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
am 18. September 2005 (nachfolgend unter Nummer 2) noch
durch die sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der
Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahl-
kreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Be-
stimmungen des Wahlrechts liegt, wie auch vom
Bundeswahlleiter hervorgehoben, der Gedanke zu-
grunde, dass die Stimmabgabe mit einem einzigen
Stimmzettel für die Erst- und die Zweitstimme vorge-
sehen ist. Die Beibehaltung der Hauptwahl am
18. September 2005 bezüglich der Zweitstimme und
die Beschränkung der Nachwahl auf die Erststimme
wären nicht zulässig gewesen. Die Nachwahl findet
gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl
statt. So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des
Stimmzettels dergestalt, dass er zum einen für die
Wahl in den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewer-
ber der zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält
und zum anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a.
die Namen der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2
Satz 2 BWG findet die Stimmabgabe unter anderem
dadurch statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet
und in die Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine
Erststimme und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32
Abs. 2 Satz 1 BWG). Auch die Bestimmung des § 6
Abs. 1 Satz 2 BWG, wonach unter den dort näher ge-
nannten Voraussetzungen Zweitstimmen nicht be-
rücksichtigt werden dürfen, setzt notwendig den Ein-
satz eines einzigen Stimmzettels für die Erst- und die
Zweitstimme voraus. Vor diesem Hintergrund waren
die zuständigen Wahlorgane auch für den Fall der
Nachwahl nicht berechtigt, die Nachwahl am 2. Ok-
tober 2005 allein auf die Erstimme zu begrenzen, um
z. B. einem möglichen, in anderem Zusammenhang
noch anzusprechenden taktischen Wählen zu begeg-
nen (vgl. auch Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1465; Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252,
254; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch die

hessische Wahlrechtsvorschrift auch Hessisches Wahl-
prüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Deutshen Bundestages die
Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine
Bedenken auf (anders aber Ipsen, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist
für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich un-
terbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtig-
ten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grund-
gesetz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden
Möglichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern
sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt und auch bekannt gemacht worden
sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3241, 3242; für eine vergleichbare

Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/1800

bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl

sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des §43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-

Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-

Drucksache 16/1800 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, § 43 Rn. 6; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1;
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242; ebenso wohl
auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das Hessische
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte
keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe fest,
sah in der erfolgten Bekanntmachung aber keinen
Verstoß gegen Landeswahlgesetz und Landeswahl-
ordnung; die hessische Landeswahlordnung enthält
und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entsprechende
Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-

dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das
Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über
die Fünf- Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach

vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/1800

Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolg-
schance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter
Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage,
E Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 ff.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 40309, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht [NVwZ
1995], 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-

vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG 2002, 7. Auflage 2002, § 43
Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt
und die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei
der Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen
vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang mit ei-
nem auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 Grund-
gesetz für den spätestmöglichen Zusammentritt des
Deutschen Bundestages die notwendigen Vorkehrun-
gen zu treffen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-

kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne

Drucksache 16/1800 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe

angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen.

Dies wiederum könnte das Vertrauen der Wahlbe-
rechtigten in die Korrektheit der Abläufe beinträchti-
gen, so dass eine Verschiebung der Auszählung sich
hier nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Be-
einträchtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245)

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bun-
Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Wählerverhalten gebunden, da niemand mit Bestimmtheit
behaupten könne, wie diese Wähler heute gewählt hätten.
Es gelte sogar unabhängig davon, ob die aktuelle Berichter-

§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
deswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemitteilungen an-
gekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet er-
mittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergeb-
nis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Einspruchsführer entnimmt der aktuellen Berichterstat-
tung, dass sich sowohl die Verteilung der Parteien in der Zu-
sammensetzung des Deutschen Bundestages als auch die
Zusammensetzung des Parlaments ja nach Abstimmungs-
verhalten des verbliebenen Wahlkreises Dresden I verän-
dern könne. In Interviews sei sehr wohl von der Möglichkeit
des taktischen Wählens die Rede. Äußerungen von Politi-
kern sei zu entnehmen, dass sie eine Regierungsbildung
vom Ausgang dieser Nachwahl abhängig machen könnten.
Damit ist nach Auffassung des Einspruchsführers der
Grundsatz der gleichen Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 GG ver-
letzt. Dies gelte unabhängig davon, ob überhaupt Änderun-
gen auftreten würden, sei also nicht an das tatsächliche

Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/1800

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. B., 60389 Frankfurt
– Az.: WP 07/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 18. September 2005 hat der Einspruchsführer ange-
sichts der für den 2. Oktober 2005 im Wahlkreis 160 (Dres-
den I) festgesetzten Nachwahl Einspruch eingelegt und den
Bundeswahlleiter aufgefordert, kein vorläufiges amtliches
Endergebnis bekannt zu geben. Das Schreiben ist als Wah-
leinspruch an den Deutschen Bundestag weitergeleitet wor-
den.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am 18. September
2005 abgesagt und öffentlich bekannt gemacht, dass eine
Nachwahl stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann
den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den

mal mit und einmal ohne Kenntnis des übrigen Wahlaus-
gangs – genüge.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.
stattung gemessen am vorläufigen amtlichen Endergebnis
korrekt sei; die bloße Tatsache der ungleichen Wahl – ein-

viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-

Drucksache 16/1800 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen

Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen: Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der

ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/1800

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-
kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005 Seite 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, Seite 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bun-
deswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausge-

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
gangen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Er-
gebnisse zu ermitteln und festzustellen sind.

für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-

Drucksache 16/1800 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, Seite 5). Eine klarstel-
lende Regelung ist aber von einer erstmaligen Rege-
lung zur Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unter-
scheiden wie von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, § 43 Rn. 6; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert,
Neue Juristische Wochenschrift [NJW 2005],
S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468; das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, Seite 4029, stellte keine entsprechende landes-
rechtliche Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekannt-
machung aber keinen Verstoß gegen Landeswahlge-
setz und Landeswahlordnung; die hessische Landes-
wahlordnung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6
BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die zur
unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung der
vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflichten-
den Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bundes-
wahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran zu

Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften
festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bundes-
tagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, Seite 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahl-
ordnung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Druck-
sache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet werde,
dass der Deutsche Bundestag an bestehende Gesetze
ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).
erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im Rah-
men der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht, die

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/1800

dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf- Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favori-
sierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance ha-
ben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von der
letztgenannten, von der von der gleichen rechtlichen
Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu
berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine ge-
sonderten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr
nach denselben Vorschriften und auf denselben
Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3
BWG), so dass die bei der Nachwahl abgegebenen
Stimmen nach den für die Hauptwahl geltenden Vor-
schriften berücksichtigt werden. So unterscheidet sich
die Regelung über die Nachwahl von denjenigen
Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die
Grundmandatsklausel festlegen oder Überhangman-
date und ein Stimmensplitting ermöglichen und sich
damit auf manche Stimmabgabe rechtlich auswirken.
Diese Regelungen sind vom Bundesverfassungs-
gericht jeweils als – gerechtfertigter – Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit behandelt worden (BVerfGE
95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367).
Dieser Umstand spricht dagegen, eine unterschied-
liche rechtliche Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-

gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, un-
ter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage,
E Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 f.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 40309, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995
[NVwZ 1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, Seite 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-

Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-

Drucksache 16/1800 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
§ 43 Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl den
Zutritt und die Anwesenheit bei der Stimmauszäh-
lung bei der Hauptwahl nur den zuständigen Wahlor-
ganen vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang
mit einem auf das Demokratieprinzip zurückzufüh-
renden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vor-
gegebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich
erscheint überdies, ob entsprechende Regelungen
auch angesichts der großen Zahl der Beteiligten über-
haupt geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder
zumindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, Seite 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-

als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließenden
Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im Hin-
blick auf den aus dem Demokratieprinzip abzuleiten-
den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Bedenken
aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Zu
berücksichtigen sind aber auch die Gesichtpunkte or-
ganisatorischer und ergebnissichernder Natur. Der
Bundeswahlleiter hat in seiner Stellungnahme auf die
wahlorganisatorischen Gründe angesichts der rund
80 000 Wahllokale und 10 000 Briefwahlvorstände
aufmerksam gemacht. Hingewiesen wurde weiterhin
auch auf die Gefahr von Störungen oder Eingriffen
Dritter hinsichtlich der Vollzähligkeit und Unversehrt-
heit der Wahlurnen. Dies wiederum könnte das
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht

Vertrauen der Wahlberechtigten in die Korrektheit der
Abläufe beinträchtigen, so dass eine Verschiebung der
Auszählung sich hier nicht als geeignetes Mittel anbie-
tet, um einer Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleich-
heit durch mögliche taktische Stimmabgabe zu begeg-
nen (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/
Kluckert, NJW 2005, S. 3245).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-

den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – den Einspruchs-
führern zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst
daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.

zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/1800

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. A., 13403 Berlin
– Az.: WP 15/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 19. September 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch richtet sich angesichts
der auf den 2. Oktober 2005 festgelegten Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) gegen die Bekanntgabe des vor-
läufigen Endergebnisses der Bundestagswahl bereits am
18. September 2005.

Durch die vorzeitige Bekanntgabe des Wahlergebnisses
seien eine Beeinflussung des Wahlergebnisses und des
Wahlverhaltens der Bürger billigend in Kauf genommen
worden. Nach Auffassung des Einspruchsführers stellt dies
einen Wahlbetrug dar und es habe keine ehrliche, geheime
und demokratisch freie Wahl gegeben. Auch den Medien sei
es untersagt, vor Schließung der Wahllokale Ergebnisse zu
veröffentlichen, um das Wahlergebnis nicht zu beeinflussen.

schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-

könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane

Drucksache 16/1800 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur
Auszählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wähler-
verzeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die

Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70

Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/1800

(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige
Bekanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter
Nummer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im
Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnis-
ses der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass

nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem

Drucksache 16/1800 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, § 43 Rn. 6; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert,
Rechtsprobleme durch die Nachwahl, Neue Juristi-
sche Wochenschrift 2005 [NJW 2005], S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies
betrifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahl-
gesetzes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch
für nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahl-
ordnung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Druck-

Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen,
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
sache 2/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,

bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf- Pro-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/1800

zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favorisierte
auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolg-
schance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 f.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.

der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1995 [NVwZ 1995],
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem
Grundsatz, die Auszählung der Stimmen so transpa-
rent wie möglich zu gestalten, um das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die korrekte Feststellung des Wahl-
ergebnisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Klu-
ckert, NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffent-
lichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10
Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10
Abs. 1 Satz 1 BWG verhandeln, beraten und ent-
scheiden die Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54
BWO hat jedermann bei der Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses Zutritt. Dies bietet
zum einen interessierten Wahlberechtigten die
Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen Schritte
zu verfolgen und sich von ihrer ordnungsgemäßen
Abwicklung zu überzeugen. Zugleich bietet es ins-
besondere aber Medien oder Meinungsforschungsin-
stituten die Möglichkeit, die Ermittlung der Ergeb-
nisse zu verfolgen und hochzurechnen. Ein Verzicht
auf eine öffentliche Bekanntmachung böte also
keine Gewähr, durch Verhinderung entsprechender
Informationen ein taktisches Stimmverhalten zu ver-
hindern (vgl. auch Schreiber, Kommentar zum
BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1 am Ende). Im
Falle einer Nachwahl den Zutritt und die Anwesen-
heit bei der Stimmauszählung bei der Hauptwahl nur
den zuständigen Wahlorganen vorzubehalten, stünde
1995, S. 40309, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung

also nicht im Einklang mit einem auf das Demokra-
tieprinzip zurückzuführenden Transparenzgebot bei

Drucksache 16/1800 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der wahlrechtlich vorgegebenen Ermittlung der
Wahlergebnisse. Fraglich erscheint überdies, ob ent-
sprechende Regelungen auch angesichts der großen
Zahl der Beteiligten überhaupt geeignet wären, die
Ergebnisse insgesamt oder zumindest repräsentative
Resultate geheim zu halten (vgl. auch Schreiber,
ZRP 2005, S. 254). Gleiches dürfte für mögliche,
über § 32 Abs. 2 BWG hinausgehende Verbote an
Medien oder Meinungsforschungsinstitute gelten,
auf jegliche Berichterstattung mit Blick auf eine
noch bevorstehende Nachwahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die
Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten
(vgl. BVerfGE 95, 335, 367).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-

ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – den Einspruchs-
führern zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst
daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf

§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/1800

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau D. S. und des Herrn M. S., 67659 Kaiserslautern
– Az.: WP 17/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem am 22. September 2005 eingegangenen Schrei-
ben haben die Einspruchsführer gegen die Bundestagswahl
am 18. September 2005 Einspruch eingelegt und beziehen
sich insbesondere auf die Nachwahl im Wahlkreis 160
(Dresden I).

Durch die Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor Beendi-
gung der Bundestagswahl sehen sie sich in ihren demokrati-
schen Rechten verletzt und nehmen einen Verstoß gegen die
Erfolgswertgleichheit an. Eine geheime Wahl sei nur ge-
heim, wenn vor der Auszählung alle dafür in Betracht kom-
menden Stimmen abgegeben seien.

Weiterhin wird der „Volkeswille“ durch die „falschen Wahl-
zettel“ in Nordrhein-Westfalen als manipuliert angesehen.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005

Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des

Drucksache 16/1800 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur
Auszählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-

ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und Fest-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-

stellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/1800

kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005 S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-

hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-

schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG

Drucksache 16/1800 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der SechsWochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, § 43 Rn. 6; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert,
Rechtsprobleme durch die Nachwahl, Neue Juristi-
sche Wochenschrift [NJW 2005], S. 3242; ebenso
wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das Hessische
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte
keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe fest,
sah in der erfolgten Bekanntmachung aber keinen
Verstoß gegen Landeswahlgesetz und Landeswahl-
ordnung; die hessische Landeswahlordnung enthält
und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entsprechende
Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,

werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet

ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die
Fünf- Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stim-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/1800

mabgabe für eine andere Partei, da die ursprünglich
favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern
wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolg-
schance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-
tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage,
E Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 ff.; auch das Hessisches Wahlprüfungsge-

Verletzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler
jedoch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsge-
richtshof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen
Anordnungsverfahren eine Berührung des Erfolgs-
werts durch die Nachwahl ohne nähere Begründung
verneint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht,
1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hoch-
zurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt
und die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei
der Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen
vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang mit
richt, StAnz. 1995, S. 40309, folgerte aus möglicher
Stimmenbündelung bei knappem Wahlausgang eine

einem auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-

Drucksache 16/1800 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-

Bundeswahlleiter hat in seiner Stellungnahme auf die
wahlorganisatorischen Gründe angesichts der rund
80 000 Wahllokale und 10 000 Briefwahlvorstände
aufmerksam gemacht. Hingewiesen wurde weiterhin
auch auf die Gefahr von Störungen oder Eingriffen
Dritter hinsichtlich der Vollzähligkeit und Unver-
sehrtheit der Wahlurnen. Dies wiederum könnte das
Vertrauen der Wahlberechtigten in die Korrektheit der
Abläufe beinträchtigen, so dass eine Verschiebung der
Auszählung sich hier nicht als geeignetes Mittel an-
bietet, um einer Beeinträchtigung der Wahlrechts-
gleichheit durch mögliche taktische Stimmabgabe zu
begegnen (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254;
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzulei-
tenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Beden-
ken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Zu
berücksichtigen sind aber auch die Gesichtpunkte
organisatorischer und ergebnissichernder Natur. Der

Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3245).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

II.

Soweit schließlich der Einspruch davon ausgeht, dass die
Wahl durch „falsche“ Wahlzettel in Nordrhein-Westfalen
manipuliert worden sei, fehlt es an einem substantiierten
Vortrag eines möglichen Fehlers bei der Vorbereitung und
Durchführung der Bundestagswahl. Sollte sich der Hinweis
auf die Vertauschung von Stimmzetteln bei der Versendung
von Briefwahlunterlagen in den beiden Dortmunder Wahl-
kreisen 143 und 144 beziehen, ist darauf aufmerksam zu
machen, dass der Deutsche Bundestag dieser Angelegenheit
bei der Behandlung diesbezüglicher Wahleinsprüche bereits
nachgegangen ist. So ist mit Beschluss des Deutschen
Bundestages vom 30. März 2006 festgestellt worden, dass
die Versendung der falschen Stimmzettel einen Fehler bei
der Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl
darstellte, dieser Fehler aufgrund von Modellrechnungen
des Bundeswahlleiters und der Landeswahlleiterin des
Landes Nordrhein-Westfalen aber ohne Einfluss auf die
Verteilung der Mandate geblieben ist (vgl. Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 1, S. 6).

gemacht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahl-
leiterin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82

§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der
Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in
Pressemitteilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis
für das Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses
enthielt nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber
alle 598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-

ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/1800

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. W., 22335 Hamburg
– Az.: WP 26/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 20. September 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer erinnert daran, dass bei Auflösung des
Deutschen Bundestages gemäß Artikel 68 GG innerhalb von
60 Tagen eine Neuwahl zu erfolgen habe. Rein rechnerisch sei
der 18. September 2005 die letzte Möglichkeit für eine der-
artige Neuwahl gewesen. Jedoch habe an diesem Tag im
Wahlkreis 160 keine Wahl stattgefunden. Da dieser Wahlkreis
nach den 60 Tagen wählen werde und zudem vom bisherigen
Ergebnis beeinflusst werden könne, sei die am 18. September
2005 durchgeführte Bundestagswahl verfassungswidrig.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254,
bezieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlge-
setzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur

Drucksache 16/1800 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auszählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wähler-
verzeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der
Nachwahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen
untergebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)

das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der
gesamten Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Num-
mer 1) noch durch die Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses am 18. September 2005 (nachfolgend unter
Nummer 2) noch durch die sofortige Bekanntmachung der
Ergebnisse der Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/1800

2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahl-
kreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Be-
stimmungen des Wahlrechts liegt, wie auch vom
Bundeswahlleiter hervorgehoben, der Gedanke zu-
grunde, dass die Stimmabgabe mit einem einzigen
Stimmzettel für die Erst- und die Zweitstimme vorge-
sehen ist. Die Beibehaltung der Hauptwahl am
18. September 2005 bezüglich der Zweitstimme und
die Beschränkung der Nachwahl auf die Erststimme
wären nicht zulässig gewesen. Die Nachwahl findet
gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl
statt. So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des
Stimmzettels dergestalt, dass er zum einen für die
Wahl in den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewer-
ber der zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält
und zum anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a.
die Namen der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2
Satz 2 BWG findet die Stimmabgabe unter anderem
dadurch statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet
und in die Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine
Erststimme und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32
Abs. 2 Satz 1 BWG). Auch die Bestimmung des § 6
Abs. 1 Satz 2 BWG, wonach unter den dort näher ge-
nannten Voraussetzungen Zweitstimmen nicht be-
rücksichtigt werden dürfen, setzt notwendig den Ein-
satz eines einzigen Stimmzettels für die Erst- und die
Zweitstimme voraus. Vor diesem Hintergrund waren
die zuständigen Wahlorgane auch für den Fall der
Nachwahl nicht berechtigt, die Nachwahl am 2. Ok-
tober 2005 allein auf die Erstimme zu begrenzen, um
z. B. einem möglichen, in anderem Zusammenhang
noch anzusprechenden taktischen Wählen zu begeg-
nen (vgl. auch Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1465; Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252,
254; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch die
Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3241, 3242; für eine vergleichbare
hessische Wahlrechtsvorschrift auch Hessisches
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine Bedenken
auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist
für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-

von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich un-
terbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtig-
ten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grund-
gesetz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die Nach-
wahl angesichts der nicht auszuschließenden Möglich-
keit taktischer Stimmabgaben zu ändern sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit

Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten

Drucksache 16/1800 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005 S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG

nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468;
das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-

aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/1800

nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende

Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die
Fünf- Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese

unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Drucksache 16/1800 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1995 [NVwZ 1995],
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-

der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende).

Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und die Anwe-
senheit bei der Stimmauszählung bei der Hauptwahl
nur den zuständigen Wahlorganen vorzubehalten,
stünde also nicht im Einklang mit einem auf das De-
mokratieprinzip zurückzuführenden Transparenzge-
bot bei der wahlrechtlich vorgegebenen Ermittlung
der Wahlergebnisse.

Fraglich erscheint überdies, ob entsprechende Rege-
lungen auch angesichts der großen Zahl der Beteilig-
ten überhaupt geeignet wären, die Ergebnisse insge-
samt oder zumindest repräsentative Resultate geheim
zu halten (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254).
Gleiches dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG
hinausgehende Verbote an Medien oder Meinungs-
forschungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit

der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800
Wahlperiode – 57 – D Wahlperiode – 57 – D

den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von
Störungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der
Vollzähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen.

Dies wiederum könnte das Vertrauen der Wahlbe-
rechtigten in die Korrektheit der Abläufe beinträchti-
gen, so dass eine Verschiebung der Auszählung sich
hier nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Be-
einträchtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, freien und geheimen
Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht verletzt. Die durch
Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung ermöglichte
Stimmabgabe im Wissen der Ergebnisse der Hauptwahl be-
ließ jedem Wahlberechtigten gleichen Zugang zur Wahl, be-
wirkte keinen Zwang oder sonstige unzulässige Einfluss-
nahme auf die Wahlentscheidung und hielt diese auch vor
Dritten verborgen.

unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den im
Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung vorgese-

und erneut Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
henen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren anzu-
fechten seien. In einem an den Antragsteller gerichteten
Schreiben wurde sodann erläutert, dass die Wahlanfechtung
nicht im Verwaltungsrechtswege möglich und hierzu Ein-
spruch beim Deutschen Bundestag einzulegen sei. Der
Antragsteller hat sodann gegenüber dem VG Wiesbaden un-
ter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts seinen Antrag als erledigt zurückgenommen
und zugleich erklärt, dass er das Wahlergebnis nicht aner-
kenne und anfechte, da „die Freiheit und die Unabhängig-
keit nicht garantiert“ worden sei. Er beantragte, das Ergeb-
nis der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber 2005 für ungültig zu erklären.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-

sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254,
bezieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlge-
setzes.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/1800

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. F. B., 89547 Gerstetten
– Az.: WP 52/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 21. September 2005 hat der Bundes-
wahlleiter Unterlagen zu einem die Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) betreffenden Verwaltungsstreitverfah-
ren, das Herr B. gegen den Bundeswahlleiter geführt hat,
übermittelt.

Das zunächst vor dem Verwaltungsgericht Dresden und so-
dann vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden geführte Ver-
fahren zielte mit einem Antrag auf Erlass einer einstweili-
gen Anordnung und in der Hauptsache darauf ab, die Veröf-
fentlichung der Wahlergebnisse im Bundesgebiet angesichts
der möglichen Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler
erst nach der Nachwahl zuzulassen, ersatzweise die Wahl in
Dresden bereits am 18. September 2005 durchzuführen. Der
Antrag wurde durch Beschluss des VG Wiesbaden vom
15. September 2005 (6 G 1279/05 (V)) als unzulässig abge-
wiesen. Dabei wurde bezüglich der geforderten Nichtveröf-
fentlichung von Wahlergebnissen darauf abgestellt, dass ge-
mäß § 49 BWG Entscheidungen und Maßnahmen, die sich

Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und be-
kannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für 298
Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in einer Stellungnahme, die
einen anderen Wahleinspruch gegen die Nachwahl zum An-
lass hatte, zunächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei
Tod eines Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreis-
wahlvorschlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl
stattzufinden habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und
weil die Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen
seien und der Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen
habe, habe die Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl
gelegt werden können. Von den Vertrauenspersonen des
NPD-Kreiswahlvorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewer-
ber benannt und dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen
werden müssen. Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken
macht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG
stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der

§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-

Drucksache 16/1800 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur
Auszählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,

und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder wäh-
rend der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelungen
garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widerspräche
dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen

Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/1800

auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Zulässigkeit des Einspruchs bleibt offen; er ist jeden-
falls offensichtlich unbegründet.

Da trotz des Hinweises des Verwaltungsgerichts ein Ein-
spruch nicht beim Deutschen Bundestag eingelegt worden
ist, erscheint eine wirksame Einlegung durch die gegenüber
dem Verwaltungsgericht beantragte Ungültigkeitserklärung
zunächst als fraglich. So ist gemäß § 2 Abs. 3 WPrüfG ein
Einspruch schriftlich beim Deutschen Bundestag einzurei-
chen und zu begründen. In ständiger Praxis behandelt der
Deutsche Bundestag aber auch solche, von den zuständigen
Stellen weitergeleitete Schreiben als Einspruch, die z. B. an
Wahlbehörden gerichtet werden und sich gegen die Vorbe-
reitung und Durchführung von Bundestagswahlen richten.
Von Letzterem ist auszugehen, da in dem an das Verwal-
tungsgericht gerichteten Schreiben beantragt wird, die Wahl
für ungültig zu erklären.

II.

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der gesamten
Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Nummer 1) noch
durch die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
am 18. September 2005 (nachfolgend unter Nummer 2) noch
durch die sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der
Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahlkreis
160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Bestimmun-
gen des Wahlrechts liegt, wie auch vom Bundeswahl-
leiter hervorgehoben, der Gedanke zugrunde, dass
die Stimmabgabe mit einem einzigen Stimmzettel für
die Erst- und die Zweitstimme vorgesehen ist. Die
Beibehaltung der Hauptwahl am 18. September 2005
bezüglich der Zweitstimme und die Beschränkung
der Nachwahl auf die Erststimme wären nicht zuläs-

Grundlagen wie die Hauptwahl statt. So beschreibt
§ 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des Stimmzettels derge-
stalt, dass er zum einen für die Wahl in den Wahlkrei-
sen u. a. die Namen der Bewerber der zugelassenen
Kreiswahlvorschläge enthält und zum anderen für die
Wahl nach Landeslisten u. a. die Namen der Parteien
aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BWG findet die
Stimmabgabe unter anderem dadurch statt, dass der
Wähler den Stimmzettel faltet und in die Wahlurne
wirft, wobei der Wähler seine Erststimme und seine
Zweitstimme abgibt (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1 BWG).
Auch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG,
wonach unter den dort näher genannten Vorausset-
zungen Zweitstimmen nicht berücksichtigt werden
dürfen, setzt notwendig den Einsatz eines einzigen
Stimmzettels für die Erst- und die Zweitstimme vor-
aus. Vor diesem Hintergrund waren die zuständigen
Wahlorgane auch für den Fall der Nachwahl nicht be-
rechtigt, die Nachwahl am 2. Oktober 2005 allein auf
die Erstimme zu begrenzen, um z. B. einem mögli-
chen, in anderem Zusammenhang noch anzuspre-
chenden taktischen Wählen zu begegnen (vgl. auch
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deut-
sches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1465;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252, 254; Sodan/
Kluckert, Rechtsprobleme durch die Nachwahl, Neue
Juristische Wochenschrift 2005 [NJW 2005],
S. 3241, 3242; für eine vergleichbare hessische
Wahlrechtsvorschrift auch Hessisches Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine Bedenken
auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist
für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich un-
terbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtig-
ten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
sig gewesen. Die Nachwahl findet gemäß § 43 Abs. 3
BWG nach denselben Vorschriften und auf denselben

könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grund-
gesetz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Drucksache 16/1800 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu ent-
scheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen Ge-
staltungsfreiheit die Bestimmungen über die Nachwahl
angesichts der nicht auszuschließenden Möglichkeit tak-
tischer Stimmabgaben zu ändern sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/1800

nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-

Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,

abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die

Drucksache 16/1800 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-
tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E
Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,

menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995,
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen Er-
gebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grundsatz,
die Auszählung der Stimmen so transparent wie mög-
lich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffentlichkeit
in die korrekte Feststellung des Wahlergebnisses zu
gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert, NJW 2005,
S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit der Stimmaus-
zählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54
BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG verhan-
deln, beraten und entscheiden die Wahlvorstände
öffentlich. Nach § 54 BWO hat jedermann bei der
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses Zu-
tritt. Dies bietet zum einen interessierten Wahlberech-
tigten die Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen
Schritte zu verfolgen und sich von ihrer ordnungsge-
mäßen Abwicklung zu überzeugen. Zugleich bietet es
insbesondere aber Medien oder Meinungsforschungs-
instituten die Möglichkeit, die Ermittlung der Ergeb-
nisse zu verfolgen und hochzurechnen. Ein Verzicht
auf eine öffentliche Bekanntmachung böte also keine
Gewähr, durch Verhinderung entsprechender Informa-
tionen ein taktisches Stimmverhalten zu verhindern
(vgl. auch Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nach-
wahl den Zutritt und die Anwesenheit bei der Stim-
mauszählung bei der Hauptwahl nur den zuständigen
Wahlorganen vorzubehalten, stünde also nicht im Ein-
S. 1468 ff; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stim-

klang mit einem auf das Demokratieprinzip zurück-
zuführenden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/1800

vorgegebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Frag-
lich erscheint überdies, ob entsprechende Regelungen
auch angesichts der großen Zahl der Beteiligten über-
haupt geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder
zumindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinausge-
hende Verbote an Medien oder Meinungsforschungs-
institute gelten, auf jegliche Berichterstattung mit
Blick auf eine noch bevorstehende Nachwahl zu ver-
zichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen
wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht

als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die
Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzulei-
tenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Beden-
ken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Zu
berücksichtigen sind aber auch die Gesichtpunkte or-
ganisatorischer und ergebnissichernder Natur. Der
Bundeswahlleiter hat in seiner Stellungnahme auf die
wahlorganisatorischen Gründe angesichts der rund
80 000 Wahllokale und 10 000 Briefwahlvorstände
aufmerksam gemacht. Hingewiesen wurde weiterhin
auch auf die Gefahr von Störungen oder Eingriffen
Dritter hinsichtlich der Vollzähligkeit und Unver-
sehrtheit der Wahlurnen. Dies wiederum könnte das
Vertrauen der Wahlberechtigten in die Korrektheit der
Abläufe beinträchtigen, so dass eine Verschiebung der
Auszählung sich hier nicht als geeignetes Mittel an-
bietet, um einer Beeinträchtigung der Wahlrechts-
gleichheit durch mögliche taktische Stimmabgabe zu
begegnen (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254;
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3245).

können, da versucht worden sei, gezielt auf die bereits be-
kannten Machtverhältnisse zwischen CDU, CSU einerseits

deswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang auf Schrei-
ber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeitschrift für
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,

zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
und SPD andererseits einzuwirken.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-

Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, bezieht, dem
Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/1800

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. K. P., 67240 Bobenheim-Roxheim
– Az.: WP 72/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 hat der Einspruchsfüh-
rer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer sieht in der Nachwahl unter Vorabver-
öffentlichung der Wahlergebnisse aus der restlichen Bun-
desrepublik Deutschland am Abend des 18. Septembers
2005 einen Verstoß gegen Artikel 38 GG. Die Gleichheit
der Wahl sei damit, zumindest indirekt, nicht mehr gegeben
gewesen. Wie insbesondere die Bemühungen der Spit-
zenkandidaten der beiden großen Parteien gezeigt hätten,
sei der Nachwahl eine besondere Bedeutung im Hinblick
auf die Frage der danach zu bildenden Regierungskoalition
und der Wahl des Bundeskanzlers zugekommen. Die Wäh-
lerinnen und Wähler in Dresden hätten vor der Nachwahl,
bei Kenntnis der Wahlergebnisse vom 18. September 2005,
gezielt ihre Stimme abgeben können. Insbesondere hätte
dies zu einem Stimmenverlust der kleineren Parteien führen

unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der Haupt-
wahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht enthalte
keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe der
Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe sich
aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes, dass
für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwenden sei
und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben seien
(vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2 BWG).
Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstimmen und
eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen laut Bun-
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-

lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der

Drucksache 16/1800 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur
Auszählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die
lokale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-

tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/1800

Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-
kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im
Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnis-
ses der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen

Drucksache 16/1800 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der SechsWochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für

drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-

hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/1800

abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die
Fünf- Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-

auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;

Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen
vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang mit

Drucksache 16/1800 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

einem auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht

Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005

setzes.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-

lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/1800

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn C. K., 06124 Halle
– Az.: WP 74/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 hat der Einspruchsfüh-
rer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer sieht in der Nachwahl einen Verstoß
gegen Artikel 38 GG. Die Mitbürger im Wahlkreis 160
hätten bereits das Ergebnis der Wahl gekannt und daher
einen Wissensvorsprung vor allen anderen Bürgern gehabt.
So hätten die CDU-Wähler gewusst, dass ihre Partei ein
Bundestagsmandat verlieren könnte, falls die CDU zu viele
Zweitstimmen erhielte. Außerdem seien die Wähler im
Wahlkreis 160 bereits über personelle Veränderungen in den
Parteien informiert gewesen, was ebenfalls einen sehr star-
ken Einfluss auf die Wahlentscheidung gehabt haben
könnte.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-

schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlge-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Drucksache 16/1800 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsan-
zeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-

menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in
geeigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der
gesamten Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Num-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-

mer 1) noch durch die Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses am 18. September 2005 (nachfolgend unter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/1800

Nummer 2) noch durch die sofortige Bekanntmachung der
Ergebnisse der Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahl-
kreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Be-
stimmungen des Wahlrechts liegt, wie auch vom Bun-
deswahlleiter hervorgehoben, der Gedanke zugrunde,
dass die Stimmabgabe mit einem einzigen Stimmzet-
tel für die Erst- und die Zweitstimme vorgesehen ist.
Die Beibehaltung der Hauptwahl am 18. September
2005 bezüglich der Zweitstimme und die Beschrän-
kung der Nachwahl auf die Erststimme wären nicht
zulässig gewesen. Die Nachwahl findet gemäß § 43
Abs. 3 BWG nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl statt. So
beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des Stimm-
zettels dergestalt, dass er zum einen für die Wahl in
den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewerber der
zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält und zum
anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a. die Na-
men der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2
BWG findet die Stimmabgabe unter anderem dadurch
statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet und in die
Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine Erststimme
und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1
BWG). Auch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2
BWG, wonach unter den dort näher genannten Vor-
aussetzungen Zweitstimmen nicht berücksichtigt wer-
den dürfen, setzt notwendig den Einsatz eines einzi-
gen Stimmzettels für die Erst- und die Zweitstimme
voraus. Vor diesem Hintergrund waren die zuständi-
gen Wahlorgane auch für den Fall der Nachwahl nicht
berechtigt, die Nachwahl am 2. Oktober 2005 allein
auf die Erstimme zu begrenzen, um z. B. einem mög-
lichen, in anderem Zusammenhang noch anzuspre-
chenden taktischen Wählen zu begegnen (vgl. auch
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deut-
sches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1465;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252, 254; Sodan/
Kluckert, Rechtsprobleme durch die Nachwahl, Neue
Juristische Wochenschrift 2005 [NJW 2005], S. 3241,
3242; für eine vergleichbare hessische Wahlrechtsvor-
schrift auch Hessisches Wahlprüfungsgericht, Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995, StAnz. 1995,
S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine Bedenken

für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich un-
terbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtig-
ten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grund-
gesetz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden
Möglichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern
sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist

hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-

Drucksache 16/1800 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-

und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt

(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/1800

§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468;
das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten der-

würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu
denken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über
die Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
jenigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate

und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-

Drucksache 16/1800 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-
tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E
Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 ff.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995,
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800
Wahlperiode – 79 – D Wahlperiode – 79 – D

lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließenden
Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im Hin-
blick auf den aus dem Demokratieprinzip abzuleiten-
den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Bedenken
aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Zu be-
rücksichtigen sind aber auch die Gesichtpunkte orga-
nisatorischer und ergebnissichernder Natur. Der Bun-
deswahlleiter hat in seiner Stellungnahme auf die
wahlorganisatorischen Gründe angesichts der rund
80 000 Wahllokale und 10 000 Briefwahlvorstände
aufmerksam gemacht. Hingewiesen wurde weiterhin
auch auf die Gefahr von Störungen oder Eingriffen
Dritter hinsichtlich der Vollzähligkeit und Unversehrt-
heit der Wahlurnen. Dies wiederum könnte das Ver-
trauen der Wahlberechtigten in die Korrektheit der Ab-
läufe beinträchtigen, so dass eine Verschiebung der
Auszählung sich hier nicht als geeignetes Mittel anbie-
tet, um einer Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleich-
heit durch mögliche taktische Stimmabgabe zu begeg-
nen (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/
Kluckert, NJW 2005, S. 3245).

gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-

ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.
macht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG
stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der
Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und
bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für
298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod eines Wahlkreisbe-
werbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags, aber
noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe. Auf-
grund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahlun-
terlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf

§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/1800

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. D., 83646 Wackersberg
– Az.: WP 77/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 22. September 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt.

Der Einspruch richtet sich zum einen dagegen, dass eine
Hälfte der Abgeordneten direkt und die andere Hälfte durch
die Zweitstimme gewählt werden. Darin wird ein Verstoß
gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl gemäß Arti-
kel 38 GG gesehen.

Zum anderen wird gerügt, dass die Wähler im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) durch das bereits bekannt gemachte
Wahlergebnis im übrigen Bundesgebiet beeinflusst worden
seien. Es sei davon auszugehen, dass bei einer direkten und
gleichen Wahl die Mandate anders verteilt worden, Über-
hangmandate so nicht entstanden seien.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005

Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254,
bezieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahl-
gesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des

Drucksache 16/1800 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsan-
zeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-

ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in
geeigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Ausgestaltung des Wahlsystems

Soweit der Einspruch sich gegen die Wahl der Abgeordne-
ten mit Erststimme einerseits und über die Landeslisten an-
dererseits richtet, ist kein Wahlfehler erkennbar. Nach § 4
BWG hat jeder Wähler zwei Stimmen. Hierbei ist die
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-

Zweitstimme die entscheidende, da sie das zahlenmäßige
Gesamtgewicht der einzelnen Parteien bestimmt. Diese

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/1800

Ausgestaltung als Zweistimmensystem bewegt sich im Rah-
men des dem Wahlgesetzgeber eingeräumten Regelungs-
spielraums und stellt keine Verletzung der Gleichheit der
Wahl dar (vgl. ebenso bereits Beschlussempfehlung zur
Bundestagswahl 2002 – Bundestagsdrucksache 15/1850,
S. 51).

Nachwahl in Dresden

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige
Bekanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter
Nummer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-

Drucksache 16/1800 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntma-
chung der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl
verpflichtenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz

Bundestag im Rahmen der Wahlprüfung nicht als
berufen ansieht, die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Diese Kon-
trolle ist stets – vgl. Bundestagsdrucksache 13/
3035, Anlage 28, S. 66 sowie zuletzt Bundestags-
drucksache 15/2400, Anlage 11, S. 49 – dem Bun-
desverfassungsgericht vorbehalten (vgl. insoweit
auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies betrifft nicht nur
Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes selbst, son-
dern gilt in gleicher Weise auch für nachrangiges
Recht, wie z. B. die Bundeswahlordnung (so bereits
in der 2. Wahlperiode – Bundestagsdrucksache II/
514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig, Grundge-
setz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –, Rn. 73, wo-
nach dies zu Recht damit begründet werde, dass der
Deutsche Bundestag an bestehende Gesetze ebenso
wie an nachrangiges Recht gebunden sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten der-
jenigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende Di-
rektmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
und Bundeswahlordnung erhoben werden, ist zu-
nächst daran zu erinnern, dass sich der Deutsche

deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/1800

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen,
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favorisierte
auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber

der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-
tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E
Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 f.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler
jedoch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsge-
richtshof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen
Anordnungsverfahren eine Berührung des Erfolgs-
werts durch die Nachwahl ohne nähere Begründung
verneint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht,
1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise

ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder

Drucksache 16/1800 – 86 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 86 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-

bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl

der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Be-
einträchtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mög-
liche taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Briefwahl in Dortmund Laut Landeswahlleiterin und Bundeswahlleiter sind die ver-
unterlagen Versorgten gebeten, den jeweils erhaltenen
Stimmzettel zu überprüfen. Außerdem wurden sie über die
Möglichkeiten zur korrekten Stimmabgabe informiert und

ihre Landeslisten („Unterverteilung“) ergeben. In einer
zweiten Modellrechnung wurden die 10 433 Stimmen je-
weils insgesamt einer der genannten Parteien zugerechnet.
Die Stadt Dortmund ließ einen Teil der für die Wahlkreise
143 und 144 (Dortmund I und II) zu versendenden Brief-
wahlunterlagen durch eine Privatfirma verpacken und ver-
schicken, ohne darauf aufmerksam zu machen, dass die
Stimmzettel getrennt nach den beiden Wahlkreisen den
Wahlunterlagen beizufügen seien. Deshalb wurden am
2. September 2005 rund 50 000 Briefwahlunterlagen in den
Postversand gegeben, ohne dass darauf geachtet worden ist,
ob jeweils ein der Anschrift des Briefwählers entsprechen-
der Stimmzettel beigefügt worden war. Nach bekannt wer-
den des Fehlers am 3. September 2005 unterrichtete die
Stadt Dortmund die Bevölkerung in Radio und Fernsehen
sowie mittels Presse über die Versendung möglicherweise
falscher Stimmzettel. Mit Schreiben vom 6. September
2005 wurden dann alle von der Privatfirma mit Briefwahl-

tauschten Stimmzettel gesondert ausgezählt worden. Nach
den dem Wahlprüfungsausschuss vorliegenden Modellrech-
nungen sowohl des Bundeswahlleiters als auch des Landes-
amtes für Datenverarbeitung und Statistik, erstellt im Auf-
trag der Landeswahlleiterin, hätte sich auch bei Wertung der
ungültigen Zweitstimmen keine Veränderung bei der Zutei-
lung der Sitze ergeben. So hat der Bundeswahlleiter in einer
ersten Modellrechnung die Zahl der wegen Vertauschung
ungültigen Zweitstimmen der Parteien SPD, CDU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, DIE LINKE. den je-
weiligen Parteien zugerechnet. (zugerechnet wurden für
SPD: 5 129; CDU: 3 043; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
445; FDP: 648; DIE LINKE.: 810). Dabei haben sich keine
mandatsrelevanten Verschiebungen bei der Verteilung der
Zweitstimmen auf die Listenverbindungen („Obervertei-
lung“) oder bei der Verteilung der Mandate der Parteien auf
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/1800

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn B. S., 48161 Münster
– Az.: WP 85/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten und an den
Deutschen Bundestag weitergeleiteten Schreiben vom
10. Oktober 2005 hat der Einspruchsführer gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. Sep-
tember 2005 Einspruch eingelegt. Zur Begründung des Ein-
spruchs wird zum einen auf die Ungültigkeit von mehr als
10 000 Stimmen durch Pannen bei der Briefwahl in Dort-
mund abgestellt und hierin eine Verletzung des Grundsatzes
der Wahlgleichheit gesehen. Zum anderen sei eine ver-
gleichbare Verletzung einschließlich einer Verletzung der
§§ 32 und 43 BWG durch den Wissensvorsprung der Wäh-
ler bei der Nachwahl in Dresden aufgrund der Medienbe-
richte zwischen Haupt- und Nachwahl eingetreten. Um ei-
ner solchen Situation vorzubeugen, untersage das Bundes-
wahlgesetz ausdrücklich die Veröffentlichung von Wähler-
befragungen nach der Stimmabgabe vor Ablauf der
Wahlzeit, dies gelte gemäß § 43 Abs. 3 BWG auch für die
Nachwahl.

des kommunalen Wahlbüros oder des Bürgerbüros – ange-
boten, den Stimmzettel auszutauschen oder den bisherigen
Wahlschein für ungültig erklären zu lassen und neue Brief-
wahlunterlagen zu erhalten.

Insgesamt sind laut Angaben der Landeswahlleiterin zwi-
schen 22 000 und 25 000 Stimmzettel ausgetauscht und ins-
gesamt 12 321 Wahlscheine, letztere teilweise auch aus an-
deren Gründen, für ungültig erklärt worden. Im Ergebnis ist
schließlich mit 10 533 vertauschten Stimmzetteln gewählt
worden; davon beruhte in 10 433 Fällen die Ungültigkeit
der Zweitstimme auf der Vertauschung und nicht – wie für
den Rest – auf anderen Gründen. Auf Nachfrage sind die
beiden Zahlenwerte – insgesamt 10 533, aber 10 433 nur
wegen Vertauschung ungültig – von der Landeswahlleiterin
bestätigt worden. Dass zunächst von insgesamt 10 504 un-
gültigen Stimmen ausgegangen und dies später auf 10 533
korrigiert wurde, wird mit möglichen Zählfehlern durch die
Belastung des Wahlabends erklärt. Die wegen Vertauschung
ungültigen Erststimmen liegen mit 10 272 etwas niedriger.
es wurde auch – unter Hinweis auf die Nutzung des E-Mail-
Verkehrs, das städtische Call-Center oder das Aufsuchen

Auch dies bewirkte – abgesehen von der FDP – keine Ver-
änderungen. Im Falle der FDP würden 8 002 Zweitstimmen

Drucksache 16/1800 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

als einzige Auswirkung ein FDP-Mandat von Sachsen nach
Nordrhein-Westfalen verschieben.

Bezüglich der Erststimmen ist laut Landeswahlleiterin die
Vertauschung angesichts des mit jeweils über 40 000 Stim-
men deutlichen Vorsprungs der in den beiden Wahlkreisen
erfolgreichen Bewerber ohne Bedeutung.

Weder der Bundeswahlleiter noch die Landeswahlleiterin
des Landes Nordrhein-Westfalen sahen Anlass, in amtlicher
Eigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 WPrüfG Einspruch einzule-
gen.

Nachwahl in Dresden

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG
stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der
Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und
bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für
298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme, die wegen
Bindung an die gesetzlichen Regelungen nicht die Frage der
Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG disku-
tiert, zunächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod ei-
nes Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der
Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der Haupt-
wahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht enthalte
keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe der
Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe sich
aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes, dass
für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwenden sei
und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben seien
(vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2 BWG).
Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstimmen und
eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen laut Bun-
deswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang auf Schrei-
ber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeitschrift für
Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, bezieht, dem
Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden

vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsan-
zeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/1800

verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse
für die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis
für das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.

auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Briefwahl in Dortmund

Die Versendung falscher Stimmzettel für die Teilnahme an
der Briefwahl in den Wahlkreisen Dortmund I und II stellt
einen Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der
Bundestagswahl dar. Dieser Fehler geht auf eine unterblie-
bene Information durch die Stadt Dortmund an die mit der
Verpackung und Versendung beauftragte Firma zurück. Im
Ergebnis hat dieser Fehler trotz der im Tatbestand angespro-
chenen Bemühungen um Abhilfe dazu geführt, dass wegen
Verwendung des falschen Stimmzettels die betroffenen
Erst- und Zweitstimmen zutreffend gemäß § 39 Abs. Nr. 1
BWG als ungültig gewertet wurden.

Dennoch führt dieser Wahlfehler nicht zur Begründetheit des
Einspruchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und
der Deutsche Bundestag stets angeschlossen haben (vgl.
z. B. für die Wahl zum 15. Deutschen Bundestag Beschluss-
empfehlung auf Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 42,
S. 158), können nämlich nur solche Wahlfehler einen Wah-
leinspruch erfolgreich begründen, die auf die Mandatsvertei-
lung von Einfluss sind oder hätten sein können. Infolgedes-
sen scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheblich
aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berühren
(seit BVerfGE 4, 370, 372 ständige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts). Selbst solche Wahlfehler, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann un-
erheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses
keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben können.

Die oben zitierten Modellrechnungen belegen eindeutig,
dass die wegen Vertauschung des Stimmzettels ungültigen
Stimmen ohne Einfluss auf die Verteilung der Mandate ge-
blieben sind. Dies gilt zunächst für die Berücksichtigung
der Zweitstimmen. So belegt z. B. die Modellrechnung des
Bundeswahlleiters, dass eine Berücksichtigung der vorsorg-
lich ausgezählten 10 433 ungültigen Zweitstimmen keine
Änderung bei den einzelnen Parteien bewirken würde. Zu-
gleich wird erkennbar, dass auch eine hypothetische Zuwei-
sung aller ungültigen Stimmen jeweils an eine Partei für die
Mandatsverteilung unerheblich wäre. Auch soweit im Falle
der FDP 8 002 zusätzliche Stimmen Auswirkungen zeigen
würden, ist dies als fern liegend zu vernachlässigen, da die
tatsächliche Auszählung nur 648 Zweitstimmen ergeben
hat.

Soweit es um die Berücksichtigung der Erststimmen geht,
fehlt es ebenfalls an einer Erheblichkeit. Im Wahlkreis 143
hat der erfolgreiche Bewerber einen Vorsprung von 42 259
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I

Stimmen vor dem Zweitplatzierten, im Wahlkreis 144 be-
trägt dieser Vorsprung 43 842 Stimmen (vgl. Der Bundes-

Drucksache 16/1800 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wahlleiter, Wahl zum Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber 2005, Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen,
S. 92 ff.).

Mangels Erheblichkeit kann auch offen bleiben, ob nach be-
kannt werden der Vertauschung in zeitlicher und sachlicher
Hinsicht die notwendigen Maßnahmen getroffen worden
sind, um möglichst vielen Wahlberechtigten noch eine gül-
tige Wahlteilnahme zu ermöglichen. Das Bundeswahlgesetz
und die Bundeswahlordnung regeln die Bewältigung ver-
gleichbarer „Pannen“ nicht. Ohnehin erscheint es ausge-
schlossen, für eine derartige Sachlage generelle Vorgaben
anzuordnen. Die im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen
hängen von der Art des Fehlers, seinem Ausmaß und der
noch zur Verfügung stehenden Zeit ab, die z. B. hier ange-
sichts der Bedingungen einer kurzfristig stattfindenden
Neuwahl knapp bemessen war. So erscheinen die in Dort-
mund getroffenen Maßnahmen als durchaus geeignet, den
Fehler rechtzeitig und weitestgehend zu korrigieren. Davon
abgesehen ist es angesichts des Ausmaßes des Fehlers aber
auch der engen zeitlichen Bedingungen nachvollziehbar,
dass in Einzelfällen beim Austausch oder der Versendung
von Unterlagen oder im Wahllokal selbst keine wirksame
Abhilfe getroffen werden konnte.

Außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens bleibt gesetzgebe-
risch zu erwägen, durch Änderung von § 39 Abs. 1 Nr. 1
BWG bei Vertauschung von Stimmzetteln in einem Bundes-
land jedenfalls die Zweitstimmen als gültig werten zu kön-
nen.

Nachwahl in Dresden

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige
Bekanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter
Nummer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-

(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet

sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/1800

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-

Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur

anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen

Drucksache 16/1800 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten der-
jenigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende Di-
rektmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen,
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das
Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favorisierte
auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance ha-
ben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von der
letztgenannten, von der von der gleichen rechtlichen
Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu
berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine ge-
sonderten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr
nach denselben Vorschriften und auf denselben
Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3

schriften berücksichtigt werden. So unterscheidet sich
die Regelung über die Nachwahl von denjenigen Re-
gelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grund-
mandatsklausel festlegen oder Überhangmandate und
ein Stimmensplitting ermöglichen und sich damit auf
manche Stimmabgabe rechtlich auswirken. Diese Re-
gelungen sind vom Bundesverfassungsgericht jeweils
als – gerechtfertigter – Eingriff in die Wahlrechts-
gleichheit behandelt worden (BVerfGE 95, 408, 419,
421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser Um-
stand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtli-
che Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt, den
Einwand einer engen und formalen Sichtweise der
Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgschance
hervorrufen. Sofern man auf denselben praktischen
Erfolgswert für die Bemessung des Wahlergebnisses
abstellt, kommt der Stimme des Nachwählers, der
denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein höherer
Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere Stimm-
abgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt wird
(Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Berufung
auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3; im
Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 f.; auch
das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbündelung
bei knappem Wahlausgang eine Verletzung der Wahl-
rechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als nicht erheb-
lich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte zu-
vor in einem einstweiligen Anordnungsverfahren eine
Berührung des Erfolgswerts durch die Nachwahl ohne
nähere Begründung verneint; Neue Zeitschrift für Ver-
waltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).
BWG), so dass die bei der Nachwahl abgegebenen
Stimmen nach den für die Hauptwahl geltenden Vor-

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/1800

sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

würden, dass eine andere CDU-Landesliste ein Mandat
nicht erhalten würde. Ferner hätten die Wahlberechtigten im

zu drucken und erneut Briefwahlunterlagen zu versenden
gewesen.
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
Wahlkreis 160 errechnen können, dass für andere Parteien
abgegebene Zweitstimmen diesen negativen Effekt nicht
würden haben können, da für keine andere Landesliste
Überhangmandate überhaupt möglich gewesen seien. Diese
Vorkenntnis habe die Wahlberechtigten im Wahlkreis 160
massiv beeinflussen können. Im Wahlkreis des Einspruchs-
führers hätten die Wahlberechtigten dagegen keine ver-
gleichbaren Vorkenntnisse gehabt. Die Wahl sei daher nicht
gleich gewesen. Der kritisierte Umstand hätte leicht vermie-
den werden können, wenn die Nachwahl lediglich für die
Erststimmen durchgeführt worden wäre. Das Bundeswahl-
gesetz sollte daher insoweit präzisiert oder die Sitzvertei-
lung auf Landeslisten geändert werden.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/1800

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. N. H., 85716 Unterschleißheim
– Az.: WP 92/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer rügt, dass den Wahlberechtigten im
Wahlkreis 160 nicht nur die prozentualen Ergebnisse aus
den übrigen Wahlkreisen, insbesondere auch aus den Län-
dern und dem Bund, zur Verfügung gestanden hätten, son-
dern auch die exakten Stimmzahlen des vorläufigen amtli-
chen Endergebnisses vom 19. September 2005. Mit diesen
Stimmzahlen habe im Vorhinein errechnet werden können,
dass die Landesliste der CDU in Sachsen bereits mit Sicher-
heit Überhangmandate erhalten würde, jegliche für die
CDU abgegebene Zweitstimme also für die Landesliste in
Sachsen gar keine weiteren Listenmandate erringen konnte.
Im Gegenteil hätten die Wahlberechtigten im Wahlkreis 160
zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen können,
dass für die CDU abgegebene Zweitstimmen dazu führen

BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWG)
bei Tod eines Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des
Kreiswahlvorschlags, aber noch vor der Wahl eine Nach-
wahl stattzufinden habe. Aufgrund der fortgeschrittenen
Zeit und weil die Briefwahlunterlagen bereits versandt ge-
wesen seien und der Rücklauf der Briefwahlunterlagen be-
gonnen habe, habe die Nachwahl nicht auf den Tag der
Hauptwahl gelegt werden können. Von den Vertrauensper-
sonen des NPD- Kreiswahlvorschlags habe ein neuer Kreis-
wahlbewerber benannt und dieser vom Kreiswahlausschuss
zugelassen werden müssen. Sodann seien neue Stimmzettel
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7

müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-

Drucksache 16/1800 – 96 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 96 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen

Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/1800

auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der gesamten
Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Nummer 1) noch
durch die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
am 18. September 2005 (nachfolgend unter Nummer 2) noch
durch die sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der
Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahlkreis
160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Bestimmun-
gen des Wahlrechts liegt, wie auch vom Bundeswahl-
leiter hervorgehoben, der Gedanke zugrunde, dass
die Stimmabgabe mit einem einzigen Stimmzettel für
die Erst- und die Zweitstimme vorgesehen ist. Die
Beibehaltung der Hauptwahl am 18. September 2005
bezüglich der Zweitstimme und die Beschränkung
der Nachwahl auf die Erststimme wären nicht zuläs-
sig gewesen. Die Nachwahl findet gemäß § 43 Abs. 3
BWG nach denselben Vorschriften und auf denselben
Grundlagen wie die Hauptwahl statt. So beschreibt
§ 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des Stimmzettels derge-
stalt, dass er zum einen für die Wahl in den Wahlkrei-
sen u. a. die Namen der Bewerber der zugelassenen
Kreiswahlvorschläge enthält und zum anderen für die
Wahl nach Landeslisten u. a. die Namen der Parteien
aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BWG findet die
Stimmabgabe unter anderem dadurch statt, dass der
Wähler den Stimmzettel faltet und in die Wahlurne
wirft, wobei der Wähler seine Erststimme und seine
Zweitstimme abgibt (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1 BWG).
Auch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG,
wonach unter den dort näher genannten Vorausset-
zungen Zweitstimmen nicht berücksichtigt werden
dürfen, setzt notwendig den Einsatz eines einzigen
Stimmzettels für die Erst- und die Zweitstimme vor-
aus. Vor diesem Hintergrund waren die zuständigen
Wahlorgane auch für den Fall der Nachwahl nicht be-

chen, in anderem Zusammenhang noch anzuspre-
chenden taktischen Wählen zu begegnen (vgl. auch
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deut-
sches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1465;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252, 254; Sodan/Klu-
ckert, Rechtsprobleme durch die Nachwahl, Neue Ju-
ristische Wochenschrift 2005 [NJW 2005], S. 3241,
3242; für eine vergleichbare hessische Wahlrechts-
vorschrift auch Hessisches Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine Bedenken
auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist
für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich un-
terbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtig-
ten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grundge-
setz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden
Möglichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern
sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
rechtigt, die Nachwahl am 2. Oktober 2005 allein auf
die Erstimme zu begrenzen, um z. B. einem mögli-

BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die

Drucksache 16/1800 – 98 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 98 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP. S. 254; ebenso
Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundeswahl-
recht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegangen,
dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergebnisse zu
ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am 18.
September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-

und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz
vorgesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte
erfolgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des
neu gewählten Deutschen Bundestages zum Termin
der konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/1800

anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468;
das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler

ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet
worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, sondern
auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglichkeit
Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn ein
derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahlbe-
rechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen,
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das
Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favorisierte
auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-

Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von

Drucksache 16/1800 – 100 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 100 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt, den
Einwand einer engen und formalen Sichtweise der Be-
deutung der gleichen rechtlichen Erfolgschance her-
vorrufen. Sofern man auf denselben praktischen Er-
folgswert für die Bemessung des Wahlergebnisses ab-
stellt, kommt der Stimme des Nachwählers, der denk-
bare Auswirkungen kennt, praktisch ein höherer
Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere Stimm-
abgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt wird
(Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Berufung
auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3; im Er-
gebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.; auch das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbündelung
bei knappem Wahlausgang eine Verletzung der Wahl-
rechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als nicht erheb-
lich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte zu-
vor in einem einstweiligen Anordnungsverfahren eine
Berührung des Erfolgswerts durch die Nachwahl ohne
nähere Begründung verneint; Neue Zeitschrift für Ver-
waltungsrecht 1995 [NVwZ 1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-

die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss

testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 101 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 101 – Drucksache 16/1800

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-

leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

ten jedenfalls ihre Stimme mit Auswirkung auf das vorläu-
fige Ergebnis gewichten können. In diesem Zusammenhang

seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle
598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-

unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
macht der der Einspruchsführer auch auf ein Urteil des
Hessischen Wahlprüfungsgerichts von 1995 aufmerksam.
Das Gericht habe sich nur wegen fehlender Mandatsauswir-
kung nicht zur Ungültigkeit der Wahl entschließen können.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Presse-
mitteilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt

men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254,
bezieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahl-
gesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 103 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 103 – Drucksache 16/1800

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. K., 35582 Wetzlar
– Az.: WP 110/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 18. Oktober und 30. November 2005 hat
der Einspruchsführer gegen die Bundestagswahl am
18. September 2005 Einspruch eingelegt. Der Einspruch be-
trifft im Wesentlichen die Nachwahl im Wahlkreis 160
(Dresden I) und rügt im Übrigen, dass die neu gewählten
Abgeordneten selbst über die Richtigkeit des Wahlergebnis-
ses zu entscheiden hätten.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Feststellung
des vorläufigen amtlichen Endergebnisses vom 19. Septem-
ber 2005 durch den Bundeswahlleiter und die hieraus resul-
tierenden Konsequenzen. Einfachgesetzlich sei die Be-
kanntgabe zwar in Ordnung gewesen, die in § 43 BWG ge-
regelte Nachwahl (hier im Wahlkreis 160 am 2. Oktober
2005) habe aber gegen Artikel 38 Abs. 1 GG verstoßen, da
die geforderte Gleichheit der Wahl verletzt werde, wenn das
Wahlergebnis – wie geschehen – in den anderen Wahlbezir-
ken schon am ersten Wahltag ermittelt und öffentlich festge-
stellt werde. Die Wahlberechtigten des Wahlkreises 160 hät-

kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD- Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-

grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-

Drucksache 16/1800 – 104 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 104 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahlur-
nen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-

Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-

kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der

fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 105 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 105 – Drucksache 16/1800

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-
kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein

taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
wird, die §§ 37 BWG, 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen

gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-

Drucksache 16/1800 – 106 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 106 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben ha-
ben. Eine Verschiebung der Feststellung oder Be-
kanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum Ab-
schluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2
Grundgesetz der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2
Satz 1 BWG entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und
Wahlrechtsgleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt
2005 [DVBl 2005], S. 1468), ist hier schon aus tat-
sächlichen Gründen nicht nachzugehen. Die Mög-
lichkeit, dass eine Nachwahl spät mit der Konse-
quenz von Anpassungsbedarf stattfindet, ist im Übri-
gen anerkannt; so wird eine Korrektur des Wahl-
ergebnisses ebenso für möglich gehalten wie eine
Verschiebung von Sitzen und nachträgliche Mandats-
verluste (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im

ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 107 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 107 – Drucksache 16/1800

dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die
Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,

chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-
tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage,
E Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 ff.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995,
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-

Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die

Drucksache 16/1800 – 108 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 108 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches

als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe
angesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-

gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht

wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

II.

Soweit der Einspruchsführer das Wahlprüfungsverfahren kri-
tisiert und beanstandet, die gewählten Politiker entschieden in
eigener Sache, so begründet auch dies keinen Wahlfehler.
Nach Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Wahlprüfung Sache
des Deutschen Bundestages. Nach Artikel 41 Abs. 2 GG ist
gegen die Entscheidung des Deutschen Bundestages die Be-
schwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig. Der
Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsausschuss sind an
die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden.

teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598

und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der

Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109 – Drucksache 16/1800

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. D., 55159 Mainz
– Az.: WP 124/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass die Bundes-
tagswahl 2005 nicht gerecht abgelaufen sei. Dies sei nicht
der Fall gewesen, da ganz Deutschland außer Dresden als
erstes, anschließend Dresden als zweites gewählt habe.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-

der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe

ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Drucksache 16/1800 – 110 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 110 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in
geeigneter Form öffentlich bekannt geben.

ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der gesamten
Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Nummer 1) noch
durch die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
am 18. September 2005 (nachfolgend unter Nummer 2) noch
durch die sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der
Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung von § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG, § 82 BWO.
Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 111 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 111 – Drucksache 16/1800

gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahl-
kreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Be-
stimmungen des Wahlrechts liegt, wie auch vom
Bundeswahlleiter hervorgehoben, der Gedanke zu-
grunde, dass die Stimmabgabe mit einem einzigen
Stimmzettel für die Erst- und die Zweitstimme vorge-
sehen ist. Die Beibehaltung der Hauptwahl am
18. September 2005 bezüglich der Zweitstimme und
die Beschränkung der Nachwahl auf die Erststimme
wären nicht zulässig gewesen. Die Nachwahl findet
gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl
statt. So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des
Stimmzettels dergestalt, dass er zum einen für die
Wahl in den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewer-
ber der zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält
und zum anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a.
die Namen der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2
Satz 2 BWG findet die Stimmabgabe unter anderem
dadurch statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet
und in die Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine
Erststimme und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32
Abs. 2 Satz 1 BWG). Auch die Bestimmung des § 6
Abs. 1 Satz 2 BWG, wonach unter den dort näher ge-
nannten Voraussetzungen Zweitstimmen nicht be-
rücksichtigt werden dürfen, setzt notwendig den Ein-
satz eines einzigen Stimmzettels für die Erst- und die
Zweitstimme voraus. Vor diesem Hintergrund waren
die zuständigen Wahlorgane auch für den Fall der
Nachwahl nicht berechtigt, die Nachwahl am 2. Ok-
tober 2005 allein auf die Erstimme zu begrenzen, um
z. B. einem möglichen, in anderem Zusammenhang
noch anzusprechenden taktischen Wählen zu begeg-
nen (vgl. auch Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1465; Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252,
254; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch die
Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3241, 3242; für eine vergleichbare
hessische Wahlrechtsvorschrift auch Hessisches
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von 60 Tagen stattfindet, keine Bedenken
auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005, S. 1468, soweit
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-Wochen-Frist
für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen davon, dass
der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-

gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich un-
terbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberechtig-
ten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Deutscher Bundestag nicht mehr gewählt werden
könnte (vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grundge-
setz, Artikel 39 – Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die Nach-
wahl angesichts der nicht auszuschließenden Möglich-
keit taktischer Stimmabgaben zu ändern sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-

gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-

Drucksache 16/1800 – 112 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 112 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP S. 254; ebenso
Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundeswahl-
recht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegangen,
dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergebnisse zu
ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Be-
denken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen tak-
tischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt

wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte
erfolgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des
neu gewählten Deutschen Bundestages zum Termin
der konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage,§ 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 113 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 113 – Drucksache 16/1800

der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen
179 Sitze unverändert bleiben würde. Würde die
CDU eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen errei-
chen, die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies
zwar keine Besserstellung gegenüber anderen Par-
teien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen
Sitz für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derje-
nigen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts
der in Sachsen bereits erzielten Überhangmandate
würde sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat
bemerkbar machen. Verblieb die CDU unter einem
bestimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Lan-
desliste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben
müssen und durch das in Dresden I zu erwartende
Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die kon-
kreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst
waren und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflos-
sen sind. So verblieb der Anteil der Zweitstimmen

worden war. Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch
deutlich unter den Werten der Bundestagswahl 2002
(49 638) und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die
Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine
Stimmabgabe für eine andere Partei, da die ursprüng-
lich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde schei-
tern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als für den
Erwerb eines weiteren Mandats schädlich bezeichnet

Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-

Drucksache 16/1800 – 114 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 114 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-

lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-

lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800
Wahlperiode – 115 – D Wahlperiode – 115 – D

Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass die Vorveröf-
fentlichung gegen die Grundsätze der geheimen und glei-

rungen haben sollten.

Durch die Öffnung der Wahlurnen am 18. September 2005
der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig.
Entsprechend § 32 BWG seien Beeinflussungen während
der Wahlzeit unzulässig. Durch die Veröffentlichung seien

Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
chen Wahl gemäß Artikel 38 GG und gegen das BWG ver-
stoßen hat. Hauptwahl und Nachwahl seien als eine Wahl im
Wahlgebiet der Bundesrepublik Deutschland anzusehen.
Die aus Haupt- und Nachwahl bestehende Wahl zum
16. Deutschen Bundestag habe sich somit über die Wahlzeit
vom 18. September 2005, 8.00 Uhr, bis 2. Oktober 2005,
18.00 Uhr, erstreckt. Auch im Zeitraum vom 18. September
2005, 18.00 Uhr, bis 2. Oktober 2005, 8.00 Uhr, hätte dem
Verbot der Veröffentlichung über den Inhalt der Wahlent-
scheidung entsprochen werden müssen. Ansonsten könnte
man keinem verständigen Bürger nahe bringen, warum
Wahlbefragungen nach der Stimmabgabe vor Schließung
der Wahllokale unzulässig seien, wenn andererseits nach
Abschluss der Hauptwahl bundesweit die vorläufigen Wahl-
ergebnisse veröffentlicht werden dürften. Zwangsläufig
seien gemäß § 32 BWG Veröffentlichungen über den Inhalt

sei auch der Grundsatz der geheimen Wahl während der
Wahlzeit verletzt worden.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117 – Drucksache 16/1800

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. L. S., 07381 Pößneck
– Az.: WP 135/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

nisse verdeutlichten. Die Wahlberechtigten im Wahlkreis
160 hätten einen Wissensvorsprung besessen. Sie hätten
ihre Wahlentscheidung taktisch ausrichten können und die
Parteien hätten einen taktischen Wahlkampf führen können.
So hätte die CDU angesichts von drei bereits erworbenen
Überhangmandaten bei mehr als 41 236 Zweitstimmen ei-
nen Sitz verloren. Aufgrund ihres taktischen Wahlkampfs
sei es ihr gelungen, im Wahlkreis 160 6 Prozent weniger
Zweitstimmen als durchschnittlich in den übrigen Wahlkrei-
sen Sachsens zu erhalten. Insgesamt würden die Zweitstim-
menergebnisse für CDU, FDP und SPD bei der Nachwahl
erheblich von denjenigen der Hauptwahl in benachbarten
Wahlkreisen abweichen. In diesem Zusammenhang weist
der Einspruchsführer darauf hin, dass es für ihn als parteilo-
sen Bewerber im Wahlkreis 197 keine vergleichbaren Mög-
lichkeiten im Rahmen der Nachwahl gegeben habe.
Schließlich weist der Einspruchsführer auf denkbare Pro-
bleme bei künftigen Wahlen hin, falls mehrere Nachwahlen
erforderlich sein sollten oder die beiden großen Volkspar-
teien bei der Hauptwahl exakt die gleiche Stimmenzahl er-
die Wählerinnen und Wähler im Wahlreis 160 jedoch in un-
zulässiger Weise beeinflusst worden, was die Wahlergeb-

sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-

Drucksache 16/1800 – 118 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 118 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der

der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag

der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119 – Drucksache 16/1800

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-
kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet

Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang

(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die

mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des

Drucksache 16/1800 – 120 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 120 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/1800

die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favori-
sierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance ha-
ben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von der
letztgenannten, von der von der gleichen rechtlichen
Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu
berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine ge-
sonderten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr
nach denselben Vorschriften und auf denselben
Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3
BWG), so dass die bei der Nachwahl abgegebenen
Stimmen nach den für die Hauptwahl geltenden Vor-

gelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grund-
mandatsklausel festlegen oder Überhangmandate und
ein Stimmensplitting ermöglichen und sich damit auf
manche Stimmabgabe rechtlich auswirken. Diese Re-
gelungen sind vom Bundesverfassungsgericht jeweils
als – gerechtfertigter – Eingriff in die Wahlrechts-
gleichheit behandelt worden (BVerfGE 95, 408, 419,
421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser Um-
stand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtli-
che Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-
tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage,
E Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 ff.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995,
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,

schriften berücksichtigt werden. So unterscheidet sich
die Regelung über die Nachwahl von denjenigen Re-

wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten

Drucksache 16/1800 – 122 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 122 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1

in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vor-
zubehalten, stünde also nicht im Einklang mit
einem auf das Demokratieprinzip zurückzuführen-
den Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorge-
gebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät

Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

mittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergeb-
gen. Die Wahl nach Landeslisten könnte von derjenigen
nach Kreiswahlvorschlägen getrennt sein und erstere im ge-
Partei stimmen, von der man bereits wisse, dass sie die
Fünf-Prozent-Hürde nicht erreichen werde. Damit sei man
in der Lage, gezielter einen Verlust des Erfolgswerts der

der Nachwahl ausgedehnt werden können.

Zwar sei dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahl-
nis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Die Einspruchsführer halten die Vorschrift über die Nach-
wahl (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG) für verfassungswidrig. Der
Grundsatz der Gleichheit der Wahl verlange, dass jeder
Wahlberechtigte sein Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt
bei Wahlen in formal gleicher Weise mit der Folge ausüben
könne, dass das Stimmgewicht weder nach der Art der
Stimmabgabe noch nach der Person des Wahlberechtigten
differiere. Insoweit zitieren die Einspruchsführer eine Ent-
scheidung des Hessischen Wahlprüfungsgerichts (Staatsan-
zeiger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029 ff.). Dem Erfordernis gleichen Zählwerts und grund-
sätzlich auch gleichen Erfolgswerts werde § 43 Abs. 1 Nr. 2
BWG nicht gerecht. Es entspreche einem allgemeinen Er-
fahrungssatz, dass derjenige, der über mehr Informationen
verfüge, in der Lage sei, gezieltere Entscheidungen zu tref-
fen. So werde bei einer Nachwahl kaum jemand für eine

samten Bundesgebiet zeitgleich durchgeführt werden. Dies
würde vermeiden, dass durch eine spätere isolierte Wahl in
einem einzelnen Wahlkreis das Verhältnis der Mandate we-
sentlich beeinträchtigt würde. Dies erscheine auch sachge-
recht, da der Tod des Kreiswahlbewerbers lediglich für die
Wahl der Direktkandidaten von Bedeutung sei, die Listen-
wahl von ihm aber in keiner Weise betroffen sei. Finanzielle
Bedenken und organisatorische Schwierigkeiten könnten
wegen der Hochrangigkeit des Grundsatzes der gleichen
Wahl demgegenüber nicht durchgreifen.

Daneben hätte im Falle einer Nachwahl das vorherige Be-
kanntwerden eines Zwischenergebnisses verhindern werden
können. Allerdings hätte ein entsprechendes Verbot ange-
sichts der erfahrungsgemäß sehr genauen Prognosen und
Hochrechnungen der Meinungsforschungsinstitute und ihrer
Verbreitung durch die Medien nicht ausgereicht. Die Vor-
schrift des § 32 Abs. 2 BWG hätte aber bis zum Zeitpunkt
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123 – Drucksache 16/1800

Anlage 17

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. L., 15232 Frankfurt (Oder)
und

des Herrn S. H., 15848 Beeskow
– Az.: WP 139/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. November 2005 haben die Ein-
spruchsführer gegen die Bundestagswahl am 18. September
2005 Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nach-
wahl im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt
gemacht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2
BWG stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den
Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Ok-
tober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundes-
wahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemitteilungen ange-
kündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet er-

der Nachwahl mit geringerer Wahrscheinlichkeit gewählt,
wenn der Einzug der kleineren Partei in den Deutschen
Bundestag bereits feststehe. Als weiteres Beispiel für die
Ungleichheit der Wahlvoraussetzungen bei ungleichem In-
formationsstand führen die Einspruchsführer an, dass nach
Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses
nach der Hauptwahl festgestanden habe, dass die CDU ein
Überhangmandat in Sachsen verlieren würde, wenn sie bei
der Nachwahl mehr als 41 236 Zweistimmen erhielte. Der
Verbreitung dieser Information und entsprechender Auffor-
derungen seitens der CDU, die Zweitstimme der FDP zu ge-
ben, entspreche ein außergewöhnliches gutes Wahlergebnis
der FDP und ein ungewöhnlich niedriges der CDU.

Der Gesetzgeber hätte verschiedene Möglichkeiten gehabt,
das Problem des Todes eines zugelassenen Bewerbers vor
der Wahl zu lösen, ohne die Wahlgleichheit zu beeinträchti-
Stimme zu verhindern. Auch werde eine kleinere Partei von
Anhängern eines möglichen größeren Koalitionspartners bei

rechts ein Gestaltungsspielraum einzuräumen; diese Grenze
sei jedoch überschritten.

Drucksache 16/1800 – 124 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 124 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Einspruchsführer halten es im Übrigen für nicht ausge-
schlossen, dass eine rechtmäßige Durchführung der Wahl
eine andere Verteilung der Mandate zur Folge gehabt hätte,
und beziehen sich insoweit auf den bereits angesprochenen
möglichen Verlust eines Überhangmandats der CDU.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – den Einspruchs-
führern zugänglich gemachten – Stellungnahme, die wegen
Bindung an die gesetzlichen Regelungen nicht die Frage der
Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG disku-
tiert, zunächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod ei-
nes Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der
Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,

sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (StAnz.
1995, S. 4018, 4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten

müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 125 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 125 – Drucksache 16/1800

das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Die Einspruchsführer teilen die Auffassungen des Bundes-
wahlleiters zur Interpretation der Bestimmungen des Wahl-
rechts, betonen aber ihre Einschätzung der Verfassungswid-
rigkeit dieser Bestimmungen. Ergänzend weisen sie darauf
hin, dass nichts dagegen gesprochen hätte, die Auszählung
der Hauptwahl sofort vorzunehmen, das Ergebnis aber erst
nach der Nachwahl bekannt zu geben. Ungeachtet der Öf-
fentlichkeit der Auszählung hätte dies keine der amtlichen
Bekanntmachung vergleichbare Information der Öffentlich-
keit bewirkt. Der Gesetzgeber hätte überdies die Veröffentli-
chung des so erlangten Ergebnisses durch die Medien unter-
sagen können. Ebenso hätte der Gesetzgeber für den vorlie-
genden Sachverhalt eine getrennte Wahl nach Erst- und
Zweitstimme vorsehen können.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der
gesamten Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter Num-
mer 1) noch durch die Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses am 18. September 2005 (nachfolgend unter
Nummer 2) noch durch die sofortige Bekanntmachung der
Ergebnisse der Hauptwahl (unter Nummer 3) festzustellen.

1. Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahlkreis
160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Bestimmungen
des Wahlrechts liegt, wie auch vom Bundeswahlleiter
hervorgehoben, der Gedanke zugrunde, dass die Stimm-
abgabe mit einem einzigen Stimmzettel für die Erst- und
die Zweitstimme vorgesehen ist. Die Beibehaltung der
Hauptwahl am 18. September 2005 bezüglich der Zweit-
stimme und die Beschränkung der Nachwahl auf die
Erststimme wären nicht zulässig gewesen. Die Nach-
wahl findet gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben
Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die
Hauptwahl statt. So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den In-
halt des Stimmzettels dergestalt, dass er zum einen für
die Wahl in den Wahlkreisen u. a. die Namen der Bewer-
ber der zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthält und
zum anderen für die Wahl nach Landeslisten u. a. die
Namen der Parteien aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2
BWG findet die Stimmabgabe unter anderem dadurch
statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet und in die
Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine Erststimme und
seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1
BWG). Auch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2
BWG, wonach unter den dort näher genannten Voraus-
setzungen Zweitstimmen nicht berücksichtigt werden
dürfen, setzt notwendig den Einsatz eines einzigen
Stimmzettels für die Erst- und die Zweitstimme voraus.
Die Bestimmung über die Ersatzwahl bei Ausscheiden
eines Abgeordneten, der auf Vorschlag einer Wähler-
gruppe oder einer Partei ohne Landesliste sein Mandat
erworben hatte, ist mit der Konstellation der Nachwahl
nicht vergleichbar. Vor diesem Hintergrund waren die
zuständigen Wahlorgane auch für den Fall der Nachwahl
nicht berechtigt, die Nachwahl am 2. Oktober 2005 al-
lein auf die Erststimme zu begrenzen, um z. B. einem
möglichen, in anderem Zusammenhang noch anzuspre-
chenden taktischen Wählen zu begegnen (vgl. auch
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deutsches
Verwaltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1465; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 5;
ders., ZRP 2005, S. 252, 254; Sodan/Kluckert, Rechts-
probleme durch die Nachwahl, Neue Juristische
Wochenschrift 2005 [NJW 2005], S. 3241, 3242; für
eine vergleichbare hessische Wahlrechtsvorschrift auch
Hessisches Wahlprüfungsgericht, Staatsanzeiger für das
Land Hessen 1995, StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

Eine Verfassungswidrigkeit dieser Regelung ist – abge-
sehen von der den Einspruchsführern bekannten ständi-
gen Praxis, dass der Deutsche Bundestag im Rahmen der
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Wahlprüfung nicht die Verfassungswidrigkeit wahlrecht-
licher Regelungen feststellen kann – nicht ersichtlich.

Drucksache 16/1800 – 126 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 126 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu ent-
scheiden ist jedoch, ob im Rahmen der gesetzgeberi-
schen Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden Mög-
lichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 127 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 127 – Drucksache 16/1800

nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005, S. 1468), ist
hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzu-
gehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit
der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet,
ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des
Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten wie
eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1 Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-

Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,

bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-

Drucksache 16/1800 – 128 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 128 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favori-
sierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.

der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Je nach Bedeutsamkeit einer Nachwahl
dürften Bemühungen der Medien eine Wirkung für
die Öffentlichkeit erzielen, die derjenigen einer öf-
fentlichen Bekanntmachung der bereits ermittelten
Ergebnisse gleichkommt Ein Verzicht auf eine öf-
fentliche Bekanntmachung böte also keine Gewähr,
durch Verhinderung entsprechender Informationen
ein taktisches Stimmverhalten zu verhindern (vgl.
auch Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage
2002, § 43 Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung

den Zutritt und die Anwesenheit bei der Stimmaus-
zählung bei der Hauptwahl nur den zuständigen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 129 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 129 – Drucksache 16/1800

Wahlorganen vorzubehalten, stünde also nicht im
Einklang mit einem auf das Demokratieprinzip zu-
rückzuführenden Transparenzgebot bei der wahl-
rechtlich vorgegebenen Ermittlung der Wahlergeb-
nisse. Fraglich erscheint überdies, ob entsprechende
Regelungen auch angesichts der großen Zahl der Be-
teiligten überhaupt geeignet wären, die Ergebnisse
insgesamt oder zumindest repräsentative Resultate
geheim zu halten (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Gleiches dürfte für mögliche, über § 32
Abs. 2 BWG hinausgehende Verbote an Medien oder
Meinungsforschungsinstitute gelten, auf jegliche Be-
richterstattung mit Blick auf eine noch bevorstehende
Nachwahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

instituten.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-

schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254,
bezieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlge-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-

den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-

setzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 131 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 131 – Drucksache 16/1800

Anlage 18

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. H.-C. H., 82152 Planegg
– Az.: WP 144/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer geht davon aus, dass die Wahl nicht
rechtmäßig erfolgt sei, da das Erfordernis der Gleichheit der
Wahl (Artikel 38 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 BWG nicht beach-
tet worden sei. Eine Wahl erfülle das Postulat der Gleich-
heit, wenn jede Stimme grundsätzlich den gleichen Erfolgs-
wert besitze, bei der Zuteilung von Mandaten in gleicher
Weise berücksichtigt zu werden. Da den Wählern des Wahl-
kreises 160 vor ihrer Stimmabgabe am 2. Oktober 2005 das
vorläufige Ergebnis der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
bekannt gegeben worden sei, hätten diese den Erfolgwert
ihrer Stimmen durch wahltaktisches Verhalten erhöhen kön-
nen. Dabei betont der Einspruchsführer, dass einem amtli-
chen Wahlergebnis qualitativ eine andere Aussagekraft zu-
komme als Umfrageergebnissen von Meinungsforschungs-

wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-

könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane

Drucksache 16/1800 – 132 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 132 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die

Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70

tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 133 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 133 – Drucksache 16/1800

Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-
kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch
Verstreichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen

Drucksache 16/1800 – 134 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 134 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl.
Bundestagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66
sowie zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400,
Anlage 11, S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten (vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291,
300). Dies betrifft nicht nur Bestimmungen des Bun-
deswahlgesetzes selbst, sondern gilt in gleicher

periode – Bundestagsdrucksache II/514; vgl. auch
Klein, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Artikel 41 –
Bearbeitung 2004 –, Rn. 73, wonach dies zu Recht
damit begründet werde, dass der Deutsche Bundestag
an bestehende Gesetze ebenso wie an nachrangiges
Recht gebunden sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
Weise auch für nachrangiges Recht, wie z. B. die
Bundeswahlordnung (so bereits in der 2. Wahl-

ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 135 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 135 – Drucksache 16/1800

bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favori-
sierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;

1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint; Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Dabei kann für ein mögliches taktisches
Wahlverhalten auch kein qualitativer Unterschied
zwischen amtlichen Bekanntmachungen und Veröf-
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.

fentlichungen von Meinungsforschungsinstituten
oder Medien angenommen werden. Im Falle einer

Drucksache 16/1800 – 136 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 136 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nachwahl den Zutritt und die Anwesenheit bei der
Stimmauszählung bei der Hauptwahl nur den zustän-
digen Wahlorganen vorzubehalten, stünde also nicht
im Einklang mit einem auf das Demokratieprinzip
zurückzuführenden Transparenzgebot bei der wahl-
rechtlich vorgegebenen Ermittlung der Wahlergeb-
nisse. Fraglich erscheint überdies, ob entsprechende
Regelungen auch angesichts der großen Zahl der Be-
teiligten überhaupt geeignet wären, die Ergebnisse
insgesamt oder zumindest repräsentative Resultate
geheim zu halten (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Gleiches dürfte für mögliche, über § 32
Abs. 2 BWG hinausgehende Verbote an Medien oder
Meinungsforschungsinstitute gelten, auf jegliche Be-
richterstattung mit Blick auf eine noch bevorstehende
Nachwahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle

und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der

Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137 – Drucksache 16/1800

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. E., 53639 Königswinter
– Az.: WP 151/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer rügt, dass vor Ablauf der Nachwahl
Wahlergebnisse veröffentlicht worden seien, so dass eine
Wählerbeeinflussung in diesem Wahlkreis stattgefunden
habe.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-

der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254,
bezieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahl-
gesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe

ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Drucksache 16/1800 – 138 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 138 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige Be-
kanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-

men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139 – Drucksache 16/1800

Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-

Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im

Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-

Drucksache 16/1800 – 140 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 140 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe
bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist
z. B. an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Pro-
zent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe
für eine andere Partei, da die ursprünglich favori-
sierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 141 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 141 – Drucksache 16/1800

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine
gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr
nach denselben Vorschriften und auf denselben
Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3
BWG), so dass die bei der Nachwahl abgegebenen
Stimmen nach den für die Hauptwahl geltenden Vor-
schriften berücksichtigt werden. So unterscheidet sich
die Regelung über die Nachwahl von denjenigen
Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die
Grundmandatsklausel festlegen oder Überhangman-
date und ein Stimmensplitting ermöglichen und sich
damit auf manche Stimmabgabe rechtlich auswirken.
Diese Regelungen sind vom Bundesverfassungsge-
richt jeweils als – gerechtfertigter – Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit behandelt worden (BVerfGE
95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367).
Dieser Umstand spricht dagegen, eine unterschied-
liche rechtliche Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts aus, die
nur auf den gleichen Einfluss auf die parteipoliti-
sche Zusammensetzung des Parlaments abstellt, so
dürfte die Chance eines taktischen Wählens als Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Da-
von abgesehen könnte die Bewertung, dass eine
mögliche taktische Stimmabgabe nur eine tatsäch-
lich, nicht aber rechtlich unterschiedliche Erfolgs-
chance gewährt, den Einwand einer engen und for-
malen Sichtweise der Bedeutung der gleichen recht-
lichen Erfolgschance hervorrufen. Sofern man auf
denselben praktischen Erfolgswert für die Bemes-
sung des Wahlergebnisses abstellt, kommt der
Stimme des Nachwählers, der denkbare Auswirkun-
gen kennt, praktisch ein höherer Erfolgswert zu, zu-
mal die mögliche spätere Stimmabgabe rechtlich
durch § 43 BWG eingeräumt wird (Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244, unter Berufung auf Badura,
Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3; im Ergebnis ebenso
Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.; auch das Hessische
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4030, fol-
gerte aus möglicher Stimmenbündelung bei knap-
pem Wahlausgang eine Verletzung der Wahlrechts-
gleichheit, sah den Fehler jedoch als nicht erheblich
an. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte zuvor
in einem einstweiligen Anordnungsverfahren eine
Berührung des Erfolgswerts durch die Nachwahl
ohne nähere Begründung verneint; Neue Zeitschrift
für Verwaltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der

gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-

tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Drucksache 16/1800 – 142 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 142 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht un-
bekannt, wie die Bestimmungen über die Ersatz-
wahl bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten
ohne Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder
eine Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlan-
fechtung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Ab-

schluss der Nachwahl würde die enge Verbindung
zwischen der Wahlhandlung und der unmittelbar an-
schließenden Ergebnisermittlung aufheben. Dies
könnte im Hinblick auf den aus dem Demokratie-
prinzip abzuleitenden Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl Bedenken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP
2005, S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die
Gesichtpunkte organisatorischer und ergebnis-
sichernder Natur. Der Bundeswahlleiter hat in sei-
ner Stellungnahme auf die wahlorganisatorischen
Gründe angesichts der rund 80 000 Wahllokale und
10 000 Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht.
Hingewiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr
von Störungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich
der Vollzähligkeit und Unversehrtheit der Wahlur-
nen. Dies wiederum könnte das Vertrauen der Wahl-
berechtigten in die Korrektheit der Abläufe bein-
trächtigen, so dass eine Verschiebung der Auszäh-
lung sich hier nicht als geeignetes Mittel anbietet,
um einer Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit
durch mögliche taktische Stimmabgabe zu begeg-
nen (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/
Kluckert, NJW 2005, S. 3245).

die Zahl der Erststimmen die der Zweitstimmen weit über-
wogen habe und in der Folge ein Direktmandat habe errun-

seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-

unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
gen werden können. Darüber hinaus habe die CDU aus dem
Teilergebnis in Dresden ihre eindeutige Führungsrolle im
Parlament und den endgültigen ausdrücklichen Auftrag zur
Regierungsbeteiligung gefolgert.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt

men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143 – Drucksache 16/1800

Anlage 20

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. C., 30625 Hannover
– Az.: WP 157/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer rügt, dass die Wahl unter Missachtung
des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl aus Artikel 38
Abs. 1 GG durchgeführt worden sei, da die Dresdener
Wahlberechtigten am 2. Oktober 2005 ihre Stimme abgege-
ben hätten, nachdem das bisherige, aus der Stimmabgabe
am 18. September 2005 resultierende Wahlergebnis bereits
bekannt gegeben worden sei. Damit hätten sie ihre Stimmen
effizient, d. h. gezielter, einsetzen und ihnen damit stärkeres
Gewicht verleihen können. Im Zeitpunkt der Nachwahl sei
klar gewesen, mit welchem Wahlverhalten das bisherige Er-
gebnis noch beeinflussbar und veränderbar gewesen sei.
Tatsächlich habe das Wahlverhalten am 2. Oktober 2005
nach Kenntnis des Einspruchsführers zu dem seitens der
CDU gewünschten Ergebnis geführt, dass bei dieser Partei

kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-
ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-

grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-

Drucksache 16/1800 – 144 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 144 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-

Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-

kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der

fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 145 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 145 – Drucksache 16/1800

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige
Bekanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter Num-
mer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundes-
wahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegan-
gen, dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergeb-
nisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen

sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Deutschen Bundestag und da-
mit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglie-
der des neu gewählten Deutschen Bundestages. Hier-
für müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vor-
gesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte er-
folgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages zum Termin der
konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-

drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben

Drucksache 16/1800 – 146 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 146 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder Be-
kanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum Ab-
schluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder so-
gar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätestens sechs Wochen
nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist nicht auszu-
schließen, dass sie im Einzelfall erst kurz vor dem
spätestmöglichen Zusammentritt nach Artikel 39 GG
oder sogar erst danach durchgeführt werden kann.
Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG
entgegensteht (so Ipsen, Nachwahl und Wahlrechts-
gleichheit, Deutsches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl
2005], S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen
Gründen nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass
eine Nachwahl spät mit der Konsequenz von Anpas-
sungsbedarf stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so
wird eine Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für
möglich gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen
und nachträgliche Mandatsverluste (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-

S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, sondern
auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglichkeit
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,

Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn ein
derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahlbe-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 147 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 147 – Drucksache 16/1800

rechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe bei
der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist z. B.
an das Bemühen, einer Partei über die Fünf-Prozent-
Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe für eine
andere Partei, da die ursprünglich favorisierte auf je-
den Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus,
ist zu berücksichtigen, dass es für die Nachwahl
keine gesonderten Bestimmungen gibt. Sie findet
vielmehr nach denselben Vorschriften und auf den-
selben Grundlagen wie die Hauptwahl statt (§ 43
Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unter-
scheidet sich die Regelung über die Nachwahl von
denjenigen Regelungen, die die Fünf-Prozent-Hürde
und die Grundmandatsklausel festlegen oder Über-
hangmandate und ein Stimmensplitting ermöglichen
und sich damit auf manche Stimmabgabe rechtlich
auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundesver-
fassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter – Ein-
griff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff.
sowie 367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine
unterschiedliche rechtliche Erfolgschance anzuneh-
men.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahl-

tisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche
spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244,
unter Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E
Rn. 3; im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468 ff.; auch das Hessische Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stim-
menbündelung bei knappem Wahlausgang eine Ver-
letzung der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler je-
doch als nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichts-
hof Kassel hatte zuvor in einem einstweiligen Anord-
nungsverfahren eine Berührung des Erfolgswerts
durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1995
[NVwZ 1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
ergebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nach-
wählers, der denkbare Auswirkungen kennt, prak-

machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches

Drucksache 16/1800 – 148 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 148 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen

Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine

wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Der Einspruchsführer sieht den Grundsatz der Gleichheit
der Wahl als fundamental verletzt an. Die Wahlberechtigten

Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der
Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
chende Abgabe der Zweitstimme der CDU schaden können,
während man als Anhänger der CDU seine Stimme zum
Nutzen dieser Partei habe zurückhalten können. Weiterhin

BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
im Wahlkreis 160 hätten durch die Bekanntgabe des vorläu-
figen amtlichen Endergebnisses am 19. September 2005 ei-
nen erheblichen Informationsvorsprung gehabt, der ihrer
Stimme bei der Nachwahl ein deutlich höheres Gewicht ge-
geben habe. Der Vorteil der Wahlberechtigten habe sich aus
„einigen Absurditäten“ des Wahlsystems ergeben. Durch
die Möglichkeit von Überhangmandaten sei es möglich,
dass eine Partei durch eine höhere Anzahl von Zweitstim-
men im betreffenden Bundesland Sitze verliere. So sei
durch das vorläufige Endergebnis aller anderen Wahlkreise
und durch Berichte in den Medien und im Internet bekannt
gewesen, dass die CDU insgesamt einen Sitz weniger erhal-
ten würde, wenn sie mehr als ungefähr 41 000 Zweitstim-
men im Wahlkreis 160 erhalten sollte. Die Wahlberechtigten
hätten ihr Stimmverhalten somit taktisch einrichten können.
Als Anhänger einer anderen Partei habe man durch entspre-

Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149 – Drucksache 16/1800

Anlage 21

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn S. H., 64807 Dieburg
– Az.: WP 183/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 16. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG
stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der
Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und be-
kannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für 298
Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

die Landeslisten gewählt waren, während dies für den Di-
rektkandidaten der CDU nicht der Fall gewesen sei. Be-
kannt sei schließlich auch gewesen, dass die CDU bei Er-
folg ihres Direktkandidaten ein weiteres Überhangmandat
erhalten würde.

Festzuhalten ist laut Einspruchsführer, dass der gegebene
Wahlfehler eindeutig mit sehr großer Wahrscheinlichkeit
Einfluss auf die Verteilung der Mandate hatte bzw. hätte ha-
ben können, da die CDU bei normaler Wahldurchführung
aller Wahrscheinlichkeit nach die zum Verlust eines Sitzes
führende Anzahl an Zweitstimmen errungen hätte.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme, die wegen
Bindung an die gesetzlichen Regelungen nicht die Frage der
Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG disku-
tiert, zunächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod ei-
nes Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
sei den Wahlberechtigten bekannt gewesen, dass die Direkt-
kandidaten der SPD und der Partei DIE LINKE. bereits über

auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-

Drucksache 16/1800 – 150 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 150 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses

erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 151 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 151 – Drucksache 16/1800

Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Der Einspruchsführer stimmt dem Bundeswahlleiter in fast
allen Punkten zu. Weder wäre eine Trennung der Stimm-
abgabe noch Erst- und Zweitstimme zulässig gewesen noch
wäre eine Geheimhaltung des Wahlergebnisses aus rechtli-
chen oder tatsächlichen Gründen möglich gewesen. Jedoch
hätte der Landeswahlleiter aufgrund einer verfassungskon-
formen Auslegung von § 82 Abs. 6 BWO die Ermittlung
und Feststellung des Wahlergebnisses der Hauptwahl, je-
denfalls im genannten Freistaat Sachsen, auf die Zeit nach
der Nachwahl verschieben können. Der Einspruchsführer
bezweifelt jedoch selbst, ob dies zur Gewährleistung der
Gleichheit der Wahl ausgereicht hätte, und hält seine Aus-
führungen zur Ungültigkeit der Wahl aufrecht.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahl-
prüfungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter Nummer 1) noch durch die sofortige
Bekanntmachung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter
Nummer 2) festzustellen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf

Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die Durch-
führung der Hauptwahl getroffen worden. Auch die
auf § 52 Abs. 3 Nr. 16 BWG zurückgehende Ermäch-
tigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich zudem nur an
den Landeswahlleiter richtet, „im Einzelfall Regelun-
gen zur Anpassung an besondere Verhältnisse zu tref-
fen“, betrifft die Durchführung der Nachwahl, gestat-
tet aber keine Abweichung bei den für die Hauptwahl
geltenden Regelungen. Auch die Hinweise des Bun-
deswahlleiters, dass eine bis zur Nachwahl verscho-
bene Auszählung Schwierigkeiten in personeller wie
technischer Hinsicht bewirken und die Ermittlung
des korrekten Ergebnisses gefährden könnte, bestä-
tigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übrigen wird auch
im wahlrechtlichen Schrifttum ausdrücklich (Schrei-
ber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43
Rn. 1; ders., ZRP. S. 254; ebenso Hessisches Wahl-
prüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029) oder still-
schweigend (Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage,
§ 43 Rn. 6) davon ausgegangen, dass bereits nach der
Hauptwahl deren Ergebnisse zu ermitteln und festzu-
stellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, § 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine
Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines möglichen
taktischen Stimmverhaltens vor dem Hintergrund des
Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier im Zu-
sammenhang mit der Bekanntgabe des Ergebnisses
der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters. Soweit der Einspruchs-
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf eine

führer im Rahmen einer verfassungskonformen
Anwendung des § 82 Abs. 6 BWO eine allein auf

Drucksache 16/1800 – 152 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 152 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Sachsen bezogene Verschiebung der Ergebnisfest-
stellung erwägt, bezweifelt er schon selbst einen für
die Gewährleistung der Wahlrechtsgleichheit wirk-
samen Effekt.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
„Wahlgebiets“ verwendet, bezeichnet dieser Begriff
das jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wort-
laut würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in
diesem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus eine Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Deutsche Bundestag spätestens am dreißigsten
Tage nach der Wahl zusammen, wobei hiermit nur
die Hauptwahl gemeint sein kann. Der Zusammen-
tritt verlangt einen beschlussfähigen Deutschen Bun-
destag und damit einen rechtzeitigen Mandatserwerb
der Mitglieder des neu gewählten Deutschen Bundes-
tages. Hierfür müssen rechtzeitig die im Bundes-
wahlgesetz vorgesehenen, eine gewisse Zeit kosten-
den Schritte erfolgen, damit, soweit möglich, die
Mitglieder des neu gewählten Deutschen Bundes-
tages zum Termin der konstituierenden Sitzung die
Wahl entweder ausdrücklich angenommen oder das
Mandat durch Verstreichenlassen der Frist des § 46
BWG erworben haben. Eine Verschiebung der Fest-
stellung oder Bekanntmachung des Gesamtergebnis-
ses bis zum Abschluss der Nachwahl könnte dies ge-
fährden oder sogar vereiteln. Da die Nachwahl im
Falle des § 43 Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei
Wochen, im Falle des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG spätes-
tens sechs Wochen nach der Hauptwahl stattfinden
muss, ist nicht auszuschließen, dass sie im Einzelfall
erst kurz vor dem spätestmöglichen Zusammentritt
nach Artikel 39 GG oder sogar erst danach durch-
geführt werden kann. Der weitergehenden Frage, ob
Artikel 39 Abs. 2 GG der Sechs-Wochen-Frist des
§ 43 Abs. 2 Satz 1 BWG entgegensteht (so Ipsen,
Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deutsches Ver-
waltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1468), ist hier
schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachzugehen.
Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät mit der
Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfindet, ist im
Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur des Wahl-
ergebnisses ebenso für möglich gehalten wie eine
Verschiebung von Sitzen und nachträgliche Mandats-
verluste (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht

destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1 Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029, stellte keine entsprechende landesrechtliche
Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung
aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlord-
nung enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO
entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies be-
trifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für
nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlord-
nung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestags-
drucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004, Rn. 73,
wonach dies zu Recht damit begründet werde, dass
der Deutsche Bundestag an bestehende Gesetze
ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungsge-
richt, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-

Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 153 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 153 – Drucksache 16/1800

wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die 5-
Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimm-
abgabe für eine andere Partei, da die ursprünglich fa-
vorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern
wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der gleichen rechtlichen Er-

derten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach
denselben Vorschriften und auf denselben Grundla-
gen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so
dass die bei der Nachwahl abgegebenen Stimmen
nach den für die Hauptwahl geltenden Vorschriften
berücksichtigt werden. So unterscheidet sich die Re-
gelung über die Nachwahl von denjenigen Regelun-
gen, die die 5-Prozent-Hürde und die Grundmandats-
klausel festlegen oder Überhangmandate und ein
Stimmensplitting ermöglichen und sich damit auf
manche Stimmabgabe rechtlich auswirken. Diese Re-
gelungen sind vom Bundesverfassungsgericht jeweils
als – gerechtfertigter – Eingriff in die Wahlrechts-
gleichheit behandelt worden (BVerfGE 95, 408, 419,
421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser Um-
stand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtli-
che Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint, (Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1995 [NVwZ 1995],
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
folgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu be-
rücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine geson-

wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,

Drucksache 16/1800 – 154 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 154 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (Sodan/Kluckert, Rechtsprob-
leme durch die Nachwahl, Neue Juristische Wochen-
schrift 2005 [NJW 2005], S. 3244). Dem dient die
Öffentlichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich aus
§ 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß
§ 10 Abs. 1 Satz 1 BWG verhandeln, beraten und
entscheiden die Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54
BWO hat jedermann bei der Ermittlung und Feststel-
lung des Wahlergebnisses Zutritt. Dies bietet zum
einen interessierten Wahlberechtigten die Grundlage,
die wahlrechtlich vorgegebenen Schritte zu verfolgen
und sich von ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu
überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere aber
Medien oder Meinungsforschungsinstituten die Mög-
lichkeit, die Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen
und hochzurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche
Bekanntmachung böte also keine Gewähr, durch
Verhinderung entsprechender Informationen ein tak-
tisches Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl den
Zutritt und die Anwesenheit bei der Stimmauszäh-
lung bei der Hauptwahl nur den zuständigen Wahlor-
ganen vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang
mit einem auf das Demokratieprinzip zurückzufüh-
renden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vor-
gegebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich
erscheint überdies, ob entsprechende Regelungen
auch angesichts der großen Zahl der Beteiligten über-
haupt geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder
zumindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-

fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden kön-

lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahllei-
terin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst
daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 155 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 155 – Drucksache 16/1800

Anlage 22

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. B., 94315 Straubing
– Az.: WP 191/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 12. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005
Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Nachwahl
im Wahlkreis 160 (Dresden I).

Der Einspruchsführer rügt, dass die Wahlen zum 16. Deut-
schen Bundestag am 18. September 2005 und 2. Oktober
2005 die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien,
gleichen und geheimen Wahl verletzt hätten. Allgemein sei
eine Wahl nur, wenn sie am selben Tag durchgeführt werde.
Die Nachwahl sei wegen des Zeitabstands nur mittelbar er-
folgt. Angesichts des bekannten Ergebnisses im übrigen
Bundesgebiet habe man in Dresden nicht frei wählen kön-
nen, da man durch die bekannten Ergebnisse unweigerlich
beeinflusst worden sei. Aus demselben Grund sei die Wahl
nicht geheim gewesen. Mangels gleicher zeitlicher Bedin-
gungen sei die Wahl auch ungleich gewesen.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-

ser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erststimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.
nen. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahlvor-
schlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und die-

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Drucksache 16/1800 – 156 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 156 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahlur-
nen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-

menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landese-
bene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine Ge-
heimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt
werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen: Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahl-
prüfungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundes-
tagswahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) weder durch die Absage der ge-
samten Wahl im Wahlkreis 160 (nachfolgend unter 1.) noch
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-

durch die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
am 18. September 2005 (nachfolgend unter 2.) noch durch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157 – Drucksache 16/1800

die sofortige Bekanntmachung der Ergebnisse der Haupt-
wahl (unter 3.) festzustellen.

1. Die Absage der Wahl am 18. September 2005 im Wahl-
kreis 160 und die Anberaumung einer Nachwahl am
2. Oktober 2005 beruhten auf einer korrekten Anwen-
dung der § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG und § 82 BWO.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Nachwahl bereits auf
den Tag der Hauptwahl am 18. September 2005 hätte
gelegt werden können, um mögliche Auswirkungen
auf das Stimmverhalten bei der Nachwahl zu vermei-
den, sind, wie auch vom Bundeswahlleiter ausge-
führt, schon angesichts der zeitlichen Gegebenheiten
nicht ersichtlich.

b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahl im Wahlkreis
160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Bestimmun-
gen des Wahlrechts liegt, wie auch vom Bundeswahl-
leiter hervorgehoben, der Gedanke zugrunde, dass
die Stimmabgabe mit einem einzigen Stimmzettel für
die Erst- und die Zweitstimme vorgesehen ist. Die
Beibehaltung der Hauptwahl am 18. September 2005
bezüglich der Zweitstimme und die Beschränkung
der Nachwahl auf die Erststimme wären nicht zuläs-
sig gewesen. Die Nachwahl findet gemäß § 43 Abs. 3
BWG nach denselben Vorschriften und auf denselben
Grundlagen wie die Hauptwahl statt. So beschreibt
§ 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des Stimmzettels derge-
stalt, dass er zum einen für die Wahl in den Wahlkrei-
sen u. a. die Namen der Bewerber der zugelassenen
Kreiswahlvorschläge enthält und zum anderen für die
Wahl nach Landeslisten u. a. die Namen der Parteien
aufführt. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BWG findet die
Stimmabgabe unter anderem dadurch statt, dass der
Wähler den Stimmzettel faltet und in die Wahlurne
wirft, wobei der Wähler seine Erststimme und seine
Zweitstimme abgibt (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1 BWG).
Auch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG,
wonach unter den dort näher genannten Vorausset-
zungen Zweitstimmen nicht berücksichtigt werden
dürfen, setzt notwendig den Einsatz eines einzigen
Stimmzettels für die Erst- und die Zweitstimme vor-
aus. Vor diesem Hintergrund waren die zuständigen
Wahlorgane auch für den Fall der Nachwahl nicht be-
rechtigt, die Nachwahl am 2. Oktober 2006 allein auf
die Erstimme zu begrenzen, um z. B. einem mögli-
chen, in anderem Zusammenhang noch anzuspre-
chenden taktischen Wählen zu begegnen (vgl. auch
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deut-
sches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1465;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 5; ders., ZRP 2005, S. 252, 254; Sodan/Klu-
ckert, Rechtsprobleme durch die Nachwahl, Neue Ju-
ristische Wochenschrift 2005 [NJW 2005], S. 3241,
3242; für eine vergleichbare hessische Wahlrechts-
vorschrift auch Hessisches Wahlprüfungsgericht,
StAnz. 1995, S. 4018, 4029).

c) § 43 BWG wirft auch im Hinblick auf Artikel 39 GG,
wonach bei Auflösung des Deutschen Bundestages
die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfindet,
keine Bedenken auf (anders aber Ipsen, DVBl 2005,

davon, dass der Bundestag im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften feststellen kann, bestehen schon
sachlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
von § 43 BWG. Artikel 39 GG gibt bei vorzeitigem
Ablauf der Wahlperiode den spätestmöglichen Ter-
min der Hauptwahl vor. Nachwahlen, die aus Sonder-
situationen erforderlich werden (z. B. Naturkatastro-
phen, Tod eines Kandidaten), sollen durch die Grund-
gesetzbestimmung dagegen nicht ausgeschlossen
werden. Andernfalls müsste bei vorzeitiger Auflö-
sung des Deutschen Bundestages eine Nachwahl
außerhalb der Frist des Artikels 39 GG gänzlich
unterbleiben; somit würde ein Teil der Wahlberech-
tigten von der Bundestagswahl ausgeschlossen sein.
Ebenso wenig kann gefordert werden, die Hauptwahl
angesichts denkbarer Nachwahlen so früh zu termi-
nieren, dass eine erforderlich werdende Nachwahl
noch innerhalb der 60-Tage-Frist stattfinden könne.
Im Übrigen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum
anerkannt, dass eine zu späte Wahl zwar verfassungs-
widrig, aber gültig wäre, da ansonsten ein neuer
Bundestag nicht mehr gewählt werden könnte (vgl.
nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Artikel 39
– Bearbeitung 1997 – Rn. 39).

Nicht im Wahlprüfungsverfahren zu beraten und zu
entscheiden ist, ob im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit die Bestimmungen über die
Nachwahl angesichts der nicht auszuschließenden
Möglichkeit taktischer Stimmabgaben zu ändern
sind.

2. Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass sofort im An-
schluss an die Hauptwahl am 18. September 2005 die
Ergebnisse ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
S. 1468, soweit § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG eine Sechs-
Wochen-Frist für die Nachwahl vorsieht). Abgesehen

zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-

Drucksache 16/1800 – 158 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 158 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP. S. 254; ebenso
Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundeswahl-
recht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegangen,
dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergebnisse zu
ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, die § 37 BWG und § 67 BWO im Ergebnis
keine Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines mög-
lichen taktischen Stimmverhaltens vor dem Hinter-
grund des Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier
im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Ergeb-
nisses der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
Wahlgebiets verwendet, bezeichnet dieser Begriff das
jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wortlaut
würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in die-

ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Bundestag spätestens am dreißigsten Tage nach
der Wahl zusammen, wobei hiermit nur die Haupt-
wahl gemeint sein kann. Der Zusammentritt verlangt
einen beschlussfähigen Bundestag und damit einen
rechtzeitigen Mandatserwerb der Mitglieder des neu
gewählten Deutschen Bundestages. Hierfür müssen
rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz vorgesehenen,
eine gewisse Zeit kostenden Schritte erfolgen, damit,
soweit möglich, die Mitglieder des neu gewählten
Deutschen Bundestages zum Termin der konstituie-
renden Sitzung die Wahl entweder ausdrücklich
angenommen oder das Mandat durch Verstreichen-
lassen der Frist des § 46 BWG erworben haben. Eine
Verschiebung der Feststellung oder Bekanntmachung
des Gesamtergebnisses bis zum Abschluss der Nach-
wahl könnte dies gefährden oder sogar vereiteln. Da
die Nachwahl im Falle des § 43 Abs. 1 Nr. 1 BWG
spätestens drei Wochen, im Falle der Nr. 2 spätestens
6 Wochen nach der Hauptwahl stattfinden muss, ist
nicht auszuschließen, dass sie im Einzelfall erst kurz
vor dem spätestmöglichen Zusammentritt nach Arti-
kel 39 GG oder sogar erst danach durchgeführt wer-
den kann. Der weitergehenden Frage, ob Artikel 39
Abs. 2 GG der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2
Satz 1 BWG entgegensteht (so Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen Gründen
nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass eine Nach-
wahl spät mit der Konsequenz von Anpassungsbedarf
stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so wird eine
Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für möglich
gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen und nach-
trägliche Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahlleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
sem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-

§ 43 Rn. 1 Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 159 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 159 – Drucksache 16/1800

Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029,
stellte keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe
fest, sah in der erfolgten Bekanntmachung aber
keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und Landes-
wahlordnung; die hessische Landeswahlordnung ent-
hält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entspre-
chende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Deutsche Bundestag im
Rahmen der Wahlprüfung nicht als berufen ansieht,
die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschrif-
ten festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie
zuletzt Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies
betrifft nicht nur Bestimmungen des Bundeswahl-
gesetzes selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch
für nachrangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahl-
ordnung (so bereits in der 2. Wahlperiode – Bundes-
tagsdrucksache II/514; vgl. auch Klein, in Maunz/
Dürig, Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet
werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde

stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen. Die konkreten
Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese Mög-
lichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind.
So verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208
nicht nur unter der Zahl, die als für den Erwerb eines
weiteren Mandats schädlich bezeichnet worden war.
Der Anteil der Zweitstimmen blieb auch deutlich un-
ter den Werten der Bundestagswahl 2002 (49 638)
und dem Erststimmenergebnis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, sondern
auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglichkeit
Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn ein
derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahlbe-
rechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgesehen,
ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe bei
der Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist z. B.
an das Bemühen, einer Partei über die 5-Prozent-
Hürde zu verhelfen, oder an eine Stimmabgabe für eine
andere Partei, da die ursprünglich favorisierte auf je-
den Fall an dieser Hürde scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der gleichen rechtlichen Er-
folgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu be-
rücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine geson-
derten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach
denselben Vorschriften und auf denselben Grundla-
gen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so
dass die bei der Nachwahl abgegebenen Stimmen
nach den für die Hauptwahl geltenden Vorschriften
berücksichtigt werden. So unterscheidet sich die Re-
gelung über die Nachwahl von denjenigen Regelun-
gen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundman-
datsklausel festlegen oder Überhangmandate und ein
Stimmensplitting ermöglichen und sich damit auf
manche Stimmabgabe rechtlich auswirken. Diese Re-
gelungen sind vom Bundesverfassungsgericht jeweils
als – gerechtfertigter – Eingriff in die Wahlrechts-
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-

gleichheit behandelt worden (BVerfGE 95, 408, 419,
421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser Um-

Drucksache 16/1800 – 160 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 160 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

stand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtli-
che Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint, Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1995 [NVwZ 1995],
798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie

nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-

der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 161 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 161 – Drucksache 16/1800

den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier

nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

Auch die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien
und geheimen Wahl gemäß Artikel 38 GG sind nicht ver-
letzt. Die durch Bundeswahlgesetz und Bundeswahlord-
nung ermöglichte spätere Stimmabgabe im Wissen der Er-
gebnisse der Hauptwahl beließ jedem Wahlberechtigten
gleichen Zugang zur Wahl, schaltete keinen fremden Willen
zwischen die Entscheidung des Wählers und des Ergebnis-
ses der Stimmabgabe, bewirkte keinen Zwang oder sonstige
unzulässige Einflussnahme auf die Wahlentscheidung und
hielt diese auch vor Dritten verborgen.

durchgeführten Auslandreise bereits an der Briefwahl teil-
genommen hatte, konnte an der Nachwahl nicht teilnehmen.

beteiligung erreicht werden. Der Gesetzgeber müsse jedoch
nicht für die Wahlteilnahme derjenigen Sorge tragen, die
sichtigt worden, dass für die Briefwahl bei der Nachwahl
mit 14 Tagen derselbe Zeitraum zur Verfügung stehen sollte
wie bei der vorgezogenen Neuwahl. Von Amts wegen seien

Ferientermine in den einzelnen Bundesländern eine gewisse
Bedeutung erlangten. Einzelfälle, in denen das Wahlrecht
aus den unterschiedlichsten Gründen nicht ausgeübt werden
Er rügt die Anberaumung eines zu kurzfristigen Nachwahl-
termins. Bei der Terminierung seien das in Deutschland für
Erholungsurlaube Übliche und das damit einhergehende so-
zialtypische Verhalten außer Acht gelassen worden. Danach
dauere ein Erholungsurlaub in der Regel zwei, oft drei Wo-
chen, und diese Zeit sei nicht selten mit einer Abwesenheit
vom Hauptwohnsitz verbunden. Selbst bei einem nur zwei-
wöchigen Auslandsaufenthalt hätte er sein Wahlrecht nicht
nutzen können. Gemäß § 7 Abs. 2 BWG müsse ein Teil des
Mindesturlaubs so bemessen sein, dass mindestens zwölf
Werktage aufeinander folgen.

Die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen berichtet,
dass am 15. September 2005 die Herstellung der neuen
Stimmzettel veranlasst worden sei, die am 19. September
zur Verfügung gestanden hätten. Insbesondere sei berück-

wegen eines in ihrer Person oder in der Ausübung ihres Be-
rufs liegenden Grundes freiwillig oder unfreiwillig am
Wahltag ihr Wahlrecht nicht ausüben könnten. Dabei liege
es in der Natur der Sache, dass u. a. wegen längerer Post-
laufzeiten in bestimmten Regionen oder wechselnden Ur-
laubsanschriften nicht jedem Wahlberechtigten eine
Wahlteilnahme ermöglicht werden könne. Der Gesetz- und
Verordnungsgeber, der verfassungsrechtlich nicht zur Ein-
räumung der Briefwahl verpflichtet sei, sondern diese Mög-
lichkeit aus freiem politischem Ermessen geschaffen habe,
habe ersichtlich keine Regelung getroffen, wonach bei der
Festlegung wahlrechtlicher Termine und Fristen auch ur-
laubsbedingte Abwesenheiten von Wahlberechtigten zu be-
rücksichtigten seien. Abschließend geht die Landeswahllei-
terin davon aus, dass bei der Bestimmung des Wahltages
durch den Bundespräsidenten gemäß § 16 BWG auch die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 163 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 163 – Drucksache 16/1800

Anlage 23

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. T., 01217 Dresden
– Az.: WP 111/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Kreiswahlleiter des Wahlkreises 160 ge-
richteten und von dort an den Deutschen Bundestag weiter-
geleiteten Schreiben vom 4. Oktober 2005 hat der Ein-
spruchsführer gegen die Bundestagswahl am 18. September
2005 Einspruch eingelegt. Der Einspruch betrifft die Fest-
legung des Termins der Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dres-
den I).

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am
18. September 2005 abgesagt und öffentlich bekannt ge-
macht, dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG
stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der
Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt.

Der Einspruchsführer, der wegen einer vom 11. September
bis 2. Oktober 2005 dauernden, ohne feste Urlaubsanschrift

Der Einspruchsführer hätte nicht über eine Erreichbarkeitsa-
dresse verfügt, so dass ihm die Unterlagen auch nicht dort-
hin hätten nachgesandt werden können. Zudem sei zweifel-
haft, ob unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten die
Unterlagen rechtzeitig zurückgekommen wären.

Zum Termin der Nachwahl habe die Verfügbarkeit der teil-
weise angemieteten Wahllokale sichergestellt werden müs-
sen. Dies habe für den 2. Oktober 2005 gewährleistet wer-
den können. Im Freistaat Sachsen hätten die Herbstferien
am 17. Oktober 2005 begonnen und am 28. Oktober 2005
geendet. Unter Umständen hätte sich die Gewinnung von
Wahlhelfern in diesem Zeitraum als schwierig gestaltet.
Weiterhin habe der Nachwahltermin möglichst zeitnah zum
Termin der Hauptwahl bestimmt werden sollen, um die
Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Bundestags-
wahl und die Konstituierung des 16. Deutschen Bundesta-
ges nicht unnötig zu verzögern.

Durch die Briefwahl solle eine möglichst umfassende Wahl-
die Briefwahlunterlagen an diejenigen Wähler versandt
worden, die bereits an der Briefwahl teilgenommen hätten.

können, ließen sich jedoch aufgrund der Regelungen nicht
gänzlich verhindern.

Drucksache 16/1800 – 164 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 164 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin zugänglich gemacht worden ist, bezieht sich
auf die in § 43 Abs. 2 BWG je nach Fallgestaltung unter-
schiedlich eingeräumten Zeitspannen für die Durchführung
einer Nachwahl. Ersichtlich solle der verschiedenen Dring-

hang zur Bundestagswahl ihr Wahlrecht ausüben können (so
Beschluss des Bundestages in einer Wahlprüfungssache zur
Wahl des 15. Deutschen Bundestages – Bundestagsdruck-
sache 15/1150, Anlage 34, S. 112). § 43 Abs. 2 BWG legt
insoweit nicht fest, dass die Nachwahl erst nach drei bzw.
lichkeit der jeweiligen Nach- bzw. Wiederholungswahlen
Rechnung getragen werden. Die Landeswahlleiterin hätte
den Nachwahltermin auf einen Zeitraum später als zwei
Wochen festlegen können. Dass sie die vom Gesetzgeber
„alternativ kürzest vorgegebene Frist“ unterschritten habe,
sei nicht nachvollziehbar. Mit den vorgegebenen Fristen
solle eine Wahlteilnahme so wenig wie möglich einge-
schränkt werden.

Den Hinweis auf das Fehlen einer Verpflichtung zur Schaf-
fung einer Briefwahl hält der Einspruchsführer für formalju-
ristisch.

Soweit die Landeswahlleiterin darauf hingewiesen habe,
dass der Einspruchsführer im Urlaub nicht erreichbar gewe-
sen sei und die Postlaufzeiten ohnehin eine fristgemäße
Stimmabgabe verhindert hätten, gehe dies ins Leere, da er
im Falle einer um eine Woche späteren Nachwahl seine
Stimme persönlich hätte abgeben können. Die Anmietung
von Wahllokalen stelle in einer Stadt wie Dresden kein
wirkliches Problem dar – zumal diese überwiegend in Schu-
len eingerichtet würden. Wäre nach drei Wochen gewählt
worden, hätten die Schulferien noch nicht angefangen, so
dass sich die Frage der Rekrutierung von Wahlhelfern auch
angesichts des Einsatzes von Angehörigen des öffentlichen
Dienstes nicht wirklich gestellt hätte.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Wahlfehler ist bei der Bestimmung des Termins der
Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I) nicht festzustellen.

Gemäß § 43 Abs. 1 BWG findet eine Nachwahl statt, wenn
entweder in einem Wahlkreis oder in einem Wahlbezirk die
Wahl nicht durchgeführt worden ist oder wenn ein Wahl-
kreisbewerber nach der Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl stirbt. Gemäß § 43 Abs. 2
BWG soll im erstgenannten Fall die Nachwahl spätestens
drei Wochen, im zweiten Fall spätestens sechs Wochen nach
dem Tag der Hauptwahl stattfinden. Der Termin wird durch
den Landeswahlleiter bestimmt.

Die Regelung über den zu bestimmenden Nachwahltermin
soll gewährleisten, dass die Wahlberechtigten trotz eines au-
ßerhalb ihres Einflusses stehenden, vielfach unvorhergese-
hen Ereignisses in möglichst nahem zeitlichem Zusammen-

sechs Wochen durchzuführen ist, sondern gibt jeweils nur
einen spätestmöglichen Termin vor. Da ansonsten weder das
Bundeswahlgesetz noch § 82 BWO weitere Vorgaben ent-
halten, hat der Landeswahlleiter einen Entscheidungsspiel-
raum bei der Festlegung des Termins. Bei dieser Entschei-
dung sind die Gegebenheiten des Einzelfalles zu berück-
sichtigen. So sind der Zeitraum zwischen dem Todesfall und
dem Tag der Hauptwahl, der Zeitbedarf für die Nominie-
rung eines neuen Bewerbers, die voraussichtliche Dauer der
für die zur Durchführung der Nachwahl notwendigen Maß-
nahmen, aber auch Hinderungsgründe für bestimmte Ter-
mine, wie z. B. Schulferien, für die Terminfestlegung von
Bedeutung. Auch das Ziel, durch einen frühen Termin die
Ermittlung des amtlichen Endergebnisses der gesamten
Bundestagswahl nicht hinauszuzögern oder möglichen Kor-
rekturbedarf kurz vor oder bereits nach der Konstituierung
des neu gewählten Deutschen Bundestages zu vermeiden,
darf in die Entscheidung einfließen und hierbei besondere
Aufmerksamkeit erhalten. So ist die Vermeidung von Prob-
lemen für die Feststellung des amtlichen Endergebnisses in
der bereits genannten Wahlprüfungsentscheidung zusam-
men mit dem Ziel, nicht auszuschließendes „reaktives“
Wählen zu verhindern, als wesentlicher Grund für die Ent-
scheidung anerkannt worden, die Nachwahl sogar bereits
am Tag der Hauptwahl durchzuführen.

Soweit im vorliegenden Fall die Landeswahlleiterin auf die
Bereitstellung von Wahllokalen und die Verfügbarkeit von
Wahlhelfern Bezug genommen hat, wird in ihrer Stellung-
nahme zwar nicht deutlich, ob diese Gesichtspunkte z. B.
für einen eine Woche später angesetzten Termin, aber noch
vor Beginn der Schulferien, zu Problemen hätte führen kön-
nen. Die Landeswahlleiterin hat sich aber auch auf den be-
reits erörterten Gesichtspunkt gestützt, die Nachwahl mög-
lichst zeitnah zum Hauptwahltermin durchzuführen. Dabei
sind mögliche Nachteile für am Tag der Nachwahl Abwe-
sende gesehen worden, wie sich dem vorgetragenen Hinweis
entnehmen lässt, dass für die Briefwahl bei der Nachwahl
derselbe Zeitraum zur Verfügung stehen würde wie bei der
vorgezogenen Neuwahl. Denkbare persönliche Hinderungs-
gründe in Einzelfällen, wie z. B. eine fehlende Erreichbar-
keit während des gesamten Zeitraums zwischen der Versen-
dung neuer Briefwahlunterlagen und dem Nachwahltermin
können aber außer Betracht gelassen werden. Ebenso wenig
können entgegen der Auffassung des Einspruchsführers
urlaubsrechtliche Bestimmungen den wahlrechtlich gepräg-
ten Entscheidungsspielraum verengen, zumal der Gesetz-
geber durch die Schaffung der Briefwahl ohnehin Möglich-
keiten zur Wahlteilnahme trotz Abwesenheit eingeräumt hat.

die Entlassung beantragt werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem

rigste Verlustquote gab es in Thüringen (0 Prozent), die
höchste in Hessen (18,9 Prozent). Die Ergebnisse der Ak-
bürgerten Personen. Hierauf hat die türkische Seite laut
Bundesministerium des Innern bislang allerdings noch nicht
mit konkreten Terminvorschlägen reagiert.

Hinblick auf die erforderliche Praktikabilität der Wahlvorbe-
reitungen nicht möglich. Nach deutschem Staatsangehörig-
keitsrecht lieferten weder ein Personalausweis oder Reise-
Erwerbe der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen
Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Be-
hörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten
hat […].

In der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Fassung ging die
deutsche Staatsangehörigkeit hingegen nur verloren, wenn
der Betreffende weder seinen Wohnsitz noch seinen dauer-
haften Aufenthalt im Inland hatte (sog. Inlandsklausel).

Anfang 2005 teilte die türkische Regierung mit, seit dem
Jahre 2000 hätten ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche
wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangt. Daraufhin
vereinbarte das Bundesministerium des Innern mit der türki-
schen Regierung Verhandlungen auf Arbeitsebene über die
Übermittlung konkreter Daten zu den von der Türkei einge-

tion im Hinblick auf jedes einzelne Land können einer bei
den Akten befindlichen, vom Bundesministerium des In-
nern zusammengestellten Tabelle entnommen werden.

Das Bundesministerium des Innern, das zu einem ähnlichen
Einspruch eine Stellungnahme abgegeben hat, geht davon
aus, dass schon kein Fehler bei der Anwendung der für die
Wahl geltenden Vorschriften und Rechtsgrundsätze vorliege.
Die Fragebogenaktionen bzw. Informationskampagnen der
Länder seien notwendig, aber auch ausreichend gewesen. Das
Recht zur Teilnahme an Wahlen sei zwar auf Deutsche im
Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG beschränkt. Im Wahlrecht
sei nach Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 12 Rn. 8, der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit
allerdings nur glaubhaft zu machen. Eine verbindliche Fest-
stellung der Staatsangehörigkeit im Vorfeld jeder Wahl sei im
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 165 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 165 – Drucksache 16/1800

Anlage 24

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau K. K., 22337 Hamburg
– Az.: WP 109/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 4. Oktober 2005 hat die Einspruchsführerin gegen die
Bundestagswahl am 18. September 2005 Einspruch einge-
legt und drei Gründe angeführt.

Wahlteilnahme ohne Wahlberechtigung

Erstens sei nicht sichergestellt, dass keiner der Bundesbür-
ger gewählt habe, der einen doppelten Pass besitze.

Rechtlicher Hintergrund dieses Einwandes ist § 25 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) in der seit dem 1. Ja-
nuar 2000 geltenden Fassung. Diese Vorschrift lautet, so-
weit sie hier von Interesse ist:

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit
dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn
dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag seines
gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur,
wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19

verloren haben, führten auf Anregung des Bundesministeri-
ums des Innern alle Länder außer Berlin im Jahre 2005 eine
Fragebogenaktion unter den türkischstämmigen Personen
durch, bei denen wegen denkbarer türkischer Rückeinbürge-
rung nach dem 1. Januar 2000 ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit möglich erschien. Die betroffenen Per-
sonen wurden aufgefordert zu erklären, ob sie nach dem
1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenom-
men haben. Dabei wurde auf die mögliche Strafbarkeit einer
unberechtigten Wahlteilnahme hingewiesen. Berlin verzich-
tete zwar auf ein individuelles Anschreiben, führte jedoch
eine Informationskampagne durch, die zu ähnlichen Ergeb-
nissen wie die Fragebogenaktion der anderen Länder führte:
Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus Sicht der Berliner
Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsangehörig-
keit auszugehen, der Bundesdurchschnitt lag insoweit bei
8,5 Prozent. In absoluten Zahlen waren bundesweit 251 639
Personen von der Frage- bzw. Informationskampagne be-
troffen, in 21 463 Fällen gingen die Behörden von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Die nied-
Um dennoch verifizieren zu können, welche Personen ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit

pass noch ein Staatsangehörigkeitsausweis den Nachweis der
deutschen Staatsangehörigkeit, sondern begründeten nur eine

Drucksache 16/1800 – 166 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 166 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

widerlegbare Vermutung. Eine allgemein verbindliche Fest-
stellung der deutschen Staatsangehörigkeit sei derzeit nur
durch ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts
möglich, das jedoch nur eine Aussage über die Staatsange-
hörigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils treffe. Auf-
grund des mit einer verbindlichen Feststellung der Staatsan-
gehörigkeit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes
sei ein solches Verfahren als regelmäßige Überprüfung im
Vorfeld von Wahlen ausgeschlossen. Schon seit jeher habe
daher die Gefahr bestanden, dass nichtdeutsche Personen an
bundesdeutschen Wahlen teilgenommen hätten, ohne dass
Maßnahmen hiergegen getroffen worden wären oder hätten
getroffen werden müssen. Im Vorfeld der vorgezogenen Bun-
destagswahl hätten – anders als vor früheren Bundestagswah-
len – jedoch aufgrund der Mitteilung der türkischen Regie-
rung über die Wiedereinbürgerung von bis zu 50 000 Perso-
nen konkrete Hinweise auf einen abgrenzbaren Personenkreis
bestanden, bei dem einem möglichen Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit nachzugehen gewesen sei. Die zuständi-
gen Behörden hätten auf diesen Hinweis mit der erwähnten
Informations- bzw. Fragebogenaktion reagiert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestanden. Der
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG
sei – wie auch schon bei der Vorgängerregelung des § 25 des
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) – ab-
hängig von den Einbürgerungsentscheidungen fremder Staa-
ten. Um feststellen zu können, ob und wann ein Verlust der
deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten ist, benötigten
deutsche Behörden genaue Angaben und Kenntnisse der aus-
ländischen Einbürgerungspraxis, was ohne Kooperation der
fremden Staaten von jeher schwierig gewesen sei. Da mit we-
niger als 20 der 190 in der UNO vertretenen Staaten Verein-
barungen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilun-
gen bestünden und das Interesse hieran weltweit gering sei,
werde der Verlust der Staatsangehörigkeit oft nur im Nach-
hinein bei bestimmten behördlichen Anlässen bekannt.

Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf die
Angabe der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca.
50 000 ehemalige Türken wieder die türkische Staatsangehö-
rigkeit zurückerlangt hätten, darauf hin, dass nicht bekannt
sei, wie viele unter den wieder Eingebürgerten ohnehin als
Minderjährige nicht wahlberechtigt gewesen seien, und ob
darunter auch Personen gewesen seien, deren deutsche
Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der türkischen Staats-
angehörigkeit nicht verloren gegangen sei (etwa minderjäh-
rige Familienmitglieder, auf die sich der Staatsangehörig-
keitserwerb durch das Familienoberhaupt erstreckt habe oder
Personen, die zuvor eine Beibehaltungsgenehmigung erhal-
ten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000 die türkische Staats-
angehörigkeit unter Nutzung der damals noch geltenden In-
landsklausel erworben habe, sei ohnehin deutscher Staatsan-
gehöriger und damit wahlberechtigt geblieben.

Nachwahl in Dresden

Zweitens rügt die Einspruchsführerin, dass das Wahlergebnis
vom 18. September 2005 wegen der noch ausstehenden Nach-
wahl nicht sofort hätte bekannt gegeben werden dürfen.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-

mäß § 82 Abs. 1 Satz 1 der BWO die Bundestagswahl am
18. September abgesagt und öffentlich bekannt gemacht,
dass eine Nachwahl gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG statt-
findet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag der
Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und
bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für 298
Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in einer Stellungnahme zu-
nächst daran, dass nach dieser Vorschrift bei Tod eines
Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der
Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der Haupt-
wahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht enthalte
keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe der
Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe sich aus
mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes, dass für
die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwenden sei und
Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben seien (vgl.
z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2 BWG). Eine
Beschränkung auf eine der beiden Wahlstimmen und eine
Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen laut Bundeswahl-
leiter, der sich in diesem Zusammenhang auf Schreiber, Nach-
wahlregelung im Wahlgesetz, Zeitschrift für Rechtspolitik
2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, bezieht, dem Zweistimmen-
wahlsystem des Bundeswahlgesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 (Dresden I) am 8. September 2005 ge-

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 167 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 167 – Drucksache 16/1800

Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staatsanzei-
ger für das Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018,
4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahlur-
nen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70

nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen
waren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig ge-
wesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG
diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe, könne
und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt werden.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Auftreten von CDU und CSU

Drittens wird im Einspruch verlangt, dass die CDU nicht
den Kanzler stellen solle, da CDU und CSU offensichtlich
noch immer getrennte Wege gingen. In Bayern würde nur
die CSU gewählt, so dass die CDU viel weniger Stimmen
als die SPD habe.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-

Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung

fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Drucksache 16/1800 – 168 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 168 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Wahlfehler sind bei keinem der drei vorgebrachten Ein-
spruchsgründe festzustellen.

I.

Wahlteilnahme ohne Wahlberechtigung

1. Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen, die durch
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fas-
sung die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben,
ein Wahlfehler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen
§ 12 Abs. 1 BWG verstoßen, wonach nur Deutsche im
Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG wahlberechtigt sind.
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass solche
Personen tatsächlich an der Wahl teilgenommen haben.

a) Dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl
teilgenommen haben, ergibt sich nämlich keineswegs
bereits zwangsläufig aus dem Umstand, dass nach
Angaben der türkischen Regierung seit Anfang 2000
ca. 50 000 Personen mit deutscher Staatsangehörig-
keit die türkische Staatsangehörigkeit erworben ha-
ben, während aufgrund einer 2005 von den Ländern
zur Gewährleistung der Richtigkeit der Wählerver-
zeichnisse durchgeführten Frage- und Informations-
kampagne lediglich in 21 463 Fällen von einem Ver-
lust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
StAG auszugehen war. Denn abgesehen davon, dass
im Hinblick auf § 25 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2
StAG die Erlangung der türkischen Staatsangehörig-
keit nicht in allen Fällen zum Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit geführt haben muss, ist zu be-
rücksichtigen, dass für eine Eintragung ins Wähler-
verzeichnis ohnehin nur derjenige in Betracht
kommt, der zum Zeitpunkt der Wahl volljährig und
damit wahlberechtigt ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1
BWG), und dass eine „automatische“ Eintragung von
Amts wegen auf der Grundlage der Melderegister ei-
nen Wohnsitz in Deutschland voraussetzt (vgl. § 16
Abs. 1 BWO). Auf wie viele der 50 000 Personen das
zutraf, ist – mangels Angaben der türkischen Seite –
nicht bekannt. Damit kann die Differenz zwischen
den 50 000, die die türkische Seite genannt hat, und
den 21 463, welche die Länder ermittelt haben, nicht
ohne weiteres mit falschen Angaben der Befragten
erklärt werden. Selbst wenn man aber unterstellt,
dass die Diskrepanz zwischen der Zahl 50 000 und
der Zahl 21 463 – zumindest zum Teil – auf wahr-
heitswidrige Angaben der Befragten zurückzuführen
ist und zur Eintragung von nicht wahlberechtigten
Personen ins Wählerverzeichnis geführt hat, ist damit
noch nicht gesagt, dass diese Personen sich auch an
der Wahl beteiligt haben. Das gilt umso mehr, als sie
aufgrund der Frage- und Informationskampagnen der
Länder um die Strafbarkeit einer unbefugten Wahl-
teilnahme wussten.

b) Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupte-
ten Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein
Vorliegen feststellen – kann, reicht es aber nicht aus,

Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher
Tatsachen (vgl. BVerfGE 85, 148 [160]) – dargelegt
werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
dass ein Wahlfehler nicht nur passieren konnte, son-
dern auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59, 119 [123]).
Das folgt daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG die Wahlprüfung nicht von Amts wegen,
sondern nur auf Einspruch, der zu begründen ist, er-
folgt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 f.]; vgl. ferner Bun-
destagsdrucksache 15/1150, Anlagen 283, 284, 285;
Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 25, S. 107;
Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 9; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 49
Rn. 17 f.). Da aber nur Wahlfehler, die passiert sind,
die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen
auch die in der Begründung vorgetragenen Tatsachen
mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substantiie-
ren. Das gilt selbst dann, wenn die Substantiierung
für den einzelnen Bürger schwierig oder gar unmög-
lich ist (vgl. BVerfGE 66, 369 [379]). Würde man es
genügen lassen, dass Einspruchsführer – wie hier –
lediglich die Gefahr von Wahlfehlern darlegen,
könnte beispielsweise jede Wahl – und zwar flächen-
deckend – allein mit der Begründung angefochten
werden, es habe eine bestimmte Zahl von Wählern
mittels Briefwahl gewählt und es sei nicht auszu-
schließen, dass diese „in großer Zahl“ ihren Stimm-
zettel anderen Personen zum Ausfüllen überlassen
hätten. Solch ein Einspruch wäre unter Umständen
sogar noch substantiierter als der vorliegende, da die
Zahl der Briefwähler und damit der potentiellen
Wahlfehler exakt angegeben werden könnte. Gleich-
wohl kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine
solche Wahlbeanstandung nicht Grundlage einer
Wahlprüfung sein könnte (vgl. BVerfGE 59, 119
[123 f.]; Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 2,
S. 13; ferner Bundestagsdrucksache 15/1850, An-
lage 21, S. 98, allerdings unter Hinweis auf die „nicht
erkennbare Dimension“ und damit nicht feststellbare
Auswirkung der „nicht näher substantiierten“ Wahl-
beanstandungen auf die Verteilung der Mandate; ähn-
lich Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 23,
S. 102).

2. Es ist auch nicht feststellbar, dass Wahlbehörden die ih-
nen bei der Führung der Wählerverzeichnisse obliegen-
den Prüfungspflichten verletzt haben.

Gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1 BWO ist vor der Eintragung
einer Person in das Wählerverzeichnis zu prüfen, ob
diese die Wahlrechtsvoraussetzungen des § 12 BWG er-
füllt. Gegenstand dieser Prüfung ist grundsätzlich auch
die Frage, ob ein Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25
Abs. 1 StAG eingetreten ist. Denn ist dies der Fall, ist
die betreffende Person nicht mehr wahlberechtigt. Was
das „zu prüfen“ in § 16 Abs. 7 Satz 1 BWO im Hinblick
auf die Frage des Staatsangehörigkeitsverlusts nach § 25
Abs. 1 StAG im Einzelfall bedeutet, hängt allerdings da-
von ab, ob und ggf. welche Anhaltspunkte es für einen
Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 StAG gibt und
welche Informationsquellen – tatsächlich und rechtlich –
zur Klärung dieser Frage zur Verfügung stehen. Die im
dass in einem Einspruch die Gefahr eines Wahlfeh-
lers vorgetragen wird. Vielmehr muss ebenso – unter

Vorfeld der Bundestagswahl in den Ländern durchge-
führten Frage- und Informationskampagnen entsprachen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 169 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 169 – Drucksache 16/1800

den tatsächlichen Anhaltspunkten für Staatsangehörig-
keitsverluste nach § 25 Abs. 1 StAG sowie den in recht-
licher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehen-
den Aufklärungsmöglichkeiten.

a) Einziger handfester Anhaltspunkt dafür, dass tür-
kischstämmige Deutsche ihre Staatsangehörigkeit ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG verloren hatten, war die Mit-
teilung der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche die tür-
kische Staatsangehörigkeit wieder erworben hätten.
Daraus ließ sich aber noch nicht entnehmen, welche
konkreten Personen die türkische Staatsangehörigkeit
wieder erworben haben könnten. Da von der türki-
schen Seite keine auf einzelne Personen bezogenen
Angaben erlangt werden konnten, kamen als Infor-
mationsquellen nur noch die Personen in Betracht,
welche aufgrund ihrer Abstammung die türkischen
Einbürgerungskriterien erfüllten. Eine an diesen Per-
sonenkreis adressierte Frage- und Informationskam-
pagne war daher angezeigt, aber auch hinreichend,
um in Erfahrung zu bringen, welche Personen tat-
sächlich die deutsche Staatsangehörigkeit durch eine
türkische Einbürgerung verloren hatten.

b) Darüber hinaus von all diesen Personen zu fordern,
dass sie an Eides statt versichern, nicht die türkische
Staatsangehörigkeit beantragt zu haben, wäre schon
aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen. Im
Wahlrecht ist die Abgabe einer Versicherung an Ei-
des statt zwar an verschiedenen Stellen vorgesehen
(vgl. § 21 Abs. 6, § 36 Abs. 2 BWG sowie § 18
Abs. 5 Satz 1, § 34 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2, § 87 Abs. 2
BWO), jedoch gerade nicht als Nachweis der Wahl-
berechtigung für die hier in Frage stehende Eintra-
gung ins Wählerverzeichnis von Amts wegen. Im
Übrigen hätte auch das Einfordern eidesstattlicher
Versicherungen nicht das grundsätzliche Problem lö-
sen können, dass die Richtigkeit der Angaben der Be-
fragten nicht überprüfbar ist, weil es keine weiteren
zugänglichen Informationsquellen gibt. Zwar ist die
Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt
strafbar (vgl. § 156 StGB), was einen zusätzlichen
Anreiz zu wahrheitsgemäßen Auskünften setzen
mag. Doch darf die dadurch eintretende Erhöhung
des Beweiswertes der Auskunft (vgl. dazu Bonk/
Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs [Hrsg.], Verwal-
tungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage, 2001,
§ 27 Rn. 21) nicht überschätzt werden. Denn wer
seine Eintragung ins Wählerverzeichnis durch
falsche Angaben über seine Staatsangehörigkeit er-
wirkt und wer wählt, ohne wahlberechtigt zu sein,
macht sich ohnehin schon strafbar (vgl. § 107b Nr. 1,
§ 107a StGB). Wer sich durch diese Sanktion nicht
von wahrheitswidrigen Auskünften abschrecken
lässt, dürfte – jedenfalls im Regelfall – auch durch
die weitere Strafsanktion des § 156 StGB nicht be-
eindruckt sein.

c) Ebenso wenig wie das Einfordern einer Versicherung
an Eides statt wäre es zulässig gewesen bei allen tür-
kischstämmigen Personen, die für eine Eintragung

Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder
die türkische beantragt haben, dies einfach zu vermu-
ten und ihnen insoweit die Beweislast oder auch nur
die Entkräftung eines „ersten Anscheins“ aufzuerle-
gen.

Solche eine Beweislastverteilung entspräche schon
nicht der Regelungssystematik des StAG. Dieses
regelt in § 3 ff. StAG den Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit aufgrund spezieller Erwerbstat-
bestände und sodann in § 17 ff. StAG den Verlust
aufgrund spezieller Verlusttatbestände. Bei einer
solchen Gesetzeskonzeption gilt die allgemeine Be-
weislastregel, nach der ein Bürger, der eine Rechts-
position für sich in Anspruch nimmt, die materielle
Beweislast lediglich hinsichtlich der Voraussetzun-
gen für deren Entstehen trägt, die materielle Beweis-
last dafür, dass die entstandene Rechtsposition später
untergegangen ist, hingegen bei der Behörde liegt.
Das bedeutet, die materielle Beweislast für die Vor-
aussetzungen des Staatsangehörigkeitsverluststatbe-
standes des § 25 Abs. 1 StAG trägt die Behörde (vgl.
BVerwG, NVwZ-RR 1992, S. 439 [441]; BayVGH,
DVBl. 1999, S. 1218 f.; Hailbronner, in: Hailbron-
ner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage,
2005, § 25 Rn. 9; Marx, in: Gemeinschaftskommen-
tar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Loseblatt, § 25
Rn. 32 [Stand: 2002]).

Vorliegend hätte zugunsten der Wahlbehörden auch
nicht die Beweiserleichterung des sog. Anscheinsbe-
weises gegriffen. Dieser greift nämlich nur bei for-
melhaften, typischen Geschehensabläufen, d. h. in
denjenigen Fällen, in denen ein gewisser Sachverhalt
feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine be-
stimmte Ursache oder einen bestimmten Ablauf hin-
weist, so dass wegen des typischen Charakters des
Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalles
bei der tatsächlichen Beurteilung außer Betracht blei-
ben können (vgl. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/
Bonk/Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfahrensgesetz,
Kommentar, 6. Auflage, 2001, § 26 Rn. 27). Unab-
hängig von der umstrittenen Frage, ob die Grund-
sätze des Anscheinsbeweises damit überhaupt bei
individuellen Verhaltensweisen – wie eben der Be-
antragung einer Staatsangehörigkeit – Anwendung
finden (vgl. Stelkens/Kallerhoff a. a. O.), kann jeden-
falls nicht davon ausgegangen werden, dass „nach
der Lebenserfahrung“ eine Person, die aufgrund ihrer
türkischen Abstammung die Einbürgerungskriterien
des nach eigenem Bekunden insoweit (rück-)einbür-
gerungsfreundlichen türkischen Staates erfüllt, auch
tatsächlich die türkische Staatsangehörigkeit bean-
tragt hat.

Auch der spezifische Kontext der Wahl vermag,
keine andere Verteilung der Beweislast zu rechtferti-
gen. Zwar wird die Funktion der Wahl als Mittel der
Ausübung und Legitimation der Staatsgewalt durch
das Volk gefährdet, wenn die Gefahr besteht, dass in
mehr als nur unerheblichem Umfange Personen ihre
Stimme abgeben, die gar nicht zum Volk gehören,
ins Wählerverzeichnis in Betracht kamen und bei de-
nen sich nicht abschließend klären ließ, ob sie nach

weil sie nicht (mehr) Deutsche im Sinne des Grund-
gesetzes sind. Dies könnte auf den ersten Blick dafür

Drucksache 16/1800 – 170 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 170 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sprechen, die Gefahr solcher Stimmabgaben durch
nicht (mehr) Wahlberechtigte dadurch zu reduzieren,
dass man die Beweislast dafür, dass die Staatsange-
hörigkeit nicht verloren gegangen ist, dem ins Wäh-
lerverzeichnis Einzutragenden aufbürdet. Dabei
würde man jedoch verkennen, dass die Funktion der
Wahl als Mittel der Ausübung und Legitimation der
Staatsgewalt durch das Volk nicht nur dann in Frage
gestellt zu werden droht, wenn in nicht unerhebli-
chem Umfange Personen, die nicht zum Volk gehö-
ren, an der Wahl teilnehmen, sondern auch dann,
wenn in nicht unerheblichem Umfange, Personen, die
tatsächlich zum Volk gehören, von der Teilnahme an
der Wahl ausgeschlossen werden. Ebendiese Gefahr
hätte bestanden, wenn man in der hier zu beurteilen-
den Konstellation zulasten der einzutragenden tür-
kischstämmigen Personen vermutet hätte, dass sie die
türkische Staatsangehörigkeit auf ihren Antrag (wie-
der-) erlangt haben. Denn der Beweis dafür, nicht die
türkische Staatsangehörigkeit beantragt zu haben und
damit im Besitz der deutschen geblieben zu sein, ist
nur schwer zu erbringen.

II.

Nachwahl in Dresden

Ein Wahlfehler ist bei der Durchführung der Bundestags-
wahl 2005 im Zusammenhang mit der Nachwahl im Wahl-
kreis 160 (Dresden I) weder durch die Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses am 18. September 2005
(nachfolgend unter 1.) noch durch die sofortige Bekanntma-
chung der Ergebnisse der Hauptwahl (unter 2.) festzustel-
len.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die
Eigenständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-

zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005 S. 254; ebenso
Hessisches Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995,
S. 4029) oder stillschweigend (Seifert, Bundeswahl-
recht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6) davon ausgegangen,
dass bereits nach der Hauptwahl deren Ergebnisse zu
ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, die § 37 BWG und § 67 BWO im Ergebnis
keine Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines mög-
lichen taktischen Stimmverhaltens vor dem Hinter-
grund des Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier
im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Ergeb-
nisses der Hauptwahl eingegangen.

2. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass
für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
Wahlgebiets verwendet, bezeichnet dieser Begriff das
jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wortlaut
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-

würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in die-
sem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 171 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 171 – Drucksache 16/1800

und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Deutsche Bundestag spätestens am dreißigsten
Tage nach der Wahl zusammen, wobei hiermit nur
die Hauptwahl gemeint sein kann. Der Zusammen-
tritt verlangt einen beschlussfähigen Bundestag und
damit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mit-
glieder des neu gewählten Deutschen Bundestages.
Hierfür müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz
vorgesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte
erfolgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des
neu gewählten Deutschen Bundestages zum Termin
der konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder Be-
kanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum Ab-
schluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder so-
gar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
der Nr. 2 spätestens 6 Wochen nach der Hauptwahl
stattfinden muss, ist nicht auszuschließen, dass sie im
Einzelfall erst kurz vor dem spätestmöglichen Zu-
sammentritt nach Artikel 39 GG oder sogar erst da-
nach durchgeführt werden kann. Der weitergehenden
Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG der Sechs-Wochen-
Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG entgegensteht (so
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deut-
sches Verwaltungsblatt 2005 [DVBl 2005], S. 1468),
ist hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht nach-
zugehen. Die Möglichkeit, dass eine Nachwahl spät
mit der Konsequenz von Anpassungsbedarf stattfin-
det, ist im Übrigen anerkannt; so wird eine Korrektur
des Wahlergebnisses ebenso für möglich gehalten
wie eine Verschiebung von Sitzen und nachträgliche
Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-

Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, Rechtsprobleme durch
die Nachwahl, Neue Juristische Wochenschrift 2005
[NJW 2005], S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen,
DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entspre-
chende landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der er-
folgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß gegen
Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die hes-
sische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Bundestag im Rahmen der
Wahlprüfung nicht als berufen ansieht, die Verfas-
sungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzu-
stellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bundestags-
drucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie zuletzt
Bundestagsdrucksache 15/2400, S. 49 – dem Bun-
desverfassungsgericht vorbehalten (vgl. insoweit
auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies betrifft nicht nur
Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes selbst, son-
dern gilt in gleicher Weise auch für nachrangiges
Recht, wie z. B. die Bundeswahlordnung (so bereits
in der 2. Wahlperiode – Bundestagsdrucksache II/514;
vgl. auch Klein, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Arti-
kel 41 – Bearbeitung 2004 –, Rn. 73, wonach dies zu
Recht damit begründet werde, dass der Deutsche
Bundestag an bestehende Gesetze ebenso wie an
nachrangiges Recht gebunden sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6;

ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in

Drucksache 16/1800 – 172 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 172 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen.

Die konkreten Wahlergebnisse deuten darauf hin,
dass diese Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern
bewusst waren und auch in ihre Wahlentscheidung
eingeflossen sind. So verblieb der Anteil der Zweit-
stimmen mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als
für den Erwerb eines weiteren Mandats schädlich be-
zeichnet worden war. Der Anteil der Zweitstimmen
blieb auch deutlich unter den Werten der Bundestags-
wahl 2002 (49 638) und dem Erststimmenergebnis
(57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die
Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stim-
mabgabe für eine andere Partei, da die ursprünglich
favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern
wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der gleichen rechtlichen Er-
folgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu be-
rücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine geson-
derten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach
denselben Vorschriften und auf denselben Grundla-
gen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so
dass die bei der Nachwahl abgegebenen Stimmen
nach den für die Hauptwahl geltenden Vorschriften
berücksichtigt werden. So unterscheidet sich die Re-
gelung über die Nachwahl von denjenigen Regelun-
gen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundman-

manche Stimmabgabe rechtlich auswirken. Diese Re-
gelungen sind vom Bundesverfassungsgericht jeweils
als – gerechtfertigter – Eingriff in die Wahlrechts-
gleichheit behandelt worden (BVerfGE 95, 408, 419,
421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser Um-
stand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtli-
che Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgese-
hen könnte die Bewertung, dass eine mögliche takti-
sche Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht aber
rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt,
den Einwand einer engen und formalen Sichtweise
der Bedeutung der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahler-
gebnisses abstellt, kommt der Stimme des Nachwäh-
lers, der denkbare Auswirkungen kennt, praktisch ein
höherer Erfolgswert zu, zumal die mögliche spätere
Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG eingeräumt
wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter Be-
rufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3;
im Ergebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.;
auch das Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz.
1995, S. 4030, folgerte aus möglicher Stimmenbün-
delung bei knappem Wahlausgang eine Verletzung
der Wahlrechtsgleichheit, sah den Fehler jedoch als
nicht erheblich an. Der Verwaltungsgerichtshof Kas-
sel hatte zuvor in einem einstweiligen Anordnungs-
verfahren eine Berührung des Erfolgswerts durch die
Nachwahl ohne nähere Begründung verneint, Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995, 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
datsklausel festlegen oder Überhangmandate und ein
Stimmensplitting ermöglichen und sich damit auf

gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173 – Drucksache 16/1800

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen
vorzubehalten, stünde also nicht im Einklang mit
einem auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-
nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät
in der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG
durchzuführenden Nachwahl in Betracht, da ange-
sichts des oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für
den spätestmöglichen Zusammentritt des Deutschen
Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu tref-
fen wären.

als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließen-
den Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im
Hinblick auf den aus dem Demokratieprinzip abzu-
leitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Be-
denken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Ge-
sichtpunkte organisatorischer und ergebnissichern-
der Natur. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stel-
lungnahme auf die wahlorganisatorischen Gründe an-
gesichts der rund 80 000 Wahllokale und 10 000
Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht. Hinge-
wiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Voll-
zähligkeit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies
wiederum könnte das Vertrauen der Wahlberechtig-
ten in die Korrektheit der Abläufe beinträchtigen, so
dass eine Verschiebung der Auszählung sich hier
nicht als geeignetes Mittel anbietet, um einer Beein-
trächtigung der Wahlrechtsgleichheit durch mögli-
che taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl. auch
Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

III.

Soweit der Einspruch das getrennte Auftreten von CDU und
CSU anspricht und sich dagegen wendet, dass die CDU die
Bundeskanzlerin stellt, betrifft dies keinen möglichen Feh-
ler bei der Vorbereitung und Durchführung der Bundestags-
wahl. Es handelt sich um allgemeine politische Vorbehalte,
die nicht in einem Wahlprüfungsverfahren erörtert werden.

ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
unterlagen bereits versandt gewesen seien und der Rücklauf
der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die Nach-
wahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden

lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am 18. September
2005 abgesagt und öffentlich bekannt gemacht, dass eine
Nachwahl stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann
den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2.
Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundes-
wahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemitteilungen ange-
kündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet er-
mittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergeb-
nis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner – der Einspruchs-
führerin zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst
daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlags,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die Briefwahl-

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätten aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahler-
gebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175 – Drucksache 16/1800

Anlage 25

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau P. K., 40474 Düsseldorf
– Az.: WP 118/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird, soweit das Verfahren nicht eingestellt wird, zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 hat die Einspruchs-
führerin gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 Einspruch eingelegt.
Der Einspruch betrifft Hinweise zu taktischen Stimmabgabe
bei der Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I) sowie eine
mögliche vorzeitige Veröffentlichung einer Wahlprognose.

Nachwahl in Dresden

Die Einspruchsführerin rügt, die Parteien CDU und FDP
hätten die Wähler im betroffenen Wahlkreis zur strategisch
motivierten Stimmabgabe angestiftet. Für den politischen
Gegner zu stimmen, um ihm zu schaden, habe nichts mehr
mit Taktik zu tun, sondern schade der Demokratie. Der
Grundsatz, dass jede abgegebene Stimme den gleichen Er-
folgswert besitzen müsse, sei verletzt worden, „unabhängig
davon“, dass das Ergebnis der Hauptwahl am Tag der Nach-
wahl bereits bekannt gewesen sei.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-

dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erststimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 30 Abs. 2, 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005 (ZRP 2005), S. 252, 254, be-
zieht, dem Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgeset-
zes.
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und

seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Drucksache 16/1800 – 176 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 176 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
seien, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur
Auszählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (Staats-
anzeiger für das Land Hessen 1995, S. 4018, 4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann
hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahlur-
nen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung

müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in an-
derer geeigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum
Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig ge-
wesen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
chen dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die lo-
kale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Bekanntgabe von Wahlprognosen

Die Einspruchsführerin erinnert daran, dass die Ergebnisse
von Nachbefragungen der Wähler nach ihrer Stimmabgabe,
die im Auftrag von Parteien durchgeführt würden, erst nach
Schließung der Wahllokale bekannt gegeben werden dürfen,
um Wählerbeeinflussungen auszuschließen. Die Wahlprog-
nose für die FDP sei von Forsa und ntv am 18. September
vor 17 Uhr mit den Worten „Durchgesickert seien um die
10 Prozent für die FDP – sensationell“ vorveröffentlicht
worden. Die unmittelbare politische Willensbildung der Zu-
schauer habe durch FDP und CDU taktisch beeinflusst wer-
den sollen. Befürworter einer CDU/FDP-Koalition hätten so
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)

positive Kenntnis erhalten, dass die Zweitstimmenkam-
pagne der FDP überaus erfolgreich gewesen sei und es nun

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177 – Drucksache 16/1800

erforderlich gewesen sei, mit der Zweitstimme die CDU zu
unterstützen.

Der Bundeswahlleiter berichtet in seiner einschließlich der
Anlagen der Einspruchsführerin zugänglich gemachten
Stellungnahme, dass er mit Schreiben vom 15. Juli 2005 an
den Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsin-
stitute e. V. sowie einige Wahlforschungsinstitute, darunter
auch forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische
Analysen mbH, auf § 32 Abs. 2 BWG hingewiesen habe,
wonach bei einer Bundestagswahl Ergebnisse von Wähler-
befragungen nach der Stimmabgabe vor Ablauf der Wahl-
zeit nicht veröffentlicht werden dürfen. Auf entsprechende
Nachfrage hat forsa dem Bundeswahlleiter mitgeteilt, dass
die am Wahltag in ausgewählten Stimmbezirken durchge-
führten Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe in der
Zeit von 8 bis kurz vor 18 Uhr erfolgt seien. Die auf der
Basis dieser Befragungen erstellte Prognose werde an die
auftraggebenden Fernsehsender (am 18. September seien
dies neben RTL n-tv, N24 und SAT 1 gewesen) kurz vor
18 Uhr zur Bekanntgabe um Punkt 18 Uhr übermittelt. Von
forsa lägen also keinerlei Prognosen – auch nicht für ein-
zelne Parteien wie die FDP – zu einem früheren Zeitpunkt
(z. B. vor 17 Uhr) vor. Der Nachrichtensender n-tv hat dem
Bundeswahlleiter mitgeteilt, nachdem man den Sendemit-
schnitt des Wahltages angesehen habe, dass n-tv am Tag der
Hauptwahl keinerlei Prognosen des Meinungsforschungsin-
stitutes forsa über das zu erwartende Wahlergebnis vor
18 Uhr veröffentlicht habe. Es seien lediglich Zahlen der
Bundestagswahl 2002 im Vorfeld gezeigt und diskutiert
worden.

Die Einspruchsführerin hat in ihrer Erwiderung an ihrer
Darstellung festgehalten und die Bestätigung durch einen
Familienangehörigen beigefügt. Da ihr jedoch der techni-
sche Beweis, eine eigene Video-Aufzeichnung der n-tv-
Wahlsendung, nicht vorliege, betrachtet die Einspruchsfüh-
rerin ihren Einspruch insoweit als erledigt.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahl-
prüfungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Soweit der Einspruch Hinweise zu strategischer Stimm-
abgabe im Zusammenhang mit der Nachwahl in Dresden
betrifft, ist er zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Im Einspruch wird davon ausgegangen, dass CDU und
FDP die Wähler zum „strategisch motivierten Kreuze-
verteilen“ angestiftet hätten. Diese Behauptung wird im
Einspruch nicht durch Belege oder Hinweise auf Äuße-
rungen oder Aufforderungen seitens der beiden Parteien
gestützt. Bedenken, dass daher dieser Einspruchsgrund
nicht substantiiert vorgetragen worden ist, greifen im
Ergebnis aber nicht durch, da vor der Nachwahl der in-
teressierten Öffentlichkeit die Auswirkungen möglichen
Stimmverhaltens in unterschiedlicher Weise verdeutlicht
worden sind. Wahlfehler sind dennoch nicht festzustel-

Ein taktisches Wählen und hierauf bezogene Anleitun-
gen oder eventuell sogar Aufforderungen bewegten sich
daher im Rahmen des durch das Wahlrecht vorgegebe-
nen Rahmens.

2. Es ist nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss an
die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind.

a) Der Auffassung des Bundeswahlleiters ist zuzustim-
men, dass das geltende Wahlrecht eine unmittelbare
Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.
So bestimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach
Beendigung der Wahlhandlung feststellt, wie viele
Stimmen im Wahlbezirk auf die einzelnen Kreis-
wahlvorschläge und Landeslisten entfallen. § 67
BWO konkretisiert die gesetzliche Regelung dahin-
gehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die
Wahlhandlung „ohne Unterbrechung“ die Ergeb-
nisse ermittelt und feststellt. Als Wahlhandlung ist
hier die Hauptwahl zu verstehen. Die Nachwahl bein-
haltet einen gesonderten Vorgang und stellt sich nicht
als späterer Teil der Hauptwahl dar, dessen Abschluss
erst den Weg für die Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses insgesamt eröffnen würde. Die Ei-
genständigkeit der Nachwahl wird dadurch erkenn-
bar, dass sie nach denselben Vorschriften und auf
denselben Grundlagen wie die Hauptwahl stattfindet
(§ 43 Abs. 3 BWG). Gesetzlich sind mit Blick auf
eine Nachwahl keine Ausnahmeregelungen für die
Durchführung der Hauptwahl getroffen worden.
Auch die auf § 52 Abs. 1 Nr. 16 BWG zurückge-
hende Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, die sich
zudem nur an den Landeswahlleiter richtet, „im Ein-
zelfall Regelungen zur Anpassung an besondere Ver-
hältnisse zu treffen“, betrifft die Durchführung der
Nachwahl, gestattet aber keine Abweichung bei den
für die Hauptwahl geltenden Regelungen. Auch die
Hinweise des Bundeswahlleiters, dass eine bis zur
Nachwahl verschobene Auszählung Schwierigkeiten
in personeller wie technischer Hinsicht bewirken und
die Ermittlung des korrekten Ergebnisses gefährden
könnte, bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Im Übri-
gen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum aus-
drücklich (Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auf-
lage 2002, § 43 Rn. 1; ders., ZRP 2005, S. 254;
ebenso StAnz. 1995, S. 4029) oder stillschweigend
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage, § 43 Rn. 6)
davon ausgegangen, dass bereits nach der Hauptwahl
deren Ergebnisse zu ermitteln und festzustellen sind.

b) Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein
wird, die § 37 BWG und § 67 BWO im Ergebnis
keine Bedenken auf. Auf die Bedeutung eines mög-
lichen taktischen Stimmverhaltens vor dem Hinter-
grund des Prinzips der Gleichheit der Wahl wird hier
im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Ergeb-
nisses der Hauptwahl eingegangen.

3. Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar.
len, da die Ergebnisse der Hauptwahl vom 18. Septem-
ber 2005 unmittelbar bekannt gemacht werden durften.

a) Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Be-
kanntgabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass

Drucksache 16/1800 – 178 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 178 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vorgese-
hen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahllei-
ter nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahl-
niederschriften möglichen Überprüfungen die vorläu-
figen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter
anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71
BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststel-
lungen und Schnellmeldungen an das jeweils nächst-
höhere Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im
Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflichtet Absatz 3
die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen.
Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahllei-
ter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelun-
gen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke für
den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der
schon erwähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vor-
läufiges Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum
anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl
selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpassun-
gen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpas-
sungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter
oder des Bundeswahlleiters.

Soweit z. B. § 71 Abs. 5 BWO im Zusammenhang
mit der Verpflichtung des Bundeswahlleiters, das
vorläufige Ergebnis zu ermitteln, den Begriff des
Wahlgebiets verwendet, bezeichnet dieser Begriff das
jeweilige Wahlgebiet der Hauptwahl. Der Wortlaut
würde überinterpretiert, wenn das Wahlgebiet in die-
sem Kontext mit dem Bundesgebiet gleichgestellt
und hieraus einer Ergebnisfeststellung erst nach voll-
ständiger Durchführung von Haupt- und Nachwahl
abgeleitet würde.

Auch im Zusammenhang mit Artikel 39 Abs. 2 GG
ist davon auszugehen, dass wahlrechtlich nicht nur
die vorläufigen, sondern auch die endgültigen Ergeb-
nisse einer Hauptwahl ungeachtet einer bevorstehen-
den Nachwahl unmittelbar festzustellen und bekannt
zu machen sind. Gemäß Artikel 39 Abs. 2 GG tritt
der Deutsche Bundestag spätestens am dreißigsten
Tage nach der Wahl zusammen, wobei hiermit nur
die Hauptwahl gemeint sein kann. Der Zusammen-
tritt verlangt einen beschlussfähigen Bundestag und
damit einen rechtzeitigen Mandatserwerb der Mit-
glieder des neu gewählten Deutschen Bundestages.
Hierfür müssen rechtzeitig die im Bundeswahlgesetz
vorgesehenen, eine gewisse Zeit kostenden Schritte
erfolgen, damit, soweit möglich, die Mitglieder des
neu gewählten Deutschen Bundestages zum Termin
der konstituierenden Sitzung die Wahl entweder aus-
drücklich angenommen oder das Mandat durch Ver-
streichenlassen der Frist des § 46 BWG erworben
haben. Eine Verschiebung der Feststellung oder
Bekanntmachung des Gesamtergebnisses bis zum
Abschluss der Nachwahl könnte dies gefährden oder
sogar vereiteln. Da die Nachwahl im Falle des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BWG spätestens drei Wochen, im Falle
der Nr. 2 spätestens 6 Wochen nach der Hauptwahl

sammentritt nach Artikel 39 GG oder sogar erst da-
nach durchgeführt werden kann. Der weitergehenden
Frage, ob Artikel 39 Abs. 2 GG der Sechs-Wochen-
Frist des § 43 Abs. 2 Satz 1 BWG entgegensteht (so
Ipsen, Nachwahl und Wahlrechtsgleichheit, Deut-
sches Verwaltungsblatt 2005 [DVBL 2005],
S. 1468), ist hier schon aus tatsächlichen Gründen
nicht nachzugehen. Die Möglichkeit, dass eine Nach-
wahl spät mit der Konsequenz von Anpassungsbedarf
stattfindet, ist im Übrigen anerkannt; so wird eine
Korrektur des Wahlergebnisses ebenso für möglich
gehalten wie eine Verschiebung von Sitzen und nach-
trägliche Mandatsverluste (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43, Rn. 7).

Auch die bisherige Praxis ist davon ausgegangen,
dass § 71 BWO auch den Fall einer Hauptwahl trotz
anschließender Nachwahl abdeckt. Dem widerspricht
auch nicht eine Anregung des Bundeswahleiters im
Rahmen eines Erfahrungsaustauschs nach der Bun-
destagswahl 2002. Danach wurde eine klarstellende
Regelung zur Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen
Ergebnisses und der vorläufigen Berechnung der
Sitzverteilung am Tag der Hauptwahl angeregt (Bun-
destagsdrucksache 15/3872, S. 5). Eine klarstellende
Regelung ist aber von einer erstmaligen Regelung zur
Ausfüllung einer Lücke ebenso zu unterscheiden wie
von einer Änderung der Rechtslage.

Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen Schrifttum
von einer durch die Bundeswahlordnung vorgegebe-
nen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, § 43 Rn. 6; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1;
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242; ebenso wohl
auch Ipsen, DVBL 2005, S. 1468; das Hessische
Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte
keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe fest,
sah in der erfolgten Bekanntmachung aber keinen
Verstoß gegen Landeswahlgesetz und Landeswahl-
ordnung; die hessische Landeswahlordnung enthält
und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entsprechende
Bestimmung).

b) Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die
zur unmittelbaren Feststellung und Bekanntmachung
der vorläufigen Ergebnisse der Hauptwahl verpflich-
tenden Vorschriften in Bundeswahlgesetz und Bun-
deswahlordnung erhoben werden, ist zunächst daran
zu erinnern, dass sich der Bundestag im Rahmen der
Wahlprüfung nicht als berufen ansieht, die Verfas-
sungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzu-
stellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bundestags-
drucksache 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie zuletzt
Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11, S. 49 –
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (vgl. in-
soweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Dies betrifft
nicht nur Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes
selbst, sondern gilt in gleicher Weise auch für nach-
rangiges Recht, wie z. B. die Bundeswahlordnung (so
bereits in der 2. Wahlperiode – Bundestagsdruck-
sache II/514; vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig,
stattfinden muss, ist nicht auszuschließen, dass sie im
Einzelfall erst kurz vor dem spätestmöglichen Zu-

Grundgesetz, Artikel 41 – Bearbeitung 2004 –,
Rn. 73, wonach dies zu Recht damit begründet

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179 – Drucksache 16/1800

werde, dass der Deutsche Bundestag an bestehende
Gesetze ebenso wie an nachrangiges Recht gebunden
sei).

Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Gleichheit der Wahl erhobenen verfassungsrechtli-
chen Bedenken nicht geteilt.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zähl-
wert und im Rahmen des vom Gesetzgeber festgeleg-
ten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfassungs-
gericht, BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des
Erfolgswerts ist hier bestritten worden, da die Wähler
im Wahlkreis 160 in Kenntnis des Wahlergebnisses
im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter abge-
ben konnten als die anderen Wähler. Für die betroffe-
nen Wahlberechtigten gab es unter anderem in den
Medien und im Internet Veröffentlichungen, die Hin-
weise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vor-
aussetzungen für die CDU ein zusätzliches Mandat
anfallen oder die Gesamtzahl der auf die CDU nach
dem Ergebnis der Hauptwahl bereits entfallenen 179
Sitze unverändert bleiben würde. Würde die CDU
eine bestimmte Anzahl an Zweitstimmen erreichen,
die mit 42 000 angegeben wurde, würde dies zwar
keine Besserstellung gegenüber anderen Parteien be-
wirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz für
ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in
Sachsen bereits erzielten Überhangmandate würde
sich dies aber nicht durch ein weiteres Mandat be-
merkbar machen. Verblieb die CDU unter einem be-
stimmten Wert an Zweitstimmen, würde die Landes-
liste Nordrhein-Westfalen keinen Sitz abgeben müs-
sen und durch das in Dresden I zu erwartende Direkt-
mandat ein zusätzlicher Sitz anfallen.

Die konkreten Wahlergebnisse deuten darauf hin,
dass diese Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern
bewusst waren und auch in ihre Wahlentscheidung
eingeflossen sind. So verblieb der Anteil der Zweit-
stimmen mit 38 208 nicht nur unter der Zahl, die als
für den Erwerb eines weiteren Mandats schädlich be-
zeichnet worden war. Der Anteil der Zweitstimmen
blieb auch deutlich unter den Werten der Bundestags-
wahl 2002 (49 638) und dem Erststimmenergebnis
(57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine
Chance zu taktischem Wahlverhalten bestand, son-
dern auch, dass Wahlberechtigte von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht haben. Somit ist, auch wenn
ein derartiges Wahlverhalten nicht bestimmten Wahl-
berechtigten zurechenbar sein kann, den betreffenden
Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekommen als den
bei der Hauptwahl am 18. September 2005 abgegebe-
nen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell
das Bekanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimm-

Fünf-Prozent-Hürde zu verhelfen, oder an eine Stim-
mabgabe für eine andere Partei, da die ursprünglich
favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde scheitern
wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch
verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu
bejahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher
Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass
jede Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen
gleichen Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 95, 335, 353)
bzw. im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten
Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgschance
haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der gleichen rechtlichen Er-
folgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu be-
rücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine geson-
derten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach
denselben Vorschriften und auf denselben Grundla-
gen wie die Hauptwahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so
dass die bei der Nachwahl abgegebenen Stimmen
nach den für die Hauptwahl geltenden Vorschriften
berücksichtigt werden. So unterscheidet sich die Re-
gelung über die Nachwahl von denjenigen Regelun-
gen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundman-
datsklausel festlegen oder Überhangmandate und ein
Stimmensplitting ermöglichen und sich damit auf
manche Stimmabgabe rechtlich auswirken. Diese Re-
gelungen sind vom Bundesverfassungsgericht jeweils
als – gerechtfertigter – Eingriff in die Wahlrechts-
gleichheit behandelt worden (BVerfGE 95, 408, 419,
421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser Um-
stand spricht dagegen, eine unterschiedliche recht-
liche Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf
den gleichen Einfluss auf die parteipolitische Zusam-
mensetzung des Parlaments abstellt, so dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit zu werten sein.

Davon abgesehen könnte die Bewertung, dass eine
mögliche taktische Stimmabgabe nur eine tatsäch-
lich, nicht aber rechtlich unterschiedliche Erfolgs-
chance gewährt, den Einwand einer engen und for-
malen Sichtweise der Bedeutung der gleichen recht-
lichen Erfolgschance hervorrufen. Sofern man auf
denselben praktischen Erfolgswert für die Bemes-
sung des Wahlergebnisses abstellt, kommt der
Stimme des Nachwählers, der denkbare Auswirkun-
gen kennt, praktisch ein höherer Erfolgswert zu, zu-
mal die mögliche spätere Stimmabgabe rechtlich
durch § 43 BWG eingeräumt wird (Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244, unter Berufung auf Badura,
Staatsrecht, 3. Auflage, E Rn. 3; im Ergebnis ebenso
Ipsen, DVBL 2005, S. 1468 ff.; auch das Hessische
abgabe bei der Nachwahl beeinflussen kann. Zu den-
ken ist z. B. an das Bemühen, einer Partei über die

Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4030, folgerte
aus möglicher Stimmenbündelung bei knappem

Drucksache 16/1800 – 180 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 180 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlausgang eine Verletzung der Wahlrechtsgleich-
heit, sah den Fehler jedoch als nicht erheblich an. Der
Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte zuvor in einem
einstweiligem Anordnungsverfahren eine Berührung
des Erfolgswerts durch die Nachwahl ohne nähere
Begründung verneint, Neue Zeitschrift für Verwal-
tungsrecht, 1995 [NVwZ 1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz
aber nicht unbegrenzt; vielmehr sind Differenzierun-
gen zulässig. Insofern erkennt das Bundesverfas-
sungsgericht nur einen eng bemessenen Spielraum
an. Dieser wird unter dem Begriff des „zwingenden
Grundes“ zusammengefasst. Differenzierungen müs-
sen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig
sind auch Gründe, die durch die Verfassung legiti-
miert sind und ein Gewicht haben, das der Wahl-
rechtsgleichheit die Waage halten kann. Dabei muss
die Verfassung nicht gebieten, diese Zwecke zu ver-
wirklichen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfer-
tigt auch Differenzierungen durch „zureichende“,
„aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volks-
vertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE
95, 418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist,
wie noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der be-
sonderen, auch verfassungsrechtlich legitimierten
Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszu-
gehen, die als zureichende Differenzierungsgründe
eingeordnet werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen
Ergebnisse der Hauptwahl widerspräche dem Grund-
satz, die Auszählung der Stimmen so transparent wie
möglich zu gestalten, um das Vertrauen der Öffent-
lichkeit in die korrekte Feststellung des Wahlergeb-
nisses zu gewährleisten (vgl. auch Sodan/Kluckert,
NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffentlichkeit
der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jeder-
mann bei der Ermittlung und Feststellung des Wahl-
ergebnisses Zutritt. Dies bietet zum einen interessier-
ten Wahlberechtigten die Grundlage, die wahlrecht-
lich vorgegebenen Schritte zu verfolgen und sich von
ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu überzeugen.
Zugleich bietet es insbesondere aber Medien oder
Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die
Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzu-
rechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinde-
rung entsprechender Informationen ein taktisches
Stimmverhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber,
Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 43 Rn. 1
am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der
Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem

nen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich er-
scheint überdies, ob entsprechende Regelungen auch
angesichts der großen Zahl der Beteiligten überhaupt
geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder zu-
mindest repräsentative Resultate geheim zu halten
(vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches
dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinaus-
gehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstat-
tung mit Blick auf eine noch bevorstehende Nach-
wahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntma-
chung, wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in
der Sechs-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 BWG durch-
zuführenden Nachwahl in Betracht, da angesichts des
oben erwähnten Artikels 39 Abs. 2 GG für den spä-
testmöglichen Zusammentritt des Deutschen Bundes-
tages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen wären.

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Aus-
zählung der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss
der Nachwahl würde die enge Verbindung zwischen
der Wahlhandlung und der unmittelbar anschließenden
Ergebnisermittlung aufheben. Dies könnte im Hin-
blick auf den aus dem Demokratieprinzip abzuleiten-
den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Bedenken
aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Zu be-
rücksichtigen sind aber auch die Gesichtpunkte orga-
nisatorischer und ergebnissichernder Natur. Der Bun-
deswahlleiter hat in seiner Stellungnahme auf die
wahlorganisatorischen Gründe angesichts der rund
80 000 Wahllokale und 10 000 Briefwahlvorstände
aufmerksam gemacht. Hingewiesen wurde weiterhin
auch auf die Gefahr von Störungen oder Eingriffen
Dritter hinsichtlich der Vollzähligkeit und Unversehrt-
heit der Wahlurnen. Dies wiederum könnte das Ver-
trauen der Wahlberechtigten in die Korrektheit der Ab-
läufe beinträchtigen, so dass eine Verschiebung der
Auszählung sich hier nicht als geeignetes Mittel anbie-
tet, um einer Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleich-
heit durch mögliche taktische Stimmabgabe zu begeg-
nen (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/
Kluckert, NJW 2005, S. 3245)

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbe-
kannt, wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl
bei Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten ohne
Nachrückmöglichkeit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine
Wiederholungswahl bei erfolgreicher Wahlanfech-
tung (§ 44 BWG) zeigen.

Schließlich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in
anderen Zusammenhängen zu beobachten und nicht
als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der
Wahl behandelt worden. Zu erinnern ist an die Mög-
lichkeit, Erst- und Zweitstimme zu splitten (vgl.
BVerfGE 95, 335, 367). Auch Zweitstimmenkam-
pagnen oder ausdrückliche oder stillschweigende
Wahlabsprachen über „Leihstimmen“, die auf die
Nutzung der wahlgesetzlich geschaffenen Möglich-
keit zum Splitten abzielen, sind grundsätzlich als
auf das Demokratieprinzip zurückzuführenden
Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorgegebe-

zulässig anzusehen (so bereits Bundestagsdrucksache
13/3928, Anlage 22, Seite 54). Die seinerzeit er-

Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/1800
. Wahlperiode – 181 – D. Wahlperiode – 181 – D

wähnte Einschränkung, wonach verfassungsrechtli-
che Bedenken nur dann entstehen könnten, wenn ein
Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten
vorläge, ist hier angesichts der vorgenannten Ausfüh-
rungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der
Nachwahl nicht ersichtlich.

II.

Soweit der Einspruch die Bekanntgabe von Wahlprognosen
behauptet, wird das Verfahren gemäß § 2 Abs. 6 WPrüfG
eingestellt.

§ 32 Abs. 2 BWG untersagt die Veröffentlichung von Er-
gebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe
über den Inhalt der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahl-
zeit. Dieses Verbot richtet sich in erster Linie an die Rund-
funk- und Fernsehanstalten. Damit soll verhindert werden,
dass vorzeitige Veröffentlichungen von Umfrageergebnis-
sen Auswirkungen auf das Stimmabgabeverhalten von
Wahlberechtigten haben.

Die in Rede stehende Nachricht stellte sich, sofern gesendet,
als Trendmeldung und nicht als genaues Ergebnis der Wäh-
lerbefragung dar. Für den Verstoß gegen § 32 Abs. 2 BWG
kommt es aber nicht darauf an, ob tatsächlich Ergebnisse
von Wählerbefragungen nach deren Stimmabgabe über den
Inhalt der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahlzeit veröf-
fentlicht worden sind. Vielmehr kommt es auf den Eindruck
an, den ein unvoreingenommener Zuschauer aufgrund des
Nachrichteninhaltes haben konnte (so Wahlprüfungsent-
scheidung zur Europawahl 1999 – Bundestagsdrucksache
14/2761, Anlage 15, Seite 67). Deswegen können auch ein-
deutige Trendmeldungen unter die Verbotsregelung des § 32
Abs. 2 BWG fallen (Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage, § 32 Rn. 7). Der streitig gebliebenen Frage, ob
es eine von der Einspruchsführerin behauptete Meldung tat-
sächlich gegeben hat, ist im Wahlprüfungsverfahren jedoch
nicht weiter nachzugehen, nachdem die Einspruchsführerin
insoweit ihren Einspruch als erledigt bezeichnet. hat. Eine
Notwendigkeit, ungeachtet dieser Erklärung der Ein-
spruchsführerin das Verfahren fortzusetzen, ist angesichts
der im Tatbestand beschriebenen Schritte des Bundeswahl-
leiters, auf Einhaltung von § 32 BWG hinzuwirken, nicht
ersichtlich.

keit auszugehen, der Bundesdurchschnitt lag insoweit bei
schen Regierung Verhandlungen auf Arbeitsebene über die
Übermittlung konkreter Daten zu den von der Türkei einge-
bürgerten Personen. Hierauf hat die türkische Seite laut

falls dazu beigetragen habe, es in seiner quantitativen Trag-
weite etwas abzuschwächen. Selbst die von der türkischen
Seite zugegebenen 50 000 Fälle könnten nicht als zahlen-
dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag seines
gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur,
wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19
die Entlassung beantragt werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem
Erwerbe der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen
Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Be-
hörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten
hat […].“

In der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Fassung ging die
deutsche Staatsangehörigkeit hingegen nur verloren, wenn
der Betreffende weder seinen Wohnsitz noch seinen dauer-
haften Aufenthalt im Inland hatte (sog. Inlandsklausel).

Anfang 2005 teilte die türkische Regierung mit, seit dem
Jahre 2000 hätten ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche
wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangt. Daraufhin
vereinbarte das Bundesministerium des Innern mit der türki-

8,5 Prozent. In absoluten Zahlen waren bundesweit 251 639
Personen von der Frage- bzw. Informationskampagne be-
troffen, in 21 463 Fällen gingen die Behörden von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Die nied-
rigste Verlustquote gab es in Thüringen (0 Prozent), die
höchste in Hessen (18,9 Prozent). Die Ergebnisse der Ak-
tion im Hinblick auf jedes einzelne Land können einer bei
den Akten befindlichen, vom Bundesministerium des In-
nern zusammengestellten Tabelle entnommen werden.

Die Einspruchsführer bezweifeln die Richtigkeit des Ergeb-
nisses der Frage- und Informationskampagne der Länder.
Bereits dadurch, dass nach Angaben der türkischen Seite ca.
50 000 Personen die türkische Staatsangehörigkeit ange-
nommen haben, während durch die Frage- und Informati-
onskampagne nur ca. 20 000 Personen „aufgespürt“ worden
seien, werde offenkundig, dass die Aktion der Behörden
nicht ausgereicht habe, das Problem zu lösen, sondern allen-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 183 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 183 – Drucksache 16/1800

Anlage 26

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn Dr. W. P., 68165 Mannheim
2. der Frau C. P., 68165 Mannheim

– Az.: WP 102/05 –

Bevollmächtigter:
Einspruchsführer zu 1.

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2005, das am 14. Oktober
2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, haben die
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt. Sie behaupten, es
sei „davon auszugehen, zumindest aber mit extrem hoher
Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass in allen Gemeinden –
im einzelnen mit unterschiedlichen Zahlen – Nichtdeutsche
als Wahlberechtigte in die Listen eingetragen waren und
sich an der Wahl beteiligt haben.“

Rechtlicher Hintergrund dieser Annahme der Einspruchs-
führer ist die Regelung des § 25 StAG in der seit dem 1. Ja-
nuar 2000 geltenden Fassung. Diese Vorschrift lautet, so-
weit sie hier von Interesse ist:

„(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit
dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn

Um dennoch verifizieren zu können, welche Personen ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren haben, führten auf Anregung des Bundesministeri-
ums des Innern alle Länder außer Berlin im Jahre 2005 eine
Fragebogenaktion unter den türkischstämmigen Personen
durch, bei denen wegen denkbarer türkischer Rückeinbürge-
rung nach dem 1. Januar 2000 ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit möglich erschien. Die betroffenen Per-
sonen wurden aufgefordert zu erklären, ob sie nach dem
1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenom-
men haben. Dabei wurde auf die mögliche Strafbarkeit einer
unberechtigten Wahlteilnahme hingewiesen. Berlin verzich-
tete zwar auf ein individuelles Anschreiben, führte jedoch
eine Informationskampagne durch, die zu ähnlichen Ergeb-
nissen wie die Fragebogenaktion der anderen Länder führte:
Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus Sicht der Berliner
Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsangehörig-
Bundesministerium des Innern bislang allerdings noch nicht
mit konkreten Terminvorschlägen reagiert.

mäßige Obergrenze betrachtet werden. Es sei vielmehr da-
von auszugehen, dass „Zehntausende, vielleicht auch Hun-

Drucksache 16/1800 – 184 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 184 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

derttausende von türkischen Staatsangehörigen, welche
nach Rückgabe ihrer türkischen Staatsangehörigkeit die
Deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und als wahl-
berechtigt in die örtlichen Wählerlisten eingetragen wurden,
[…] sich nachträglich in Zusammenarbeit mit dem türki-
schen Staat heimlich die türkische Staatsangehörigkeit wie-
der beschafft [haben], ohne dass dies den deutschen Behör-
den und damit auch den Wahlämtern zur Kenntnis kam.“

Nach Ansicht der Einspruchsführer habe eine Fragebogen-
aktion auch von vornherein gar nicht zielführend sein kön-
nen. Denn ob sie an der Bereinigung der Wählerverzeich-
nisse mitwirkten oder nicht und ob sie durch Wahlfälschung
das Wahlergebnis beeinflussten oder nicht, hätten allein die
angeschriebenen Personen entscheiden können und nicht
der deutsche Staat. Selbst der „objektiv sicher richtig[e]“
Hinweis auf die Strafbarkeit einer unbefugten Wahlteil-
nahme sei letztlich kontraproduktiv gewesen. Denn es sei
davon auszugehen, dass viele der angeschriebenen Perso-
nen, die nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehö-
rigkeit gewesen seien, sich bereits an den zahlreichen Wah-
len, die seit dem 1. Januar 2000 stattgefunden haben, betei-
ligt und somit strafbar gemacht hätten. Würden sie nun zu-
geben, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit wieder
erworben hätten, bräuchten die Staatsanwaltschaften ledig-
lich in den Wählerverzeichnissen nachzusehen, um festzu-
stellen, ob die Betreffenden unbefugt an Wahlen teilgenom-
men hatten, und ggf. Ermittlungsverfahren einzuleiten. Auf
dieses Risiko seien die Angeschriebenen durch den Straf-
barkeitshinweis aufmerksam gemacht worden. Es sei daher
nicht zu erwarten, dass gerade diejenigen „scheindeutschen
Türken“, die bereits an Wahlen teilgenommen hätten, ange-
ben würden, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit wie-
der erworben hätten. Um das Problem zu lösen, seien viel-
mehr weit reichende Maßnahmen des Gesetzgebers erfor-
derlich. Zu denken sei etwa daran, „allen eingebürgerten
Türken vorerst das Wahlrecht zu entziehen mit der Option,
durch eine vom türkischen Staat ausgestellte und von einem
deutschen Konsulat überbeglaubigte Erklärung (Negativ-
test) nachzuweisen, dass sie nicht türkische Staatsbürger
sind.“

Ihre Auffassung, dass „jedenfalls eine sehr große Zahl sol-
cher ‚Deutsch-Türken‘ sich, nachdem sie die Verleihung der
deutschen Staatsbürgerschaft erreicht hatte, heimlich die
türkische Staatsangehörigkeit wieder besorgt hat“ und „dass
zur Zeit der Bundestagswahl am 18. September 2005 die
Wählerlisten in keiner deutschen Gemeinde verlässlich rich-
tig waren“, sehen die Einspruchsführer durch einen Be-
schluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September
2005 (2 BvQ 25/05) und einen Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. April 2005 (8 B
721/05) bestätigt, die sie ihrem Einspruch beifügen. Beide
Beschlüsse betreffen Verfahren des vorläufigen Rechts-
schutzes. Die Passage in dem Beschluss des Bundesverfas-
sungsgerichts, aus der die Einspruchsführer ableiten, dass
auch das Bundesverfassungsgericht „ganz im Sinne […]
dieser Einspruchsschrift“ davon ausgehe, dass die Wähler-
verzeichnisse in großem Umfange falsch seien, bezieht sich
auf die Neufassung des § 25 StAG im Jahre 2000 und lautet:
„Schätzungen zufolge ist von dieser Gesetzesänderung eine
große Zahl in Deutschland lebender und hier eingebürgerter

gehörigkeit auf Antrag zurückerworben haben.“ Aus dem
OVG-Beschluss, auf den sich auch das Bundesverfassungs-
gericht bezieht, heben die Einspruchsführer eine Passage
hervor, in der es ebenfalls im Kontext des § 25 StAG heißt,
es werde die Annahme bestätigt, „dass die Angaben im
Melderegister in einer beachtlichen Anzahl von Fällen feh-
lerhaft sind.“

Die Einspruchsführer sind der Ansicht, dass „die gesamte
Bundestagswahl des Jahres 2005 durch die in ganz Deutsch-
land falschen Wählerverzeichnisse auch im Ergebnis beein-
flusst worden ist oder zumindest mit hoher Wahrscheinlich-
keit beeinflusst worden sein kann.“ „Prämisse aller Überle-
gungen“ sei dabei „die Tatsache, dass die eingebürgerten
rund 600 000 ‚Deutsch-Türken‘ mit rund 85 Prozent SPD
und/oder GRÜNE gewählt haben.“ Besonders wahrschein-
lich sei ein Einfluss auf das Erststimmenergebnis in den
Wahlkreisen 1, 9, 130, 164, 181, 199, 260 und 298. Denn in
diesen Wahlkreisen habe der SPD-Kandidat nur knapp ge-
wonnen, nämlich mit 322 Stimmen Vorsprung im Wahlkreis
1, 1 339 im Wahlkreis 9, 537 im Wahlkreis 130, 529 im
Wahlkreis 164, 1 625 im Wahlkreis 181, 1 445 im Wahlkreis
199, 3 227 im Wahlkreis 260 und 898 im Wahlkreis 298.
Hier sei davon auszugehen, dass „ohne die Teilnahme nicht
wahlberechtigter türkischer Wähler“ der CDU-Bewerber
das Mandat errungen hätte. Es sei auch „hinreichend wahr-
scheinlich“, dass sich dadurch außerdem das zahlenmäßige
Verhältnis der Parteien im Deutschen Bundestag geändert
hätte, weil zusätzliche Überhangmandate für die CDU in
Betracht gekommen wären. Im Hinblick auf den weiteren
Vortrag der Einspruchsführer, der sich insbesondere auf die
Bundestagswahl 2002 bezieht, wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen.

Die Einspruchsführer beantragen

– festzustellen, dass im Zeitpunkt der Wahlen zum Deut-
schen Bundestag am 18. September/2. Oktober 2005 die
Richtigkeit sämtlicher Wählerverzeichnisse in Deutsch-
land nicht gewährleistet war und auch weiterhin nicht
gewährleistet ist,

– die Wahlen zum Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber/2. Oktober 2005 – hilfsweise die Wahlen zum Deut-
schen Bundestag am 18. September/2. Oktober 2005 in
den Wahlkreisen 1, 130, 164, 181, 199, 260, 298 – für
ungültig zu erklären,

– den Einspruchsführern ihre notwendigen Auslagen für
das Verfahren zu erstatten.

Das Bundesministerium des Innern, das zu dem Einspruch
Stellung genommen hat, geht davon aus, dass schon kein
Fehler bei der Anwendung der für die Wahl geltenden Vor-
schriften und Rechtsgrundsätze vorliege. Die Fragebogen-
aktionen bzw. Informationskampagnen der Länder seien
notwendig, aber auch ausreichend gewesen. Das Recht zur
Teilnahme an Wahlen sei zwar auf Deutsche im Sinne des
Artikels 116 Abs. 1 GG beschränkt. Im Wahlrecht sei nach
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 12
Rn. 8, der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit aller-
dings nur glaubhaft zu machen. Eine verbindliche Feststel-
lung der Staatsangehörigkeit im Vorfeld jeder Wahl sei im
Hinblick auf die erforderliche Praktikabilität der Wahlvor-
Personen betroffen, die, wie die Antragstellerin, nach der
hiesigen Einbürgerung ihre frühere ausländische Staatsan-

bereitungen nicht möglich. Nach deutschem Staatsangehö-
rigkeitsrecht lieferten weder ein Personalausweis oder Rei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185 – Drucksache 16/1800

sepass noch ein Staatsangehörigkeitsausweis den Nachweis
der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern begründeten nur
eine widerlegbare Vermutung. Eine allgemein verbindliche
Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit sei derzeit
nur durch ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsge-
richts möglich, das jedoch nur eine Aussage über die Staats-
angehörigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils treffe.
Aufgrund des mit einer verbindlichen Feststellung der
Staatsangehörigkeit verbundenen Zeit- und Verwaltungsauf-
wandes sei ein solches Verfahren als regelmäßige Überprü-
fung im Vorfeld von Wahlen ausgeschlossen. Schon seit
jeher habe daher die Gefahr bestanden, dass nichtdeutsche
Personen an bundesdeutschen Wahlen teilgenommen hätten,
ohne dass Maßnahmen hiergegen getroffen worden wären
oder hätten getroffen werden müssen. Im Vorfeld der vorge-
zogenen Bundestagswahl hätten – anders als vor früheren
Bundestagswahlen – jedoch aufgrund der Mitteilung der
türkischen Regierung über die Wiedereinbürgerung von bis
zu 50 000 Personen konkrete Hinweise auf einen abgrenz-
baren Personenkreis bestanden, bei dem einem möglichen
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nachzugehen ge-
wesen sei. Die zuständigen Behörden hätten auf diesen Hin-
weis mit der erwähnten Informations- bzw. Fragebogen-
aktion reagiert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestanden. Der
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG
sei – wie auch schon bei der Vorgängerregelung des § 25
des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) –
abhängig von den Einbürgerungsentscheidungen fremder
Staaten. Um feststellen zu können, ob und wann ein Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten ist, benötig-
ten deutsche Behörden genaue Angaben und Kenntnisse der
ausländischen Einbürgerungspraxis, was ohne Kooperation
der fremden Staaten von jeher schwierig gewesen sei. Da
mit weniger als 20 der 190 in der UNO vertretenen Staaten
Vereinbarungen über den Austausch von Einbürgerungsmit-
teilungen bestünden und das Interesse hieran weltweit ge-
ring sei, werde der Verlust der Staatsangehörigkeit oft nur
im Nachhinein bei bestimmten behördlichen Anlässen be-
kannt.

Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf
die Angabe der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 ehemalige Türken wieder die türkische
Staatsangehörigkeit zurückerlangt hätten, darauf hin, dass
nicht bekannt sei, wie viele unter den wieder Eingebürger-
ten ohnehin als Minderjährige nicht wahlberechtigt gewesen
seien, und ob darunter auch Personen gewesen seien, deren
deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der türki-
schen Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen sei (etwa
minderjährige Familienmitglieder, auf die sich der Staatsan-
gehörigkeitserwerb durch das Familienoberhaupt erstreckt
habe oder Personen, die zuvor eine Beibehaltungsgenehmi-
gung erhalten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000 die türki-
sche Staatsangehörigkeit unter Nutzung der damals noch
geltenden Inlandsklausel erworben habe, sei ohnehin deut-
scher Staatsangehöriger und damit wahlberechtigt geblieben.

Auch der Hilfsantrag der Einspruchsführer könne keinen
Erfolg haben, weil kein Wahlfehler vorliege. Im Übrigen

bereits daraus, dass hier die Anzahl der seit dem 1. Januar
2000 eingebürgerten Personen türkischer Herkunft jeweils
geringer sei als die jeweilige Differenz der für die SPD und
CDU abgegebenen Erststimmen. Bei den Wahlkreisen 1 und
181 sei dies zwar nicht der Fall. Es sei jedoch zu berück-
sichtigen, dass in der Zahl der eingebürgerten Personen
auch von vornherein nicht Wahlberechtigte, z. B. Kinder
und Jugendliche, enthalten seien. Ferner seien die Wahlbe-
teiligung insgesamt sowie die Informations- und Fragekam-
pagnen der Länder, die über die Strafbarkeit einer unberech-
tigten Wahlteilnahme informiert haben, zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf weitere Einzelheiten der Stellungnahme des
Bundesministeriums des Innern, insbesondere Zahlenanga-
ben zu den genannten Wahlkreisen und Einbürgerungszah-
len bundesweit, wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.

Die Einspruchsführer, denen die Stellungnahme des Bun-
desministeriums des Innern bekannt gegeben worden ist,
bezweifeln, dass bei der Frageaktion sämtliche rechtliche
Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Insbesondere
hätte man zur Glaubhaftmachung der deutschen Staatsange-
hörigkeit eidesstattliche Versicherungen verlangen können.
Ferner monieren die Einspruchsführer, dass sich das Bun-
desministerium des Innern bei Angaben in Bezug auf Zah-
len eingebürgerter Türken durchgängig auf die Zeit vom
1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 beschränkt
habe. Denn § 25 Abs. 1 StAG in seiner seit dem 1. Januar
2000 geltenden Fassung finde auch auf Personen Anwen-
dung, die vor diesem Datum die deutsche Staatsangehörig-
keit erlangt hätten. Was den Inhalt der Äußerung der Ein-
spruchsführer zur Stellungnahme des Bundesministeriums
im Übrigen angeht, wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahl-
prüfungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Verstoß gegen Vorgaben des Wahlrechts kann nicht
festgestellt werden.

I.

Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen, die durch
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung
die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, ein Wahl-
fehler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen § 12 Abs. 1
BWG verstoßen, wonach nur Deutsche im Sinne des Arti-
kels 116 Abs. 1 GG wahlberechtigt sind. Es kann jedoch
nicht festgestellt werden, dass solche Personen tatsächlich
an der Wahl teilgenommen haben.

Dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl teilge-
nommen haben, ergibt sich nämlich keineswegs bereits
zwangsläufig aus dem Umstand, dass nach Angaben der tür-
kischen Regierung seit Anfang 2000 ca. 50 000 Personen
mit deutscher Staatsangehörigkeit die türkische Staatsange-
hörigkeit erworben haben, während aufgrund einer 2005
würde es aber auch an einer Mandatsrelevanz fehlen. Für
die Wahlkreise 130, 164, 199, 260 und 298 ergebe sich das

von den Ländern zur Gewährleistung der Richtigkeit der
Wählerverzeichnisse durchgeführten Frage- und Informa-

Drucksache 16/1800 – 186 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 186 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tionskampagne lediglich in 21 463 Fällen von einem Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG auszu-
gehen war. Denn abgesehen davon, dass im Hinblick auf
§ 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StAG die Erlangung der
türkischen Staatsangehörigkeit nicht in allen Fällen zum
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt haben
muss, ist zu berücksichtigen, dass für eine Eintragung ins
Wählerverzeichnis ohnehin nur derjenige in Betracht
kommt, der zum Zeitpunkt der Wahl volljährig und damit
wahlberechtigt ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG), und dass
eine „automatische“ Eintragung von Amts wegen auf der
Grundlage der Melderegister einen Wohnsitz in Deutsch-
land voraussetzt (vgl. § 16 Abs. 1 BWO). Auf wie viele der
50 000 Personen das zutraf, ist – mangels Angaben der tür-
kischen Seite – nicht bekannt. Damit kann die Differenz
zwischen den 50 000, die die türkische Seite genannt hat,
und den 21 463, welche die Länder ermittelt haben, nicht
ohne weiteres mit falschen Angaben der Befragten erklärt
werden. Selbst wenn man aber unterstellt, dass die Diskre-
panz zwischen der Zahl 50 000 und der Zahl 21 463 – zu-
mindest zum Teil – auf wahrheitswidrige Angaben der Be-
fragten zurückzuführen ist und zur Eintragung von nicht
wahlberechtigten Personen ins Wählerverzeichnis geführt
hat, ist damit noch nicht gesagt, dass diese Personen sich
auch an der Wahl beteiligt haben. Das gilt umso mehr, als
sie aufgrund der Frage- und Informationskampagnen der
Länder um die Strafbarkeit einer unbefugten Wahlteilnahme
wussten.

Kein anderes Bild ergibt sich, wenn man die von den Ein-
spruchsführern angeführten Gerichtsentscheidungen in die
Betrachtung einbezieht. Das Bundesverfassungsgericht sagt
lediglich, dass Schätzungen zufolge von dem Verluststatbe-
stand des § 25 Abs. 1 StAG eine große Zahl in Deutschland
lebender und hier eingebürgerter Personen betroffen sei. Es
verliert aber kein Wort darüber, ob diese Personen in die
Wählerverzeichnisse eingetragen waren oder sich an der
Wahl beteiligt haben bzw. – da der Beschluss vor der Wahl
erlassen wurde – beteiligen werden. Ebenso verhält es sich
im Ergebnis mit dem von den Einspruchsführern zitierten
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfa-
len. Die von den Einspruchsführern zitierte Aussage des
Gerichts, dass das in der Presse veröffentlichte Ergebnis der
bisher durchgeführten Anfragen die Annahme bestätige,
„dass die Angaben im Melderegister in einer beachtlichen
Anzahl von Fällen fehlerhaft sind“, bezieht sich auf den Zu-
stand des Melderegisters während der zu seiner Berichti-
gung durchgeführten Frageaktion. Es liegt auf der Hand,
dass eine Aussage über den Zustand des Melderegisters vor
bzw. während solch einer Frageaktion nicht einfach auf den
Zustand des Melderegisters bzw. des auf seiner Grundlage
erstellten Wählerverzeichnisses nach einer solchen Aktion
übertragen werden kann. Das gilt umso mehr, wenn diese
Aussage – wie hier – in den Gründen eines Beschlusses
über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, in dem
nur eine summarische Prüfung stattfindet, erfolgt. Im Übri-
gen zeigt der Kontext, in dem diese Formulierung steht,
dass es letztlich lediglich darum ging, festzustellen, dass „es
konkrete Anhaltspunkte für mögliche Unrichtigkeiten“ gab.
Auf gar keinen Fall lässt sich solch einer Formulierung aber
entnehmen, ob irgendwelche – zu Recht oder zu Unrecht –

Alles, was sich damit feststellen lässt, ist, dass es wegen
§ 25 StAG nicht ausgeschlossen werden kann, dass Perso-
nen, die nicht (mehr) wahlberechtigt waren, in die Wähler-
verzeichnisse eingetragen worden sind und von der dadurch
eröffneten faktischen Möglichkeit, eine Stimme abzugeben,
auch Gebrauch gemacht haben. Dass sich diese Gefahr auch
tatsächlich realisiert hat, ist hingegen lediglich eine zwar
schlüssige, aber in den entscheidenden Punkten auf bloßen
Vermutungen basierende Theorie der Einspruchsführer.
Dies zeigen teilweise schon die von den Einspruchsführern
gewählten Formulierungen selbst, wenn es etwa zusammen-
fassend heißt, es sei „davon auszugehen, zumindest aber mit
extrem hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass in allen
Gemeinden – im einzelnen mit unterschiedlichen Zahlen –
Nichtdeutsche als Wahlberechtigte in den Listen eingetra-
gen waren und sich auch an der Wahl beteiligt haben.“ Dass
die Einspruchsführer letztlich nur die abstrakte Gefahr von
Wahlfehlern, nicht aber auch die Verwirklichung dieser Ge-
fahr substantiiert darlegen, zeigt sich darüber hinaus daran,
dass sie weder in der Lage sind, auch nur einen konkreten
Fall zu schildern, in dem eine Person gemäß § 25 Abs. 1
StAG ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren und trotz-
dem an der Wahl teilgenommen hat, noch das quantitative
Ausmaß des von ihnen behaupteten Wahlfehlers durch kon-
krete Zahlenangaben eingrenzen können. Stattdessen ist die
Rede von „Zehntausenden, vielleicht auch Hunderttausen-
den von Fällen“ oder einfach nur von einer „sehr großen
Zahl“.

Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten
Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen
feststellen – kann, reicht es aber nicht aus, dass dargelegt
wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr
muss ebenso – unter Angabe konkreter, der Überprüfung
zugänglicher Tatsachen (vgl. BVerfGE 85, 148 [160]) – dar-
gelegt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
dass ein Wahlfehler nicht nur passieren konnte, sondern
auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59, 119 [123]). Das folgt
daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprü-
fung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einspruch, der
zu begründen ist, erfolgt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 f.];
vgl. ferner Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283,
284, 285; 15/1850, Anlage 25, S. 107; 15/2400, Anlage 9;
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 49
Rn. 17 f.). Da aber nur Wahlfehler, die passiert sind, die
Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die
in der Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur
die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Das gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger
schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. BVerfGE 66, 369
[379]). Würde man es genügen lassen, dass Einspruchsfüh-
rer – wie hier – lediglich die Gefahr von Wahlfehlern darle-
gen, könnte beispielsweise jede Wahl – und zwar flächende-
ckend – allein mit der Begründung angefochten werden, es
habe eine bestimmte Zahl von Wählern mittels Briefwahl
gewählt und es sei nicht auszuschließen, dass diese „in gro-
ßer Zahl“ ihren Stimmzettel anderen Personen zum Ausfül-
len überlassen hätten. Solch ein Einspruch wäre unter Um-
ständen sogar noch substantiierter als der vorliegende, da
die Zahl der Briefwähler und damit der potentiellen Wahl-
fehler exakt angegeben werden könnte.
ins Wählerverzeichnis eingetragenen Personen bei der Wahl
eine Stimme abgeben werden.

Gleichwohl kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine
solche Wahlbeanstandung nicht Grundlage einer Wahlprü-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 187 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 187 – Drucksache 16/1800

fung sein könnte (vgl. BVerfGE 59, 119 [123 f.]; Bundes-
tagsdrucksache 15/2400, Anlage 2, S. 13; ferner Bundes-
tagsdrucksache 15/1850, Anlage 21, S. 98, allerdings unter
Hinweis auf die „nicht erkennbare Dimension“ und damit
nicht feststellbare Auswirkung der „nicht näher substantiier-
ten“ Wahlbeanstandungen auf die Verteilung der Mandate;
ähnlich Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 23, S. 102).

II.

Es ist auch nicht feststellbar, dass Wahlbehörden die ihnen
bei der Führung der Wählerverzeichnisse obliegenden Prü-
fungspflichten verletzt haben.

Gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1 BWO ist vor der Eintragung ei-
ner Person in das Wählerverzeichnis zu prüfen, ob diese die
Wahlrechtsvoraussetzungen des § 12 BWG erfüllt. Gegen-
stand dieser Prüfung ist grundsätzlich auch die Frage, ob ein
Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 Abs. 1 StAG einge-
treten ist. Denn ist dies der Fall, ist die betreffende Person
nicht mehr wahlberechtigt. Was das „zu prüfen“ in § 16
Abs. 7 Satz 1 BWO im Hinblick auf die Frage des Staatsan-
gehörigkeitsverlusts nach § 25 Abs. 1 StAG im Einzelfall
bedeutet, hängt allerdings davon ab, ob und ggf. welche An-
haltspunkte es für einen Staatsangehörigkeitsverlust nach
§ 25 StAG gibt und welche Informationsquellen – tatsäch-
lich und rechtlich – zur Klärung dieser Frage zur Verfügung
stehen. Die im Vorfeld der Bundestagswahl in den Ländern
durchgeführten Frage- und Informationskampagnen ent-
sprachen den tatsächlichen Anhaltspunkten für Staatsange-
hörigkeitsverluste nach § 25 Abs. 1 StAG sowie den in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehen-
den Aufklärungsmöglichkeiten.

1. Einziger handfester Anhaltspunkt dafür, dass türkisch-
stämmige Deutsche ihre Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG verloren hatten, war die Mitteilung der tür-
kischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca. 50 000
türkischstämmige Deutsche die türkische Staatsangehö-
rigkeit wieder erworben hätten. Daraus ließ sich aber
noch nicht entnehmen, welche konkreten Personen die
türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben haben
könnten. Da von der türkischen Seite keine auf einzelne
Personen bezogenen Angaben erlangt werden konnten,
kamen als Informationsquellen nur noch die Personen in
Betracht, welche aufgrund ihrer Abstammung die türki-
schen Einbürgerungskriterien erfüllten. Eine an diesen
Personenkreis adressierte Frage- und Informationskam-
pagne war daher angezeigt, aber auch hinreichend, um in
Erfahrung zu bringen, welche Personen tatsächlich die
deutsche Staatsangehörigkeit durch eine türkische Ein-
bürgerung verloren hatten.

2. Darüber hinaus von all diesen Personen zu fordern, dass
sie an Eides statt versichern, nicht die türkische Staats-
angehörigkeit beantragt zu haben, wäre schon aus recht-
lichen Gründen nicht möglich gewesen. Im Wahlrecht ist
die Abgabe einer Versicherung an Eides statt zwar an
verschiedenen Stellen vorgesehen (vgl. § 21 Abs. 6, § 36
Abs. 2 BWG sowie § 18 Abs. 5 Satz 1, § 34 Abs. 4 Nr. 2
Satz 2, § 87 Abs. 2 BWO), jedoch gerade nicht als Nach-
weis der Wahlberechtigung für die hier in Frage ste-
hende Eintragung ins Wählerverzeichnis von Amts
wegen. Im Übrigen hätte auch das Einfordern eidesstatt-

fragten nicht überprüfbar ist, weil es keine weiteren zu-
gänglichen Informationsquellen gibt. Zwar ist die Ab-
gabe einer falschen Versicherung an Eides statt strafbar
(vgl. § 156 StGB), was einen zusätzlichen Anreiz zu
wahrheitsgemäßen Auskünften setzen mag. Doch darf
die dadurch eintretende Erhöhung des Beweiswertes der
Auskunft (vgl. dazu Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/
Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommen-
tar, 6. Auflage, 2001, § 27 Rn. 21) nicht überschätzt wer-
den. Denn wer seine Eintragung ins Wählerverzeichnis
durch falsche Angaben über seine Staatsangehörigkeit
erwirkt und wer wählt, ohne wahlberechtigt zu sein,
macht sich ohnehin schon strafbar (vgl. § 107b Nr. 1,
§ 107a StGB). Wer sich durch diese Sanktion nicht von
wahrheitswidrigen Auskünften abschrecken lässt, dürfte
– jedenfalls im Regelfall – auch durch die weitere Straf-
sanktion des § 156 StGB nicht beeindruckt sein.

3. Ebenso wenig wie das Einfordern einer Versicherung an
Eides statt wäre es zulässig gewesen bei allen türkisch-
stämmigen Personen, die für eine Eintragung ins Wäh-
lerverzeichnis in Betracht kamen und bei denen sich
nicht abschließend klären ließ, ob sie nach Erlangung
der deutschen Staatsangehörigkeit wieder die türkische
beantragt haben, dies einfach zu vermuten und ihnen
insoweit die Beweislast oder auch nur die Entkräftung
eines „ersten Anscheins“ aufzuerlegen.

Solche eine Beweislastverteilung entspräche schon nicht
der Regelungssystematik des StAG. Dieses regelt in
§ 3 ff. den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
aufgrund spezieller Erwerbstatbestände und sodann in
§ 17 ff. den Verlust aufgrund spezieller Verlusttatbe-
stände. Bei einer solchen Gesetzeskonzeption gilt die
allgemeine Beweislastregel, nach der ein Bürger, der
eine Rechtsposition für sich in Anspruch nimmt, die
materielle Beweislast lediglich hinsichtlich der Voraus-
setzungen für deren Entstehen trägt, die materielle Be-
weislast dafür, dass die entstandene Rechtsposition spä-
ter untergegangen ist, hingegen bei der Behörde liegt.
Das bedeutet, die materielle Beweislast für die Voraus-
setzungen des Staatsangehörigkeitsverluststatbestandes
des § 25 Abs. 1 StAG trägt die Behörde (vgl. BVerwG,
NVwZ-RR 1992, S. 439 [441]; BayVGH, DVBl. 1999,
S. 1218 f.; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staats-
angehörigkeitsrecht, 4. Auflage, 2005, § 25 Rn. 9; Marx,
in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeits-
recht, Loseblatt, § 25 Rn. 32 [Stand: 2002]).

Vorliegend hätte zugunsten der Wahlbehörden auch
nicht die Beweiserleichterung des sog. Anscheinsbewei-
ses gegriffen. Dieser greift nämlich nur bei formelhaften,
typischen Geschehensabläufen, d. h. in denjenigen Fäl-
len, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach
der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder
einen bestimmten Ablauf hinweist, so dass wegen des
typischen Charakters des Geschehens die konkreten Um-
stände des Einzelfalles bei der tatsächlichen Beurteilung
außer Betracht bleiben können (vgl. Stelkens/Kallerhoff,
in: Stelkens/Bonk/Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfah-
rensgesetz, Kommentar, 6. Auflage, 2001, § 26 Rn. 27).
Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob die Grund-
licher Versicherungen nicht das grundsätzliche Problem
lösen können, dass die Richtigkeit der Angaben der Be-

sätze des Anscheinsbeweises damit überhaupt bei indivi-
duellen Verhaltensweisen – wie eben der Beantragung

Drucksache 16/1800 – 188 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 188 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

einer Staatsangehörigkeit – Anwendung finden (vgl.
Stelkens/Kallerhoff a. a. O.), kann jedenfalls nicht davon
ausgegangen werden, dass „nach der Lebenserfahrung“
eine Person, die aufgrund ihrer türkischen Abstammung
die Einbürgerungskriterien des nach eigenem Bekunden
insoweit (rück-)einbürgerungsfreundlichen türkischen
Staates erfüllt, auch tatsächlich die türkische Staatsange-
hörigkeit beantragt hat.

Auch der spezifische Kontext der Wahl vermag, keine
andere Verteilung der Beweislast zu rechtfertigen. Zwar
wird die Funktion der Wahl als Mittel der Ausübung und
Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk gefährdet,
wenn die Gefahr besteht, dass in mehr als nur unerheb-
lichem Umfange Personen ihre Stimme abgeben, die gar
nicht zum Volk gehören, weil sie nicht (mehr) Deutsche
im Sinne des Grundgesetzes sind. Dies könnte auf den
ersten Blick dafür sprechen, die Gefahr solcher Stimm-
abgaben durch nicht (mehr) Wahlberechtigte dadurch zu
reduzieren, dass man die Beweislast dafür, dass die
Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen ist, dem ins
Wählerverzeichnis Einzutragenden aufbürdet. Dabei
würde man jedoch verkennen, dass die Funktion der
Wahl als Mittel der Ausübung und Legitimation der
Staatsgewalt durch das Volk nicht nur dann in Frage ge-
stellt zu werden droht, wenn in nicht unerheblichem
Umfange Personen, die nicht zum Volk gehören, an der
Wahl teilnehmen, sondern auch dann, wenn in nicht un-
erheblichem Umfange, Personen, die tatsächlich zum
Volk gehören, von der Teilnahme an der Wahl ausge-
schlossen werden. Ebendiese Gefahr hätte bestanden,
wenn man in der hier zu beurteilenden Konstellation zu-
lasten der einzutragenden türkischstämmigen Personen
vermutet hätte, dass sie die türkische Staatsangehörig-
keit auf ihren Antrag (wieder) erlangt haben. Denn der
Beweis dafür, nicht die türkische Staatsangehörigkeit be-
antragt zu haben und damit im Besitz der deutschen ge-
blieben zu sein, ist nur schwer zu erbringen.

III.

Auch soweit die Einspruchsführer in der Sache geltend ma-
chen, dass es der Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise
unterlassen habe, der Gefahr, dass nicht (mehr) wahlberech-
tigte Personen an der Wahl teilnehmen, in ausreichendem
Maße entgegenzuwirken, vermag der Deutsche Bundestag
einen Wahlfehler nicht festzustellen.

1. Zwar ist anerkannt, dass der Gesetzgeber nicht nur ver-
fassungsrechtlich zur Regelung des Wahlrechts ermäch-
tigt, sondern auch verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 95, 335
[349, 366]; Morlok, in: Dreier, Horst [Hrsg.], Grundge-
setz, Kommentar, Tübingen 1998, Artikel 38 Rn. 62,
120 m. w. N.). So hat das Bundesverfassungsgericht im
Kontext der Briefwahl ausgeführt, dass den Gesetzgeber
die Verpflichtung treffe, für eine bestmögliche Sicherung
und Gewährleistung der Wahlrechtsgrundsätze zu sor-
gen. Er habe bisherige Regelungen und die Handhabung
der Wahl ständig in Anbetracht neu auftretender Ent-
wicklungen, die unvorhergesehene Gefahren für die
Integrität der Wahl mit sich brächten, zu überprüfen.
Träten dabei Missbräuche zutage, die geeignet sein kön-

Pflicht, die ursprüngliche Regelung im Wege der Nach-
besserung zu ergänzen oder zu ändern (vgl. BVerfGE 59,
119 [127]). Ferner hat das Bundesverfassungsgericht im
Hinblick auf die Gefahr ungewollter Fehler bei der Stim-
menauszählung festgestellt, dass durch Schaffung geeig-
neter Regelungen sowohl den Ursachen solcher Fehler
entgegengewirkt als auch deren Korrektur ermöglicht
werden müsse (vgl. BVerfGE 85, 148 [158]).

2. Zweifelhaft ist allerdings, ob vorliegend bereits davon
ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber seine
Pflicht, die Integrität der Wahl vor Beeinträchtigungen
Dritter zu schützen, verletzt hat.

Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das Bundesver-
fassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Erfüllung von
Handlungspflichten generell einen weiten Einschät-
zungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum zugesteht
und eine Verletzung erst dann bejaht, wenn gar keine
oder offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig
unzulängliche Maßnahmen getroffen werden (vgl.
BVerfGE 56, 54 [80 ff.]; 79, 174 [202]; 88, 203 [254,
257 f.]; 92, 26 [46]). Ferner muss eine angemessene
Reaktion nicht zwingend im umgehenden Erlass neuer
Regelungen bestehen. Insbesondere wenn es noch keine
Anhaltspunkte dafür gibt, ob und ggf. in welchem Um-
fange sich eine aus einer bestimmten rechtlichen Gestal-
tung resultierende abstrakte Gefahr konkretisiert, liegt es
nahe, dies zunächst durch eine Beobachtung und Über-
prüfung des Gefahrenpotentials zu verifizieren (vgl.
BVerfGE 59, 119 [127]).

Vor diesem Hintergrund ist hier der Umstand von
Bedeutung, dass die Anfang 2005 gemachte Angabe der
türkischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca.
50 000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit die
türkische Staatsangehörigkeit wiedererlangt hätten, nur
einen konkreten Anhaltspunkt dafür lieferte, dass eine
große Zahl von Personen, ohne Wissen der deutschen
Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat,
jedoch noch keine Rückschlüsse auf die unberechtigter
Wahlteilnahme solcher Personen zuließ (vgl. oben unter
Abschnitt I). Im Hinblick auf die Integrität der Wahl
liegt also nur eine abstrakte Gefahr vor. Hierauf hat man
keineswegs mit Untätigkeit reagiert, sondern mit der
abstrakten Natur der Gefahr entsprechenden Beobach-
tungs- und Nachforschungsmaßnahmen. Zum einen hat
man eine Frage- und Informationskampagne unter den für
eine türkische Einbürgerung in Betracht kommenden Per-
sonenkreis durchgeführt. Zum anderen ist man – wenn-
gleich bislang vergeblich – bemüht, von türkischer Seite
Näheres über den betroffenen Personenkreis in Erfah-
rung zu bringen (vgl. oben unter Abschnitt II).

3. Die Frage, ob der Gesetzgeber gleichwohl verfassungs-
rechtlichen Regelungsgeboten nicht nachgekommen ist,
kann aber letztlich dahinstehen. Denn der Deutsche Bun-
destag sieht sich in ständiger Praxis nicht dazu berufen,
im Wahlprüfungsverfahren die Verfassungswidrigkeit
von Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist
stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden
(vgl. nur Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 79,
nen, Wahlrechtsgrundsätze mehr als unumgänglich zu
gefährden, so erwachse daraus die verfassungsrechtliche

S. 209; 15/2400, Anlage 11, S. 49; ferner BVerfGE 89,
291 [300]).

Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/1800
. Wahlperiode – 189 – D. Wahlperiode – 189 – D

IV.

Auch dem Hilfsantrag der Einspruchsführer, die Wahlen
zum Deutschen Bundestag am 18. September/2. Oktober
2005 in den Wahlkreisen 1, 130, 164, 181, 199, 260, 298 –
für ungültig zu erklären, kann kein Erfolg beschieden sein,
da ein Wahlfehler nicht festgestellt werden kann (vgl. oben
unter den Abschnitten I bis III). Der Hilfsantrag wäre ledig-
lich dann relevant gewesen, wenn der Hauptantrag – die ge-
samte Wahl für ungültig zu erklären – deshalb keinen Erfolg
gehabt hätte, weil zwar ein Wahlfehler festgestellt werden
konnte, aber dessen Mandatsrelevanz verneint werden
musste.

Für die von den Einspruchsführern begehrte selbständige
Feststellung, dass im Zeitpunkt der Wahlen zum Deutschen
Bundestag am 18. September/2. Oktober 2005 die Richtig-
keit sämtlicher Wählerverzeichnisse in Deutschland nicht
gewährleistet war und auch weiterhin nicht gewährleistet
ist, lässt das Wahlprüfungsverfahren keinen Raum. Denn es
hat gemäß § 1 WPrüfG ausschließlich die Frage der Gültig-
keit der Wahl zum Gegenstand. Soweit im Wahlprüfungs-
verfahren regelmäßig das Vorliegen von die Gültigkeit der
Wahl nicht berührenden Wahlfehlern festgestellt wird, um
einer Wiederholung der Fehlers bei künftigen Wahlen vor-
zubeugen, geschieht das in den Entscheidungsgründen im
Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Einspruchs und
ändert nichts daran, dass der Einspruch in vollem Umfange
als unbegründet zurückgewiesen wird (vgl. z. B. Bundes-
tagsdrucksachen 14/1560, Anlagen 14 und 23; 16/900, An-
lage 20). Auch solch eine Feststellung in den Gründen kam
hier jedoch nicht in Betracht, weil kein Wahlfehler festge-
stellt werden konnte.

Aus diesem Grunde kommt auch die Erstattung von Ausla-
gen der Einspruchsführer gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 WPrüfG
nicht in Betracht.

gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur,
wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19

troffen, in 21 463 Fällen gingen die Behörden von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Die nied-
schen Regierung Verhandlungen auf Arbeitsebene über die
Übermittlung konkreter Daten zu den von der Türkei einge-
bürgerten Personen. Hierauf hat die türkische Seite laut

Der Einspruchsführer bezweifelt die Eignung dieser Frage-
und Informationskampagne der Länder zum Zwecke der
die Entlassung beantragt werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem
Erwerbe der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen
Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Be-
hörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten
hat […].“

In der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Fassung ging die
deutsche Staatsangehörigkeit hingegen nur verloren, wenn
der Betreffende weder seinen Wohnsitz noch seinen dauer-
haften Aufenthalt im Inland hatte (sog. Inlandsklausel).

Anfang 2005 teilte die türkische Regierung mit, seit dem
Jahre 2000 hätten ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche
wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangt. Daraufhin
vereinbarte das Bundesministerium des Innern mit der türki-

rigste Verlustquote gab es in Thüringen (0 Prozent), die
höchste in Hessen (18,9 Prozent). Die Ergebnisse der Ak-
tion im Hinblick auf jedes einzelne Land können einer bei
den Akten befindlichen, vom Bundesministerium des In-
nern zusammengestellten Tabelle entnommen werden.

Im Wahlkreis 276 (Mannheim) wurden im Zuge der in Ba-
den-Württemberg durchgeführten Frageaktion alle – insge-
samt 2 477 – Personen türkischer Herkunft angeschrieben,
die nach dem 1. Juli 1999 eingebürgert worden waren und
am 1. Juli 2005 das 16. Lebensjahr vollendet haben würden.
2 256 (91,1 Prozent) antworteten. 48 erklärten, die türkische
Staatsangehörigkeit ohne eine Beibehaltungsgenehmigung
nach § 25 Abs. 2 StAG wieder erworben zu haben. Sie wur-
den nicht in das Wählerverzeichnis aufgenommen bzw. aus
dem Wählerverzeichnis gestrichen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 191 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 191 – Drucksache 16/1800

Anlage 27

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. W., 68305 Mannheim
– Az.: WP 08/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit per Telefax am 19. September 2005 übermitteltem
Schreiben hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer ist der Ansicht, die Bundestagswahl
insgesamt, jedenfalls aber im Wahlkreis 276 (Mannheim),
sei ungültig, weil sich Personen daran beteiligt hätten, die
nicht zweifelsfrei wahlberechtigt gewesen seien, wobei da-
von auszugehen sei, dass die Stimmen dieser Personen den
entscheidenden Ausschlag gegeben hätten.

Rechtlicher Hintergrund dieser Annahme des Einspruchs-
führers ist die Regelung des § 25 des Staatsangehörigkeits-
gesetzes (StAG) in der seit dem 1. Januar 2000 geltenden
Fassung. Diese Vorschrift lautet, soweit sie hier von Inter-
esse ist:

„(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit
dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn
dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag seines

Um dennoch verifizieren zu können, welche Personen ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren haben, führten auf Anregung des Bundesministeri-
ums des Innern alle Länder außer Berlin im Jahre 2005 eine
Fragebogenaktion unter den türkischstämmigen Personen
durch, bei denen wegen denkbarer türkischer Rückeinbürge-
rung nach dem 1. Januar 2000 ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit möglich erschien. Die betroffenen Per-
sonen wurden aufgefordert zu erklären, ob sie nach dem
1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenom-
men haben. Dabei wurde auf die mögliche Strafbarkeit einer
unberechtigten Wahlteilnahme hingewiesen. Berlin verzich-
tete zwar auf ein individuelles Anschreiben, führte jedoch
eine Informationskampagne durch, die zu ähnlichen Ergeb-
nissen wie die Fragebogenaktion der anderen Länder führte:
Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus Sicht der Berliner
Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsangehörig-
keit auszugehen, der Bundesdurchschnitt lag insoweit bei
8,5 Prozent. In absoluten Zahlen waren bundesweit 251 639
Personen von der Frage- bzw. Informationskampagne be-
Bundesministerium des Innern bislang allerdings noch nicht
mit konkreten Terminvorschlägen reagiert.

Prüfung der Wahlberechtigung. Seiner Ansicht nach muss
im Zweifelsfalle der Wahlberechtigte beweisen, dass er die

Drucksache 16/1800 – 192 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 192 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlberechtigung besitzt. Andernfalls müsse er von der
Wahl ausgeschlossen werden. Das heißt, die Organisatoren
der Bundestagswahl hätten in jedem Einzelfall unwiderleg-
bare Beweise dafür einfordern müssen, dass der Eingebür-
gerte nicht eine zweite Staatsangehörigkeit besitzt. Auf
jeden Fall hätte man die Abgabe entsprechender eidesstatt-
licher Versicherungen verlangen müssen. Darüber hinaus
habe sich die Frage der Wahlberechtigung nicht nur bei Ein-
gebürgerten türkischer Herkunft, sondern bei allen Einge-
bürgerten gestellt. Deshalb habe die Beschränkung der
Frage- und Informationskampagne auf Eingebürgerte türki-
scher Abstammung gegen Artikel 3 GG verstoßen. Ferner
sei es Beihilfe zum Wahlbetrug gewesen, wenn nur jene an-
geschrieben wurden, die seit dem 1. Juli 1999 die deutsche
Staatsangehörigkeit erhalten haben. Denn auch jene, die
schon früher die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten ha-
ben, könnten nach dem 1. Januar 2000 erneut ihre alte
Staatsangehörigkeit erworben und damit die deutsche
Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG in seiner seit
dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung verloren haben.
Schließlich sei es auch dem Gesetzgeber zuzumuten gewe-
sen, in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 18. September
2005 Regelungen zu finden, welche grundsätzlich sicher-
stellten, dass eingebürgerte Deutsche nur dann an der Wahl
teilnehmen könnten, wenn sie nicht durch Erwerb einer an-
deren Staatsangehörigkeit ihre deutsche Staatsangehörigkeit
und damit ihr Wahlrecht verloren haben.

Aus Sicht des Einspruchsführers bestehen nach alledem „er-
hebliche Zweifel, ob alle Wahlberechtigten auch wahlbe-
rechtigt waren.“ Es sei auch „davon auszugehen, dass die
Stimmentscheidung der Eingebürgerten, die nicht wahlbe-
rechtigt sind, aber dennoch wählen dürfen und wählen, den
entscheidenden Ausschlag“ gegeben habe. Das bedeute,
dass die Wahlentscheidung illegal und rechtswidrig sei und
damit das gesamte Ergebnis der Bundestagswahl 2005.

Im Hinblick auf den Wahlkreis 276 (Mannheim) findet es
der Einspruchsführer merkwürdig, dass nur ca. 2 500 Perso-
nen angeschrieben worden seien, wo doch selbst die Stadt-
verwaltung von mehreren zehntausend in Mannheim leben-
den Türken spreche. Vielmehr hätten nach Ansicht des Ein-
spruchsführers ca. 25 000 eingebürgerte türkische Mitbür-
ger in Mannheim in die Frageaktion einbezogen werden
müssen. Ferner ist der Einspruchsführer der Ansicht, dass
die ca. 300 der ca. 2 500 Angeschriebenen, die nicht auf das
Anschreiben reagiert hätten, von der Wahl hätten ausge-
schlossen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei
die Wahl in Mannheim schon deshalb nichtig.

Schließlich trägt der Einspruchsführer vor, dass „Gerüchten
zufolge“, die er „so mit aller Vorsicht weitergebe“ der Kan-
didat M. K. ebenfalls die „doppelte Staatsangehörigkeit“ be-
sessen und damit sowohl das aktive wie auch das passive
Wahlrecht verloren habe. Die Wahlleitung wäre verpflichtet
gewesen, von dem Betreffenden eine eidesstattliche Versi-
cherung zu verlangen. Sollte diese nicht verlangt worden
sein, hätte die Wahlleitung in erheblichem Umfange gegen
ihre Pflichten verstoßen.

Das Bundesministerium des Innern, das zu einem ähnlichen
Einspruch (WP 102/05) Stellung genommen hat, vertritt den
Standpunkt, dass die Frage- und Informationskampagne der

Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG beschränkt. Im Wahlrecht
sei nach Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage
2002, § 12 Rn. 8, der Besitz der deutschen Staatsangehörig-
keit allerdings nur glaubhaft zu machen. Eine verbindliche
Feststellung der Staatsangehörigkeit im Vorfeld jeder Wahl
sei im Hinblick auf die erforderliche Praktikabilität der
Wahlvorbereitungen nicht möglich. Nach deutschem Staats-
angehörigkeitsrecht lieferten weder ein Personalausweis
oder Reisepass noch ein Staatsangehörigkeitsausweis den
Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern be-
gründeten nur eine widerlegbare Vermutung. Eine allge-
mein verbindliche Feststellung der deutschen Staatsangehö-
rigkeit sei derzeit nur durch ein rechtskräftiges Urteil eines
Verwaltungsgerichts möglich, das jedoch nur eine Aussage
über die Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des
Urteils treffe. Aufgrund des mit einer verbindlichen Fest-
stellung der Staatsangehörigkeit verbundenen Zeit- und Ver-
waltungsaufwandes sei ein solches Verfahren als regel-
mäßige Überprüfung im Vorfeld von Wahlen ausgeschlos-
sen. Schon seit jeher habe daher die Gefahr bestanden, dass
nichtdeutsche Personen an bundesdeutschen Wahlen teilge-
nommen hätten, ohne dass Maßnahmen hiergegen getroffen
worden wären oder hätten getroffen werden müssen. Im
Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl hätten – anders
als vor früheren Bundestagswahlen – jedoch aufgrund der
Mitteilung der türkischen Regierung über die Wiedereinbür-
gerung von bis zu 50 000 Personen konkrete Hinweise auf
einen abgrenzbaren Personenkreis bestanden, bei dem ei-
nem möglichen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit
nachzugehen gewesen sei. Die zuständigen Behörden hätten
auf diesen Hinweis mit der erwähnten Informations- bzw.
Fragebogenaktion reagiert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deut-
schen Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestan-
den. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß
§ 25 StAG sei – wie auch schon bei der Vorgängerregelung
des § 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
(RuStAG) – abhängig von den Einbürgerungsentscheidun-
gen fremder Staaten. Um feststellen zu können, ob und
wann ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit einge-
treten ist, benötigten deutsche Behörden genaue Angaben
und Kenntnisse der ausländischen Einbürgerungspraxis,
was ohne Kooperation der fremden Staaten von jeher
schwierig gewesen sei. Da mit weniger als 20 der 190 in
der UNO vertretenen Staaten Vereinbarungen über den
Austausch von Einbürgerungsmitteilungen bestünden und
das Interesse hieran weltweit gering sei, werde der Verlust
der Staatsangehörigkeit oft nur im Nachhinein bei be-
stimmten behördlichen Anlässen bekannt.

Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf
die Angabe der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 ehemalige Türken wieder die türkische
Staatsangehörigkeit zurückerlangt hätten, darauf hin, dass
nicht bekannt sei, wie viele unter den wieder Eingebürger-
ten ohnehin als Minderjährige nicht wahlberechtigt gewesen
seien, und ob darunter auch Personen gewesen seien, deren
deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der türki-
schen Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen sei (etwa
minderjährige Familienmitglieder, auf die sich der Staatsan-
gehörigkeitserwerb durch das Familienoberhaupt erstreckt
Länder den Vorgaben des Wahlrechts genügt habe. Das
Recht zur Teilnahme an Wahlen sei zwar auf Deutsche im

habe oder Personen, die zuvor eine Beibehaltungsgenehmi-
gung erhalten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000 die türki-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 193 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 193 – Drucksache 16/1800

sche Staatsangehörigkeit unter Nutzung der damals noch
geltenden Inlandsklausel erworben habe, sei ohnehin deut-
scher Staatsangehöriger und damit wahlberechtigt geblie-
ben.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg ist
der Ansicht, dass der Einspruch nicht hinreichend substanti-
iert ist. Die Begründung eines Einspruchs müsse mindestens
den Tatbestand erkennen lassen, auf den die Anfechtung ge-
stützt werde, und genügend substantiierte Tatsachen enthal-
ten. Die pauschale Begründung des Wahleinspruchs damit,
dass zu vermuten sei, dass an der Wahl eine gewisse Zahl
nicht wahlberechtigter Personen teilgenommen habe, sei als
nicht hinreichend substantiiert anzusehen. Zudem könnten
die Wahldurchführung betreffende festgestellte Wahlfehler,
wie die Teilnahme einer bestimmten Zahl nicht wahlberech-
tigter Personen, einen Wahleinspruch nur dann erfolgreich
begründen, wenn sie auf die Mandatsverteilung von Ein-
fluss sind oder sein können. Auch daran fehle es hier.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahmen der Landes-
wahlleiterin des Landes Baden-Württemberg und des Bun-
desministeriums des Innern zugänglich gemacht worden
sind, kann nicht nachvollziehen, wie die Landeswahlleiterin
dazu komme, die Mandatsrelevanz zu verneinen. Die Lan-
deswahlleiterin hätte beweisen müssen, dass die nicht Wahl-
berechtigten keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung ge-
nommen haben. Es ist nach Ansicht des Einspruchsführers
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus-
zugehen, dass eine bestimmte Zahl nicht wahlberechtigter
Personen auf die Mandatsverteilung von erheblichem Ein-
fluss gewesen ist. Darüber hinaus moniert der Einspruchs-
führer, dass die Landeswahlleiterin nicht auf den von ihm
vorgetragenen Verdacht, dass der Kandidat M. K. ebenfalls
die „doppelte Staatsangehörigkeit“ besessen und damit sein
Wahlrecht verloren habe, eingegangen sei. Auch die Stel-
lungnahme des Bundesministeriums des Innern enthält nach
Auffassung des Einspruchsführers nur die halbe Wahrheit.
Insbesondere sei nicht sicher, ob die angeschriebenen Perso-
nen tatsächlich den Fragebogen selbst ausgefüllt bzw. die
Entscheidung über die zu gebenden Antworten selbst ge-
troffen hätten. Er selbst kenne Fälle aus seinem griechisch-
türkischen Bekanntenkreis, in denen das Familienoberhaupt
dies übernommen habe.

Im Hinblick auf den Sach- und Streitstand im Übrigen wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Verstoß gegen Vorgaben des Wahlrechts kann nicht
festgestellt werden.

I.

Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen, die durch
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung

BWG verstoßen, wonach nur Deutsche im Sinne des Arti-
kels 116 Abs. 1 GG wahlberechtigt sind. Es kann jedoch
nicht festgestellt werden, dass solche Personen tatsächlich
an der Wahl teilgenommen haben.

Dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl teilge-
nommen haben, ergibt sich nämlich keineswegs bereits
zwangsläufig aus dem Umstand, dass nach Angaben der tür-
kischen Regierung seit Anfang 2000 ca. 50 000 Personen
mit deutscher Staatsangehörigkeit die türkische Staatsange-
hörigkeit erworben haben, während aufgrund einer 2005
von den Ländern zur Gewährleistung der Richtigkeit der
Wählerverzeichnisse durchgeführten Frage- und Informati-
onskampagne lediglich in 21 463 Fällen von einem Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG auszu-
gehen war. Denn abgesehen davon, dass im Hinblick auf
§ 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StAG die Erlangung der
türkischen Staatsangehörigkeit nicht in allen Fällen zum
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt haben
muss, ist zu berücksichtigen, dass für eine Eintragung ins
Wählerverzeichnis ohnehin nur derjenige in Betracht
kommt, der zum Zeitpunkt der Wahl volljährig und damit
wahlberechtigt ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG), und dass
eine „automatische“ Eintragung von Amts wegen auf der
Grundlage der Melderegister einen Wohnsitz in Deutsch-
land voraussetzt (vgl. § 16 Abs. 1 BWO). Auf wie viele der
50 000 Personen das zutraf, ist – mangels Angaben der tür-
kischen Seite – nicht bekannt. Damit kann die Differenz
zwischen den 50 000, die die türkische Seite genannt hat,
und den 21 463, welche die Länder ermittelt haben, nicht
ohne weiteres mit falschen Angaben der Befragten erklärt
werden. Selbst wenn man aber unterstellt, dass die Diskre-
panz zwischen der Zahl 50 000 und der Zahl 21 463 – zu-
mindest zum Teil – auf wahrheitswidrige Angaben der Be-
fragten zurückzuführen ist und zur Eintragung von nicht
wahlberechtigten Personen ins Wählerverzeichnis geführt
hat, ist damit noch nicht gesagt, dass diese Personen sich
auch an der Wahl beteiligt haben.

Das gilt umso mehr, als sie aufgrund der Frage- und Infor-
mationskampagnen der Länder um die Strafbarkeit einer un-
befugten Wahlteilnahme wussten.

Alles, was sich damit feststellen lässt, ist, dass es wegen
§ 25 StAG nicht ausgeschlossen werden kann, dass Perso-
nen, die nicht (mehr) wahlberechtigt waren, in die Wähler-
verzeichnisse eingetragen worden sind und von der dadurch
eröffneten faktischen Möglichkeit, eine Stimme abzugeben,
auch Gebrauch gemacht haben. Dass sich diese Gefahr auch
tatsächlich realisiert hat, ist hingegen lediglich eine zwar
schlüssige, aber in den entscheidenden Punkten auf bloßen
Vermutungen basierende Theorie des Einspruchsführers.
Dies zeigen teilweise schon die vom Einspruchsführer ge-
wählten Formulierungen selbst, wenn es etwa heißt, es be-
stünden „erhebliche Zweifel“, ob alle Wahlberechtigten
auch wahlberechtigt waren, und, es sei „davon auszuge-
hen“, dass die Stimmentscheidung der Eingebürgerten, die
nicht wahlberechtigt sind, aber dennoch wählen dürfen und
wählen, den entscheidenden Ausschlag gegeben hätten.
Dass der Einspruchsführer letztlich nur die abstrakte Gefahr
von Wahlfehlern, nicht aber auch die Verwirklichung dieser
Gefahr substantiiert darlegt, zeigt sich darüber hinaus daran,
die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, ein Wahl-
fehler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen § 12 Abs. 1

dass er nicht in der Lage ist, auch nur einen konkreten Fall
zu schildern, in dem eine Person gemäß § 25 Abs. 1 StAG

Drucksache 16/1800 – 194 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 194 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren und trotzdem an
der Wahl teilgenommen hat. Zwar bezieht sich der Ein-
spruchsführer durchaus auch auf einen Einzelfall, nämlich
die Kandidatur des M. K. Doch dass diese fehlerhaft war,
weil der Kandidat nicht im Besitz der deutschen Staatsange-
hörigkeit und damit des passiven Wahlrechts war, wird le-
diglich „mit aller Vorsicht“ als „Gerücht“ weitergegeben,
und zwar ohne dass konkrete Tatsachen vorgetragen wer-
den, die – sollten sie sich als wahr erweisen – dieses Ge-
rücht erhärten könnten. Auch hier handelt es sich also ledig-
lich um die bloße Andeutung der Möglichkeit eines Wahl-
fehlers bzw. die Äußerung einer dahingehenden, nicht be-
legten Vermutung.

Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten
Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen
feststellen – kann, reicht es aber nicht aus, dass dargelegt
wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr
muss ebenso dargelegt werden, dass sich diese Gefahr
auch realisiert hat, dass ein Wahlfehler nicht nur passieren
konnte, sondern auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59, 119
[123]), und zwar unter Angabe konkreter, der Überprü-
fung zugänglicher Tatsachen (vgl. BVerfGE 85, 148
[160]), nicht nur durch die Äußerung einer dahingehen-
den, nicht belegten Vermutung (vgl. BVerfGE 66, 369
[379]). Das folgt daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern
nur auf Einspruch, der zu begründen ist, erfolgt (vgl.
BVerfGE 66, 369 [378 f.]; vgl. ferner Bundestagsdrucksa-
chen 15/1150, Anlagen 283, 284, 285; 15/1850, Anlage
25, S. 107; 15/2400, Anlage 9; Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Auflage 2002, § 49 Rn. 17 f.). Da aber nur
Wahlfehler, die passiert sind, die Gültigkeit der Wahl be-
einflussen können, müssen auch die in der Begründung
vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von
Wahlfehlern substantiieren. Das gilt selbst dann, wenn die
Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder
gar unmöglich ist (vgl. BVerfGE 66, 369 [379]). Würde
man es genügen lassen, dass Einspruchsführer – wie hier –
lediglich die Gefahr von Wahlfehlern darlegen und sich im
Übrigen auf nicht belegte Vermutungen und Andeutungen
stützen, könnte beispielsweise jede Wahl – und zwar flä-
chendeckend – allein mit der Begründung angefochten
werden, es habe eine bestimmte Zahl von Wählern mittels
Briefwahl gewählt und es sei nicht auszuschließen, dass
diese „in großer Zahl“ ihren Stimmzettel anderen Perso-
nen zum Ausfüllen überlassen hätten. Solch ein Einspruch
wäre unter Umständen sogar noch substantiierter als der
vorliegende, da die Zahl der Briefwähler und damit der po-
tentiellen Wahlfehler exakt angegeben werden könnte.
Gleichwohl kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine
solche Wahlbeanstandung nicht Grundlage einer Wahlprü-
fung sein könnte (vgl. BVerfGE 59, 119 [123 f.]; Bundes-
tagsdrucksache 15/2400, Anlage 2, S. 13; ferner Bundes-
tagsdrucksache 15/1850, Anlagen 21, S. 98, allerdings un-
ter Hinweis auf die „nicht erkennbare Dimension“ und da-
mit nicht feststellbare Auswirkung der „nicht näher
substantiierten“ Wahlbeanstandungen auf die Verteilung
der Mandate; ähnlich Bundestagsdrucksache 15/1850, An-
lage 23, S. 102).

II.

Es ist auch nicht feststellbar, dass Wahlbehörden die ihnen
bei der Führung der Wählerverzeichnisse obliegenden Prü-
fungspflichten verletzt haben.

Gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1 BWO ist vor der Eintragung ei-
ner Person in das Wählerverzeichnis zu prüfen, ob diese die
Wahlrechtsvoraussetzungen des § 12 BWG erfüllt. Gegen-
stand dieser Prüfung ist grundsätzlich auch die Frage, ob ein
Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 Abs. 1 StAG einge-
treten ist. Denn ist dies der Fall, ist die betreffende Person
nicht mehr wahlberechtigt. Was das „zu prüfen“ in § 16
Abs. 7 Satz 1 BWO im Hinblick auf die Frage des Staatsan-
gehörigkeitsverlusts nach § 25 Abs. 1 StAG im Einzelfall
bedeutet, hängt allerdings davon ab, ob und ggf. welche An-
haltspunkte es für einen Staatsangehörigkeitsverlust nach
§ 25 StAG gibt und welche Informationsquellen – tatsäch-
lich und rechtlich – zur Klärung dieser Frage zur Verfügung
stehen. Die im Vorfeld der Bundestagswahl in den Ländern
durchgeführten Frage- und Informationskampagnen ent-
sprachen den tatsächlichen Anhaltspunkten für Staatsange-
hörigkeitsverluste nach § 25 Abs. 1 StAG sowie den in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehen-
den Aufklärungsmöglichkeiten.

1. Einziger handfester Anhaltspunkt dafür, dass türkisch-
stämmige Deutsche ihre Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG verloren hatten, war die Mitteilung der tür-
kischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca. 50 000
türkischstämmige Deutsche die türkische Staatsangehö-
rigkeit wieder erworben hätten. Daraus ließ sich aber
noch nicht entnehmen, welche konkreten Personen die
türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben haben
könnten. Da von der türkischen Seite keine auf einzelne
Personen bezogenen Angaben erlangt werden konnten,
kamen als Informationsquellen nur noch die Personen in
Betracht, welche aufgrund ihrer Abstammung die türki-
schen Einbürgerungskriterien erfüllten. Eine an diesen
Personenkreis adressierte Frage- und Informationskam-
pagne war daher angezeigt, aber auch hinreichend, um in
Erfahrung zu bringen, welche Personen tatsächlich die
deutsche Staatsangehörigkeit durch eine türkische Ein-
bürgerung verloren hatten.

2. Darüber hinaus von all diesen Personen zu fordern, dass
sie an Eides statt versichern, nicht die türkische Staats-
angehörigkeit beantragt zu haben, wäre schon aus recht-
lichen Gründen nicht möglich gewesen. Im Wahlrecht ist
die Abgabe einer Versicherung an Eides statt zwar an
verschiedenen Stellen vorgesehen (vgl. § 21 Abs. 6, § 36
Abs. 2 BWG sowie § 18 Abs. 5 Satz 1, § 34 Abs. 4 Nr. 2
Satz 2, § 87 Abs. 2 BWO), jedoch gerade nicht als Nach-
weis der Wahlberechtigung für die hier in Frage ste-
hende Eintragung ins Wählerverzeichnis von Amts
wegen. Im Übrigen hätte auch das Einfordern eidesstatt-
licher Versicherungen nicht das grundsätzliche Problem
lösen können, dass die Richtigkeit der Angaben der Be-
fragten nicht überprüfbar ist, weil es keine weiteren zu-
gänglichen Informationsquellen gibt. Zwar ist die Ab-
gabe einer falschen Versicherung an Eides statt strafbar
(vgl. § 156 StGB), was einen zusätzlichen Anreiz zu
wahrheitsgemäßen Auskünften setzen mag. Doch darf

die dadurch eintretende Erhöhung des Beweiswertes der
Auskunft (vgl. dazu Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 195 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 195 – Drucksache 16/1800

Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommen-
tar, 6. Auflage, 2001, § 27 Rn. 21) nicht überschätzt wer-
den. Denn wer seine Eintragung ins Wählerverzeichnis
durch falsche Angaben über seine Staatsangehörigkeit
erwirkt und wer wählt, ohne wahlberechtigt zu sein,
macht sich ohnehin schon strafbar (vgl. § 107b Nr. 1,
§ 107a StGB). Wer sich durch diese Sanktion nicht von
wahrheitswidrigen Auskünften abschrecken lässt, dürfte
– jedenfalls im Regelfall – auch durch die weitere Straf-
sanktion des § 156 StGB nicht beeindruckt sein.

3. Ebenso wenig wie das Einfordern einer Versicherung an
Eides statt wäre es zulässig gewesen bei allen türkisch-
stämmigen Personen, die für eine Eintragung ins Wäh-
lerverzeichnis in Betracht kamen und bei denen sich
nicht abschließend klären ließ, ob sie nach Erlangung
der deutschen Staatsangehörigkeit wieder die türkische
beantragt haben, dies einfach zu vermuten und ihnen in-
soweit die Beweislast oder auch nur die Entkräftung ei-
nes „ersten Anscheins“ aufzuerlegen.

Solche eine Beweislastverteilung entspräche schon nicht
der Regelungssystematik des Staatsangehörigkeitsgeset-
zes. Dieses regelt in § 3 ff. StAG den Erwerb der deut-
schen Staatsangehörigkeit aufgrund spezieller Erwerb-
statbestände und sodann in § 17 ff. StAG den Verlust
aufgrund spezieller Verlusttatbestände. Bei einer solchen
Gesetzeskonzeption gilt die allgemeine Beweislastregel,
nach der ein Bürger, der eine Rechtsposition für sich in
Anspruch nimmt, die materielle Beweislast lediglich
hinsichtlich der Voraussetzungen für deren Entstehen
trägt, die materielle Beweislast dafür, dass die entstan-
dene Rechtsposition später untergegangen ist, hingegen
bei der Behörde liegt. Das bedeutet, die materielle Be-
weislast für die Voraussetzungen des Staatsangehörig-
keitsverluststatbestandes des § 25 Abs. 1 StAG trägt die
Behörde (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1992, S. 439 [441];
BayVGH, DVBl. 1999, S. 1218 f.; Hailbronner, in:
Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auf-
lage, 2005, § 25 Rn. 9; Marx, in: Gemeinschaftskom-
mentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Loseblatt, § 25
Rn. 32 [Stand: 2002]).

Vorliegend hätte zugunsten der Wahlbehörden auch
nicht die Beweiserleichterung des sog. Anscheinsbewei-
ses gegriffen. Dieser greift nämlich nur bei formelhaften,
typischen Geschehensabläufen, d. h. in denjenigen Fäl-
len, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach
der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder
einen bestimmten Ablauf hinweist, so dass wegen des
typischen Charakters des Geschehens die konkreten Um-
stände des Einzelfalles bei der tatsächlichen Beurteilung
außer Betracht bleiben können (vgl. Stelkens/Kallerhoff,
in: Stelkens/Bonk/Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfah-
rensgesetz, Kommentar, 6. Auflage, 2001, § 26 Rn. 27).
Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob die Grund-
sätze des Anscheinsbeweises damit überhaupt bei indivi-
duellen Verhaltensweisen – wie eben der Beantragung
einer Staatsangehörigkeit – Anwendung finden (vgl.
Stelkens/Kallerhoff a. a. O.), kann jedenfalls nicht davon
ausgegangen werden, dass „nach der Lebenserfahrung“
eine Person, die aufgrund ihrer türkischen Abstammung

Staates erfüllt, auch tatsächlich die türkische Staatsange-
hörigkeit beantragt hat.

Auch der spezifische Kontext der Wahl vermag, keine
andere Verteilung der Beweislast zu rechtfertigen. Zwar
wird die Funktion der Wahl als Mittel der Ausübung und
Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk gefährdet,
wenn die Gefahr besteht, dass in mehr als nur unerhebli-
chem Umfange Personen ihre Stimme abgeben, die gar
nicht zum Volk gehören, weil sie nicht (mehr) Deutsche
im Sinne des Grundgesetzes sind. Dies könnte auf den
ersten Blick dafür sprechen, die Gefahr solcher Stimm-
abgaben durch nicht (mehr) Wahlberechtigte dadurch zu
reduzieren, dass man die Beweislast dafür, dass die
Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen ist, dem ins
Wählerverzeichnis Einzutragenden aufbürdet. Dabei
würde man jedoch verkennen, dass die Funktion der
Wahl als Mittel der Ausübung und Legitimation der
Staatsgewalt durch das Volk nicht nur dann in Frage ge-
stellt zu werden droht, wenn in nicht unerheblichem
Umfange Personen, die nicht zum Volk gehören, an der
Wahl teilnehmen, sondern auch dann, wenn in nicht un-
erheblichem Umfange, Personen, die tatsächlich zum
Volk gehören, von der Teilnahme an der Wahl ausge-
schlossen werden. Ebendiese Gefahr hätte bestanden,
wenn man in der hier zu beurteilenden Konstellation zu-
lasten der einzutragenden türkischstämmigen Personen
vermutet hätte, dass sie die türkische Staatsangehörig-
keit auf ihren Antrag (wieder) erlangt haben. Denn der
Beweis dafür, nicht die türkische Staatsangehörigkeit be-
antragt zu haben und damit im Besitz der deutschen ge-
blieben zu sein, ist nur schwer zu erbringen.

4. Entgegen der Ansicht des Einspruchsführers war es
ebenfalls zulässig und verstieß insbesondere nicht gegen
Artikel 3 GG, nur türkischstämmige Personen und von
diesen nur solche, die nach dem 1. Juli 1999 eingebür-
gert worden waren, anzuschreiben.

Zwar trifft es zu, dass der Verlust der deutschen Staats-
angehörigkeit gemäß § 25 Abs. 1 StAG n. F. nicht auf
türkischstämmige Personen beschränkt ist. Vielmehr fin-
det die Norm auf jeden Deutschen Anwendung, unab-
hängig davon, wie er die deutsche Staatsangehörigkeit
erworben hat – ob durch Einbürgerung, Geburt oder ei-
nen anderen in § 3 StAG genannten Erwerbstatbestand.
Richtig ist auch, dass der Verlusttatbestand des § 25
Abs. 1 StAG nicht davon abhängt, zu welchem Zeit-
punkt die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt wurde,
sondern allein davon, ob die ausländische Staatsangehö-
rigkeit nach Inkrafttreten des § 25 Abs. 1 StAG am 1. Ja-
nuar 2000 auf Antrag erworben wurde.

Daraus folgt aber nicht, dass es geboten ist, Frageaktio-
nen der vorliegenden Art auf jede – die Voraussetzungen
für die Eintragung ins Wählerverzeichnis im Übrigen
erfüllende – Person zu erstrecken, bei der ein Staatsange-
hörigkeitsverlust nach § 25 Abs. 1 StAG theoretisch in
Betracht kommt. Vor dem Hintergrund beschränkter Ver-
waltungskapazitäten und angesichts des Umstandes, dass
jedes Auskunftsersuchen einen Eingriff in das Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2
Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG) darstellt, der nur
die Einbürgerungskriterien des nach eigenem Bekunden
insoweit (rück-)einbürgerungsfreundlichen türkischen

unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ver-
fassungsgemäß ist, ist es vielmehr zulässig, sich auf den

Drucksache 16/1800 – 196 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 196 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Personenkreis zu konzentrieren, bei dem es Anhalts-
punkte dafür gibt, dass in beachtlicher Anzahl eine aus-
ländische Staatsangehörigkeit ab dem 1. Januar 2000 er-
worben wurde (vgl. BVerfG, 2 BvR 434/06 vom 10. März
2006, Absatz 9, http://www.bverfg.de). Dies war hier die
Gruppe der türkischstämmigen Personen, die kurz vor
oder nach dem 1. Januar 2000 die deutsche Staatsangehö-
rigkeit erlangt hatten. Denn bei anderen Bevölkerungs-
gruppen gab es keinen, der Angabe der türkischen Regie-
rung zufolge, dass seit Anfang 2000 ca. 50 000 Deutsche
die türkische Staatsangehörigkeit wiedererlangt hätten,
vergleichbaren Anhaltspunkt für den Erwerb einer ande-
ren Staatsangehörigkeit. Zwar war dieser Angabe nicht
zu entnehmen, wann die betreffenden Personen die deut-
sche Staatsangehörigkeit erlangt hatten, so dass zumin-
dest theoretisch auch solche Personen darunter fallen
konnten, die vor dem 1. Juli 1999 – dem Stichtag für die
Frageaktion – die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt
hatten. Jedoch liegt es nahe anzunehmen, dass Personen,
die auf ihre frühere türkische Staatsangehörigkeit nicht
verzichten wollten, sich den Wunsch nach einer Wieder-
erlangung der türkischen Staatsangehörigkeit möglichst
zeitnah nach dem Erwerb der deutschen Staatsangehörig-
keit erfüllten. Deshalb war es eine vertretbare Annahme
der Behörden, davon auszugehen, dass diejenigen der in
Deutschland lebenden Türken, die vor dem 1. Juli 1999
die deutsche Staatsangehörigkeit erlangten und sodann
die türkische Staatsangehörigkeit wieder erwarben, dies
noch vor dem 1. Januar 2000 und damit noch unter der
Geltung des § 25 Abs. 1 RuStAG taten mit der Folge,
dass sie aufgrund ihres Aufenthaltes im Inland die deut-
sche Staatsangehörigkeit nicht verloren.

5. Der Rüge des Einspruchsführers, dass in Mannheim nur
2 477 Personen angeschrieben wurden, während doch
die Stadtverwaltung selbst „von mehreren zehntausend“
in Mannheim lebenden Türken spreche – später präzi-
siert er diese Angabe auf „ca. 25 000 eingebürgerte
türkische Mitbürger“ –, liegt offensichtlich eine Ver-
wechslung der Zahl der in Mannheim lebenden türkisch-
stämmigen Deutschen mit der Zahl der in Mannheim
insgesamt lebenden Personen türkischer Herkunft (unab-
hängig davon, welche Staatsangehörigkeit sie haben)
oder der Zahl der in Mannheim lebenden türkischen
Staatsangehörigen zugrunde. Jedenfalls besteht für den
Wahlprüfungsausschuss und den Deutschen Bundestag
kein Anlass, aufgrund der bloßen Behauptung des
Einspruchsführers, es lebten in Mannheim ca. 25 000
eingebürgerte Personen türkischer Herkunft, an der
Richtigkeit der Angabe der Landeswahlleiterin (2 477
Personen) zu zweifeln.

6. Entgegen der Ansicht des Einspruchsführers waren die-
jenigen der in Mannheim Angeschriebenen, die nicht ge-
antwortet hatten – der Einspruchsführer spricht von ca.
300, exakt werden es aufgrund der Angaben der Landes-
wahlleiterin 221 gewesen sein –, keineswegs zwangsläu-
fig von der Teilnahme an der Wahl auszuschließen. Denn
das Unterbleiben einer Antwort kann auch auf anderen
Gründen als dem Wunsch beruhen, den Erwerb einer
ausländischen Staatsangehörigkeit zu kaschieren. Selbst
wenn man aber unterstellt, dass in allen 221 Fällen ein

eine Stimmabgabe erfolgten, wäre dieser Wahlfehler so
geringfügig, dass jedenfalls ein Einfluss auf die Sitzver-
teilung im Deutschen Bundestag ausgeschlossen werden
kann.

7. Schließlich kann auch in der Behauptung des Ein-
spruchsführers, es sei nicht sicher, ob nicht anstelle der
Angeschriebenen das Familienoberhaupt den Fragebo-
gen ausgefüllt habe – er selbst kenne solche Fälle aus
seinem griechisch-türkischen Bekanntenkreis –, nicht
die substantiierte Darlegung eines Wahlfehlers entnom-
men werden. Zum einen wird diese Behauptung nicht
durch die Angabe konkreter, der Überprüfung zugängli-
cher Tatsachen untermauert. Zum anderen würde der
Umstand, dass das Familienoberhaupt die Fragebögen
ausfüllt allein auch nicht automatisch zu einem Wahlfeh-
ler führen, sondern erst dann, wenn dabei wahrheits-
widrig die Frage verneint wird, ob der Betreffende die
türkische Staatsangehörigkeit ohne Beibehaltungsge-
nehmigung wieder erlangt hat. Dass dies geschehen ist,
behauptet aber nicht einmal der Einspruchsführer.

III.

Auch soweit der Einspruchsführer in der Sache geltend
macht, dass es der Gesetzgeber in verfassungswidriger
Weise unterlassen habe, der Gefahr, dass nicht (mehr) wahl-
berechtigte Personen an der Wahl teilnehmen, in ausrei-
chendem Maße entgegenzuwirken, vermag der Deutsche
Bundestag einen Wahlfehler nicht festzustellen.

1. Zwar ist anerkannt, dass der Gesetzgeber nicht nur ver-
fassungsrechtlich zur Regelung des Wahlrechts ermäch-
tigt, sondern auch verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 95, 335
[349, 366]; Morlok, in: Dreier, Horst [Hrsg.], Grundge-
setz, Kommentar, Tübingen 1998, Artikel 38 Rn. 62,
120 m. w. N.). So hat das Bundesverfassungsgericht im
Kontext der Briefwahl ausgeführt, dass den Gesetzgeber
die Verpflichtung treffe, für eine bestmögliche Sicherung
und Gewährleistung der Wahlrechtsgrundsätze zu sor-
gen. Er habe bisherige Regelungen und die Handhabung
der Wahl ständig in Anbetracht neu auftretender Ent-
wicklungen, die unvorhergesehene Gefahren für die In-
tegrität der Wahl mit sich brächten, zu überprüfen. Trä-
ten dabei Missbräuche zutage, die geeignet sein können,
Wahlrechtsgrundsätze mehr als unumgänglich zu gefähr-
den, so erwachse daraus die verfassungsrechtliche
Pflicht, die ursprüngliche Regelung im Wege der Nach-
besserung zu ergänzen oder zu ändern (vgl. BVerfGE 59,
119 [127]). Ferner hat das Bundesverfassungsgericht im
Hinblick auf die Gefahr ungewollter Fehler bei der Stim-
menauszählung festgestellt, dass durch Schaffung geeig-
neter Regelungen sowohl den Ursachen solcher Fehler
entgegengewirkt als auch deren Korrektur ermöglicht
werden müsse (vgl. BVerfGE 85, 148 [158]).

2. Zweifelhaft ist allerdings, ob vorliegend bereits davon
ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber seine
Pflicht, die Integrität der Wahl vor Beeinträchtigungen
Dritter zu schützen, verletzt hat.

Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das Bundesver-
fassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Erfüllung von
Handlungspflichten generell einen weiten Einschät-
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten
war sowie eine Eintragung ins Wählerverzeichnis und

zungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum zugesteht
und eine Verletzung erst dann bejaht, wenn gar keine

Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/1800
. Wahlperiode – 197 – D. Wahlperiode – 197 – D

oder offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig un-
zulängliche Maßnahmen getroffen werden (vgl.
BVerfGE 56, 54 [80 ff.]; 79, 174 [202]; 88, 203 [254,
257 f.]; 92, 26 [46]). Ferner muss eine angemessene Re-
aktion nicht zwingend im umgehenden Erlass neuer Re-
gelungen bestehen. Insbesondere wenn es noch keine
Anhaltspunkte dafür gibt, ob und ggf. in welchem Um-
fange sich eine aus einer bestimmten rechtlichen Gestal-
tung resultierende abstrakte Gefahr konkretisiert, liegt es
nahe, dies zunächst durch eine Beobachtung und Über-
prüfung des Gefahrenpotentials zu verifizieren (vgl.
BVerfGE 59, 119 [127]).

Vor diesem Hintergrund ist hier der Umstand von Be-
deutung, dass die Anfang 2005 gemachte Angabe der
türkischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca.
50 000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit die
türkische Staatsangehörigkeit wiedererlangt hätten, nur
einen konkreten Anhaltspunkt dafür lieferte, dass eine
große Zahl von Personen, ohne Wissen der deutschen
Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat,
jedoch noch keine Rückschlüsse auf die unberechtigter
Wahlteilnahme solcher Personen zuließ (vgl. oben unter
Abschnitt I). Im Hinblick auf die Integrität der Wahl
liegt also nur eine abstrakte Gefahr vor. Hierauf hat man
keineswegs mit Untätigkeit reagiert, sondern mit der
abstrakten Natur der Gefahr entsprechenden Beobach-
tungs- und Nachforschungsmaßnahmen. Zum einen hat
man eine Frage- und Informationskampagne unter den für
eine türkische Einbürgerung in Betracht kommenden Per-
sonenkreis durchgeführt. Zum anderen ist man – wenn-
gleich bislang vergeblich – bemüht, von türkischer Seite
Näheres über den betroffenen Personenkreis in Erfah-
rung zu bringen (vgl. oben unter Abscnitt II).

3. Die Frage, ob der Gesetzgeber gleichwohl verfassungs-
rechtlichen Regelungsgeboten nicht nachgekommen ist,
kann aber letztlich dahinstehen. Denn der Deutsche
Bundestag sieht sich in ständiger Praxis nicht dazu be-
rufen, im Wahlprüfungsverfahren die Verfassungswidrig-
keit von Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kont-
rolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
(vgl. nur Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 79,
S. 209; Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11,
S. 49; ferner BVerfGE 89, 291 [300]).

die Entlassung beantragt werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem
rigste Verlustquote gab es in Thüringen (0 Prozent), die
höchste in Hessen (18,9 Prozent). Die Ergebnisse der Ak-
Bundesministerium des Innern bislang allerdings noch nicht
mit konkreten Terminvorschlägen reagiert.

und dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sofort
den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit bean-
tragten, da sie sich ihrem Heimatland in besonderer Weise
Erwerbe der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen
Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Be-
hörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten
hat […].“

In der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Fassung ging die
deutsche Staatsangehörigkeit hingegen nur verloren, wenn
der Betreffende weder seinen Wohnsitz noch seinen dauer-
haften Aufenthalt im Inland hatte (sog. Inlandsklausel).

Anfang 2005 teilte die türkische Regierung mit, seit dem
Jahre 2000 hätten ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche
wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangt. Daraufhin
vereinbarte das Bundesministerium des Innern mit der türki-
schen Regierung Verhandlungen auf Arbeitsebene über die
Übermittlung konkreter Daten zu den von der Türkei einge-
bürgerten Personen. Hierauf hat die türkische Seite laut

tion im Hinblick auf jedes einzelne Land können einer bei
den Akten befindlichen, vom Bundesministerium des In-
nern zusammengestellten Tabelle entnommen werden.

Der Einspruchsführer bezweifelt die Richtigkeit der Ergeb-
nisse der Frage- und Informationskampagne der Länder. Es
sei „völlig realitätsfremd“ anzunehmen, dass nur ca. 10 Pro-
zent der eingebürgerten Personen türkischer Herkunft nach
der Einbürgerung wieder die türkische Staatsangehörigkeit
angenommen und die deutsche verloren haben. Bei ca.
325 000 Türken, die sich im Zeitraum von 2000 bis Ende
2004 haben einbürgern lassen, halte er vielmehr eine Schät-
zung auf ca. 200 000 Menschen, „die wahlberechtigt, ob-
wohl nicht (mehr) Deutsche waren“, für plausibel. Denn es
sei ein offenes Geheimnis, dass die allermeisten Personen
türkischer Herkunft nach der Entlassung aus der türkischen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 199 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 199 – Drucksache 16/1800

Anlage 28

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. S., 76185 Karlsruhe
– Az.: WP 143/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 2. November 2005, das am 7. November
2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt. Er ist der
Auffassung, es müsse „davon ausgegangen werden, dass
eine große Zahl nichtdeutscher Personen an der Bundestags-
wahl teilgenommen“ und hierdurch „möglicherweise die
Verteilung der Bundestags-Mandate beeinflusst“ habe.

Rechtlicher Hintergrund dieser Annahme des Einspruchs-
führers ist die Regelung des § 25 StAG in der seit dem
1. Januar 2000 geltenden Fassung. Diese Vorschrift lautet,
soweit sie hier von Interesse ist:

„(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit
dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn
dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag seines
gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur,
wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19

verloren haben, führten auf Anregung des Bundesministeri-
ums des Innern alle Länder außer Berlin im Jahre 2005 eine
Fragebogenaktion unter den türkischstämmigen Personen
durch, bei denen wegen denkbarer türkischer Rückeinbürge-
rung nach dem 1. Januar 2000 ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit möglich erschien. Die betroffenen Per-
sonen wurden aufgefordert zu erklären, ob sie nach dem
1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenom-
men haben. Dabei wurde auf die mögliche Strafbarkeit einer
unberechtigten Wahlteilnahme hingewiesen. Berlin verzich-
tete zwar auf ein individuelles Anschreiben, führte jedoch
eine Informationskampagne durch, die zu ähnlichen Ergeb-
nissen wie die Fragebogenaktion der anderen Länder führte:
Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus Sicht der Berliner
Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsangehörig-
keit auszugehen, der Bundesdurchschnitt lag insoweit bei
8,5 Prozent. In absoluten Zahlen waren bundesweit 251 639
Personen von der Frage- bzw. Informationskampagne be-
troffen, in 21 463 Fällen gingen die Behörden von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Die nied-
Um dennoch verifizieren zu können, welche Personen ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit

verbunden fühlten. Er selbst sei mehrere Jahre in einer Aus-
länderbehörde tätig gewesen und wisse, wovon er rede. Zu

Drucksache 16/1800 – 200 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 200 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

berücksichtigen sei zudem, dass der Besitz der deutschen
Staatsangehörigkeit mit vielen Privilegien verbunden sei, so
dass niemand, auch kein türkischstämmiger Eingebürgerter,
ohne weiteres zugeben werde, dass er „heimlich“ wieder
eine andere Staatsangehörigkeit angenommen habe. Das
gelte umso mehr, wenn allgemein bekannt sei, dass die
Richtigkeit der Auskünfte durch die deutschen Behörden
nicht überprüft werden könne. Deshalb laufe auch ein Hin-
weis auf die Strafbarkeit einer unberechtigten Wahlteil-
nahme ins Leere. Wie wenig aussagekräftig das Ergebnis
der Fragebogenaktion sei, zeige auch ein Vergleich mit den
Angaben der türkischen Regierung. Während nach der Be-
fragung durch die Länder lediglich bei ca. 21 500 Personen
von einem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit habe
ausgegangen werden müssen, räume die türkische Regie-
rung eine doppelt so hohe Zahl, nämlich ca. 50 000 Perso-
nen, die die türkische Staatsangehörigkeit zurückerlangt
hätten, ein. Der Einspruchsführer kommt zu dem Schluss,
dass eine Wahl, die mit einem solch hohen Unsicherheits-
faktor behaftet sei, keine Gültigkeit beanspruchen könne.

Das Bundesinnenministerium des Innern, das zu einem ähn-
lichen Einspruch (WP 102/05) Stellung genommen hat, ver-
tritt die Auffassung, dass die Frage- und Informationskam-
pagne der Länder notwendig, aber auch ausreichend gewe-
sen sei. Das Recht zur Teilnahme an Wahlen sei zwar auf
Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG beschränkt.
Im Wahlrecht sei nach Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 12 Rn. 8, der Besitz der deutschen
Staatsangehörigkeit allerdings nur glaubhaft zu machen.
Eine verbindliche Feststellung der Staatsangehörigkeit im
Vorfeld jeder Wahl sei im Hinblick auf die erforderliche
Praktikabilität der Wahlvorbereitungen nicht möglich. Nach
deutschem Staatsangehörigkeitsrecht lieferten weder ein
Personalausweis oder Reisepass noch ein Staatsangehörig-
keitsausweis den Nachweis der deutschen Staatsangehörig-
keit, sondern begründeten nur eine widerlegbare Vermu-
tung. Eine allgemein verbindliche Feststellung der deut-
schen Staatsangehörigkeit sei derzeit nur durch ein rechts-
kräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts möglich, das
jedoch nur eine Aussage über die Staatsangehörigkeit im
Zeitpunkt des Erlasses des Urteils treffe. Aufgrund des mit
einer verbindlichen Feststellung der Staatsangehörigkeit
verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes sei ein sol-
ches Verfahren als regelmäßige Überprüfung im Vorfeld
von Wahlen ausgeschlossen. Schon seit jeher habe daher die
Gefahr bestanden, dass nichtdeutsche Personen an bundes-
deutschen Wahlen teilgenommen hätten, ohne dass Maß-
nahmen hiergegen getroffen worden wären oder hätten ge-
troffen werden müssen. Im Vorfeld der vorgezogenen Bun-
destagswahl hätten – anders als vor früheren Bundestags-
wahlen – jedoch aufgrund der Mitteilung der türkischen
Regierung über die Wiedereinbürgerung von bis zu 50 000
Personen konkrete Hinweise auf einen abgrenzbaren Perso-
nenkreis bestanden, bei dem einem möglichen Verlust der
deutschen Staatsangehörigkeit nachzugehen gewesen sei.
Die zuständigen Behörden hätten auf diesen Hinweis mit
der erwähnten Informations- bzw. Fragebogenaktion rea-
giert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestanden.

des § 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
(RuStAG) – abhängig von den Einbürgerungsentscheidun-
gen fremder Staaten. Um feststellen zu können, ob und
wann ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit einge-
treten ist, benötigten deutsche Behörden genaue Angaben
und Kenntnisse der ausländischen Einbürgerungspraxis,
was ohne Kooperation der fremden Staaten von jeher
schwierig gewesen sei. Da mit weniger als 20 der 190 in der
UNO vertretenen Staaten Vereinbarungen über den Aus-
tausch von Einbürgerungsmitteilungen bestünden und das
Interesse hieran weltweit gering sei, werde der Verlust der
Staatsangehörigkeit oft nur im Nachhinein bei bestimmten
behördlichen Anlässen bekannt.

Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf
die Angabe der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 ehemalige Türken wieder die türkische
Staatsangehörigkeit zurückerlangt hätten, darauf hin, dass
nicht bekannt sei, wie viele unter den wieder Eingebürger-
ten ohnehin als Minderjährige nicht wahlberechtigt gewesen
seien, und ob darunter auch Personen gewesen seien, deren
deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der türki-
schen Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen sei (etwa
minderjährige Familienmitglieder, auf die sich der Staatsan-
gehörigkeitserwerb durch das Familienoberhaupt erstreckt
habe oder Personen, die zuvor eine Beibehaltungsgenehmi-
gung erhalten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000 die türki-
sche Staatsangehörigkeit unter Nutzung der damals noch
geltenden Inlandsklausel erworben habe, sei ohnehin deut-
scher Staatsangehöriger und damit wahlberechtigt geblie-
ben.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme des Bundes-
ministeriums des Innern zugänglich gemacht wurde, hat
sich dazu im oben beschriebenen Sinne geäußert. Im Hin-
blick auf den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf den
Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Verstoß gegen Vorgaben des Wahlrechts kann nicht
festgestellt werden.

I.

Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen, die durch
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung
die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, ein Wahl-
fehler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen § 12 Abs. 1
BWG verstoßen, wonach nur Deutsche im Sinne des Arti-
kels 116 Abs. 1 GG wahlberechtigt sind. Es kann jedoch
nicht festgestellt werden, dass solche Personen tatsächlich
an der Wahl teilgenommen haben.

Dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl teilge-
nommen haben, ergibt sich nämlich keineswegs bereits
zwangsläufig aus dem Umstand, dass nach Angaben der tür-
Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß
§ 25 StAG sei – wie auch schon bei der Vorgängerregelung

kischen Regierung seit Anfang 2000 ca. 50 000 Personen
mit deutscher Staatsangehörigkeit die türkische Staatsange-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201 – Drucksache 16/1800

hörigkeit erworben haben, während aufgrund einer 2005
von den Ländern zur Gewährleistung der Richtigkeit der
Wählerverzeichnisse durchgeführten Frage- und Informati-
onskampagne lediglich in 21 463 Fällen von einem Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG auszu-
gehen war. Denn abgesehen davon, dass im Hinblick auf
§ 25 Abs. 1 Satz 2 Abs. 2 StAG die Erlangung der türki-
schen Staatsangehörigkeit nicht in allen Fällen zum Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit geführt haben muss, ist
zu berücksichtigen, dass für eine Eintragung ins Wählerver-
zeichnis ohnehin nur derjenige in Betracht kommt, der zum
Zeitpunkt der Wahl volljährig und damit wahlberechtigt ist
(vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG), und dass eine „automatische“
Eintragung von Amts wegen auf der Grundlage der Melde-
register einen Wohnsitz in Deutschland voraussetzt (vgl.
§ 16 Abs. 1 BWO). Auf wie viele der 50 000 Personen das
zutraf, ist – mangels Angaben der türkischen Seite – nicht
bekannt. Damit kann die Differenz zwischen den 50 000,
die die türkische Seite genannt hat, und den 21 463, welche
die Länder ermittelt haben, nicht ohne weiteres mit falschen
Angaben der Befragten erklärt werden. Selbst wenn man
aber unterstellt, dass die Diskrepanz zwischen der Zahl
50 000 und der Zahl 21 463 – zumindest zum Teil – auf
wahrheitswidrige Angaben der Befragten zurückzuführen
ist und zur Eintragung von nicht wahlberechtigten Personen
ins Wählerverzeichnis geführt hat, ist damit noch nicht ge-
sagt, dass diese Personen sich auch an der Wahl beteiligt ha-
ben. Das gilt umso mehr, als sie aufgrund der Frage- und In-
formationskampagnen der Länder um die Strafbarkeit einer
unbefugten Wahlteilnahme wussten.

Alles, was sich damit feststellen lässt, ist, dass es wegen
§ 25 StAG nicht ausgeschlossen werden kann, dass Perso-
nen, die nicht (mehr) wahlberechtigt waren, in die Wähler-
verzeichnisse eingetragen worden sind und von der dadurch
eröffneten faktischen Möglichkeit, eine Stimme abzugeben,
auch Gebrauch gemacht haben. Dass sich diese Gefahr auch
tatsächlich realisiert hat, ist hingegen lediglich eine zwar
schlüssige, aber in den entscheidenden Punkten auf bloßen
Vermutungen basierende Theorie des Einspruchsführers,
der letztlich nur eine „plausible Schätzung“ der Zahl derer,
die seiner Ansicht nach gemäß § 25 Abs. 1 StAG die deut-
sche Staatsangehörigkeit durch Erwerb der türkischen ver-
loren haben, anbieten kann und es nicht vermag, auch nur
einen konkreten Fall zu schildern, in dem eine Person ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG ihre deutsche Staatsangehörigkeit
verloren und trotzdem an der Wahl teilgenommen hat.

Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten
Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen
feststellen – kann, reicht es aber nicht aus, dass dargelegt
wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr
muss ebenso – unter Angabe konkreter, der Überprüfung
zugänglicher Tatsachen (vgl. BVerfGE 85, 148 [160]) – dar-
gelegt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
dass ein Wahlfehler nicht nur passieren konnte, sondern
auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59, 119 [123]). Das folgt
daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprü-
fung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einspruch, der
zu begründen ist, erfolgt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 f.];
vgl. ferner Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283,
284, 285; 15/1850, Anlage 25, S. 107; 15/2400, Anlage 9;

Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch die
in der Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur
die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Das gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger
schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. BVerfGE 66, 369
[379]). Würde man es genügen lassen, dass Einspruchsfüh-
rer – wie hier – lediglich die Gefahr von Wahlfehlern darle-
gen, könnte beispielsweise jede Wahl – und zwar flächende-
ckend – allein mit der Begründung angefochten werden, es
habe eine bestimmte Zahl von Wählern mittels Briefwahl
gewählt und es sei nicht auszuschließen, dass diese „in
großer Zahl“ ihren Stimmzettel anderen Personen zum Aus-
füllen überlassen hätten. Solch ein Einspruch wäre unter
Umständen sogar noch substantiierter als der vorliegende,
da die Zahl der Briefwähler und damit der potentiellen
Wahlfehler exakt angegeben werden könnte. Gleichwohl
kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine solche Wahl-
beanstandung nicht Grundlage einer Wahlprüfung sein
könnte (vgl. BVerfGE 59, 119 [123 f.]; Bundestagsdruck-
sache 15/2400, Anlage 2, S. 13; ferner Bundestagsdruck-
sache 15/1850, Anlage 21, S. 98, allerdings unter Hinweis
auf die „nicht erkennbare Dimension“ und damit nicht fest-
stellbare Auswirkung der „nicht näher substantiierten“
Wahlbeanstandungen auf die Verteilung der Mandate; ähn-
lich Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 23, S. 102).

II.

Es ist auch nicht feststellbar, dass Wahlbehörden die ihnen
bei der Führung der Wählerverzeichnisse obliegenden Prü-
fungspflichten verletzt haben.

Gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1 BWO ist vor der Eintragung ei-
ner Person in das Wählerverzeichnis zu prüfen, ob diese die
Wahlrechtsvoraussetzungen des § 12 BWG erfüllt. Gegen-
stand dieser Prüfung ist grundsätzlich auch die Frage, ob ein
Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 Abs. 1 StAG einge-
treten ist. Denn ist dies der Fall, ist die betreffende Person
nicht mehr wahlberechtigt. Was das „zu prüfen“ in § 16
Abs. 7 Satz 1 BWO im Hinblick auf die Frage des Staatsan-
gehörigkeitsverlusts nach § 25 Abs. 1 StAG im Einzelfall
bedeutet, hängt allerdings davon ab, ob und ggf. welche An-
haltspunkte es für einen Staatsangehörigkeitsverlust nach
§ 25 StAG gibt und welche Informationsquellen – tatsäch-
lich und rechtlich – zur Klärung dieser Frage zur Verfügung
stehen. Die im Vorfeld der Bundestagswahl in den Ländern
durchgeführten Frage- und Informationskampagnen ent-
sprachen den tatsächlichen Anhaltspunkten für Staatsange-
hörigkeitsverluste nach § 25 Abs. 1 StAG sowie den in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehen-
den Aufklärungsmöglichkeiten.

1. Einziger handfester Anhaltspunkt dafür, dass türkisch-
stämmige Deutsche ihre Staatsangehörigkeit gemäß § 25
Abs. 1 StAG verloren hatten, war die Mitteilung der türki-
schen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca. 50 000 tür-
kischstämmige Deutsche die türkische Staatsangehörigkeit
wieder erworben hätten. Daraus ließ sich aber noch nicht
entnehmen, welche konkreten Personen die türkische
Staatsangehörigkeit wieder erworben haben könnten. Da
von der türkischen Seite keine auf einzelne Personen bezo-
genen Angaben erlangt werden konnten, kamen als Infor-
mationsquellen nur noch die Personen in Betracht, welche
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 49
Rn. 17 f.). Da aber nur Wahlfehler, die passiert sind, die

aufgrund ihrer Abstammung die türkischen Einbürgerungs-
kriterien erfüllten. Eine an diesen Personenkreis adressierte

Drucksache 16/1800 – 202 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 202 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Frage- und Informationskampagne war daher angezeigt,
aber auch hinreichend, um in Erfahrung zu bringen, welche
Personen tatsächlich die deutsche Staatsangehörigkeit durch
eine türkische Einbürgerung verloren hatten.

2. Darüber hinaus von all diesen Personen etwa zu fordern,
dass sie an Eides statt versichern, nicht die türkische Staats-
angehörigkeit beantragt zu haben, wäre schon aus rechtli-
chen Gründen nicht möglich gewesen. Im Wahlrecht ist die
Abgabe einer Versicherung an Eides statt zwar an verschie-
denen Stellen vorgesehen (vgl. § 21 Abs. 6, § 36 Abs. 2
BWG sowie § 18 Abs. 5 Satz 1, § 34 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2,
§ 87 Abs. 2 BWO), jedoch gerade nicht als Nachweis der
Wahlberechtigung für die hier in Frage stehende Eintragung
ins Wählerverzeichnis von Amts wegen. Im Übrigen hätte
auch das Einfordern eidesstattlicher Versicherungen nicht
das grundsätzliche Problem lösen können, dass die Richtig-
keit der Angaben der Befragten nicht überprüfbar ist, weil
es keine weiteren zugänglichen Informationsquellen gibt.
Zwar ist die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides
statt strafbar (vgl. § 156 StGB), was einen zusätzlichen An-
reiz zu wahrheitsgemäßen Auskünften setzen mag.

Doch darf die dadurch eintretende Erhöhung des Beweis-
wertes der Auskunft (vgl. dazu Bonk/Kallerhoff, in: Stel-
kens/Bonk/Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfahrensgesetz,
Kommentar, 6. Auflage, 2001, § 27 Rn. 21) nicht über-
schätzt werden. Denn wer seine Eintragung ins Wählerver-
zeichnis durch falsche Angaben über seine Staatsangehörig-
keit erwirkt und wer wählt, ohne wahlberechtigt zu sein,
macht sich ohnehin schon strafbar (vgl. § 107b Nr. 1,
§ 107a StGB). Wer sich durch diese Sanktion nicht von
wahrheitswidrigen Auskünften abschrecken lässt, dürfte –
jedenfalls im Regelfall – auch durch die weitere Strafsank-
tion des § 156 StGB nicht beeindruckt sein.

3. Ebenso wenig wie das Einfordern einer Versicherung an
Eides statt wäre es zulässig gewesen bei allen türkischstäm-
migen Personen, die für eine Eintragung ins Wählerver-
zeichnis in Betracht kamen und bei denen sich nicht ab-
schließend klären ließ, ob sie nach Erlangung der deutschen
Staatsangehörigkeit wieder die türkische beantragt haben,
dies einfach zu vermuten und ihnen insoweit die Beweislast
oder auch nur die Entkräftung eines „ersten Anscheins“ auf-
zuerlegen.

Solche eine Beweislastverteilung entspräche schon nicht der
Regelungssystematik des StAG. Dieses regelt in § 3 ff.
StAG den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf-
grund spezieller Erwerbstatbestände und sodann in § 17 ff.
StAG den Verlust aufgrund spezieller Verlusttatbestände.
Bei einer solchen Gesetzeskonzeption gilt die allgemeine
Beweislastregel, nach der ein Bürger, der eine Rechtsposi-
tion für sich in Anspruch nimmt, die materielle Beweislast
lediglich hinsichtlich der Voraussetzungen für deren Entste-
hen trägt, die materielle Beweislast dafür, dass die entstan-
dene Rechtsposition später untergegangen ist, hingegen bei
der Behörde liegt. Das bedeutet, die materielle Beweislast
für die Voraussetzungen des Staatsangehörigkeitsverlust-
statbestandes des § 25 Abs. 1 StAG trägt die Behörde (vgl.
BVerwG, NVwZ-RR 1992, S. 439 [441]; BayVGH, DVBl.
1999, S. 1218 f.; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner,
Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage, 2005, § 25 Rn. 9;

Vorliegend hätte zugunsten der Wahlbehörden auch nicht
die Beweiserleichterung des sog. Anscheinsbeweises ge-
griffen. Dieser greift nämlich nur bei formelhaften, typi-
schen Geschehensabläufen, d. h. in denjenigen Fällen, in
denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach der Le-
benserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen be-
stimmten Ablauf hinweist, so dass wegen des typischen
Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des
Einzelfalles bei der tatsächlichen Beurteilung außer Be-
tracht bleiben können (vgl. Stelkens/Kallerhoff, in: Stel-
kens/Bonk/Sachs [Hrsg.], Verwaltungsverfahrensgesetz,
Kommentar, 6. Auflage, 2001, § 26 Rn. 27). Unabhängig
von der umstrittenen Frage, ob die Grundsätze des An-
scheinsbeweises damit überhaupt bei individuellen Verhal-
tensweisen – wie eben der Beantragung einer Staatsangehö-
rigkeit – Anwendung finden (vgl. Stelkens/Kallerhoff
a. a. O.), kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden,
dass „nach der Lebenserfahrung“ eine Person, die aufgrund
ihrer türkischen Abstammung die Einbürgerungskriterien
des nach eigenem Bekunden insoweit (rück)einbürgerungs-
freundlichen türkischen Staates erfüllt, auch tatsächlich die
türkische Staatsangehörigkeit beantragt hat.

Auch der spezifische Kontext der Wahl vermag, keine an-
dere Verteilung der Beweislast zu rechtfertigen. Zwar wird
die Funktion der Wahl als Mittel der Ausübung und Legiti-
mation der Staatsgewalt durch das Volk gefährdet, wenn die
Gefahr besteht, dass in mehr als nur unerheblichem Umfange
Personen ihre Stimme abgeben, die gar nicht zum Volk ge-
hören, weil sie nicht (mehr) Deutsche im Sinne des Grund-
gesetzes sind. Dies könnte auf den ersten Blick dafür spre-
chen, die Gefahr solcher Stimmabgaben durch nicht (mehr)
Wahlberechtigte dadurch zu reduzieren, dass man die Be-
weislast dafür, dass die Staatsangehörigkeit nicht verloren
gegangen ist, dem ins Wählerverzeichnis Einzutragenden
aufbürdet. Dabei würde man jedoch verkennen, dass die
Funktion der Wahl als Mittel der Ausübung und Legitima-
tion der Staatsgewalt durch das Volk nicht nur dann in Frage
gestellt zu werden droht, wenn in nicht unerheblichem Um-
fange Personen, die nicht zum Volk gehören, an der Wahl
teilnehmen, sondern auch dann, wenn in nicht unerhebli-
chem Umfange, Personen, die tatsächlich zum Volk gehören,
von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen werden.
Ebendiese Gefahr hätte bestanden, wenn man in der hier zu
beurteilenden Konstellation zulasten der einzutragenden tür-
kischstämmigen Personen vermutet hätte, dass sie die türki-
sche Staatsangehörigkeit auf ihren Antrag (wieder) erlangt
haben. Denn der Beweis dafür, nicht die türkische Staatsan-
gehörigkeit beantragt zu haben und damit im Besitz der deut-
schen geblieben zu sein, ist nur schwer zu erbringen.

III.

Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass es der
Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise unterlassen hat,
der Gefahr, dass nicht (mehr) wahlberechtigte Personen an
der Wahl teilnehmen, in ausreichendem Maße entgegenzu-
wirken.

1. Zwar ist anerkannt, dass der Gesetzgeber nicht nur ver-
fassungsrechtlich zur Regelung des Wahlrechts ermäch-
tigt, sondern auch verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 95, 335
[349, 366]; Morlok, in: Dreier, Horst [Hrsg.], Grundge-
Marx, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörig-
keitsrecht, Loseblatt, § 25 Rn. 32 [Stand: 2002]).

setz, Kommentar, Tübingen 1998, Artikel 38 Rn. 62,
120 m. w. N.). So hat das Bundesverfassungsgericht im

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203 – Drucksache 16/1800

Kontext der Briefwahl ausgeführt, dass den Gesetzgeber
die Verpflichtung treffe, für eine bestmögliche Sicherung
und Gewährleistung der Wahlrechtsgrundsätze zu sor-
gen. Er habe bisherige Regelungen und die Handhabung
der Wahl ständig in Anbetracht neu auftretender Ent-
wicklungen, die unvorhergesehene Gefahren für die
Integrität der Wahl mit sich brächten, zu überprüfen.
Träten dabei Missbräuche zutage, die geeignet sein kön-
nen, Wahlrechtsgrundsätze mehr als unumgänglich zu
gefährden, so erwachse daraus die verfassungsrechtliche
Pflicht, die ursprüngliche Regelung im Wege der Nach-
besserung zu ergänzen oder zu ändern (vgl. BVerfGE 59,
119 [127]). Ferner hat das Bundesverfassungsgericht im
Hinblick auf die Gefahr ungewollter Fehler bei der Stim-
menauszählung festgestellt, dass durch Schaffung geeig-
neter Regelungen sowohl den Ursachen solcher Fehler
entgegengewirkt als auch deren Korrektur ermöglicht
werden müsse (vgl. BVerfGE 85, 148 [158]).

2. Zweifelhaft ist allerdings, ob vorliegend bereits davon
ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber seine

tung resultierende abstrakte Gefahr konkretisiert, liegt es
nahe, dies zunächst durch eine Beobachtung und Über-
prüfung des Gefahrenpotentials zu verifizieren (vgl.
BVerfGE 59, 119 [127]).

Vor diesem Hintergrund ist hier der Umstand von Be-
deutung, dass die Anfang 2005 gemachte Angabe der
türkischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca.
50 000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit die
türkische Staatsangehörigkeit wiedererlangt hätten, nur
einen konkreten Anhaltspunkt dafür lieferte, dass eine
große Zahl von Personen, ohne Wissen der deutschen
Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat,
jedoch noch keine Rückschlüsse auf die unberechtigter
Wahlteilnahme solcher Personen zuließ (vgl. oben unter
Abschnitt I). Im Hinblick auf die Integrität der Wahl
liegt also nur eine abstrakte Gefahr vor. Hierauf hat man
keineswegs mit Untätigkeit reagiert, sondern mit der
abstrakten Natur der Gefahr entsprechenden Beobach-
tungs- und Nachforschungsmaßnahmen. Zum einen hat
man eine Frage- und Informationskampagne unter den
Pflicht, die Integrität der Wahl vor Beeinträchtigungen
Dritter zu schützen, verletzt hat.

Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das Bundesver-
fassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Erfüllung von
Handlungspflichten generell einen weiten Einschät-
zungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum zugesteht
und eine Verletzung erst dann bejaht, wenn gar keine
oder offensichtlich gänzlich ungeeignete oder völlig un-
zulängliche Maßnahmen getroffen werden (vgl.
BVerfGE 56, 54 [80 ff.]; 79, 174 [202]; 88, 203 [254,
257 f.]; 92, 26 [46]). Ferner muss eine angemessene
Reaktion nicht zwingend im umgehenden Erlass neuer
Regelungen bestehen. Insbesondere wenn es noch keine
Anhaltspunkte dafür gibt, ob und ggf. in welchem Um-
fange sich eine aus einer bestimmten rechtlichen Gestal-

für eine türkische Einbürgerung in Betracht kommenden
Personenkreis durchgeführt. Zum anderen ist man – wenn-
gleich bislang vergeblich – bemüht, von türkischer Seite
Näheres über den betroffenen Personenkreis in Erfah-
rung zu bringen (vgl. oben unter Abschnitt II).

3. Die Frage, ob der Gesetzgeber gleichwohl verfassungs-
rechtlichen Regelungsgeboten nicht nachgekommen ist,
kann aber letztlich dahinstehen. Denn der Deutsche Bun-
destag sieht sich in ständiger Praxis nicht dazu berufen,
im Wahlprüfungsverfahren die Verfassungswidrigkeit
von Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist
stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (vgl.
nur Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 79, S. 209;
Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 11, S. 49; ferner
BVerfGE 89, 291 [300]).

Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 184 habe bestätigt,
dass in diesem Wahlkreis Wahlplakate von Parteien in

Gebäude oder neben dem Gebäude erfolgt (Schreiber,
Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage 2002, § 32
schrieben sei.

Die Einspruchsführer, denen die Stellungnahme des Lan-

Hess. VGH, ESVGH Band 41, S. 126, 129).

Im Übrigen ist die Wahlwerbung zulässig.
einem Abstand von weniger als 150 Meter vom Wahllokal
aufgestellt worden seien. Er habe aber gleichzeitig versi-
chert, dass die Vorschrift des § 32 Abs. 1 BWG eingehalten
worden sei, wonach während der Wahlzeit in und an dem
Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmit-
telbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung
der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede
Unterschriftensammlung verboten ist. Eine unzulässige
Wählerbeeinflussung habe daher nicht stattgefunden.

Zur Kennzeichnung der Stimmzettel im betreffenden Wahl-
lokal seien Kopierstifte verwendet worden, die von der Ge-
meindebehörde zur Verfügung gestellt worden seien. Die
Verwendung der Schreibstifte bleibe der Gemeindebehörde
vorbehalten, da gemäß § 50 Abs. 2 BWO Schreibstifte be-
reit liegen sollen, die Art der Schreibstifte aber nicht vorge-

Rn. 1; WahlprGer. beim Hess. LT, Staatsanzeiger Hessen
1992 [StAnz. 1992], S. 1554, 1571). Dem Grundgedanken
der Vorschrift entsprechend ist Wahlpropaganda in unmit-
telbarer Umgebung des Wahlgebäudes dann unzulässig,
wenn sie nach Form und Inhalt geeignet ist, die Wähler bei
dem Akt der Stimmabgabe zu beeinflussen (BVerfGE 4,
370, 373).

Der Wahlprüfungsausschuss hat hierzu in der 13. Wahlperi-
ode ausdrücklich festgestellt, dass es zwar keine „Bann-
meile“ um das Wahllokal gibt, für den Zugangsbereich je-
doch eine generell zu beachtende „befriedete Zone“ von
etwa zehn bis 20 Metern bis zum Wahllokal als nicht antast-
barer Sperrbereich für notwendig, aber auch für ausreichend
erachtet wird (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800, Anlage
2, 9 und 17; 13/3035, Anlage 1; 14/1560, Anlage 84 sowie
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205 – Drucksache 16/1800

Anlage 29

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau C. H. und des Herrn J. H., 60388 Frankfurt/Main
– Az.: WP 32/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 21. September 2005, das am 23. Sep-
tember 2005 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist,
haben die Einspruchführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Zur Begründung ihres Einspruchs tragen sie vor, dass am
Tag der Bundestagswahl im Bereich des Wahllokals Volks-
haus Enkheim im Wahlkreis 184 (Frankfurt am Main II)
„Wahlplakate verschiedener Parteien weniger als 150 Meter
vom Wahllokal entfernt“ gestanden hätten. Sie beantragen
ohne weitere Begründung die „Annullierung“ der Wahl und
bitten „um Überprüfung, ob die Wahl ordnungsgemäß
durchgeführt wurde“. Daneben beanstanden die Einspruchs-
führer, dass im Wahllokal Buntstifte zur Kennzeichnung der
Stimmzettel verwendet worden seien.

Der Landeswahlleiter für Hessen hat zu dem Einspruch fol-
gende Stellungnahme abgegeben:

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet. Ein Wahlfehler ist nicht zu erkennen.

Das Verbot der Wählerbeeinflussung in § 32 Abs. 1 erste
Alternative BWG dient der Gewährleistung der freien Aus-
übung der Wahl im Sinne des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG
i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG sowie der Sicherung des
Prinzips der Wahlgleichheit. Die Vorschrift untersagt am
Wahltage während der Wahlzeit nicht nur im Wahlraum und
im gesamten Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet,
sondern auch im unmittelbaren Zugangsbereich zum Wahl-
gebäude jegliche Art der Wahlpropaganda. Ein Rechts-
verstoß liegt vor, wenn Plakatwerbung unmittelbar am
deswahlleiters für das Land Hessen bekannt gegeben wor-
den sind, haben sich nicht dazu geäußert.

Wann der Tatbestand „unmittelbar vor dem Zugang zum
Wahlgebäude“ erfüllt ist, hängt von den örtlichen Gegeben-

Drucksache 16/1800 – 206 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 206 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

heiten des Einzelfalles ab (vgl. Schreiber, a. a. O.; Hess.
VGH, a. a. O.). Entscheidend ist, dass die Wähler den Wahl-
raum betreten können, ohne unmittelbar zuvor durch Propa-
ganda behindert oder beeinflusst zu werden. Als Zugang bei
einem Gebäude, welches auf einem eingezäunten Grund-
stück liegt, ist in der Regel nicht das Zauntor zu verstehen,
sondern nur der unmittelbare Zugang zum Gebäude. Der
Wahlprüfungsausschuss hat in seinen oben genannten Ent-
scheidungen zur Platzierung von Werbetafeln ausdrücklich
auf die Entfernung von zehn bis 20 Metern zur Eingangstür
des Wahllokals abgestellt. Einen geringeren Abstand hat er
als Wahlfehler angesehen.

Vorliegend ist nicht gegen § 32 Abs. 1 BWG verstoßen wor-
den. Die Einspruchsführer haben einen zu geringen Abstand
der Wahlplakate zum Eingang des Wahllokals Volkshaus
Enkheim im Wahlkreis 184 mit der Begründung beanstan-
det, dieser habe „weniger als 150 Meter“ betragen. Der Ein-
spruch ist nicht mit Beweisfotos belegt, so dass der Wahl-
prüfungsausschuss mangels objektiver Angaben, eines Ent-
fernungsmaßstabes, eines Lageplans oder anderer objekti-
ver Bezugspunkte an einer Prüfung der Angaben gehindert
ist. Aus der ungenauen Angabe, dass sich Wahlplakate in ei-
nem Abstand von „weniger als 150 Metern“ zum Wahllokal
befunden hätten, kann zwar theoretisch auch gefolgert wer-
den, dass der Abstand nur wenige Meter betragen habe.
Dies erscheint aber nicht logisch, da die Einspruchsführer
dann eine geringere Obergrenze bei der Entfernung angege-
ben hätten. Bei einem Abstand von deutlich über 20 Metern,

von dem hier auszugehen ist, kann eindeutig kein Verstoß
gegen den engeren, „nicht antastbaren Sperrbereich“ festge-
stellt werden, der bei „etwa 10 bis 20 m“ liegt (Schreiber,
a. a. O.).

Soweit die Einspruchsführer sich außerdem dagegen wen-
den, dass zum Ausfüllen der Stimmzettel Buntstifte im
Wahllokal bereitgelegt worden seien, so begründet dies
ebenfalls keinen Wahlfehler.

Gemäß § 50 Abs. 2 BWO soll in der Wahlzelle ein Schreib-
stift bereit liegen. Als Schreibstift im Sinne dieser Vor-
schrift ist auch ein nicht dokumentenechter, radierfähiger
Bleistift anzusehen. Diese Rechtsauffassung liegt auch den
Wahlprüfungsentscheidungen zur Bundestagswahl 1998 zu
Grunde (Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlagen 46, 50
und 52). Dort wird bereits ausgeführt, dass jede Art von
funktionsfähigem Schreibstift zur Kennzeichnung des
Stimmzettels verwendet werden darf. Voraussetzung für die
Stimmabgabe ist, dass mittels eines Schreibstiftes deutlich
kenntlich gemacht wird, welchem Wahlvorschlag die Erst-
und welchem die Zweitstimme gelten soll. Dem Wähler
steht es grundsätzlich frei, das bereitliegende Schreibmittel
zu benutzen oder den Stimmzettel mit einem eigenen, mit-
gebrachten Schreibgerät zu kennzeichnen. Da sowohl die
Wahlhandlung als auch die Auszählung der Stimmen öffent-
lich erfolgen, erscheint die Gefahr, dass die mit Bleistift ge-
kennzeichneten Stimmzettel manipuliert werden könnten,
als nahezu ausgeschlossen.

haus Launsbach 16 Meter und beim Bürgerhaus Wißmar 12
Meter betragen. In der Stadt Gießen habe er beim Wahllokal

lung seien die zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen po-
litischen Werbeträger überprüft und ggf. durch den Wahl-
vorstand bzw. einen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung
Für die vier in der Stadt Gießen liegenden Wahllokale (Ub-
belohdeweg, Wieseck, Spenerweg und Eichgärtenallee) sei
festgestellt worden, dass es sich bei den Fotos der Wahllo-

Seiner Ansicht nach seien die Abstände der Wahlplakate zu
den Wahllokalen „seit Jahren“ nicht eingehalten worden.
Ubbelohdeweg 16 Meter, beim Bürgerhaus Wieseck 16 Me-
ter, beim Wahllokal Spenerweg 15 Meter und beim Wahl-
lokal Eichgärtenallee 15 Meter Abstand festgestellt. Zum
Beweis seines Vorbringens hat der Einspruchsführer sechs
Farbfotos im Format 10 x 15 cm beigefügt, auf denen je
eine unterschiedliche Zahl von Wahlplakaten der Parteien
SPD, CDU, FDP und DIE GRÜNEN in der Nähe von
Grundstückszugängen und öffentlichen Gebäuden zu sehen
ist. Er trägt weiter vor, dass der Wahlprüfungsausschuss des
Deutschen Bundestages ausgeführt habe, dass bei Wahlwer-
bung vor Wahllokalen ein Abstand von mindestens 20 Me-
tern einzuhalten sei.

Der Landeswahlleiter für Hessen hat zu dem Einspruch fol-
gende Stellungnahme abgegeben und die Stellungnahmen
der Stadt Gießen und der Gemeinde Wettenberg beigefügt:

umgesetzt worden, wenn kein ausreichender Abstand zu
dem Wahllokal eingehalten worden war. Soweit es der Ab-
lauf der Wahlhandlung zugelassen habe, seien die Abstände
von Wahlplakaten zu den Wahllokalen vom Wahlvorstand
auch während der Wahlzeit überprüft worden. Im Bereich
des Wahllokals Krofdorf-Gleiberg sei das beanstandete und
fotografierte Plakat auf einen größeren Abstand zum Wahl-
lokal zurückgesetzt worden. Es könne jedoch vorgekommen
sein, dass unbekannte Personen dieses Plakat wieder näher
an das Wahllokal herangestellt hätten. Eine lückenlose Kon-
trolle durch den Wahlvorstand sei nicht möglich gewesen.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahmen des Landes-
wahlleiters für das Land Hessen, der Stadt Gießen und der
Gemeinde Wettenberg bekannt gegeben worden sind, hat
sich hierzu wie folgt geäußert:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 207 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 207 – Drucksache 16/1800

Anlage 30

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. F., 35398 Gießen
– Az.: WP 40/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem an den Bundeswahllei-
ter gerichteten Schreiben vom 21. September 2005, das
beim Deutschen Bundestag am 27. September 2005 einge-
gangen ist, Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor, dass am Tag
der Bundestagswahl im Bereich von insgesamt sieben
Wahllokalen des Wahlkreises 174 (Lahn-Dill) und des
Wahlkreises 175 (Gießen) des Landes Hessen gegen § 32
Abs. 1 BWG verstoßen worden sei. Durch „Nichteinhaltung
des Mindestabstandes“ der Plakatwerbung verschiedenster
Parteien zum Eingang der Wahllokale sei es zu „unzulässi-
ger Wahlbeeinflussung“ gekommen. Der Einspruchführer
nennt dabei für drei Wahllokale im Wahlkreis 174 und für
vier Wahllokale im Wahlkreis 175 zugleich die Abstände
der Plakatwerbung zum Eingang des jeweiligen Wahllokals.
So habe der Abstand in der Gemeinde Wettenberg beim Ge-
meindehaus Krofdorf-Gleiberg neun Meter, beim Bürger-

Für das Wahllokal in der Eichgärtenallee habe der Ein-
spruchsführer außer seinen eigenen Entfernungsangaben
keinen Fotobeleg beigefügt, so dass die Angaben nicht
nachvollzogen werden könnten. Am Wahltag selbst habe ein
namentlich benannter Mitarbeiter des Wahlamtes der Stadt
Gießen bei fast allen Wahllokalen vor Ort überprüft, ob bei
Plakatierungen in der unmittelbaren Umgebung der Wahllo-
kale der vorgeschriebene Abstand eingehalten war. Er sei zu
dem Ergebnis gekommen, dass in allen Fällen ein Abstand
von mindestens 20 Metern eingehalten worden sei. Diese
Überprüfung sei auch bei den vom Einspruchsführer ge-
nannten Wahllokalen vorgenommen worden und habe zu
keinen Beanstandungen geführt.

Die Gemeinde Wettenberg habe bei den Recherchen zu dem
Wahleinspruch über die drei dort gelegenen Wahllokale
(Krofdorf-Gleiberg, Launsbach und Wißmar) festgestellt,
dass am Wahltag während der allgemeinen Wahlzeit wieder-
holt Werbeträger von Parteien durch nicht bekannte Perso-
nen umgestellt worden seien. Vor Eröffnung der Wahlhand-
kale in Wieseck und Spenerweg um Aufnahmen handele,
die anlässlich der Europawahl 2004 gemacht worden seien.

Zum Beweis legt er weitere Farbfotos vom Tag der Bundes-
tagswahl 2002 vor. Die Ausführungen der Gemeinde Wet-

Drucksache 16/1800 – 208 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 208 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tenberg seien „Ausreden“, die durch seine Fotos widerlegt
werden könnten. Der Aufforderung zur Klarstellung, wel-
che der gerügten Vorgänge die Bundestagswahl 2005 betref-
fen, ist der Einspruchsführer nicht nachgekommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.

Das Verbot der Wählerbeeinflussung in § 32 Abs. 1 erste
Alternative BWG dient der Gewährleistung der freien Aus-
übung der Wahl im Sinne des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG
i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG sowie der Sicherung des
Prinzips der Wahlgleichheit. Die Vorschrift untersagt am
Wahltage während der Wahlzeit nicht nur im Wahlraum und
im gesamten Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet,
sondern auch im unmittelbaren Zugangsbereich zum Wahl-
gebäude jegliche Art der Wahlpropaganda. Ein Rechtsver-
stoß liegt vor, wenn Plakatwerbung unmittelbar am
Gebäude oder neben dem Gebäude erfolgt (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 32 Rn. 1; WahlprGer.
beim Hess. LT, Staatsanzeiger Hessen 1992 [StAnz. 1992],
S. 1554, 1571). Dem Grundgedanken der Vorschrift ent-
sprechend ist Wahlpropaganda in unmittelbarer Umgebung
des Wahlgebäudes dann unzulässig, wenn sie nach Form
und Inhalt geeignet ist, die Wähler bei dem Akt der Stimm-
abgabe zu beeinflussen (BVerfGE 4, 370, 373).

Der Wahlprüfungsausschuss hat hierzu in der 13. Wahlperi-
ode ausdrücklich festgestellt, dass es zwar keine „Bann-
meile“ um das Wahllokal gibt, für den Zugangsbereich je-
doch eine generell zu beachtende „befriedete Zone“ von
etwa zehn bis 20 Metern bis zum Wahllokal als nicht antast-
barer Sperrbereich für notwendig, aber auch für ausreichend
erachtet wird (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800, Anlage
2, 9 und 17; 13/3035, Anlage 1; 14/1560, Anlage 84 sowie
Hess. VGH, ESVGH Band 41, S. 126, 129).

Im Übrigen ist die Wahlwerbung zulässig.

Wann der Tatbestand „unmittelbar vor dem Zugang zum
Wahlgebäude“ erfüllt ist, hängt von den örtlichen Gegeben-
heiten des Einzelfalles ab (vgl. Schreiber, a. a. O.; Hess.
VGH, a. a. O.). Entscheidend ist, dass die Wähler den Wahl-
raum betreten können, ohne unmittelbar zuvor durch Propa-
ganda behindert oder beeinflusst zu werden. Als Zugang bei
einem Gebäude, welches auf einem eingezäunten Grund-
stück liegt, ist in der Regel nicht das Zauntor zu verstehen,
sondern nur der unmittelbare Zugang zum Gebäude. Der
Wahlprüfungsausschuss hat in seinen oben genannten Ent-
scheidungen zur Platzierung von Werbetafeln ausdrücklich
auf die Entfernung von zehn bis 20 Metern zur Eingangstür
des Wahllokals abgestellt. Einen geringeren Abstand hat er
als Wahlfehler angesehen.

Vorliegend ist nicht gegen § 32 Abs. 1 BWG verstoßen
worden. Der Einspruchsführer hat in sieben Fällen einen zu

sind die Angaben unzureichend, da bereits ein Belegfoto
fehlt und der Einspruchsführer nur die angebliche Entfer-
nung in Metern mitteilt. Der Stellungnahme der Stadt Gie-
ßen, wonach die Fotos von den Wahllokalen Wieseck und
Spenerweg anlässlich der Europawahl 2004 gemacht wor-
den seien, hat der Einspruchsführer nicht substantiiert wi-
dersprochen. Darüber hinaus belegt der Einspruchsführer
seine Angaben in sechs Fällen mit selbst gefertigten Fotos
und nicht weiter erläuterten Entfernungsangaben. Mangels
eines Entfernungsmaßstabes, eines Lageplans oder anderer
objektiver Bezugspunkte ist der Wahlprüfungsausschuss an
einer Prüfung der Angaben gehindert. Zudem hat der Ein-
spruchsführer nicht mitgeteilt, ob er die angegebenen Ent-
fernungen durch Messung oder Schätzung festgestellt hat.

Die Stadt Gießen hat für die vom Einspruchsführer angege-
benen Wahllokale (Ubbelohdeweg, Wieseck, Spenerweg
und Eichgärtenallee) unter Benennung des verantwortlichen
Mitarbeiters nachvollziehbar dargelegt, dass die Plakate am
Wahltag in einem Abstand von mindestens 20 Metern zu
den Wahllokalen gestanden hätten Schließlich ist auch bei
den vom Einspruchsführer angegebenen Abständen von
zwölf bis 16 Metern kein klarer Verstoß gegen den engeren,
„nicht antastbaren Sperrbereich“ festzustellen, der bei „etwa
zehn bis 20 m“ liegt (Schreiber, a. a. O.).

Soweit der Einspruchsführer in einem Fall (Wettenberg/
Krofdorf-Gleiberg) einen Abstand von neun Metern angibt,
wäre diese „befriedete Zone“ durch die Aufstellung eines
Wahlplakates verletzt. Auch hier ist die angegebene Entfer-
nung aber nicht überprüfbar, da das Plakat und der Zugang
zum Wahllokal auf dem Foto in einer perspektivischen
Linie liegen. Soweit die Gemeinde Wettenberg angibt, dass
dieses Plakat von unbekannten Personen auf diesen Abstand
an das Wahllokal herangestellt worden sein könnte, wäre
dieser Fehler von einem Dritten zu verantworten. Da die
Gemeinde das Plakat aber zuvor im erforderlichen Abstand
aufgestellt hatte, wäre dieses Eingreifen eines Unbekannten
kein Wahlfehler, für den ein amtliches Wahlorgan verant-
wortlich wäre (vgl. BVerfGE 89, 241, 253; Schreiber,
a. a. O., Einl. Rn. 43). Die Gemeinde Wettenberg hat den
ausreichenden Abstand in den anderen zwei Fällen (Launs-
bach und Wißmar) versichert.

Im Übrigen würde der vom Einspruchsführer behauptete
Wahlfehler, wenn er überprüfbar stattgefunden hätte, dem
Einspruch nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Fehler für
das Wahlergebnis nicht erheblich wäre. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich
der Wahlprüfungsausschuss stets angeschlossen hat, können
nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolg-
reich begründen, die auf die Mandatsverteilung von Einfluss
sind oder hätten sein können. Infolgedessen scheiden alle
Verstöße von vornherein als unerheblich aus, die die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4,
370 [372] ständige Rechtsprechung). Ein solcher Einfluss
kann im vorliegenden Fall mit hinreichender Sicherheit aus-
geschlossen werden. Es ist nicht erkennbar, inwiefern eine
erhebliche Beeinflussung der Mandatsverteilung stattgefun-
den haben soll. Auch der Einspruchsführer behauptet nicht,
dass die Aufstellung der Plakate das Wahlergebnis erheblich
beeinflusst hätte. Aufgrund seines Vortrags sind gerade
geringen Abstand der Wahlplakate zum Eingang des Wahl-
lokals beanstandet. In einem Fall (Gießen/Eichgärtenallee)

keine besonderen Umstände erkennbar, die auf eine erheb-
liche Beeinflussung der Wähler im Umfeld der Wahllokale

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800
Wahlperiode – 209 – D Wahlperiode – 209 – D

in Wettenberg und Gießen schließen lassen könnten. Dies
ergibt sich auch daraus, dass auf drei der sechs Fotos Wahl-
plakate von zwei, drei oder sogar vier verschiedenen Par-
teien zu sehen sind.

„Auffällig“ sei gewesen, dass es sich ausschließlich um
Wahlwerbung der SPD gehandelt habe. Zum Beweis ihres

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
gierung NRW für die Belange behinderter Menschen“
werde ausdrücklich verwiesen. Das Fahrzeug sei nicht dau-
erhaft vor dem Wahllokal abgestellt worden, sondern nur

S. 1554, 1571). Dem Grundgedanken der Vorschrift ent-
sprechend ist Wahlpropaganda in unmittelbarer Umgebung
des Wahlgebäudes dann unzulässig, wenn sie nach Form
Vorbringens haben die Einspruchsführer drei gescannte
Farbfotos beigefügt, auf denen ein Kleinbus mit der genann-
ten Beschriftung (zwei Fotos) sowie eine Straße mit zwei
Wahlplakaten (ein Foto) zu sehen sind. Sie tragen vor, dass
„die SPD durch das Aufstellen der Plakate auf der Jahn-
straße sowie durch das Parken des SPD-Busses“ die Wahlen
in unzulässiger Weise beeinflusst habe.

Die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen
hat zu dem Einspruch unter Einbeziehung des Kreiswahllei-
ters des Kreises Mettmann wie folgt Stellung genommen:

Hinsichtlich des Kleinbusses sei festgestellt worden, dass
dieser am Wahltag zum Transport von älteren oder behin-
derten Wählerinnen und Wählern eingesetzt worden sei, um
diesen die Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen. Auf die
„diesbezüglichen Appelle der Beauftragten der Landesre-

Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet. Ein Wahlfehler ist nicht zu erkennen.

Das Verbot der Wählerbeeinflussung in § 32 Abs. 1 erste
Alternative BWG dient der Gewährleistung der freien Aus-
übung der Wahl im Sinne des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG
i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 BWG sowie der Sicherung des
Prinzips der Wahlgleichheit. Die Vorschrift untersagt am
Wahltage während der Wahlzeit nicht nur im Wahlraum und
im gesamten Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet,
sondern auch im unmittelbaren Zugangsbereich zum Wahl-
gebäude jegliche Art der Wahlpropaganda. Ein Rechtsver-
stoß liegt vor, wenn Plakatwerbung unmittelbar am Ge-
bäude oder neben dem Gebäude erfolgt (Schreiber, Kom-
mentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 32 Rn. 1; WahlprGer.
beim Hess. LT, Staatsanzeiger Hessen 1992 [StAnz. 1992],
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211 – Drucksache 16/1800

Anlage 31

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau C. W. und des Herrn M. S., 42579 Heiligenhaus
– Az.: WP 166/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2005, das am 17. No-
vember 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
haben die Einspruchführer gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Zur Begründung ihres Einspruchs tragen sie vor, dass sich
am Tag der Bundestagswahl im Wahlkreis 106 (Mettmann
II) des Landes Nordrhein-Westfalen „in der unmittelbaren
Nähe“ des Wahllokals Velbert/Hauptschule Parteiwerbung
befunden habe. So habe „im Schulhof, vor dem Eingang zur
Hauptschule“ ein Kleinbus gestanden, auf dem die Direkt-
kandidatin der SPD, Kerstin Griese, „zusammen mit dem
Parteilogo abgebildet“ gewesen sei. An der Seite des Busses
habe der Satz „Kerstin Griese – Ihre Bundestagsabgeord-
nete“ gestanden. An diesem Bus habe jeder, der in dem
Wahllokal wählen wollte, „zwangsläufig“ vorbeigehen müs-
sen. Außerdem hätten auf der Zufahrtstraße zum Wahllokal,
der Jahnstraße, „große Plakate“ der Kandidatin gestanden.

andere Wahlberechtigte noch die Einspruchsführer selbst
den Wahlvorstand auf das Fahrzeug vor dem Wahllokal auf-
merksam gemacht. Der Einsatz eines Busses mit Wahlwer-
bung zu diesem Zweck sei aber eine „unglückliche Ent-
scheidung“ gewesen.

Hinsichtlich der Wahlwerbung entlang der Zufahrtstraße
zum Wahllokal sei kein Verstoß gegen § 32 BWG zu erken-
nen, da sich das Verbot des § 32 BWG nicht auf die gesamte
Zufahrtstraße erstrecke. Der unmittelbare Zugang zum
Wahllokal sei frei von Wahlwerbung gewesen.

Die Einspruchsführer, denen die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt gege-
ben worden ist, haben sich nicht dazu geäußert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
kurzzeitig während des Wahlvorgangs. So habe der Wahl-
vorstand das Fahrzeug nicht bemerkt. Auch hätten weder

und Inhalt geeignet ist, die Wähler bei dem Akt der Stimm-
abgabe zu beeinflussen (BVerfGE 4, 370, 373).

Drucksache 16/1800 – 212 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 212 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Wahlprüfungsausschuss hat hierzu in der 13. Wahlperi-
ode ausdrücklich festgestellt, dass es zwar keine „Bann-
meile“ um das Wahllokal gibt, für den Zugangsbereich je-
doch eine generell zu beachtende „befriedete Zone“ von
etwa zehn bis 20 Metern bis zum Wahllokal als nicht antast-
barer Sperrbereich für notwendig, aber auch für ausreichend
erachtet wird (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800, Anlage
2, 9 und 17; 13/3035, Anlage 1; 14/1560, Anlage 84 sowie
Hess. VGH, ESVGH Band 41, S. 126, 129).

Im Übrigen ist die Wahlwerbung zulässig.

Wann der Tatbestand „unmittelbar vor dem Zugang zum
Wahlgebäude“ erfüllt ist, hängt von den örtlichen Gegeben-
heiten des Einzelfalles ab (vgl. Schreiber, a. a. O.; Hess.
VGH, a. a. O.). Entscheidend ist, dass die Wähler den Wahl-
raum betreten können, ohne unmittelbar zuvor durch Propa-
ganda behindert oder beeinflusst zu werden. Als Zugang bei
einem Gebäude, welches auf einem eingezäunten Grund-
stück liegt, ist in der Regel nicht das Zauntor zu verstehen,
sondern nur der unmittelbare Zugang zum Gebäude. Der
Wahlprüfungsausschuss hat in seinen oben genannten Ent-
scheidungen zur Platzierung von Werbetafeln ausdrücklich
auf die Entfernung von zehn bis 20 Metern zur Eingangstür
des Wahllokals abgestellt. Einen geringeren Abstand hat er
als Wahlfehler angesehen.

Vorliegend ist nicht gegen § 32 Abs. 1 BWG verstoßen wor-

in der Nähe zum Wahllokal gestanden hat. Mangels genaue-
rer Angaben kann der Wahlprüfungsausschuss aber nicht
beurteilen, wie groß der Abstand zum Zugang des Wahllo-
kals war. Insbesondere kann nicht geprüft werden, ob der
Mindestabstand von zehn bis 20 Meter unterschritten wor-
den ist. Auch haben die Einspruchsführer keine Angaben
darüber gemacht, wie lange sich der Kleinbus im Schulhof
befunden hat. Die Dauer des Aufenthalts wird, wie die Lan-
deswahlleiterin nachvollziehbar dargestellt hat, auf den
Wahlvorgang begrenzt und dementsprechend kurz gewesen
sein, da der Bus weder dem Wahlvorstand aufgefallen ist
noch andere Wahlberechtigte den Wahlvorstand auf den
Kleinbus aufmerksam haben. Von einem lang dauernden
oder gar dauerhaften Einsatz des Kleinbusses am Tag der
Bundestagswahl als Mittel der Wahlpropaganda kann somit
nicht ausgegangen werden. Zudem ist zu berücksichtigen,
dass das Fahrzeug vorrangig dazu diente, älteren oder geh-
behinderten Menschen die Teilnahme an der Bundestags-
wahl zu ermöglichen.

Die Einspruchsführer beanstanden zudem für die Plakate
auf der Zufahrtstraße zum Wahllokal einen zu geringen Ab-
stand der Werbetafeln zum Eingang des Wahllokals. Aus
der Einspruchsbegründung ergibt sich die Entfernung der
Plakate zum Wahllokal nicht. Auch auf dem Belegfoto fehlt
eine Entfernungsangabe. Das Wahllokal ist auf dem Foto,
den. Die Einspruchsführer haben beanstandet, dass der
Kleinbus mit der Wahlwerbung „vor dem Eingang“ zum
Wahllokal gestanden habe. Die beiden Fotos, auf denen das
Fahrzeug abgebildet ist, lassen die Entfernung zum Zugang
des Wahllokals nicht erkennen. Da der Bus unwiderspro-
chen dem Transport behinderter oder älterer Menschen zum
Wahllokal gedient hat, ist zwar davon auszugehen, dass er

das aus relativ großer Entfernung gemacht wurde, jedenfalls
nicht abgebildet. Die Landeswahlleiterin Nordrhein-Westfa-
len hat für die von den Einspruchsführern angegebene Zu-
fahrtstraße nachvollziehbar dargelegt, dass die Plakate auf
dieser Straße sich aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zur
Hauptschule am Baum nicht unmittelbar vor dem Wahllokal
befunden haben.

heitlich sei. Zu diesem Zwecke erschien der Einspruchsfüh-
rer am 20. Juli 2005 zu einem Informationsgespräch in der

die Besetzung des Kreiswahlausschusses auf das Verbot des
§ 9 Abs. 3 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) hinge-
Der Einspruchsführer meint, wegen der Zustellungsschwie-
rigkeiten hätten nur 11 Tage zum Sammeln der Unterschrif-
ten zur Verfügung gestanden. Es sei aber nicht möglich, in

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Kreisverwaltung. Am 21. Juli 2005 fand der Einspruchsfüh-
rer in seinem Briefkasten eine Benachrichtigung der mit der
Übersendung der Formblätter beauftragten DPD. Dieser
war zu entnehmen, dass man an diesem Tage erfolglos ver-
sucht hatte, ihm das Paket mit den Formblättern für die Un-
terstützungsunterschriften zuzustellen. Der Einspruchsfüh-
rer wandte sich in dieser Angelegenheit mit Schreiben vom
29. Juli und 10. August 2005 an die Bezirksregierung Köln.
Am 4. August 2005 wurden ihm die Formblätter in der
Kreisverwaltung persönlich übergeben. Am 15. August
2005 wurde der Kreiswahlvorschlag eingereicht, jedoch
ohne Unterstützungsunterschriften anderer Wahlberechtig-
ter. Deshalb wurde der Kreiswahlvorschlag zurückgewie-
sen. Die hiergegen beim Landeswahlausschuss eingelegte
Beschwerde hatte keinen Erfolg.

wiesen worden seien, nicht jedoch im Hinblick auf die Be-
setzung der Wahlvorstände. Die Stadt Leichlingen sei davon
ausgegangen, dass die Vorschrift den Parteien bekannt sei.
Die gleichzeitige Mitgliedschaft von Herrn R. O. als Beisit-
zer im Kreiswahlausschuss sei der Stadt Leichlingen bei sei-
ner Berufung zum Beisitzer in einen Wahlvorstand nicht be-
kannt gewesen. Ein mandatsrelevanter Wahlfehler sei jeden-
falls nicht zu erkennen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu er-
neut geäußert und seinen bisherigen Vortrag bekräftigt. Es
wird insoweit wie auch im Hinblick auf den Sach- und
Streitstand im Übrigen auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 213 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 213 – Drucksache 16/1800

Anlage 32

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. H., 51427 Bergisch Gladbach
– Az.: WP 61/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 24. September 2005, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am 29. September 2005 eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.

1. Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass er die Form-
blätter für die Unterstützungsunterschriften für Kreiswahl-
vorschläge zu spät erhalten habe, so dass nicht genügend
Zeit gewesen sei, die erforderlichen Unterstützungsunter-
schriften zu sammeln.

Der Einspruchsführer wurde am 16. Juli 2005 zum Direkt-
kandidaten für die „Familien-Partei Deutschlands“ im
Wahlkreis 101 (Rheinisch-Bergischer Kreis) gewählt. Am
17. Juli 2005 warf er die „entsprechenden Unterlagen“ in
den Nachtbriefkasten der Kreisverwaltung. Diese teilte ihm
am 19. Juli 2005 telefonisch mit, dass die Schreibweise der
Familien-Partei in den eingereichten Unterlagen nicht ein-

Die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen,
die zu dem Einspruch Stellung genommen hat, ist demge-
genüber der Ansicht, dass es weder rechtlich noch faktisch
unmöglich gewesen sei, bis zum 15. August 2005 Unterstüt-
zungsunterschriften in der erforderlichen Anzahl beizubrin-
gen. Darüber hinaus hätte der Einspruchsführer sich schon
wenige Tage nach Einreichung seiner Unterlagen beim
Kreiswahlamt mit dem Hinweis melden können, dass die
Formblätter ihm nicht zugegangen seien. Der Umstand, dass
das DPD-Paket nicht habe zugestellt werden können, sei
nicht dem Wahlamt zuzurechnen.

2. Des Weiteren rügt der Einspruchsführer die gleichzeitige
Mitgliedschaft des Herrn R. O. im Kreiswahlausschuss des
Wahlkreises 101 (Rheinisch-Bergischer Kreis) und im
Wahlvorstand des Wahlbezirks 7 in der Stadt Leichlingen.
Die Landeswahlleiterin bestätigt diesen Sachverhalt und er-
gänzt, dass die Parteien und Wählergemeinschaften, die wie
zu jeder Wahl bei der Berufung der Beisitzer in den Wahlor-
ganen um Mithilfe gebeten wurden, zwar im Hinblick auf
dieser kurzen Zeit 200 Unterstützungsunterschriften zu
sammeln.

Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Drucksache 16/1800 – 214 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 214 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

1. Der Umstand, dass der Einspruchsführer die Formblätter
für die gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 BWG erforderlichen Un-
terstützungsunterschriften erst am 4. August 2005 erhalten
hat, stellt keinen Wahlfehler dar. § 34 Abs. 4 Nr. 1 der Bun-
deswahlordnung (BWO) schreibt vor, dass der Kreiswahl-
leiter die Formblätter auf Anforderung kostenfrei zu liefern
hat. Das seinerseits hierzu Erforderliche hat der Kreiswahl-
leiter getan, indem er die Formblätter an die angegebene
Adresse schickte. Dass die Zustellung am 21. Juli 2005
nicht funktionierte, ist dem Kreiswahlleiter nicht anzulas-
ten. Vielmehr oblag es dem Einspruchsführer, sich beim
Kreiswahlleiter bzw. der mit deren Übersendung beauftrag-
ten DPD nach dem Verbleib der Formblätter zu erkundigen,
zumal ihm die DPD am 21. Juli 2005 eine Benachrichtigung
über die fehlgeschlagene Zustellung des Pakets mit den
Formblättern in den Briefkasten geworfen hatte.

2. Die Mitgliedschaft des Herrn R. O. sowohl im Kreiswahl-
ausschuss des Wahlkreises 101 als auch im Wahlvorstand
des Wahlbezirks 7 dieses Wahlkreises verstieß zwar gegen

§ 9 Abs. 3 Satz 1 BWG. Hiernach darf niemand in mehr als
einem Wahlorgan Mitglied sein. Sowohl der Kreiswahlaus-
schuss als auch der Wahlvorstand eines Wahlbezirks sind
gemäß § 8 Abs. 1 BWG Wahlorgane.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag stets angeschlossen haben, kann eine Wahl-
anfechtung jedoch nur dann Erfolg haben, wenn sie auf
Wahlfehler gestützt wird, die auf die Sitzverteilung von Ein-
fluss sind oder sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243
[254]; Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 37). Es ist
nicht feststellbar, dass sich der Wahlfehler auf die Sitzver-
teilung im Bundestag ausgewirkt hat, und nach der allge-
meinen Lebenserfahrung (vgl. zu diesem Erfordernis
BVerfGE 89, 243 [254]) ist eine solche Auswirkung hier
auch fern liegend.

Um jedoch vergleichbaren Vorkommnissen bei künftigen
Wahlen entgegenzuwirken, erwartet der Wahlprüfungsaus-
schuss, dass von den Wahlorganen künftig in geeigneter
Weise auf das Verbot des § 9 Abs. 3 Satz 1 BWG hingewie-
sen wird.

habe seinen Wahlbrief abgeben wollen. Die Annahme des
zugeklebten rosa Wahlbriefes, wie er üblicherweise per Post

II.

Auch das weitere Vorgehen des Wahlvorstandes begegnet
keit ereignet habe.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und

schlages erforderlich, um dem Einspruchsführer die Teil-
nahme an der Urnenwahl zu ermöglichen. Zu seiner Stimm-
abgabe bedurfte es nämlich der Vorlage des im Wahlbrief-
übermittelt werde, sei verweigert worden. Er habe den
Wahlbriefumschlag vielmehr aufreißen müssen, um gegen
Aushändigung des darin enthaltenen Wahlscheins einen
neuen Stimmzettel zu erhalten, mit dem er an der Urnen-
wahl habe teilnehmen können. Der Wahlumschlag mit dem
darin liegenden Stimmzettel sei von einem Mitglied des
Wahlvorstandes zerrissen worden.

Für die erste Zurückweisung habe er kein Verständnis, da
eine doppelte Stimmabgabe nachträglich festgestellt und be-
straft werden könne. Auch die „Tortur“ im Zusammenhang
mit dem Versuch, seinen Wahlbrief abzugeben, erscheine
ihm „nicht logisch“ und „unangebracht“, denn der Wahl-
brief habe zur Auswertung weitergeleitet werden können. Er
sehe hierin eine „zusätzliche Wahlbehinderung“ und „per-
sönliche Schikane“, da sich der Vorgang in aller Öffentlich-

keinerlei rechtlichen Bedenken.

Der Wahlvorstand im Wahllokal wäre für die Entgegen-
nahme des Wahlbriefes des Einspruchsführers nicht zustän-
dig gewesen. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 BWO kann
der Wähler den Wahlbrief zwar auch persönlich abgeben,
jedoch nur beim Kreiswahlleiter des Wahlkreises, für den
der Wahlschein gültig ist, bzw. – im Falle des § 66 Abs. 2
Satz 2 BWO – bei der Gemeindebehörde, die die Wahl-
scheine ausgestellt hat, oder der Verwaltungsbehörde des
Kreises, in dem die Gemeinden liegen, die die Wahlscheine
ausgestellt haben. Eine Abgabe im Wahllokal, wie sie vom
Einspruchsführer beabsichtigt war, ist hingegen nicht vorge-
sehen.

Weiterhin war auch das Öffnen des amtlichen Wahlbriefum-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 215 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 215 – Drucksache 16/1800

Anlage 33

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. K., 70188 Stuttgart
– Az.: WP 42/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 18. September 2005, das vom Bundes-
wahlleiter an den Deutschen Bundestag übermittelt wurde
und beim Wahlprüfungsausschuss am 27. September 2005
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag ein-
gelegt.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass ihm
die persönliche Stimmabgabe durch ein Mitglied des
Wahlvorstandes verwehrt worden sei. Er sei am Wahltag um
8.30 Uhr in das für ihn zuständige Wahllokal gegangen, um
seine Stimme abzugeben. Da er keine Wahlunterlagen mit
sich geführt habe, habe er seinen Personalausweis vorge-
legt. Im Wählerverzeichnis sei er als Briefwähler gekenn-
zeichnet gewesen. Trotz seiner Zusicherung, an der Brief-
wahl nicht teilgenommen zu haben, sei ihm deshalb die
Stimmabgabe verwehrt worden.

Um 12.15 Uhr sei er erneut im Wahllokal erschienen und

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. In dem gerügten Verhalten des Wahlvorstandes ist kein
Wahlfehler zu erblicken.

I.

Die Zurückweisung des Einspruchsführers durch den Wahl-
vorstand am Wahltag gegen 8.30 Uhr erfolgte rechtmäßig
auf der Grundlage des § 56 Abs. 6 Nr. 2 BWO. Nach dieser
Vorschrift hat der Wahlvorstand einen Wähler zurückzuwei-
sen, der keinen Wahlschein vorlegt, obwohl sich im Wähler-
verzeichnis ein Wahlscheinvermerk (§ 30 BWO) befindet.
Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Nach eigenem Vor-
bringen suchte der Einspruchsführer das Wahllokal auf,
ohne die ihm zugeschickten Wahlunterlagen, insbesondere
den Wahlschein, bei sich zu führen. Zugleich befand sich im
Wählerverzeichnis der Vermerk, dass dem Einspruchsführer
ein Wahlschein erteilt worden war.
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

umschlag befindlichen Wahlscheines, da ein Vermerk ge-
mäß § 30 BWO im Wählerverzeichnis eingetragen war.

Drucksache 16/1800 destag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 destag – 16. Wahlperiode
– 216 – Deutscher Bun– 216 – Deutscher Bun

Andernfalls hätte gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 2 BWO eine er-
neute Zurückweisung erfolgen müssen.

Schließlich war die anschließende Aufforderung, einen
neuen Stimmzettel auszufüllen, unumgänglich. Denn der im
Wahlumschlag befindliche Stimmzettel war nicht, wie es
§ 56 Abs. 2 S. 2 BWO vorschreibt, in der Wahlzelle ge-
kennzeichnet und gefaltet worden. Wähler, die ihren
Stimmzettel außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder
gefaltet haben, sind gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 4 BWO von der
Stimmabgabe zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217 – Drucksache 16/1800

Anlage 34

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. W., 50667 Köln
– Az.: WP 35/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,

Hinblick auf die Einzelheiten des Vortrags des Einspruchs-
führers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Verfassungswidrigkeit festgestellt hat, können einer Partei
keine rechtlichen Nachteile mit der Begründung, sie sei ver-
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des

fassungswidrig, auferlegt werden, insbesondere kann ihr
nicht versagt werden, Wahlvorschläge einzureichen.
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem am 26. September 2005 per Telefax übermittel-
ten Schreiben hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am
18. September 2005 eingelegt.

Er ist der Ansicht, dass SPD, GRÜNE, CDU und CSU nicht
hätten zur Wahl „zugelassen werden dürfen, weil sie verfas-
sungsfeindlich und auch nicht mehr Repräsentanten des
Volkes“ seien. Denn die Leistungen des Arbeitslosengeldes
II, die die von SPD und GRÜNEN getragene Bundesregie-
rung mit Zustimmung der CDU/CSU eingeführt habe, ver-
stießen gegen sozialstaatliche Prinzipien sowie Grund- und
Menschenrechte. Dies führt der Einspruchsführer in seinem
zehn Seiten umfassenden Schriftsatz und einem weiteren
Schriftsatz vom 27. September 2005 näher aus. Dabei zitiert
er ausführlich aus einem Schriftstück an die Staatsanwalt-
schaft Köln, in dem er dem Vorwurf entgegentritt, er habe
einen Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht dadurch
beleidigt, dass er ihm Rechtsbeugung vorgeworfen habe. Im

Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Aus dem vorgetragenen Sachverhalt wird eine Ver-
letzung wahlrechtlicher Vorschriften nicht ersichtlich. Die
vom Einspruchsführer behauptete „Verfassungsfeindlich-
keit“ von SPD, GRÜNEN, CDU und CSU hätte dem Wahl-
vorschlagsrecht dieser Parteien nur dann entgegengestanden,
wenn das Bundesverfassungsgericht in einem Parteiverbots-
verfahren nach Artikel 21 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes
(GG), §§ 13 Nr. 2, 43 ff. des Bundesverfassungsgerichtsge-
setzes (BVerfGG) deren Verfassungswidrigkeit festgestellt
hätte. Denn gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheidet
über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei allein
das Bundesverfassungsgericht. Solange dieses nicht die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219 – Drucksache 16/1800

Anlage 35

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn C. R., 10405 Berlin
– Az.: WP 192/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

spruch mit demselben Gegenstand eine Stellungnahme ab-
gegeben hat, bedauert das Vertauschen der Stimmzettel,

lern die erneute Stimmabgabe mit einem richtigen Wahlzet-
tel ermöglicht werden. Da der Wahlkreis jedoch mit mehr
geht aber davon aus, dass dies nicht in einem wahlergebnis-
relevanten Ausmaß geschehen ist.

Der Einspruchsführer hat von der Möglichkeit, sich zu der
Stellungnahme zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.

als 36 000 Stimmen Vorsprung gewonnen wurde, konnten
sich die 54 verbliebenen ungültigen Erststimmen nicht aus-
wirken. Ebenso wenig sind Auswirkungen auf die Vertei-
lung der Mandate aufgrund der ungültigen Zweitstimmen
denkbar.
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übersandten Schreiben vom 17. No-
vember 2005, das am 18. November 2005 beim Deutschen
Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen die Gültigkeit zur Wahl des 16. Deutschen
Bundestages eingelegt. Der Einspruch betrifft die Ausgabe
von Stimmzetteln im Wahllokal des Wahlbezirks 287 des
Wahlkreises 84 (Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg – Prenz-
lauer Berg-Ost).

In diesem Wahllokal wurden am Wahltag in der Zeit zwi-
schen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr die Stimmzettel des Wahl-
kreises 77 (Berlin-Pankow) statt der Stimmzettel des Wahl-
kreises 84 ausgegeben. 57 Wähler benutzten diese Stimm-
zettel. Drei von ihnen wiederholten die Stimmabgabe im
Laufe des Wahltages, nachdem das Versehen bemerkt wor-
den war. Der erstplatzierte Wahlkreisbewerber des Wahl-
kreises 84 erhielt 69 988 Stimmen, der zweitplatzierte
33 562.

Der Landeswahlleiter des Landes Berlin, der zu einem Ein-

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.

Zwar stand die Ausgabe von Stimmzetteln des Wahlkreises
77 in einem Wahllokal des Wahlkreises 84 im Widerspruch
zu § 30 Abs. 2 Nr. 1 BWG und § 45 Abs. 1 Nr. 1 der BWO,
wonach die Stimmzettel die in dem betreffenden Wahlkreis
zugelassenen Kreiswahlvorschläge enthalten müssen, und
ihre Benutzung zur Stimmabgabe führte gemäß § 39 Abs. 1
Nr. 1 BWG zur Ungültigkeit sowohl der Erst- als auch der
Zweitstimme. Dieser Wahlfehler hat sich jedoch nicht auf
die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag ausgewirkt.
Zwar konnte nur drei von insgesamt 57 betroffenen Wäh-

erreicht werden sollte, seinem Sohn das Haus „zuzuschan-
zen“. Der Einspruchsführer und seine Ehefrau seien dann

Wählerverzeichnis eingetragen wurde, noch dadurch, dass
ihm dies nicht mitgeteilt wurde, noch durch die Zurückwei-
Postzustellung dienen. Aufgrund der Abmeldung sei er auch
nicht mehr ins Wählerverzeichnis der Gemeinde aufgenom-
men worden. Eine Benachrichtigung über die Nichtauf-

deregisters eine praktisch handhabbare Grundlage für eine
Eintragung von Amts wegen zur Verfügung steht (vgl.
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 12
von ihrer in der Gemeinde wohnhaften Tochter in deren
Mietwohnung aufgenommen worden. „In mehrfachen Vor-
sprachen und Abstimmungen mit dem Bürgermeister“ sei
dann auch „die Meldung nach dem Bundesmeldegesetz“ un-
ter der Anschrift der Tochter erfolgt. Noch wenige Wochen
vor der Wahl habe er der 1. Stadträtin „die Notwendigkeit
der Aufrechterhaltung dieser Meldung“ erklärt. Gleichwohl
sei ihm die Teilnahme an der Urnenwahl versagt worden,
obwohl er einen gültigen Personalausweis vorgelegt habe.

Der Landeswahlleiter hat unter Einbeziehung des zuständi-
gen Kreiswahlleiters zu dem Einspruch Stellung genom-
men. Der Einspruchsführer sei zum 10. März 2005 von
Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden, weil er in
der Gemeinde tatsächlich nicht mehr wohne. Die Anmel-
dung bei der Tochter sollte nach deren Aussage lediglich der

sung von der Stimmabgabe im Wahllokal ist gegen Vor-
schriften des Wahlrechts verstoßen worden.

1. Der Einspruchsführer wurde zu Recht nicht von Amts
wegen in das Wählerverzeichnis der Gemeinde eingetragen.
Gemäß § 16 Abs. 1 BWO ist von Amts wegen ins Wähler-
verzeichnis nämlich nur einzutragen, wer am 35. Tag vor
der Wahl bei der Meldebehörde gemeldet ist. Aufgrund der
Abmeldung des Einspruchsführers am 10. März 2005 war
dies hier nicht der Fall.

Dabei ist unerheblich, ob die Abmeldung – wie der Ein-
spruchsführer meint – zu Unrecht erfolgte. Denn § 16
Abs. 1 BWO sieht die Eintragung von Amts wegen eben
nur bei Wahlberechtigten vor, die „gemeldet sind“, nicht
auch bei solchen, „die gemeldet sein müssten.“ Der Grund
dafür ist, dass nur im erstgenannten Fall in Gestalt des Mel-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221 – Drucksache 16/1800

Anlage 36

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. S., 65824 Schwalbach am Taunus
– Az.: WP 34/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 19. September 2005, das vom Bundes-
wahlleiter an den Deutschen Bundestag, bei dem es am
26. September 2005 eingegangen ist, weitergeleitet wurde,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt. Der Ein-
spruchsführer behauptet, durch eine ihm „vorenthaltene
Streichung im Wählerverzeichnis“ sei sein Wahlrecht unter-
laufen worden.

Zur Begründung trägt er vor, dass er und seine Frau bereits
vor Jahren von der Gemeinde Schwalbach „zwangsabge-
meldet“ worden seien, als sie vorübergehend in die pflegeri-
sche Versorgung der Mutter des Einspruchsführers in Süd-
deutschland eingebunden gewesen seien und ihr in der Ge-
meinde liegendes Haus an ihren Sohn und dessen Familie
übergeben hätten. Schon damals sei trotz intensiver Vor-
sprache beim seinerzeitigen Bürgermeister keine Korrektur
dieses „Missbrauchs des Bundesmeldegesetzes“ zu errei-
chen gewesen. Der Einspruchsführer vermutet, dass hiermit

Einsichtnahme bereitgehalten worden. Der Einspruchsfüh-
rer habe es versäumt, während der gesetzlichen Frist einen
Einspruch gegen das Wählerverzeichnis zu erheben oder
einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis zu
stellen. Deshalb habe ihm erst zu dem Zeitpunkt, als er am
Wahltag im Wahllokal erschien, mitgeteilt werden können,
dass eine Teilnahme an der Wahl nicht möglich sei.

Dem Einspruchsführer wurde die Stellungnahme zugäng-
lich gemacht. Er hat von der Möglichkeit, sich dazu zu
äußern, aber keinen Gebrauch gemacht.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Weder dadurch, dass der Einspruchsführer nicht ins
nahme sei gesetzlich nicht vorgesehen. Im Übrigen sei das
Wählerverzeichnis ordnungsgemäß gemäß § 17 BWG zur

Rn. 15). Das materielle Wahlrecht desjenigen, der zu Un-
recht nicht im Melderegister eingetragen ist, obwohl er eine

Drucksache 16/1800 – 222 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 222 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wohnung in der betreffenden Gemeinde innehat, wird da-
durch – entgegen der Ansicht des Einspruchsführers – nicht
unterlaufen. Denn er kann seine Eintragung ins Wählerver-
zeichnis selbst betreiben: Entweder – indirekt – indem er
noch vor dem 35. Tag vor der Wahl ggf. auf dem Verwal-
tungsrechtsweg doch noch seine Eintragung ins Melderegis-
ter erstreitet, so dass zum Stichtag des § 16 Abs. 1 BWO die
Voraussetzungen für eine Eintragung von Amts wegen vor-
liegen, oder – direkt – indem er einen Antrag auf Eintragung
ins Wählerverzeichnis stellt. Zwar wird dieser Fall nicht
ausdrücklich von den die Eintragung auf Antrag regelnden
Absätzen 2 bis 5 des § 16 BWO erfasst. Doch wenn derje-
nige, der sich im Wahlgebiet gewöhnlich aufhält ohne eine
Wohnung innezuhaben, auf Antrag einzutragen ist (§ 16
Abs. 1 Nr. 1b BWO), dann muss das erst recht für den gel-
ten, der sogar eine Wohnung innehat, aber zu Unrecht nicht
in das Melderegister aufgenommen worden ist. Dies gebie-
tet die Verwirklichung des materiellen Wahlrechts, dem
§ 17 BWG und § 16 BWO letztlich dienen.

Eine Eintragung ins Wählerverzeichnis auf Antrag konnte
hier nicht erfolgen, weil der Einspruchsführer einen solchen
Antrag nicht gestellt hatte.

kann auch nicht mit dem Fall der Streichung eines im Wäh-
lerverzeichnis Eingetragenen oder der Ablehnung eines An-
trags auf Eintragung ins Wählerverzeichnis gleichgesetzt
werden. Denn nur in den Fällen der Streichung und der An-
tragsablehnung ist sichergestellt, dass sich die Gemeindebe-
hörde des Betroffenseins einer bestimmten Person über-
haupt bewusst ist.

Wer entgegen seiner Erwartung nicht von Amts wegen in
das Wählerverzeichnis einer bestimmten Gemeinde einge-
tragen wird, kann im Übrigen auch daran, dass er keine
Wahlbenachrichtigung von der Gemeindebehörde erhält
(vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 BWO), merken, dass „etwas nicht
stimmt“ und entsprechende Erkundigungen einziehen (in
diesem Sinne auch Schreiber a. a. O., § 17 Rn. 6). Das gilt
umso mehr, als die Gemeindebehörde gemäß § 20 Abs. 1
Nr. 3 BWO öffentlich bekannt macht, dass Wahlberechtig-
ten, die in das Wählerverzeichnis eingetragen sind, bis spä-
testens zum 21. Tage vor der Wahl eine Wahlbenachrichti-
gung zugeht.

Welche melderechtlichen Unterrichtungspflichten im Zu-
sammenhang mit der Abmeldung des Einspruchsführers aus
dem Melderegister bestanden und ob diese erfüllt wurden,
2. Der Einspruchsführer musste über das Unterlassen der
Eintragung in das Wählerverzeichnis auch nicht informiert
werden. Eine Pflicht zu Unterrichtung des Betroffenen ist
nämlich lediglich im Falle der Streichung eines bereits im
Wählerverzeichnis Eingetragenen oder der Ablehnung eines
Antrags auf Eintragung ins Wählerverzeichnis vorgesehen
(vgl. § 16 Abs. 3 Satz 5 letzter Halbsatz, § 16 Abs. 8 Satz 1
BWO).

Der Fall des Unterlassens der Eintragung einer nicht im
Melderegister stehenden Person in das Wählerverzeichnis

ist eine Frage, die sich – ebenso wie die Frage, ob der Ein-
spruchsführer zu Unrecht aus dem Melderegister gestrichen
wurde, – nicht unmittelbar auf das Wahlverfahren bezieht
und damit nicht Gegenstand der Wahlprüfung ist (vgl. Bun-
destagsdrucksache 15/1150, Anlage 8, Seite 33; Anlage 40,
S. 124).

3. Die Zurückweisung des Einspruchsführers im Wahllokal
war gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 1 BWO unvermeidlich, da er
weder im Wählerverzeichnis eingetragen war noch einen
Wahlschein besaß.

rer wurde, da er am 14. August 2005 nicht im Melderegister
der Stadt Leipzig stand, auch nicht von Amts wegen in

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass die Leipziger
Adresse, unter der er bis 1996 gemeldet war, seine „rechts-

unterlagen – werden nach § 26 BWO von derjenigen
Gemeindebehörde ausgestellt, in deren Wählerverzeichnis
der Wahlberechtigte eingetragen ist oder hätte eingetragen
deren Wählerverzeichnis aufgenommen. Am 17. August
2005 wurde der Einspruchsführer in Bornheim von Amts
wegen abgemeldet, da er nach unbekannt verzogen war. Am
26. August 2005 stellte der Einspruchsführer bei der Stadt
Leipzig einen Antrag auf Ausstellung von Briefwahlunter-
lagen. Dieser wurde am 1. September 2005 mit der Begrün-
dung abgelehnt, dass er nicht in Leipzig wohne und deshalb
auch nicht im Leipziger Wählerverzeichnis stehe. Nach
Mitteilung der Stadt Bornheim habe er seinen Hauptwohn-
sitz in Bornheim. Deshalb müsse er die Briefwahlunterlagen
dort beantragen. Der hiergegen eingelegte Einspruch des
Einspruchsführers wurde am 12. September 2005 mit der-
selben Begründung zurückgewiesen. Am 27. Oktober 2005
erfuhr die Stadt Leipzig von der Stadt Bornheim, dass der
Einspruchsführer bereits am 17. August 2005 auch in Born-
heim abgemeldet worden war.

WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Der vom Einspruchsführer bei der Stadt Leipzig ge-
stellte Antrag „auf Teilnahme als Wähler per Briefwahl“ ist
zu Recht zurückgewiesen worden; Gleiches gilt für den ge-
gen die Zurückweisung eingelegten Einspruch.

Die Teilnahme an der Wahl durch Briefwahl setzt gemäß
§ 14 Abs. 3b des Bundeswahlgesetzes (BWG) den Besitz
eines Wahlscheins voraus. Der Wahlschein – und mit ihm
gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BWO in der Regel die Briefwahl-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223 – Drucksache 16/1800

Anlage 37

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. M., 10376 Berlin
– Az.: WP 41/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem vom Bundeswahlleiter weitergeleiteten und beim
Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages am
27. September 2005 eingegangenen Schreiben vom 19. Sep-
tember 2005 hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.
Gegenstand des Einspruchs ist die Zurückweisung des bei der
Stadt Leipzig gestellten Antrags des Einspruchsführers auf
Teilnahme als Wähler per Briefwahl.

Der Einspruchsführer wurde 1996 von Amts wegen für
seine Wohnung in Leipzig abgemeldet, da er nach Auffas-
sung der Stadt Leipzig dort nicht mehr wohnte. 1999 zog er
nach Bornheim. Die Wohnung in Bornheim wurde im Mel-
deregister der Stadt Bornheim zunächst als Nebenwohnung
geführt, während als Hauptwohnsitz Leipzig angegeben
war. Im April 2005 wurde die Nebenwohnung in Bornheim
dann zur Hauptwohnung erklärt. Dies wurde der Stadt Leip-
zig im Zuge der Datenübermittlung zwischen den Melde-
behörden am 18. April 2005 mitgeteilt. Der Einspruchsfüh-

sei die Klärung zwischen Haupt- und Nebenwohnung nicht
seine Sache. Seinen Rechtsstandpunkt untermauert der Ein-
spruchsführer dadurch, dass er auf Schreiben weiterhin
seine frühere Leipziger Adresse angibt und seine Karlsruher
Adresse, unter der er auch postalisch zu erreichen ist, als
derzeitige Post- oder Reiseanschrift bezeichnet, die er nur
vorübergehend zum Zwecke der Führung eines Prozesses
vor dem Bundesverfassungsgericht innehabe.

Die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen, die zu dem
Einspruch Stellung genommen hat, ist der Ansicht, dass der
Antrag auf Ausstellung von Briefwahlunterlagen zu Recht
zurückgewiesen worden ist. Denn der Einspruchsführer sei
weder zum Stichtag für die Erstellung des Wählerverzeich-
nisses am 14. August 2005 in Leipzig gemeldet gewesen
noch habe er erklärt, dass er in Leipzig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der Stellung-
nahme und der schriftlichen Gegenäußerung des Ein-
spruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.
gültige Hauptwohnung“ geblieben ist. Er sei weder umge-
zogen noch müsse er sich in Leipzig abmelden. Im Übrigen

werden müssen. Der Einspruchsführer war aber weder im
Wählerverzeichnis der Stadt Leipzig, bei der er seinen

Drucksache 16/1800 – 224 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 224 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Antrag stellte, eingetragen, noch hätte er in deren Wähler-
verzeichnis eingetragen werden müssen.

Eine Eintragung in das Wählerverzeichnis von Amts wegen
nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BWO kam nicht in Betracht, weil der
Einspruchsführer seit seiner Abmeldung am 6. März 1996
nicht mehr bei der Meldebehörde der Stadt Leipzig für eine
Wohnung gemeldet war. Zwar ist der Einspruchsführer of-
fenbar der Ansicht, dass diese Abmeldung zu Unrecht er-
folgte. Denn er bezeichnet seine damalige Leipziger Wohn-
adresse weiterhin als „rechtsgültige Hauptwohnung“. Dies
ist jedoch unerheblich. Denn von Amts wegen in das Wäh-
lerverzeichnis eingetragen werden ausweislich des Wort-
lauts des § 16 Abs. 1 BWO eben nur jene Wahlberechtigten,
die „gemeldet sind“, nicht auch diejenigen, die „gemeldet
sein müssten“. Der Grund dafür ist, dass nur im erstgenann-
ten Fall in Gestalt des Melderegisters eine praktisch hand-
habbare Grundlage für eine Eintragung von Amts wegen zur

Verfügung steht (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG,
7. Auflage 2002, § 12 Rn. 15). Abgesehen davon gab es
aber auch überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der
Einspruchsführer tatsächlich am Stichtag für die Erstellung
des Wählerverzeichnisses, dem 14. August 2005, in Leipzig
seinen Hauptwohnsitz hatte. Vielmehr lag der Stadt Leipzig
zu diesem Zeitpunkt eine Mitteilung der Stadt Bornheim
vom 28. April 2005 vor, wonach der Einspruchsführer seine
bisherige Nebenwohnung in Bornheim am 14. April 2005
zur Hauptwohnung erklärt hatte.

Auch auf Antrag hätte der Einspruchsführer nicht in das
Wählerverzeichnis der Stadt Leipzig eingetragen werden
müssen. Hierzu hätte er einen Antragstatbestand gegenüber
der Stadt Leipzig darlegen müssen, etwa, dass er, ohne eine
Wohnung innezuhaben, sich in Leipzig gewöhnlich aufhält
(vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1b, § 17 Abs. 2 Nr. 2 BWO). Dies hat
er aber nicht getan.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225 – Drucksache 16/1800

Anlage 38

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn E. B., 29351 Eldingen
– Az.: WP 114/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

habe er nicht nehmen können, da ihm die hohen Fahrtkosten
nicht erstattet worden wären.

BWG zur Teilnahme an der Wahl durch Briefwahl berech-
tigt.
Tatbestand

Mit Schreiben vom 20. September 2005, das vom Kreis-
wahlleiter des Wahlkreises 44 (Celle-Uelzen) an den Deut-
schen Bundestag übermittelt wurde und beim Wahlprü-
fungsausschuss am 20. Oktober 2005 eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass ihm
die Fahrerlaubnis entzogen worden sei und er durch diese
„eigenmächtige und nicht gesetzlich festgelegte Verwal-
tungshandlung“ des Landkreises Celle an der Ausübung sei-
nes Wahlrechts gehindert worden sei. Durch den Entzug sei-
ner Fahrerlaubnis sei seine Arbeit zeitaufwändiger gewor-
den. Der Weg zur Arbeit dauere seitdem statt zehn Minuten
mit dem Auto eine Stunde mit dem Fahrrad. Aufgrund die-
ser Situation sei er gezwungen gewesen, am Wahlsonntag
zur Arbeit zu gehen. Auch habe er niemanden gefunden, der
ihn kurzfristig zu seinem Wahllokal in Eldingen-Metzingen
hätte fahren können. Ein Taxi für die Hin- und Rückfahrt

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Selbst wenn man unterstellt, dass es dem Einspruchsführer
aufgrund seiner Arbeitsbelastung tatsächlich nicht möglich
gewesen ist, das Wahllokal – etwa mit Hilfe des öffentlichen
Personennahverkehrs – persönlich aufzusuchen, ergibt sich
daraus noch nicht, dass es ihm unmöglich oder unzumutbar
war, an der Wahl teilzunehmen. Denn wer aus beruflichen
Gründen den Wahlraum nicht oder nur unter unzumutbaren
Schwierigkeiten aufsuchen kann, erhält gemäß § 25 Abs. 1
Nr. 3 der Bundeswahlordnung (BWO), § 17 Abs. 2 BWG
auf Antrag einen Wahlschein, der ihn gemäß § 14 Abs. 3b

macht führt zur näheren Bezeichnung der Verfassungsbe-
schwerde sechs verschiedene, nicht abschließende Gründe
auf, die sich alle auf die vorzeitige Auflösung des Deut-

Wahlgleichheit und des Grundsatzes der Chancengleichheit
der Parteien gemäß Artikel 21 GG stellten die Unterschrif-
tenquoren für die nicht bereits parlamentarisch vertretenen
Bevollmächtigter:
Einspruchsführer zu 1.

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer zu 1. hat durch Schreiben vom 8. No-
vember 2005 im eigenen Namen sowie – als Einspruchsfüh-
rer zu 11. – als Landesvorsitzender des Landesverbandes
Baden-Württemberg der Deutschen Zentrumspartei – Äl-
teste Partei Deutschlands gegründet 1870 (Zentrum) Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 eingelegt. Durch die-
selbe Einspruchsschrift legt der Einspruchsführer zu 1. den
Einspruch auch im Namen der Einspruchsführer zu 2. bis
10. ein.

Trotz schriftlicher Aufforderung durch das Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses vom 26. Januar 2006 hat es der
Einspruchsführer zu 1. versäumt, eine sich ausdrücklich auf
das Wahlprüfungsverfahren beziehende Vollmacht des Ein-
spruchsführers zu 10. vorzulegen. Insoweit legte der Ein-
spruchsführer zusammen mit der Einspruchsschrift nur eine
Vollmacht vor, die sich ausweislich ihres Wortlautes auf die
Durchführung eines „Verfassungsbeschwerdeverfahrens“
vor dem Bundesverfassungsgericht bezieht. Diese Voll-

Die Einspruchsführer wenden sich im Wesentlichen gegen
die Ausgestaltung der Bundestagswahl unter den Bedingun-
gen einer vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundesta-
ges.

Die Einspruchsführer engagieren sich politisch in der Partei
Deutsche Zentrumspartei – Älteste Partei Deutschlands ge-
gründet 1870 (Zentrum). Sie tragen vor, die Einspruchsfüh-
rer zu 1. und zu 2. seien in den Wahlkreisen Rastatt und
Reutlingen als Kreiswahlvorschläge benannt worden. Es sei
wegen der vorzeitigen Bundestagsauflösung jedoch nicht
gelungen, die gemäß § 20 Abs. 2 BWG erforderlichen Un-
terstützungsunterschriften beizubringen. Gleiches gelte für
die bei der Einreichung der Landesliste gemäß § 27 Abs. 1
BWG erforderlichen Unterstützungsunterschriften.

Die Einspruchsführer machen die Verfassungswidrigkeit
von § 20 Abs. 2 und § 27 Abs. 1 BWG geltend und begrün-
den dies im Wesentlichen mit einer Verletzung des passiven
Wahlrechts der Einspruchsführer zu 1. und zu 2. gemäß Ar-
tikel 38 GG sowie der Wahlrechtsgrundsätze, insbesondere
der Freiheit und Gleichheit der Wahl. Hinsichtlich der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 227 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 227 – Drucksache 16/1800

Anlage 39

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn A. D., 76437 Rastatt
2. des Herrn E. J., 72766 Reutlingen
3. der Frau M. G., 79104 Freiburg
4. der Frau M. M., 72764 Reutlingen
5. des Herrn J. B., 73037 Göppingen
6. des Herrn E. W., 72218 Wildberg
7. des Herrn T. T., 72218 Wildberg
8. des Herrn F. F., 72762 Reutlingen
9. des Herrn M. D., 76437 Rastatt

10. des Herrn B. L., 79117 Freiburg
11. des Landesverbandes Baden-Württemberg

der Deutschen Zentrumspartei –
Älteste Partei Deutschlands gegründet 1870
(Zentrum),
vertreten durch den Landesvorsitzenden,
Herrn A. D., 76437 Rastatt (zugleich Einspruchsführer zu 1).

– Az.: WP 152/05 –
schen Bundestages und die Durchführung von Neuwahlen
beziehen.

Parteien ein verfassungswidriges Zulassungshindernis dar,
während die Geheimheit der Wahl dadurch verletzt werde,

Drucksache 16/1800 – 228 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 228 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dass die Unterstützer des Wahlvorschlags zu einer Offenle-
gung ihres Wahlverhaltens genötigt würden. Weiterhin ver-
letze es die in Artikel 1 GG geschützte Würde der Mitglie-
der einer zugelassenen politischen Partei, vor der Zulassung
zur Wahl Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Artikel
2 GG „spreche gegen die Regelungswut, die der Gesetzge-
ber aus Artikel 38 Abs. 3 GG abgeleitet hat“. Im Übrigen
verletzten die für die Unterstützungsunterschriften zu ver-
wendenden Formblätter wegen des Umfangs der zu eröff-
nenden Informationen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Nach Ansicht der Einspruchsführer sind wegen dieser Ver-
fassungsverstöße die §§ 20 Abs. 2, 27 Abs. 1 BWG – und
damit das Erfordernis der Beibringung von Unterstützungs-
unterschriften – „bis auf weiteres auszusetzen“. Damit hätte
bei der Bundestagswahl auf das Unterschriftenquorum ganz
oder zumindest teilweise – im Sinne einer Herabsetzung –
verzichtet werden müssen.

Die Besserstellung der in § 18 Abs. 2 BWG umschriebenen
Parteien verdeutliche, dass sich der Gesetzgeber bei der
Schaffung der Unterschriftenquoren allein vom Gedanken
eines „Machterhalts“ der in den Landtagen und dem Bun-
destag vertretenen Parteien und nicht von einem Nachweis
der Ernsthaftigkeit habe leiten lassen. Nach Ansicht der
Einspruchsführer wird der Ernsthaftigkeitsnachweis bei be-
reits gegründeten Parteien bereits durch die Tatsache der
Parteigründung und Feststellung der Parteieigenschaft so-
wie das „Antreten zur Wahl“ erbracht. Darüber hinaus
wären allenfalls gewisse Anforderungen an die „Organisa-
tionstiefe“ der Partei hinnehmbar. Im Übrigen seien die
Unterschriftenquoren allein auch nicht zum Nachweis der
„politischen Ernsthaftigkeit“ sowie zu einer Ausgrenzung
extremer Parteien geeignet.

Zur Wahrung der Arbeitsfähigkeit der Parlamente sei eine
Sperrklausel vollkommen ausreichend.

Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei allerdings ebenso wie die
in § 18 ff. des Parteiengesetzes (PartG) geregelte staatliche
Teilfinanzierung der Parteien verfassungswidrig. So stelle
die in § 6 Abs. 6 BWG geregelte Fünf-Prozent-Sperrklausel
eine zu hohe, für parlamentarisch nicht bereits vertretene
Parteien unüberwindbare Hürde dar. Unter den Bedingun-
gen der gegenwärtigen Grundsätze der Parteienfinanzierung
sei es „kleinen und neuen“ Parteien nicht möglich, den zur
Erreichung der Fünf-Prozent-Sperrklausel erforderlichen
Wahlkampf zu finanzieren. Die Einspruchsführer schlagen
alternativ eine Absenkung der Sperrklausel auf „mindestens
3 [scil. gewählte] Bewerber der Landesliste“ vor. Der „Wir-
kungszusammenhang“ der Regelungen des Bundeswahlge-
setzes und des Parteiengesetzes verstärke diese Benachteili-
gung kleiner und neuer Parteien.

Zum Nachweis der Ernsthaftigkeit ihrer Kreiswahlvor-
schläge schildern die Einspruchsführer Einzelheiten der Or-
ganisationsstruktur und Programmatik der Zentrumspartei.
Weiterhin rügen sie, dass in § 20 Abs. 2 BWG nicht darauf
abgestellt werde, ob die den Kreiswahlvorschlag einrei-
chende Partei – unabhängig von ihrem Erfolg – an einer der
letzten Wahlen im Wahlbezirk teilgenommen habe. So habe
die Zentrumspartei an den Wahlen zum Europäischen Parla-
ment und der Kreisverband Rastatt auch an der Kommunal-
wahl teilgenommen. Eine erneute Sammlung von Unterstüt-

Im Übrigen sei es wegen der vorzeitigen Auflösung des
Deutschen Bundestages unmöglich gewesen, die erforder-
lichen Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Die in
§ 52 Abs. 3 BWG verankerte Ermächtigung zur Fristverkür-
zung sei wegen eines Verstoßes gegen die Artikel 2, 3, 21
und 38 GG verfassungswidrig, weil es der Gesetzgeber un-
terlassen habe, für diesen Fall die Quoren herabzusenken.
Auf diese Weise sei insgesamt 13 kleineren Parteien in ver-
fassungswidriger Weise die Zulassung zur Bundestagswahl
verweigert worden.

Die geltend gemachten Wahlfehler hätten schließlich auf die
Zusammensetzung des Deutschen Bundestages einen erheb-
lichen Einfluss gehabt. So hätten die kleineren Parteien ins-
gesamt deutlich über fünf Prozent der Stimmen erlangen
können.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags, insbesondere zu allge-
meinen politischen Themen, wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Soweit der gemeinschaftliche Einspruch im Namen des Ein-
spruchsführers zu 10. eingelegt worden ist, erscheint es als
fraglich, ob der für eine Zulässigkeit erforderliche Nach-
weis der Bevollmächtigung erbracht ist, weil sich die Voll-
macht ihrem Erklärungsinhalt nach nur auf eine Verfas-
sungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht, nicht
jedoch auf das Wahlprüfungsverfahren bezieht. Es kann je-
doch dahingestellt bleiben, ob der Einspruch insoweit unzu-
lässig ist. Denn er ist – sowohl im Hinblick auf den Ein-
spruchsführer zu 10. als auch im Hinblick auf die anderen
Einspruchsführer – jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Ein Wahlfehler liegt nicht vor.

1. Unterschriftenquoren bei „anderen Kreiswahlvorschlä-
gen“ gemäß § 20 Abs. 3 BWG

Kreiswahlvorschläge bedürfen gemäß § 20 Abs. 3 BWG
auch im Falle einer vorzeitigen Bundestagsauflösung der
Beibringung von 200 Unterstützungsunterschriften.
Wird diesem Erfordernis nicht genüge getan, sind sie
durch den Kreiswahlausschuss gemäß § 26 BWG zu-
rückzuweisen.

Das Erfordernis der Beibringung von – damals 500 –
Unterstützungsunterschriften für Kreiswahlvorschläge
findet sich bereits in § 15 Abs. 3 des Reichswahlgesetzes
in der Fassung vom 13. März 1924 (RGBl. I S. 173) und
wurde durch § 11 Abs. 1 des Wahlgesetzes zum ersten
Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bun-
desrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 (BGBl. I
S. 21) für Wahlvorschläge unabhängiger Kandidaten
übernommen (vgl. hierzu BVerfGE 3, 19 ff.). In der
Folge hat der Bundesgesetzgeber das Beibringungserfor-
dernis im Hinblick auf die Anzahl der erforderlichen Un-
terstützungsunterschriften und eine Differenzierung
nach den Trägern des Wahlvorschlagsrechtes mehrfach
zungsunterschriften halten die Einspruchsführer für unzu-
mutbar.

geändert. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundes-
wahlgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229 – Drucksache 16/1800

dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom
8. März 1985 (BGBl. I S. 521) hat der Bundesgesetzge-
ber weiterhin zum Ausdruck gebracht, an dem Erforder-
nis eines Unterschriftenquorums ausnahmslos – und da-
mit auch im Fall der Wahlvorbereitung nach einer
Auflösung des Deutschen Bundestages – festhalten zu
wollen (vgl. hierzu BVerfG, 2 BvE 5/05 vom 23. August
2005, Absätze 21 und 43). Durch die Einführung des
heutigen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWG hat der Gesetzgeber
nämlich eine Sonderregelung in Bezug auf die Frist des
§ 21 Abs. 3 Satz 4 erster Halbsatz BWG für den Fall der
vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode geschaffen.
Danach gelten die Fristen, nach deren Ablauf die Par-
teien frühestens mit der Aufstellung von Parteibewer-
bern beginnen dürfen, nicht im Fall des vorzeitigen
Endes der Wahlperiode. Mit dieser auch auf den Auf-
lösungsfall nach Artikel 68 GG anzuwendenden Sonder-
regelung (vgl. Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 39) hat
der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die wahlrecht-
lichen Folgen einer Bundestagsauflösung nach Artikel
68 GG, die aus der Fristverkürzung des Artikels 39
Abs. 1 Satz 4 GG resultieren, bedacht hat. Dabei hat er
davon abgesehen, entsprechende Ausnahmetatbestände
zum Erfordernis der Unterstützungsunterschriften – z. B.
in Form einer Absenkung oder Suspendierung des Quo-
rums – zu schaffen.

Der Wahlprüfungsausschuss sieht sich nicht berufen,
diese Entscheidung des Gesetzgebers auf ihre Verfas-
sungskonformität hin zu überprüfen. Er hat dies stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Davon ab-
gesehen bestehen an der Verfassungskonformität von
§ 20 Abs. 3 BWG in seiner oben dargestellten Ausle-
gung keine Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht hat
in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Zu-
lassungsbedingungen zur Bundestagswahl aufgestellt
werden dürfen. Im Hinblick auf das Unterschriften-
quorum hat es festgestellt, dass dieses unter bestimmten
Voraussetzungen mit den Grundsätzen der formalen
Wahlrechtsgleichheit, der Allgemeinheit der Wahl, der
Geheimhaltung der Wahl, der Wettbewerbschancen-
gleichheit der Parteien sowie der Garantie des passiven
Wahlrechts vereinbar ist (vgl. u. a. BVerfGE 1, S. 208,
248; 3, S. 19, 25 ff.; 71, S. 81, 96 f; 85, S. 264, 293 so-
wie Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 20 Rn. 8, 9, 16 m. w. N.). Bei der zahlenmäßigen Fest-
legung des Quorums steht dem Gesetzgeber ein Ermes-
sensspielraum zu (zum Ermessenspielraum BVerfGE 3,
S. 19, 24; 59, S. 119, 124; 95, S. 335, 349). Das auf 200
Unterstützungsunterschriften abgesenkte Quorum hat
das Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform
bestätigt (BVerfGE 24, S. 260, 265; 60, S. 162, 168 f.,
172, 175; 67, S. 369, 380). Das Unterschriftenquorum
dient dem Nachweis der Ernsthaftigkeit der Bewerbung
und dem Ausscheiden nicht ernsthaft gemeinter oder von
vornherein aussichtsloser Wahlvorschläge. Durch das
Quorum soll im Interesse der Durchführbarkeit der Wah-
len gewährleistet werden, dass nur solche Wahlvor-
schläge zugelassen werden, von denen zumindest ver-
mutet werden kann, dass hinter ihnen eine ernst zu
nehmende politische Gruppe steht, die sich mit diesem

einräumen wollen, die in der Beteiligung am Wahlkampf
liegt (BVerfGE 4, S. 375, 381 f.). Neben dem Kriterium
der Ernsthaftigkeit ist damit eine in einem Mindestmaß
an politischem Rückhalt in der Wählerschaft begründete
potentielle Erfolgsaussicht als Zulassungsbedingung be-
schrieben, die politisch kurzlebige Zufallsbildungen von
einer Teilnahme am Wahlkampf ausschließt. Dem Er-
fordernis der Unterstützungsunterschriften wohnt damit
das Motiv der „Sicherung des Charakters der Wahl als
eines auf die Bildung funktionsfähiger Verfassungsor-
gane gerichteten Integrationsvorganges“ inne (BVerfGE
14, S. 121, 135). Indem das Unterschriftenquorum indi-
rekt bereits vor der Wahl der Stimmenzersplitterung
entgegenwirkt, verfolgt es – wie die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel – den Zweck, die Bildung staatspolitisch er-
wünschter Mehrheitsverhältnisse und handlungsfähiger
sowie die wesentlichen politischen Anschauungen wi-
derspiegelnder Verfassungsorgane zu ermöglichen
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 20 Rn. 8, 9, 16 m. w. N.).

Auch aus der Anwendbarkeit des Quorums auf den Fall
einer Auflösung des Deutschen Bundestages nach Arti-
kel 68 Abs. 1 GG und die Festsetzung von Neuwahlen
innerhalb der 60-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4
GG ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verfas-
sungswidrigkeit von § 20 Abs. 3 BWG. Wie das Bun-
desverfassungsgericht bereits zu der ersten gesamtdeut-
schen Wahl festgestellt hat, kommt es nach dem Zweck
des Quorums gerade nicht darauf an, ob den an einer
Kandidatur Interessierten genügend Zeit für die Vorbe-
reitung der Kandidatur verbleibt oder sie an der Einrei-
chung von Wahlvorschlägen nur deswegen gehindert
sind, weil es ihnen aufgrund organisatorischer Schwie-
rigkeiten in der Kürze der Zeit nicht gelingt, die Unter-
stützungsunterschriften zu sammeln (BVerfGE 82, 353,
364). Der Ausschluss ihrer Wahlbewerbung entspreche
auch in diesen Fällen gerade dem oben dargestellten
Sinn des Unterschriftenquorums. Die mit der Beibrin-
gung der Unterstützungsunterschriften verbundene Ver-
mutung, dass hinter dem Wahlvorschlag eine ernst zu
nehmende politische Gruppe steht, die sich mit diesem
Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen wünscht,
oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die Chance
einräumen wollen, die in der Beteiligung am Wahlkampf
liegt, sei gerade nicht begründet, wenn die Unterstüt-
zungsunterschriften nicht beigebracht würden. In seiner
zur ersten gesamtdeutschen Wahl ergangenen Entschei-
dung bezog sich das Bundesverfassungsgericht zwar le-
diglich auf die kurzfristige Ausdehnung des Wahlgebie-
tes auf die neuen Bundesländer und somit auf einen
besonderen Aspekt der Kurzfristigkeit. Wenn aber be-
reits die mit der Sondersituation der deutschen Einigung
verbundene Tatsache, dass die an einer Kandidatur inter-
essierten Parteien, die zuvor lediglich auf dem Gebiet
der sog. alten Bundesländer tätig waren und damit über
keinerlei organisatorische Strukturen und Bekanntheit in
den Beitrittsländern verfügten, für die uneingeschränkte
Anwendbarkeit des Quorums ohne rechtlichen Belang
war, so wird dies erst recht für den vorliegenden Fall
gelten, in dem die an einer Kandidatur Interessierten in
Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen wünscht,
oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die Chance

keiner Weise gehindert waren, sich rechtzeitig des not-
wendigen politischen Rückhalts in der Wählerschaft zu

Drucksache 16/1800 – 230 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 230 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

vergewissern. Wegen der Ausrichtung des Quorums auf
einen objektiven Rückhalt des Wahlvorschlags in der
Wählerschaft kommt es – anders als von den Ein-
spruchsführern vertreten – gerade nicht darauf an, dass
die Sammlung der Unterstützungsunterschriften durch
die Auflösung des Deutschen Bundestages erschwert
worden ist. Gerade wegen der im Grundgesetz vorgese-
henen Möglichkeiten einer vorgezogenen Bundestags-
wahl orientieren sich die Regelungen des Bundeswahl-
gesetzes daran, ob die in einem Mindestmaß an
politischem Rückhalt in der Wählerschaft begründete
potentielle Erfolgsaussicht tatsächlich vorliegt, nicht, ob
sie theoretisch vorliegen und nach einiger Zeit erreicht
werden könnte. Den Nachweis der Ernsthaftigkeit eines
Wahlvorschlags an der bloßen Teilnahme an einer „der
letzten Wahlen im Wahlbezirk“ festmachen zu wollen,
scheidet demnach aus.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in der zi-
tierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass „äu-
ßerst knappe Zeiträume“ hinzunehmen seien, „wenn sie
– wie etwa bei vorzeitiger Auflösung des Bundestages –
für alle betroffenen Parteien im gesamten Wahlgebiet in
gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, S. 353, 368). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. So-
mit bestehen an der Vereinbarkeit von § 20 Abs. 3 BWG
mit den Wahlrechtsgrundsätzen und der Garantie des
passiven Wahlrechts keine Zweifel.

Kreiswahlvorschläge, die diesen gesetzlichen Anforde-
rungen nicht entsprachen, waren damit durch die Wahl-
organe zurückzuweisen.

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der
Ausgestaltung des Quorums seinen Ermessensspielraum
auch anders hätte ausüben können bzw. wie er diesen
noch ausüben könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprü-
fung.

2. Nichtzulassung von Landeslisten gemäß § 28 Abs. 1
Nr. 2 BWG

Auch soweit die Einspruchsführer die Zurückweisung
von insgesamt 13 Landeslisten durch die zuständigen
Landeswahlausschüsse rügen, liegt ein Wahlfehler nicht
vor. Vielmehr sind die Zurückweisungen gemäß § 28
Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 BWG rechtmäßig. Die
Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz be-
stimmt, dass Landeslisten von dem Vorstand des Lan-
desverbandes der Partei oder, wenn ein Landesverband
oder eine einheitliche Landesorganisation nicht besteht,
von den Vorständen der nächstniedrigen Gebietsver-
bände, die im Bereich des Landes liegen, persönlich und
handschriftlich zu unterzeichnen sind. Landeslisten
„neuer“ Parteien i. S. d. § 18 Abs. 2 BWG müssen nach
dem in § 27 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BWG veran-
kerten Unterschriftenquorum darüber hinaus zusätzlich
zu diesen Unterschriften zum Nachweis eines Rückhal-
tes in der Wählerschaft und der Ernsthaftigkeit des
Wahlvorschlages noch von 1 vom Tausend der Wahlbe-
rechtigten des Landes bei der letzten Bundestagswahl,
jedoch von höchstens 2 000 Wahlberechtigten des Lan-
des, persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein.

stehen schon deswegen keine Zweifel, weil das Bundes-
verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit bereits
1953 festgestellt hat (BVerfGE 3, 19, 29 ff. – zum da-
mals maßgeblichen höheren Quorum von 2 500 Unter-
schriften – sowie zuletzt BVerfGE 82, S. 353 ff.). Da-
nach verstößt das Unterschriftenquorum weder gegen
die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der
Wahl noch gegen das Prinzip der Geheimhaltung der
Wahl. Da eine ordnungsgemäße Wahlvorbereitung auch
die Prüfung der Echtheit der Unterschriften und der
Wahlberechtigung durch die Wahlbehörden erfordert
(BVerfGE 5, S. 77 ff., 82), sind auch keine Anhalts-
punkte dafür erkennbar, dass die Sammlung der Unter-
stützungsunterschriften auf den dafür vorgesehenen Vor-
drucken gegen die Würde der Parteimitglieder und den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße.

Diesen Entscheidungen liegt zwar lediglich der Fall ei-
nes regulären Wahlperiodenwechsels – und somit kein
Auflösungsfall – zu Grunde. Aus den oben zu § 20
Abs. 3 BWG dargestellten Erwägungen ergibt sich je-
doch auch die uneingeschränkte Anwendbarkeit des in
§ 27 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BWG verankerten
Quorums auf den Fall einer Auflösung des Deutschen
Bundestages. So gilt insbesondere auch in diesem Zu-
sammenhang, dass der Gesetzgeber die wahlrechtlichen
Folgen einer Bundestagsauflösung nach Artikel 68 GG,
die aus der Fristverkürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4
GG resultieren, bedacht hat. Dabei hat er davon abgese-
hen, entsprechende Ausnahmetatbestände zum Erforder-
nis der Unterstützungsunterschriften – z. B. in Form
einer Absenkung oder Suspendierung des Quorums – zu
schaffen. Wie oben bereits dargelegt wurde, hat das Bun-
desverfassungsgericht in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen, dass im Vorfeld der Wahl „äußerst knappe
Zeiträume“ hinzunehmen seien, „wenn sie – wie etwa
bei vorzeitiger Auflösung des Bundestages – für alle be-
troffenen Parteien im gesamten Wahlgebiet in gleicher
Weise gelten“ (BVerfGE 82, S. 353, 368). Der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag sind in
ihrer Entscheidung an diese vom Bundesverfassungs-
gericht nicht beanstandete Festlegungen des Gesetz-
gebers gebunden. Auch im Hinblick auf das für die Lan-
deslisten maßgebliche Quorum gilt, dass die Frage, in
welcher Weise der Gesetzgeber den ihm eingeräumten
Ermessensspielraum noch ausüben könnte, nicht Gegen-
stand der Wahlprüfung sein kann.

Landeslisten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht
entsprachen, waren damit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BWG
durch die Wahlorgane zurückzuweisen.

3. Fünf-Prozent-Sperrklausel und staatliche Parteienteilfi-
nanzierung

Die Anwendung der Fünf-Prozent-Sperrklausel und der
Regelungen des Parteiengesetzes zur allgemeinen staat-
lichen Teilfinanzierung der politischen Parteien begrün-
det keinen Wahlfehler.

Die von den Einspruchsführern als verfassungswidrig
angegriffene Fünf-Prozent-Sperrklausel ist bei der Bun-
destagswahl 2005 gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 BWG zu
Recht angewandt worden. Danach werden bei der Ver-
An der Verfassungskonformität des für die Einreichung
von Landeslisten geltenden Unterschriftenquorums be-

teilung der Sitze der Landeslisten nur Parteien berück-
sichtigt, die mindestens fünf vom Hundert der im Wahl-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 231 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 231 – Drucksache 16/1800

gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten
oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen
haben. § 6 Abs. 6 Satz 1 BWG war von den Wahlorga-
nen als geltendes Recht anzuwenden. Diese Rechtsauf-
fassung liegt auch mehreren Wahlprüfungsentscheidun-
gen zu den Bundestagswahlen 1994, 1998, 2002 und der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland 2004 zu Grunde
(vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47 und 15/4750, Anlagen 5, 9, 18, 20, 21, 22). Auch
das Bundesverfassungsgericht hat die Sperrklausel stets
für verfassungskonform erklärt. Die Sicherung der
Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung ist
ein hinreichend zwingender Grund, der Differenzierun-
gen bei der Wahlrechtsgleichheit im System der Verhält-
niswahl rechtfertigt (vgl. BVerfGE 82, S. 322, 338 und
BVerfGE 95, S. 335, 366).

Das in § 18 ff. des Parteiengesetzes geregelte System der
allgemeinen staatlichen Teilfinanzierung der politischen
Parteien begegnet in seiner gegenwärtigen Ausprägung
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der
Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zur staatlichen Parteienfinanzierung vom 9. April 1992
(BVerfGE 85, S. 264 ff.) wurde diese vom Gesetzgeber
im Parteiengesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1994
grundlegend neu geregelt. Die bis dahin praktizierte
Wahlkampfkostenerstattung für die einzelnen Wahlen

auf Bundes- und Länderebene wurde durch eine allge-
meine jährliche Teilfinanzierung abgelöst (Neufassung
des Parteiengesetzes vom 31. Januar 1994 – BGBl. I
S. 149). In der Folge hat der Gesetzgeber das Parteien-
gesetz mehrfach geändert, wobei er die zu den Grund-
sätzen der Wahlkampfkostenerstattung judizierten Vor-
gaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt hat
(vgl. das Achte Gesetz zur Änderung des Parteiengeset-
zes vom 28. Juni 2002 – BGBl. I S. 2268 – sowie das
Neunte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes vom
22. Dezember 2004 – BGBl. I S. 3673 –). Durch das
Neunte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes wurde
insbesondere dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 26. Oktober 2004 (BVerfGE 111, S. 382 ff.) dahin-
gehend Rechnung getragen, dass das in Artikel 3 des
Änderungsgesetzes geregelte sog. Drei-Länder-Quorum
vor dessen Inkrafttreten aufgehoben wurde.

Das Regelungssystem der allgemeinen staatlichen Teilfi-
nanzierung politischer Parteien war insofern mehrfach
Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Überprü-
fung (vgl. auch BVerfGE 111, S. 54 ff.). Den zitierten
Entscheidungen lässt sich entnehmen, dass sowohl die
Regelungen zur allgemeinen jährlichen Teilfinanzierung
als auch der in § 18 Abs. 4 BWG festgelegte Min-
deststimmenanteil (sog. Jeweiligkeitsklausel) den ver-
fassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl.
BVerfGE 111, S. 382 ff., 412).

möglich, die vorgeschriebenen Unterstützungsunterschrif-
ten fristgerecht beizubringen. Der Einspruchsführer hält das

nen Wahlfehler erkennen. Vielmehr wäre die Zurückweisung
einer Landesliste, die das in § 27 Abs. 1 BWG verankerte
worden. Die Tierschutzpartei sei demnach in vier von 16
Bundesländern mit eigenen Landeslisten vertreten gewesen.
Im Freistaat Bayern habe die Tierschutzpartei keine Landes-

der letzten Bundestagswahl, jedoch von höchstens 2 000
Wahlberechtigten des Landes, persönlich und handschrift-
lich unterzeichnet sein.
Erfordernis der Beibringung von Unterstützungsunterschrif-
ten schon angesichts der Tatsache, dass die Tierschutzpartei
bei der Bundestagswahl 1998 im Freistaat Bayern 21 376
Stimmen und bei der Bundestagswahl 2002 24 427 Stim-
men erhalten habe, für eine „unangemessene Behinderung
der politischen Aktivität der Tierschutzpartei“.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des
Freistaates Bayern wie folgt Stellung genommen: Die Tier-
schutzpartei sei bei der ersten Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses am 12. August 2005 als Partei anerkannt worden.
Nach § 18 Abs. 2 BWG sei die Tierschutzpartei daher be-
rechtigt gewesen, in allen Ländern des Wahlgebiets Landes-
listen einzureichen. In Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-
Westfalen und Hessen seien die dort eingereichten Landes-
listen vom jeweiligen Landeswahlausschuss zugelassen

Erfordernis der Beibringung von Unterstützungsunterschrif-
ten nicht erfüllt, gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 27
Abs. 1 BWG rechtmäßig gewesen. § 27 Abs. 1 Satz 2 erster
Halbsatz BWG bestimmt, dass Landeslisten von dem Vor-
stand des Landesverbandes der Partei oder, wenn ein Lan-
desverband oder eine einheitliche Landesorganisation nicht
besteht, von den Vorständen der nächstniedrigen Gebiets-
verbände, die im Bereich des Landes liegen, persönlich und
handschriftlich zu unterzeichnen sind. Landeslisten „neuer“
Parteien i. S. d. § 18 Abs. 2 BWG müssen nach dem in § 27
Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BWG verankerten Unter-
schriftenquorum darüber hinaus zusätzlich zu diesen Unter-
schriften zum Nachweis eines Rückhaltes in der Wähler-
schaft und der Ernsthaftigkeit des Wahlvorschlages noch
von 1 vom Tausend der Wahlberechtigten des Landes bei
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 233 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 233 – Drucksache 16/1800

Anlage 40

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn L. W., 97280 Remlingen
– Az.: WP 33/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 20. September
2005 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16.
Deutschen Bundestag am 18. September 2005 eingelegt. Er
wendet sich gegen die Ausgestaltung der Bundestagswahl
unter den Bedingungen einer vorzeitigen Auflösung des
Deutschen Bundestages.

Der Einspruchsführer macht die Verfassungswidrigkeit der
§§ 18 Abs. 2, 27 Abs. 1 BWG geltend und begründet dies
im Wesentlichen mit einer Verletzung der Wahlrechtsgrund-
sätze des Artikels 38 GG, insbesondere der Gleichheit der
Wahl. Im Einzelnen rügt er sinngemäß, dass die Tierschutz-
partei nur deswegen davon abgesehen habe, im Freistaat
Bayern eine Landesliste einzureichen, weil das Bundes-
wahlgesetz auch für den Fall einer vorzeitigen Auflösung
des Deutschen Bundestages in unzumutbarer Weise die
Beibringung von Unterstützungsunterschriften erforderlich
mache. Im Falle eines vorzeitigen Wahlperiodenwechsels
sei es kleineren Parteien wegen der Kürze der Zeit nicht

Im Hinblick auf diese Stellungnahme hat der Einspruchs-
führer angekündigt, sich nach Rücksprache mit der Bundes-
geschäftsstelle der Tierschutzpartei erneut in der Sache äu-
ßern zu wollen. Hierauf hat sich der Einspruchsführer nicht
mehr gemeldet.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Die Tierschutzpartei hat davon abgesehen, im Freistaat Bay-
ern eine Landesliste einzureichen. Die hierfür seitens des
Einspruchsführers vorgetragenen Beweggründe lassen kei-
liste vorgelegt. Sie sei daher auf den Stimmzetteln in Bay-
ern nicht aufgeführt gewesen.

An der Verfassungskonformität des für die Einreichung von
Landeslisten geltenden Unterschriftenquorums bestehen

Drucksache 16/1800 – 234 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 234 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schon deswegen keine Zweifel, weil das Bundesverfas-
sungsgericht die Verfassungsmäßigkeit bereits 1953 festge-
stellt hat (BVerfGE 3, 19, 29 ff. – zum damals maßgeb-
lichen höheren Quorum von 2 500 Unterschriften – sowie
zuletzt BVerfGE 82, S. 353 ff.). Danach verstößt das Unter-
schriftenquorum weder gegen die Grundsätze der Allge-
meinheit und Gleichheit der Wahl noch gegen das Prinzip

in diesen Fällen gerade dem Sinn des Unterschriftenquo-
rums. Die mit der Beibringung der Unterstützungsunter-
schriften verbundene Vermutung, dass hinter dem Wahlvor-
schlag eine ernst zu nehmende politische Gruppe steht, die
sich mit diesem Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteili-
gen wünscht, oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft
die Chance einräumen wollen, die in der Beteiligung am
der Geheimhaltung der Wahl. Diesen Entscheidungen liegt
zwar lediglich der Fall eines regulären Wahlperiodenwech-
sels – und somit kein Auflösungsfall – zu Grunde.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) und dem Gesetz zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. März 1985
(BGBl. I S. 521) hat der Bundesgesetzgeber aber zum Aus-
druck gebracht, an dem Erfordernis eines Unterschriften-
quorums ausnahmslos – und damit auch im Fall der Wahl-
vorbereitung nach einer Auflösung des Deutschen Bun-
destages – festhalten zu wollen (vgl. hierzu BVerfG, 2 BvE
5/05 vom 23. August 2005, Absätze 21 und 43). Durch die
Einführung des heutigen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWG hat der
Gesetzgeber nämlich eine Sonderregelung in Bezug auf die
Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4 erster Halbsatz BWG für den
Fall der vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode geschaf-
fen. Danach gelten die Fristen, nach deren Ablauf die Par-
teien frühestens mit der Aufstellung von Parteibewerbern
beginnen dürfen, nicht im Fall des vorzeitigen Endes der
Wahlperiode. Mit dieser auch auf den Auflösungsfall nach
Artikel 68 GG anzuwendenden Sonderregelung (vgl. Bun-
destagsdrucksache 7/2873, S. 39) hat der Gesetzgeber deut-
lich gemacht, dass er die wahlrechtlichen Folgen einer
Bundestagsauflösung nach Artikel 68 GG, die aus der Frist-
verkürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG resultieren,
bedacht hat. Dabei hat er davon abgesehen, entsprechende
Ausnahmetatbestände zum Erfordernis der Unterstützungs-
unterschriften – z. B. in Form einer Absenkung oder Sus-
pendierung des Quorums – zu schaffen.

Aus dieser Anwendbarkeit des Quorums auf den Fall einer
Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68
Abs. 1 GG und der Festsetzung von Neuwahlen innerhalb
der 60-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG ergeben
sich keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit
von § 27 Abs. 1 BWG. Wie das Bundesverfassungsgericht
bereits zu der ersten gesamtdeutschen Wahl festgestellt hat,
kommt es nach dem Zweck des Quorums gerade nicht dar-
auf an, ob den an einer Kandidatur Interessierten genügend
Zeit für die Vorbereitung der Kandidatur verbleibt oder sie
an der Einreichung von Wahlvorschlägen nur deswegen ge-
hindert sind, weil es ihnen aufgrund organisatorischer
Schwierigkeiten in der Kürze der Zeit nicht gelingt, die Un-
terstützungsunterschriften zu sammeln (BVerfGE 82, 353,
364). Der Ausschluss ihrer Wahlbewerbung entspreche auch

Wahlkampf liegt, sei gerade nicht begründet, wenn die Un-
terstützungsunterschriften nicht beigebracht würden. In sei-
ner zur ersten gesamtdeutschen Wahl ergangenen Entschei-
dung bezog sich das Bundesverfassungsgericht zwar ledig-
lich auf die kurzfristige Ausdehnung des Wahlgebietes auf
die neuen Bundesländer und somit auf einen besonderen
Aspekt der Kurzfristigkeit. Wenn aber bereits die mit der
Sondersituation der deutschen Einigung verbundene Tat-
sache, dass die an einer Kandidatur interessierten Parteien,
die zuvor lediglich auf dem Gebiet der sog. alten Bundes-
länder tätig waren und damit über keinerlei organisatorische
Strukturen und Bekanntheit in den Beitrittsländern verfüg-
ten, für die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Quorums
ohne rechtlichen Belang war, so wird dies erst recht für den
vorliegenden Fall gelten, in dem die Mitglieder der Tier-
schutzpartei in keiner Weise gehindert waren, sich rechtzei-
tig des notwendigen politischen Rückhalts in der Wähler-
schaft zu vergewissern. Wegen der Ausrichtung des Quo-
rums auf einen objektiven Rückhalt des Wahlvorschlags in
der Wählerschaft kommt es gerade nicht darauf an, dass die
Sammlung der Unterstützungsunterschriften durch die Auf-
lösung des Deutschen Bundestages erschwert worden ist.
Gerade wegen der im Grundgesetz vorgesehenen Möglich-
keiten einer vorgezogenen Bundestagswahl orientieren sich
die Regelungen des Bundeswahlgesetzes daran, ob die in
einem Mindestmaß an politischem Rückhalt in der Wähler-
schaft begründete potentielle Erfolgsaussicht tatsächlich
vorliegt, nicht, ob sie theoretisch vorliegen und nach einiger
Zeit erreicht werden könnte. Im Übrigen hat das Bundesver-
fassungsgericht in der zitierten Entscheidung auch darauf
hingewiesen, dass „äußerst knappe Zeiträume“ hinzuneh-
men seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger Auflösung
des Bundestages – für alle betroffenen Parteien im gesamten
Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, S. 353,
368). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall er-
füllt. Somit bestehen an der Vereinbarkeit von § 27 Abs. 1
BWG mit den Wahlrechtsgrundsätzen keine Zweifel. Lan-
deslisten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht ent-
sprachen, waren damit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BWG durch
die Wahlorgane zurückzuweisen.

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der Ausge-
staltung des Quorums seinen Ermessensspielraum auch an-
ders hätte ausüben können bzw. wie er diesen noch ausüben
könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprüfung.

ungültig gewertet worden sei. Zwar seien handschriftliche
Änderungen oder Ergänzungen auf Stimmzetteln bei der

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.
worden. Da die jeweiligen Unterschriften – auch aus umlie-
genden Gemeinden – einzeln auf dem zuständigen Bürger-
meisteramt zu beglaubigen gewesen seien, sei das Sammeln

sehen sich nicht berufen, diese Entscheidung des Gesetzge-
bers auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen. Sie
haben dies stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Bundestagswahl grundsätzlich nicht vorgesehen. Nach sei-
ner Auffassung seien die entsprechenden Gesetze aber „un-
ter Berücksichtigung der Bestimmungen des Grundgesetzes
und der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundes-
republik Deutschland zu interpretieren“. Im Folgenden ver-
weist der Einspruchsführer auf die Regelung des Artikels 38
Abs. 1 GG, auf Artikel 25 des Internationalen Pakts über
bürgerliche und politische Rechte sowie auf Artikel 3 des
Zusatzprotokolls der Konvention zum Schutze der Men-
schenrechte und Grundfreiheiten des Europarates.

In tatsächlicher Hinsicht trägt der Einspruchsführer vor,
dass die Feministische Partei in Baden-Württemberg nicht
die erforderliche Anzahl an Unterstützungsunterschriften,
sondern lediglich 1 000 Unterschriften habe beibringen
können. Daraufhin sei ihre Landesliste zurückgewiesen

Handschriftliche Ergänzung des Stimmzettels

Entgegen der Auffassung des Einspruchsführers ist der
Wähler gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 und § 34 BWG bei der
Stimmabgabe an die von den Kreis- und Landeswahlaus-
schüssen nach den § 26 und 28 BWG zugelassenen, auf
dem Stimmzettel nach Maßgabe des § 30 aufgedruckten
Kreis- und Landeswahlvorschläge gebunden. Er kann seine
Wahl nur unter den aufgeführten Kandidaten und Landeslis-
ten treffen oder von einer Stimmabgabe absehen. Streichun-
gen oder Hinzufügungen sind ebenso unzulässig wie Ände-
rungen der Reihenfolge der Wahlvorschläge (vgl. hierzu
Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 35 sowie Schrei-
ber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 34 Rn. 3).

Der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 235 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 235 – Drucksache 16/1800

Anlage 41

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. W., 78462 Konstanz
– Az.: WP 67/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Kreiswahlleiter des Landkreises Konstanz
gerichteten Schreiben vom 26. September 2005, das an den
Deutschen Bundestag weitergeleitet wurde und beim Wahl-
prüfungsausschuss am 30. September 2005 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September
2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass das
Wahlergebnis des Wahlkreises Konstanz falsch gewesen sei,
da seine Stimme, die er der Feministischen Partei gegeben
habe, nicht gezählt worden sei. Er verlangt, das Wahlergeb-
nis im Wahlkreis Konstanz zu korrigieren, seine Stimme für
die Feministische Partei als solche zu zählen und im amtli-
chen Endergebnis aufzuführen.

Sinngemäß trägt der Einspruchsführer vor, er habe den
Stimmzettel um den Eintrag der Feministischen Partei hand-
schriftlich ergänzen müssen, weil diese nicht aufgeführt ge-
wesen sei. Er gehe davon aus, dass seine Stimmabgabe als

schwächsten Parteien am meisten Aufwand aufgebürdet“
worden, um die Zulassung zur Bundestagswahl zu errei-
chen. Anders als bei einem regulären Wahlperiodenwechsel
hätten kleinere Parteien bei der vorzeitigen Auflösung des
Deutschen Bundestages nicht ausreichend Zeit gehabt, um
die notwendige Anzahl der Unterstützungsunterschriften
beizubringen. Die Zurückweisung der entsprechenden Lan-
deslisten stellt nach Ansicht des Einspruchsführers eine Ver-
letzung des Rechts aller Wähler dar, in der freien „Äuße-
rung des Wählerwillens“ zu wählen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
nach Ansicht des Einspruchsführers sehr zeitaufwändig ge-
wesen. Seiner Auffassung nach sei „gerade den mitglieder-

Davon abgesehen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar,
dass die § 39 Abs. 1 Nr. 4 und § 34 BWG gegen das Grund-

Drucksache 16/1800 – 236 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 236 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gesetz oder den Internationalen Pakt über bürgerliche und
politische Rechte sowie die Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten verstoßen könnten.

Nichtzulassung von Landeslisten gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2
BWG

Soweit der Einspruchsführer sinngemäß die Zurückweisung
der Landesliste der Feministischen Partei in Baden-
Württemberg sowie anderer Landeslisten durch die zustän-
digen Landeswahlausschüsse rügt, liegt ein Wahlfehler
nicht vor. Vielmehr sind die Zurückweisungen gemäß § 28
Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 BWG rechtmäßig. § 27
Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BWG bestimmt, dass Landes-
listen von dem Vorstand des Landesverbandes der Partei
oder, wenn ein Landesverband oder eine einheitliche Lan-
desorganisation nicht besteht, von den Vorständen der
nächstniedrigen Gebietsverbände, die im Bereich des Lan-
des liegen, persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen
sind. Landeslisten „neuer“ Parteien i. S. d. § 18 Abs. 2
BWG müssen nach dem in § 27 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halb-
satz BWG verankerten Unterschriftenquorum darüber hin-
aus zusätzlich zu diesen Unterschriften zum Nachweis eines
Rückhaltes in der Wählerschaft und der Ernsthaftigkeit des
Wahlvorschlages noch von 1 vom Tausend der Wahlberech-
tigten des Landes bei der letzten Bundestagswahl, jedoch
von höchstens 2 000 Wahlberechtigten des Landes, persön-
lich und handschriftlich unterzeichnet sein.

An der Verfassungskonformität des für die Einreichung von
Landeslisten geltenden Unterschriftenquorums bestehen
schon deswegen keine Zweifel, weil das Bundesverfas-
sungsgericht die Verfassungsmäßigkeit bereits 1953 festge-
stellt hat (BVerfGE 3, 19, 29 ff. – zum damals maßgebli-
chen höheren Quorum von 2 500 Unterschriften – sowie zu-
letzt BVerfGE 82, S. 353 ff.). Danach verstößt das Unter-
schriftenquorum weder gegen die Grundsätze der
Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl noch gegen das
Prinzip der Geheimhaltung der Wahl. Diesen Entscheidun-
gen liegt zwar lediglich der Fall eines regulären Wahl-
periodenwechsels – und somit kein Auflösungsfall – zu
Grunde.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) und dem Gesetz zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. März 1985
(BGBl. I S. 521) hat der Bundesgesetzgeber aber zum Aus-
druck gebracht, an dem Erfordernis eines Unterschriften-
quorums ausnahmslos – und damit auch im Fall der Wahl-
vorbereitung nach einer Auflösung des Deutschen Bundes-
tages – festhalten zu wollen (vgl. hierzu BVerfG, 2 BvE 5/
05 vom 23. August 2005, Absätze 21 und 43). Durch die
Einführung des heutigen § 21 Abs. 3 Satz 4 BWG hat der
Gesetzgeber nämlich eine Sonderregelung in Bezug auf die
Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4 erster Halbsatz BWG für den
Fall der vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode geschaf-
fen. Danach gelten die Fristen, nach deren Ablauf die Par-
teien frühestens mit der Aufstellung von Parteibewerbern
beginnen dürfen, nicht im Fall des vorzeitigen Endes der
Wahlperiode. Mit dieser auch auf den Auflösungsfall nach
Artikel 68 GG anzuwendenden Sonderregelung (vgl. Bun-
destagsdrucksache 7/2873 S. 39) hat der Gesetzgeber deut-
lich gemacht, dass er die wahlrechtlichen Folgen einer Bun-

dacht hat. Dabei hat er davon abgesehen, entsprechende
Ausnahmetatbestände zum Erfordernis der Unterstützungs-
unterschriften – z. B. in Form einer Absenkung oder Sus-
pendierung des Quorums – zu schaffen.

Aus dieser Anwendbarkeit des Quorums auf den Fall einer
Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68
Abs. 1 GG und der Festsetzung von Neuwahlen innerhalb
der 60-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG ergeben
sich keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit
von § 27 Abs. 1 BWG. Wie das Bundesverfassungsgericht
bereits zu der ersten gesamtdeutschen Wahl festgestellt hat,
kommt es nach dem Zweck des Quorums gerade nicht dar-
auf an, ob den an einer Kandidatur Interessierten genügend
Zeit für die Vorbereitung der Kandidatur verbleibt oder sie
an der Einreichung von Wahlvorschlägen nur deswegen ge-
hindert sind, weil es ihnen aufgrund organisatorischer
Schwierigkeiten in der Kürze der Zeit nicht gelingt, die Un-
terstützungsunterschriften zu sammeln (BVerfGE 82, 353,
364). Der Ausschluss ihrer Wahlbewerbung entspreche auch
in diesen Fällen gerade dem Sinn des Unterschriftenquo-
rums. Die mit der Beibringung der Unterstützungsunter-
schriften verbundene Vermutung, dass hinter dem Wahlvor-
schlag eine ernst zu nehmende politische Gruppe steht, die
sich mit diesem Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteili-
gen wünscht, oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft
die Chance einräumen wollen, die in der Beteiligung am
Wahlkampf liegt, sei gerade nicht begründet, wenn die Un-
terstützungsunterschriften nicht beigebracht würden. In sei-
ner zur ersten gesamtdeutschen Wahl ergangenen Entschei-
dung bezog sich das Bundesverfassungsgericht zwar ledig-
lich auf die kurzfristige Ausdehnung des Wahlgebietes auf
die neuen Bundesländer und somit auf einen besonderen
Aspekt der Kurzfristigkeit. Wenn aber bereits die mit der
Sondersituation der deutschen Einigung verbundene Tatsa-
che, dass die an einer Kandidatur interessierten Parteien, die
zuvor lediglich auf dem Gebiet der sog. alten Bundesländer
tätig waren und damit über keinerlei organisatorische Struk-
turen und Bekanntheit in den Beitrittsländern verfügten, für
die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Quorums ohne
rechtlichen Belang war, so wird dies erst recht für den vor-
liegenden Fall gelten, in dem die Mitglieder der Feminis-
tischen Partei in keiner Weise gehindert waren, sich recht-
zeitig des notwendigen politischen Rückhalts in der Wähler-
schaft zu vergewissern. Wegen der Ausrichtung des Quo-
rums auf einen objektiven Rückhalt des Wahlvorschlags in
der Wählerschaft kommt es gerade nicht darauf an, dass die
Sammlung der Unterstützungsunterschriften durch die Auf-
lösung des Deutschen Bundestages erschwert worden ist.
Gerade wegen der im Grundgesetz vorgesehenen Möglich-
keiten einer vorgezogenen Bundestagswahl orientieren sich
die Regelungen des Bundeswahlgesetzes daran, ob die in ei-
nem Mindestmaß an politischem Rückhalt in der Wähler-
schaft begründete potentielle Erfolgsaussicht tatsächlich
vorliegt, nicht, ob sie theoretisch vorliegen und nach einiger
Zeit erreicht werden könnte. Im Übrigen hat das Bundesver-
fassungsgericht in der zitierten Entscheidung auch darauf
hingewiesen, dass „äußerst knappe Zeiträume“ hinzuneh-
men seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger Auflösung
des Bundestages – für alle betroffenen Parteien im gesamten
Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, S. 353,
destagsauflösung nach Artikel 68 GG, die aus der Fristver-
kürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG resultieren, be-

368). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall er-
füllt. Somit bestehen an der Vereinbarkeit von § 27 Abs. 1

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/1800
Wahlperiode – 237 – D Wahlperiode – 237 – D

BWG mit den Wahlrechtsgrundsätzen keine Zweifel. Lan-
deslisten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht ent-
sprachen, waren damit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BWG durch
die Wahlorgane zurückzuweisen.

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der Ausge-
staltung des Quorums seinen Ermessensspielraum auch an-
ders hätte ausüben können bzw. wie er diesen noch ausüben
könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprüfung. Anhalts-
punkte für einen Verstoß gegen den Internationalen Pakt
über bürgerliche und politische Rechte sowie die Konven-
tion zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
sind nicht ersichtlich.

tages jedoch nicht hinzunehmen, da es „nur den Wenigsten“
möglich sei, das Aufstellungsverfahren für die Kandidaten

Deutschland vom 15. Juni 1949 (BGBl. I S. 21) für Wahl-
vorschläge unabhängiger Kandidaten übernommen (vgl.
Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-

Halbsatz BWG für den Fall der vorzeitigen Beendigung der
Wahlperiode geschaffen. Danach gelten die Fristen, nach de-
ren Ablauf die Parteien frühestens mit der Aufstellung von
durchzuführen und die notwendigen Unterstützungsunter-
schriften zu sammeln. Selbst wenn man die „Ankündigung
der Neuwahl durch den Bundeswahlleiter“ am 27. Mai 2005
als Ausgangspunkt nehme, seien bei der Bundestagswahl
2005 von der Aufstellung der Kandidaten bis zur Abgabe-
frist der Wahlbewerbung lediglich zweieinhalb Monate ge-
blieben.

Nach Ansicht des Einspruchsführers habe daher die Zahl
der Unterstützungsunterschriften für den Fall vorgezogener
Wahlen herabgesetzt werden müssen. Eine entsprechende
Änderung des Bundeswahlgesetzes habe der Deutsche Bun-
destag unterlassen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf den Inhalt der

hierzu BVerfGE 3, 19 ff.). In der Folge hat der Bundesge-
setzgeber das Beibringungserfordernis im Hinblick auf die
Anzahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften und
eine Differenzierung nach den Trägern des Wahlvorschlags-
rechtes mehrfach geändert. Mit dem Gesetz zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593)
und dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
vom 8. März 1985 (BGBl. I S. 521) hat der Bundesgesetz-
geber weiterhin zum Ausdruck gebracht, an dem Erfordernis
eines Unterschriftenquorums ausnahmslos – und damit auch
im Fall der Wahlvorbereitung nach einer Auflösung des
Deutschen Bundestages – festhalten zu wollen (vgl. hierzu
BVerfG, 2 BvE 5/05 vom 23. August 2005, Absätze 21 und
43). Durch die Einführung des heutigen § 21 Abs. 3
Satz 4 BWG hat der Gesetzgeber nämlich eine Sonder-
regelung in Bezug auf die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4 erster
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 239 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 239 – Drucksache 16/1800

Anlage 42

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. G., 91056 Erlangen
– Az.: WP 170/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2005, das per Fax beim
Deutschen Bundestag am gleichen Tage eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September
2005 eingelegt. Er wendet sich gegen die Ausgestaltung der
Bundestagswahl unter den Bedingungen einer vorzeitigen
Auflösung des Deutschen Bundestages.

Der Einspruchsführer macht sinngemäß die Verfassungs-
widrigkeit der § 18 Abs. 2, § 20 Abs. 2 und § 27 Abs. 1
BWG geltend und begründet dies im Wesentlichen mit einer
Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 38 GG,
insbesondere der Gleichheit der Wahl. Die hinsichtlich der
Obliegenheit der Beibringung von Unterstützungsunter-
schriften bestehenden Differenzierungen seien für den Fall
eines regulären Wahlperiodenwechsels erforderlich, im
Falle einer vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundes-

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Unterschriftenquoren bei „anderen Kreiswahlvorschlägen“
gemäß § 20 Abs. 3 BWG

Kreiswahlvorschläge bedürfen gemäß § 20 Abs. 3 BWG
auch im Falle einer vorzeitigen Bundestagsauflösung der
Beibringung von 200 Unterstützungsunterschriften. Wird
diesem Erfordernis nicht genüge getan, sind sie durch den
Kreiswahlausschuss gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWG zurück-
zuweisen.

Das Erfordernis der Beibringung von – damals 500 – Unter-
stützungsunterschriften für Kreiswahlvorschläge findet sich
bereits in § 15 Abs. 3 des Reichswahlgesetzes in der
Fassung vom 13. März 1924 (RGBl. I S. 173) und wurde
durch § 11 Abs. 1 des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag
und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Parteibewerbern beginnen dürfen, nicht im Fall des vorzeiti-
gen Endes der Wahlperiode. Mit dieser auch auf den Auflö-

Drucksache 16/1800 – 240 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 240 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sungsfall nach Artikel 68 GG anzuwendenden Sonderrege-
lung (vgl. Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 39) hat der Ge-
setzgeber deutlich gemacht, dass er die wahlrechtlichen Fol-
gen einer Bundestagsauflösung nach Artikel 68 GG, die aus
der Fristverkürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG resul-
tieren, bedacht hat. Dabei hat er davon abgesehen, entspre-
chende Ausnahmetatbestände zum Erfordernis der Unter-
stützungsunterschriften – z. B. in Form einer Absenkung
oder Suspendierung des Quorums – zu schaffen.

Der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag
sehen sich nicht berufen, diese Entscheidung des Gesetzge-
bers auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen. Sie
haben dies stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehal-
ten. Davon abgesehen bestehen an der Verfassungskonfor-
mität von § 20 Abs. 3 BWG in seiner oben dargestellten
Auslegung keine Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht
hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Zulas-
sungsbedingungen zur Bundestagswahl aufgestellt werden
dürfen. Im Hinblick auf das Unterschriftenquorum hat es
festgestellt, dass dieses unter bestimmten Voraussetzungen
mit den Grundsätzen der formalen Wahlrechtsgleichheit, der
Allgemeinheit der Wahl, der Geheimhaltung der Wahl, der
Wettbewerbschancengleichheit der Parteien sowie der Ga-
rantie des passiven Wahlrechts vereinbar ist (vgl. u. a.
BVerfGE 1, S. 208, 248; 3, S. 19, 25 ff.; 71, S. 81, 96 f; 85,
S. 264, 293 sowie Schreiber, Kommentar zum BWG, 7.
Auflage 2002, § 20 Rn. 8, 9, 16 m. w. N.). Bei der zahlen-
mäßigen Festlegung des Quorums steht dem Gesetzgeber
ein Ermessensspielraum zu (zum Ermessenspielraum
BVerfGE 3, S. 19, 24; 59, S. 119, 124; 95, S. 335, 349). Das
auf 200 Unterstützungsunterschriften abgesenkte Quorum
hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform
bestätigt (BVerfGE 24, S. 260, 265; 60, S. 162, 168 f., 172,
175; 67, S. 369, 380). Das Unterschriftenquorum dient dem
Nachweis der Ernsthaftigkeit der Bewerbung und dem Aus-
scheiden nicht ernsthaft gemeinter oder von vornherein aus-
sichtsloser Wahlvorschläge. Durch das Quorum soll im Inte-
resse der Durchführbarkeit der Wahlen gewährleistet wer-
den, dass nur solche Wahlvorschläge zugelassen werden,
von denen zumindest vermutet werden kann, dass hinter ih-
nen eine ernst zu nehmende politische Gruppe steht, die sich
mit diesem Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen
wünscht, oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die
Chance einräumen wollen, die in der Beteiligung am Wahl-
kampf liegt (BVerfGE 4, S. 375, 381 f.). Neben dem Krite-
rium der Ernsthaftigkeit ist damit eine in einem Mindestmaß
an politischem Rückhalt in der Wählerschaft begründete po-
tentielle Erfolgsaussicht als Zulassungsbedingung beschrie-
ben, die politisch kurzlebige Zufallsbildungen von einer
Teilnahme am Wahlkampf ausschließt. Dem Erfordernis der
Unterstützungsunterschriften wohnt damit das Motiv der
„Sicherung des Charakters der Wahl als eines auf die Bil-
dung funktionsfähiger Verfassungsorgane gerichteten Inte-
grationsvorganges“ inne (BVerfGE 14, S. 121, 135). Indem
das Unterschriftenquorum indirekt bereits vor der Wahl der
Stimmenzersplitterung entgegenwirkt, verfolgt es – wie die
Fünf-Prozent-Sperrklausel – den Zweck, die Bildung staats-
politisch erwünschter Mehrheitsverhältnisse und handlungs-
fähiger sowie die wesentlichen politischen Anschauungen
widerspiegelnder Verfassungsorgane zu ermöglichen

Auch aus der Anwendbarkeit des Quorums auf den Fall einer
Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68
Abs. 1 GG und die Festsetzung von Neuwahlen innerhalb der
60-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG ergeben sich
keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit von § 20
Abs. 3 BWG. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits zu
der ersten gesamtdeutschen Wahl festgestellt hat, kommt es
nach dem Zweck des Quorums gerade nicht darauf an, ob den
an einer Kandidatur Interessierten genügend Zeit für die Vor-
bereitung der Kandidatur verbleibt oder sie an der Einrei-
chung von Wahlvorschlägen nur deswegen gehindert sind,
weil es ihnen aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten in
der Kürze der Zeit nicht gelingt, die Unterstützungsunter-
schriften zu sammeln (BVerfGE 82, 353, 364). Der Aus-
schluss ihrer Wahlbewerbung entspreche auch in diesen
Fällen gerade dem oben dargestellten Sinn des Unterschrif-
tenquorums. Die mit der Beibringung der Unterstützungsun-
terschriften verbundene Vermutung, dass hinter dem Wahl-
vorschlag eine ernst zu nehmende politische Gruppe steht, die
sich mit diesem Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen
wünscht, oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die
Chance einräumen wollen, die in der Beteiligung am Wahl-
kampf liegt, sei gerade nicht begründet, wenn die Unterstüt-
zungsunterschriften nicht beigebracht würden. In seiner zur
ersten gesamtdeutschen Wahl ergangenen Entscheidung be-
zog sich das Bundesverfassungsgericht zwar lediglich auf die
kurzfristige Ausdehnung des Wahlgebietes auf die neuen
Bundesländer und somit auf einen besonderen Aspekt der
Kurzfristigkeit. Wenn aber bereits die mit der Sondersituation
der deutschen Einigung verbundene Tatsache, dass die an ei-
ner Kandidatur interessierten Parteien, die zuvor lediglich auf
dem Gebiet der sog. alten Bundesländer tätig waren und damit
über keinerlei organisatorische Strukturen und Bekanntheit in
den Beitrittsländern verfügten, für die uneingeschränkte An-
wendbarkeit des Quorums ohne rechtlichen Belang war, so
wird dies erst recht für den vorliegenden Fall gelten, in dem
die an einer Kandidatur Interessierten in keiner Weise gehin-
dert waren, sich rechtzeitig des notwendigen politischen
Rückhalts in der Wählerschaft zu vergewissern. Wegen der
Ausrichtung des Quorums auf einen objektiven Rückhalt des
Wahlvorschlags in der Wählerschaft kommt es – anders als
durch den Einspruchsführer vertreten – gerade nicht darauf
an, dass die Sammlung der Unterstützungsunterschriften
durch die Auflösung des Deutschen Bundestages erschwert
worden ist. Gerade wegen der im Grundgesetz vorgesehenen
Möglichkeiten einer vorgezogenen Bundestagswahl orientie-
ren sich die Regelungen des Bundeswahlgesetzes daran, ob
die in einem Mindestmaß an politischem Rückhalt in der
Wählerschaft begründete potentielle Erfolgsaussicht tatsäch-
lich vorliegt, nicht, ob sie theoretisch vorliegen und nach
einiger Zeit erreicht werden könnte.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in der zitier-
ten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass „äußerst
knappe Zeiträume“ hinzunehmen seien, „wenn sie – wie
etwa bei vorzeitiger Auflösung des Deutschen Bundestages –
für alle betroffenen Parteien im gesamten Wahlgebiet in
gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, S. 353, 368). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Somit be-
stehen an der Vereinbarkeit von § 20 Abs. 3 BWG mit den
Wahlrechtsgrundsätzen keine Zweifel. Kreiswahlvorschläge,
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 20
Rn. 8, 9, 16 m. w. N.).

die diesen gesetzlichen Anforderungen nicht entsprachen,
waren damit durch die Wahlorgane zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 241 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 241 – Drucksache 16/1800

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der Ausge-
staltung des Quorums seinen Ermessensspielraum auch an-
ders hätte ausüben können bzw. wie er diesen noch ausüben
könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprüfung.

Nichtzulassung von Landeslisten gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2
BWG

Auch soweit der Einspruchsführer sinngemäß die Zurück-
weisung von mehreren Landeslisten durch die zuständigen
Landeswahlausschüsse rügt, liegt ein Wahlfehler nicht vor.
Vielmehr sind die Zurückweisungen gemäß § 28 Abs. 1
Nr. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 BWG rechtmäßig. § 27 Abs. 1
Satz 2 erster Halbsatz BWG bestimmt, dass Landeslisten
von dem Vorstand des Landesverbandes der Partei oder,
wenn ein Landesverband oder eine einheitliche Landesorga-
nisation nicht besteht, von den Vorständen der nächstniedri-
gen Gebietsverbände, die im Bereich des Landes liegen,
persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen sind. Lan-
deslisten „neuer“ Parteien i. S. d. § 18 Abs. 2 BWG müssen
nach dem in § 27 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BWG ver-
ankerten Unterschriftenquorum darüber hinaus zusätzlich
zu diesen Unterschriften zum Nachweis eines Rückhaltes in
der Wählerschaft und der Ernsthaftigkeit des Wahlvorschla-

Danach verstößt das Unterschriftenquorum weder gegen die
Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl
noch gegen das Prinzip der Geheimhaltung der Wahl.

Diesen Entscheidungen liegt zwar lediglich der Fall eines
regulären Wahlperiodenwechsels – und somit kein Auflö-
sungsfall – zu Grunde. Aus den oben zu § 20 Abs. 3 BWG
dargestellten Erwägungen ergibt sich jedoch auch die unein-
geschränkte Anwendbarkeit des in § 27 Abs. 1 Satz 2 zwei-
ter Halbsatz BWG verankerten Quorums auf den Fall einer
Auflösung des Deutschen Bundestages. So gilt insbeson-
dere auch in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber
die wahlrechtlichen Folgen einer Bundestagsauflösung nach
Artikel 68 GG, die aus der Fristverkürzung des Artikels 39
Abs. 1 Satz 4 GG resultieren, bedacht hat. Dabei hat er
davon abgesehen, entsprechende Ausnahmetatbestände zum
Erfordernis der Unterstützungsunterschriften – z. B. in Form
einer Absenkung oder Suspendierung des Quorums – zu
schaffen. Wie oben bereits dargelegt wurde, hat das Bundes-
verfassungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hinge-
wiesen, dass im Vorfeld der Wahl „äußerst knappe Zeit-
räume“ hinzunehmen seien, „wenn sie – wie etwa bei vor-
zeitiger Auflösung des Bundestages – für alle betroffenen
Parteien im gesamten Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“
ges noch von 1 vom Tausend der Wahlberechtigten des Lan-
des bei der letzten Bundestagswahl, jedoch von höchstens
2 000 Wahlberechtigten des Landes, persönlich und hand-
schriftlich unterzeichnet sein.

An der Verfassungskonformität des für die Einreichung von
Landeslisten geltenden Unterschriftenquorums bestehen
schon deswegen keine Zweifel, weil das Bundesverfas-
sungsgericht die Verfassungsmäßigkeit bereits 1953 festge-
stellt hat (BVerfGE 3, 19, 29 ff. – zum damals maßgeb-
lichen höheren Quorum von 2 500 Unterschriften – sowie
zuletzt BVerfGE 82, S. 353 ff.).

(BVerfGE 82, S. 353, 368). Der Wahlprüfungsausschuss
und der Deutsche Bundestag sind in ihrer Entscheidung an
diese vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten
Festlegungen des Gesetzgebers gebunden. Auch im Hin-
blick auf das für die Landeslisten maßgebliche Quorum gilt,
dass die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber den ihm
eingeräumten Ermessensspielraum noch ausüben könnte,
nicht Gegenstand der Wahlprüfung sein kann.

Landeslisten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht ent-
sprachen, waren damit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BWG durch
die Wahlorgane zurückzuweisen.

für Mannheim wurde außerdem darauf gestützt, dass die im
Wahlvorschlag benannte Bewerberin nach Ansicht des

Mannheim eine Wählbarkeitsbescheinigung ausgestellt. Am
12. August 2005 teilten die Stadt Mannheim und das Büro
Unterschriften zur Verfügung. Bei der vorgezogenen Neu-
wahl hätten der PARTEI nur wenige Wochen zur Sammlung
der Unterstützungsunterschriften zur Verfügung gestanden.

Dies wurde jedoch abgelehnt und der Wahlvorschlag wegen
fehlender deutscher Staatsangehörigkeit der Bewerberin
und unzureichender Anzahl von Unterstützungsunterschrif-
Kreiswahlausschusses sowie des Landeswahlausschusses
nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaß.

Die Einspruchsführerin wendet sich in erster Linie gegen
die gesetzliche Ausgestaltung der Bundestagswahl unter
den Bedingungen einer vorzeitigen Auflösung des Deut-
schen Bundestages. Sinngemäß macht sie die Verfassungs-
widrigkeit des § 20 Abs. 2 Satz 2 und des § 27 Abs. 1 Satz 2
BWG geltend und begründet dies im Wesentlichen mit einer
Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 38 GG,
insbesondere der Gleichheit der Wahl. Die hinsichtlich der
Obliegenheit der Beibringung von Unterstützungsunter-
schriften bestehenden Differenzierungen seien im Falle
einer vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages
nicht hinzunehmen. Unter normalen Bedingungen stehe den
Parteien mindestens ein gutes Jahr zur Sammlung der

des Kreiswahlleiters der im Kreiswahlvorschlag genannten
Vertrauensperson mit, dass hierbei eine Panne passiert sei
und die Bewerberin in Wirklichkeit nicht die deutsche
Staatsangehörigkeit besitze. Es habe daher keinen Sinn
mehr, weiter Unterschriften zu sammeln, wenn bis zum
15. August 2005 keine Einbürgerungsurkunde der Bewerbe-
rin vorgelegt werden könne. Obwohl eine solche nicht be-
schafft werden konnte und man am 13. August 2005 das
weitere Sammeln von Unterschriften einstellte, wurde der
Kreiswahlvorschlag am 15. August 2005 nebst 133 Unter-
stützungsunterschriften, wovon 129 gültig waren, einge-
reicht. Am 19. August 2005 wurde zur Beginn der Sitzung
des Kreiswahlausschusses versucht, den Kreiswahlvor-
schlag unter Berufung auf § 24 BWG analog auf eine neue
Bewerberin zu ändern.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 243 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 243 – Drucksache 16/1800

Anlage 43

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau B. G., 68219 Mannheim
– Az.: WP 188/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem am 18. November 2005 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangenen Telefax hat die Einspruchsführerin Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 eingelegt.

Gegenstand des Einspruchs ist die Zurückweisung der von
der „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförde-
rung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)“ ein-
gereichten Landesliste und Kreiswahlvorschläge für Baden-
Württemberg bzw. die Wahlkreise 259 (Stuttgart I) und 276
(Mannheim); darüber hinaus die Behauptung der Ein-
spruchsführerin, Die PARTEI sei im Hinblick auf die Nut-
zung von Werbeflächen in Mannheim bzw. Ludwigshafen
im Vergleich zu anderen Parteien benachteiligt worden.
Grund für die Zurückweisung der genannten Wahlvor-
schläge war, dass für die Landesliste nur 1 129 gültige Un-
terstützungsunterschriften eingereicht worden waren, für
die Kreiswahlvorschläge nur 107 (Stuttgart I) bzw. 129
(Mannheim). Die Zurückweisung des Kreiswahlvorschlags

Notwendigkeit bestanden. Es stelle daher für die nicht be-
reits parlamentarisch vertretenen Parteien ein verfassungs-
widriges Zulassungshindernis dar, dass das gesetzlich nor-
mierte Unterschriftenquorum für den Fall einer vorzeitigen
Bundestagsauflösung nicht abgesenkt worden sei. So seien
im Wahlkreis Mannheim lediglich Kandidaten der etablier-
ten Parteien zugelassen worden, während alle Parteien, die
Unterstützungsunterschriften haben vorlegen müssen, an
diesem Erfordernis gescheitert seien.

Abgesehen von ihren grundsätzlichen Einwänden gegen die
in § 20 Abs. 2 Satz 2 und § 27 Abs. 2 Satz 2 BWG statuier-
ten Unterschriftenquoren im Falle von vorgezogenen Neu-
wahlen ist die Einspruchsführerin der Ansicht, dass die
deutsche Staatsangehörigkeit und damit die Wählbarkeit der
im Kreiswahlvorschlag der PARTEI für den Wahlkreis
Mannheim benannten Bewerberin zu Unrecht angezweifelt
und als Argument für die Zurückweisung des Wahlvor-
schlags herangezogen worden ist.

Der Bewerberin wurde am 13. Juli 2005 von der Stadt
Für einen solchen „de facto-Ausschluss“ kleiner Parteien
durch „beinahe aussichtslose Bedingungen“ habe keine

ten zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde
blieb erfolglos.

Drucksache 16/1800 – 244 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 244 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Einspruchsführerin ist der Ansicht, dass der Nachweis
der Wählbarkeit der Bewerberin mit der Vorlage der Wähl-
barkeitsbescheinigung der Stadt Mannheim, die nicht zu-
rückgenommen oder widerrufen worden und damit immer
noch existent sei, erbracht worden sei. Mehr verlange das
Wahlrecht nicht. Im Übrigen sei nach § 15 Abs. 1 Nr. 1
BWG wählbar, wer am Wahltage Deutscher sei. Die Ent-
scheidung über die Zurückweisung des Wahlvorschlags sei
einen Monat vor dem Wahltermin getroffen worden. Zu die-
sem Zeitpunkt habe sich die Bewerberin zumindest im Ein-
bürgerungsverfahren befunden und eine Einbürgerung
rechtzeitig zum Wahltag sei noch möglich gewesen. Insbe-
sondere da die Bewerberin ihren rumänischen Pass zurück-
gegeben habe und das Verfahren zur Entlassung aus der ru-
mänischen Staatsangehörigkeit sich bereits über zwei Jahre
hingezogen habe, habe dem Erwerb der deutschen Staatsan-
gehörigkeit, ggf. neben der bisherigen, eigentlich nichts im
Wege gestanden. Es werde daher angeregt, den tatsächli-
chen Status der Bewerberin am Wahltage bei der zuständi-
gen Behörde in Mannheim feststellen zu lassen. Insbeson-
dere sei anzufragen, ob die vermeintliche Feststellung zur
fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit eventuell noch-
mals revidiert worden sei.

In Bezug auf ihre Behauptung, dass DIE PARTEI im Hin-
blick auf Plakatierungsmöglichkeiten benachteiligt worden
ist, trägt die Einspruchsführerin vor, dass einerseits laut
Auskunft der zuständigen Mannheimer Stadtreklame GmbH
die PARTEI wegen des bereits am 8. August 2005 begin-
nenden Wahlkampfes am 5. August 2005 mit einem ent-
sprechenden Antrag schon „zu spät dran“ gewesen sei. An-
dererseits habe die Stadt Ludwigshafen Ende August 2005
den PARTEI-Landesverband Rheinland-Pfalz aufgefordert,
PARTEI-Wahlkampfplakate im Stadtgebiet Ludwigshafen
zu entfernen, mit der – in Bezug auf die Landesliste Rhein-
land-Pfalz – zutreffenden Begründung, die PARTEI sei
nicht zur Bundestagswahl zugelassen. Hiernach hätte die
PARTEI also frühestens mit der Zulassung durch den Kreis-
bzw. Landeswahlausschuss am 19. August 2005 Wahlkampf
betreiben können. Wenn das richtig sei, könne es aber nicht
sein, dass sie am 5. August 2005 in Mannheim schon zu
spät dran gewesen sei.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg,
die zu dem Einspruch Stellung genommen hat, ist der An-
sicht, dass die Zurückweisung der Wahlvorschläge zu Recht
erfolgte.

Die PARTEI habe nicht die gesetzlich vorgeschriebene An-
zahl von Unterstützungsunterschriften beibringen können.
Dass auch kleine Parteien die notwendigen Unterstützungs-
unterschriften hätten rechtzeitig sammeln können, zeige
sich an der Zulassung von sechs entsprechenden Landeslis-
ten in Baden-Württemberg und an der Zulassung des Kreis-
wahlvorschlags der PARTEI in Freiburg. Der Bundeswahl-
leiter habe die Parteien mit Schreiben vom 27. Mai 2005
darüber informiert, dass die Aufstellung der Bewerber ab
sofort möglich gewesen sei.

Die Zurückweisung des Wahlvorschlags für den Wahlkreis
Mannheim sei zudem zu Recht auch darauf gestützt worden,
dass der Bewerberin die Wählbarkeit gefehlt habe, weil sie
nicht im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen

rung. Eine Änderung des Wahlvorschlags nach § 24 BWG
sei nicht in Betracht gekommen, da dies voraussetze, dass
ein Bewerber die Wählbarkeit verliert. Die Bewerberin habe
die deutsche Staatsangehörigkeit aber nicht verloren, son-
dern nie innegehabt. Eine analoge Anwendung des § 24
BWG scheide aufgrund der Formenstrenge des Wahlrechts
aus. Zudem hätte dem Wahlvorschlag auch bei einer wirksa-
men Änderung die erforderliche Anzahl von Unterstüt-
zungsunterschriften gefehlt.

In Bezug auf die behauptete Benachteiligung der Partei im
Hinblick auf Plakatierungsmöglichkeiten wird nach Ansicht
der Landeswahlleiterin nicht deutlich, weshalb die Partei
sich nicht rechtzeitig um Werbeflächen hätte bemühen kön-
nen.

Im Hinblick auf die Einzelheiten der Stellungnahme und die
Gegenäußerung der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

1. Zurückweisung der Kreiswahlvorschläge

Soweit sich die Einspruchsführerin gegen die Zurückwei-
sung der Kreiswahlvorschläge in Mannheim und Stuttgart I
wendet, liegt ein Wahlfehler nicht vor. Kreiswahlvorschläge
von Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem
Landtag seit deren letzter Wahl nicht aufgrund eigener
Wahlvorschläge mit mindestens fünf von hundert Abgeord-
neten vertreten waren, bedürfen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2
BWG auch im Falle einer vorzeitigen Bundestagsauflösung
der Beibringung von 200 Unterstützungsunterschriften.
Wird diesem Erfordernis nicht genüge getan, sind sie durch
den Kreiswahlausschuss gemäß § 26 BWG zurückzuwei-
sen.

Das Erfordernis der Beibringung von – damals 500 – Unter-
stützungsunterschriften für Kreiswahlvorschläge findet sich
bereits in § 15 Abs. 3 des Reichswahlgesetzes in der Fas-
sung vom 13. März 1924 (RGBl. I S. 173) und wurde durch
§ 11 Abs. 1 des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur
ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutsch-
land vom 15. Juni 1949 (BGBl. I S. 21) für Wahlvorschläge
unabhängiger Kandidaten übernommen (vgl. hierzu
BVerfGE 3, 19 ff.). In der Folge hat der Bundesgesetzgeber
das Beibringungserfordernis im Hinblick auf die Anzahl der
erforderlichen Unterstützungsunterschriften und eine Diffe-
renzierung nach den Trägern des Wahlvorschlagsrechtes
mehrfach geändert. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bun-
deswahlgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) und
dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom
8. März 1985 (BGBl. I S. 521) hat der Bundesgesetzgeber
weiterhin zum Ausdruck gebracht, an dem Erfordernis eines
Unterschriftenquorums ausnahmslos – und damit auch im
Fall der Wahlvorbereitung nach einer Auflösung des Deut-
sei, sondern nur einer auf zwei Jahre befristeten und am
31. Dezember 2004 abgelaufenen Einbürgerungszusiche-

schen Bundestages – festhalten zu wollen (vgl. hierzu
BVerfG, 2 BvE 5/05 vom 23. August 2005, Absätze 21 und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 245 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 245 – Drucksache 16/1800

43). Durch die Einführung des heutigen § 21 Abs. 3 Satz 4
BWG hat der Gesetzgeber nämlich eine Sonderregelung in
Bezug auf die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4 erster Halbsatz
BWG für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Wahlpe-
riode geschaffen. Danach gelten die Fristen, nach deren Ab-
lauf die Parteien frühestens mit der Aufstellung von Partei-
bewerbern beginnen dürfen, nicht im Fall des vorzeitigen
Endes der Wahlperiode. Mit dieser auch auf den Auf-
lösungsfall nach Artikel 68 GG anzuwendenden Sonderre-
gelung (vgl. Bundestagsdrucksache 7/2873, S. 39) hat der
Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die wahlrechtlichen
Folgen einer Bundestagsauflösung nach Artikel 68 GG, die
aus der Fristverkürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG
resultieren, bedacht hat. Dabei hat er davon abgesehen, ent-
sprechende Ausnahmetatbestände zum Erfordernis der Un-
terstützungsunterschriften – z. B. in Form einer Absenkung
oder Suspendierung des Quorums – zu schaffen.

Der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag
sehen sich nicht berufen, diese Entscheidung des Gesetzge-
bers auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen. Sie
haben dies stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehal-
ten. Davon abgesehen bestehen an der Verfassungskonfor-
mität von § 20 Abs. 2 BWG in seiner oben dargestellten
Auslegung keine Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht
hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Zulas-
sungsbedingungen zur Bundestagswahl aufgestellt werden
dürfen. Im Hinblick auf das Unterschriftenquorum hat es
festgestellt, dass dieses unter bestimmten Voraussetzungen
mit den Grundsätzen der formalen Wahlrechtsgleichheit, der
Allgemeinheit der Wahl, der Geheimhaltung der Wahl, der
Wettbewerbschancengleichheit der Parteien sowie der
Garantie des passiven Wahlrechts vereinbar ist (vgl. u. a.
BVerfGE 1, 208, 248; 3, 19, 25 ff.; 71, 81, 96 f; 85, 264, 293
sowie Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, 2002,
§ 20 Rn. 8, 9, 16 m. w. N.). Bei der zahlenmäßigen Festle-
gung des Quorums steht dem Gesetzgeber ein Ermessens-
spielraum zu (zum Ermessenspielraum BVerfGE 3, 19, 24;
59, 119, 124; 95, 335, 349). Das auf 200 Unterstützungsun-
terschriften abgesenkte Quorum hat das Bundesverfas-
sungsgericht als verfassungskonform bestätigt (BVerfGE
24, 260, 265; 60, 162, 168 f., 172, 175; 67, 369, 380). Das
Unterschriftenquorum dient dem Nachweis der Ernsthaftig-
keit der Bewerbung und dem Ausscheiden nicht ernsthaft
gemeinter oder von vornherein aussichtsloser Wahlvor-
schläge. Durch das Quorum soll im Interesse der Durch-
führbarkeit der Wahlen gewährleistet werden, dass nur sol-
che Wahlvorschläge zugelassen werden, von denen zumin-
dest vermutet werden kann, dass hinter ihnen eine ernst zu
nehmende politische Gruppe steht, die sich mit diesem
Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen wünscht, oder
dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die Chance einräu-
men wollen, die in der Beteiligung am Wahlkampf liegt
(BVerfGE 4, 375, 381 f.). Neben dem Kriterium der Ernst-
haftigkeit ist damit eine in einem Mindestmaß an politi-
schem Rückhalt in der Wählerschaft begründete potentielle
Erfolgsaussicht als Zulassungsbedingung beschrieben, die
politisch kurzlebige Zufallsbildungen von einer Teilnahme
am Wahlkampf ausschließt. Dem Erfordernis der Unterstüt-
zungsunterschriften wohnt damit das Motiv der „Sicherung
des Charakters der Wahl als eines auf die Bildung funk-

schriftenquorum indirekt bereits vor der Wahl der Stimmen-
zersplitterung entgegenwirkt, verfolgt es – wie die Fünf-
Prozent-Sperrklausel – den Zweck, die Bildung staatspoli-
tisch erwünschter Mehrheitsverhältnisse und handlungs-
fähiger sowie die wesentlichen politischen Anschauungen
widerspiegelnder Verfassungsorgane zu ermöglichen
(Schreiber, a. a. O.).

Auch aus der Anwendbarkeit des Quorums auf den Fall ei-
ner Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68
Abs. 1 GG und die Festsetzung von Neuwahlen innerhalb
der 60-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG ergeben
sich keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit
von § 20 Abs. 2 BWG. Wie das Bundesverfassungsgericht
bereits zu der ersten gesamtdeutschen Wahl festgestellt hat,
kommt es nach dem Zweck des Quorums gerade nicht dar-
auf an, ob den an einer Kandidatur Interessierten genügend
Zeit für die Vorbereitung der Kandidatur verbleibt oder sie
an der Einreichung von Wahlvorschlägen nur deswegen ge-
hindert sind, weil es ihnen aufgrund organisatorischer
Schwierigkeiten in der Kürze der Zeit nicht gelingt, die Un-
terstützungsunterschriften zu sammeln (BVerfGE 82, 353,
364). Der Ausschluss ihrer Wahlbewerbung entspreche auch
in diesen Fällen gerade dem oben dargestellten Sinn des Un-
terschriftenquorums. Die mit der Beibringung der Unter-
stützungsunterschriften verbundene Vermutung, dass hinter
dem Wahlvorschlag eine ernst zu nehmende politische
Gruppe steht, die sich mit diesem Wahlvorschlag am Wahl-
kampf zu beteiligen wünscht, oder dass politisch Interes-
sierte ihm ernsthaft die Chance einräumen wollen, die in der
Beteiligung am Wahlkampf liegt, sei gerade nicht begrün-
det, wenn die Unterstützungsunterschriften nicht beige-
bracht würden. In seiner zur ersten gesamtdeutschen Wahl
ergangenen Entscheidung bezog sich das Bundesverfas-
sungsgericht zwar lediglich auf die kurzfristige Ausdehnung
des Wahlgebietes auf die neuen Bundesländer und somit auf
einen besonderen Aspekt der Kurzfristigkeit. Wenn aber be-
reits die mit der Sondersituation der deutschen Einigung
verbundene Tatsache, dass die an einer Kandidatur interes-
sierten Parteien, die zuvor lediglich auf dem Gebiet der sog.
alten Bundesländer tätig waren und damit über keinerlei
organisatorische Strukturen und Bekanntheit in den Bei-
trittsländern verfügten, für die uneingeschränkte Anwend-
barkeit des Quorums ohne rechtlichen Belang war, so wird
dies erst recht für den vorliegenden Fall gelten, in dem die
an einer Kandidatur Interessierten in keiner Weise gehindert
waren, sich rechtzeitig des notwendigen politischen Rück-
halts in der Wählerschaft zu vergewissern. Im Übrigen hat
das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung
auch darauf hingewiesen, dass „äußerst knappe Zeiträume“
hinzunehmen seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger
Auflösung des Bundestages – für alle betroffenen Parteien
im gesamten Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“
(BVerfGE 82, 353, 368). Diese Voraussetzungen sind im
vorliegenden Fall erfüllt. Somit bestehen an der Vereinbar-
keit von § 20 Abs. 2 BWG mit den Wahlrechtsgrundsätzen
und der Garantie des passiven Wahlrechts keine Zweifel.

Kreiswahlvorschläge, die diesen gesetzlichen Anforderun-
gen nicht entsprachen, waren damit durch die Wahlorgane
zurückzuweisen.
tionsfähiger Verfassungsorgane gerichteten Integrationsvor-
ganges“ inne (BVerfGE 14, 121, 135). Indem das Unter-

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der Ausge-
staltung des Quorums seinen Ermessensspielraum auch an-

Drucksache 16/1800 – 246 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 246 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ders hätte ausüben können bzw. wie er diesen noch ausüben
könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprüfung.

Der Kreiswahlvorschlag für den Wahlkreis Mannheim war
darüber hinaus auch gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 BWG i. V. m.
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 BWG zurückzuweisen. Denn der Kreis-
wahlausschuss konnte zum Zeitpunkt seiner Entscheidung
über die Zulassung des Wahlvorschlags nicht mit der erfor-
derlichen Sicherheit davon ausgehen, dass die im Wahlvor-
schlag benannte Bewerberin am Wahltage im Besitz der
deutschen Staatsangehörigkeit und damit wählbar sein
würde.

Der Kreiswahlausschuss musste aufgrund der Mitteilung
der Stadt Mannheim, dass die Bewerberin nicht die deut-
sche Staatsangehörigkeit besitze, und angesichts der Tatsa-
che, dass trotz Aufforderung keine Einbürgerungsurkunde
der Bewerberin vorgelegt werden konnte, davon ausgehen,
dass die Bewerberin zum Zeitpunkt seiner Entscheidung
keine deutsche Staatsangehörige war. Denn gemäß § 16
Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) setzt
die Wirksamkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehö-
rigkeit durch Einbürgerung – vom hier nicht einschlägigen
Erstreckungserwerb bei Kindern nach § 16 Abs. 2 StAG ab-
gesehen – die Aushändigung einer Einbürgerungsurkunde
voraus (vgl. Hailbronner, in: ders./Renner, Staatsangehörig-
keitsrecht, 4. Auflage 2005, § 16 Rn. 1 f., 12). Unter diesen
Umständen hätte der Kreiswahlausschuss die Wählbarkeit
der Bewerberin nur dann bejahen können, wenn er hätte da-
von ausgehen können, dass die Bewerberin bis zum Wahl-
tag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die
deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wird (vgl. Schreiber,
a. a. O., § 26 Rn. 4g). Dafür gab es aber keinerlei Anhalts-
punkte. Ganz im Gegenteil. Der Umstand, dass in der Sit-
zung des Kreiswahlausschusses versucht wurde, analog
§ 24 BWG die im Wahlvorschlag benannte Bewerberin ge-
gen eine andere auszutauschen, musste den Eindruck erwe-
cken, dass selbst die Vertrauenspersonen nicht mehr von
einer Einbürgerung der Bewerberin bis zum Wahltag über-
zeugt waren. Ob die Bewerberin gleichwohl bis zum Wahl-
tage eingebürgert wurde, wie es die Einspruchsführerin für
möglich hält, ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Es
bestand deshalb für den Wahlprüfungsausschuss kein
Grund, den tatsächlichen Status der Bewerberin am Wahltag
bei den zuständigen Behörden nachzufragen.

Der Umstand, dass dem Kreiswahlvorschlag eine irriger-
weise ausgestellte Bescheinigung der Wählbarkeit der Be-
werberin gemäß § 34 Abs. 5 Nr. 2 BWO beigefügt war, än-
dert nichts daran, dass der Wahlvorschlag wegen fehlender
Wählbarkeit der Bewerberin zurückzuweisen war. Die
Wählbarkeitsbescheinigung ist nämlich kein Verwaltungs-
akt, sondern eine interne Unterlage für die Entscheidung des
Kreiswahlausschusses, die zwar die Vermutung der Richtig-
keit für sich hat, jedoch nachprüfbar und widerlegbar ist
(Schreiber a. a. O. § 26 Rn. 4g).

Schließlich war der Wahlvorschlag auch nicht mit geänder-
tem Bewerber zuzulassen. Denn zum einen lagen die Vor-
aussetzungen für eine Änderung des Kreiswahlvorschlags
nicht vor, da die Bewerberin zu keinem Zeitpunkt wählbar
war und nicht – wie es § 24 Satz 1 BWG voraussetzt – ihre
Wählbarkeit verloren hatte. Eine analoge Anwendung der

(vgl. auch Schreiber, a. a. O., § 24 Rn. 3). Zudem hätte es –
wie die Landeswahlleiterin zu Recht feststellt – auch dann
an den erforderlichen 200 Unterstützungsunterschriften ge-
fehlt. Denn wenn es in § 24 Satz 2 BWG heißt, der Unter-
schriften nach § 20 Abs. 2 und 3 bedarf es nicht, ist damit
nur gemeint, dass die für den ursprünglichen Bewerber ge-
sammelten Unterschriften auch für den neuen gelten, so
dass für den neuen nicht eigens Unterschriften gesammelt
werden müssen (vgl. Schreiber, a. a. O., Rn. 5).

2. Nichtzulassung der Landesliste gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2
BWG

Auch soweit die Einspruchsführerin die Zurückweisung der
Landesliste der PARTEI in Baden-Württemberg durch den
zuständigen Landeswahlausschüsse rügt, liegt ein Wahlfeh-
ler nicht vor. Vielmehr ist die Zurückweisung gemäß § 28
Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 BWG rechtmäßig erfolgt.
Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BWG
bestimmt, dass Landeslisten von dem Vorstand des Landes-
verbandes der Partei oder, wenn ein Landesverband oder
eine einheitliche Landesorganisation nicht besteht, von den
Vorständen der nächstniedrigen Gebietsverbände, die im
Bereich des Landes liegen, persönlich und handschriftlich
zu unterzeichnen sind. Landeslisten „neuer“ Parteien i. S. d.
§ 18 Abs. 2 BWG müssen nach dem in § 27 Abs. 1 Satz 2
zweiter Halbsatz BWG verankerten Unterschriftenquorum
darüber hinaus zusätzlich zu diesen Unterschriften zum
Nachweis eines Rückhaltes in der Wählerschaft und der
Ernsthaftigkeit des Wahlvorschlages noch von 1 vom Tau-
send der Wahlberechtigten des Landes bei der letzten Bun-
destagswahl, jedoch von höchstens 2 000 Wahlberechtigten
des Landes, persönlich und handschriftlich unterzeichnet
sein. Die PARTEI reichte aber nur 1 129 gültige Unter-
schriften ein.

An der Verfassungskonformität des für die Einreichung
von Landeslisten geltenden Unterschriftenquorums beste-
hen schon deswegen keine Zweifel, weil das Bundesver-
fassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit bereits 1953
festgestellt hat (BVerfGE 3, 19, 29 ff. – zum damals maß-
geblichen höheren Quorum von 2 500 Unterschriften – so-
wie zuletzt BVerfGE 82, 353 ff.). Danach verstößt das Un-
terschriftenquorum weder gegen die Grundsätze der Allge-
meinheit und Gleichheit der Wahl noch gegen das Prinzip
der Geheimhaltung der Wahl. Diesen Entscheidungen liegt
zwar lediglich der Fall eines regulären Wahlperiodenwech-
sels – und somit kein Auflösungsfall – zu Grunde. Aus den
oben zu § 20 Abs. 2 BWG dargestellten Erwägungen er-
gibt sich jedoch auch die uneingeschränkte Anwendbar-
keit des in § 27 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BWG ver-
ankerten Quorums auf den Fall einer Auflösung des Deut-
schen Bundestages. So gilt insbesondere auch in diesem
Zusammenhang, dass der Gesetzgeber die wahlrechtlichen
Folgen einer Bundestagsauflösung nach Artikel 68 GG, die
aus der Fristverkürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG
resultieren, bedacht hat. Dabei hat er davon abgesehen,
entsprechende Ausnahmetatbestände zum Erfordernis der
Unterstützungsunterschriften – z. B. in Form einer Absen-
kung oder Suspendierung des Quorums – zu schaffen. Wie
oben bereits dargelegt wurde, hat das Bundesverfassungs-
gericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass
Vorschrift auf den Fall, dass ein Bewerber von vornherein
die Wählbarkeit nicht besessen hat, kommt nicht in Betracht

im Vorfeld der Wahl „äußerst knappe Zeiträume“ hin-
zunehmen seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger Auf-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 247 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 247 – Drucksache 16/1800

lösung des Bundestages – für alle betroffenen Parteien im
gesamten Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“ (BVerfGE
82, 353, 368). Auch im Hinblick auf das für die Landeslis-
ten maßgebliche Quorum gilt, dass die Frage, in welcher
Weise der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Ermessens-
spielraum noch ausüben könnte, nicht Gegenstand der
Wahlprüfung sein kann.

3. Plakatierungsmöglichkeiten

Eine wahlprüfungsrelevante Benachteiligung der PARTEI
gegenüber anderen Parteien im Hinblick auf Plakatierungs-
möglichkeiten in Ludwigshafen oder Mannheim kann den
Darlegungen der Einspruchsführerin nicht entnommen wer-
den.

Die Aufforderung der Stadt Ludwigshafen, ihre Wahlpla-
kate abzunehmen, nachdem ihre Landesliste für Rheinland-
Pfalz nicht zugelassen worden war, kann die Wahlchancen
der PARTEI nicht beeinträchtigt haben – eben weil ihre
Landesliste dort nicht zugelassen war. Entgegen der Ansicht
der Einspruchsführerin ergibt sich aus dieser Aufforderung
der Stadt Ludwigshafen, die Plakate zu entfernen, auch
nicht zwingend, dass die Plakatierung bis zu diesem Zeit-
punkt rechtswidrig war und die PARTEI an sich bis zur Ent-

scheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge hätte
warten müssen. Selbst wenn dem aber so gewesen sein
sollte, hat sich dies jedenfalls nicht nachteilig auf die Wett-
bewerbsposition der PARTEI gegenüber anderen Wahl-
vorschlagsträgern ausgewirkt. Denn tatsächlich war die
PARTEI nach dem Vortrag der Einspruchsführerin an einer
Plakatierung in Ludwigshafen bis zum Zeitpunkt der Zu-
rückweisung der Landesliste nicht gehindert.

In Bezug auf Mannheim wird – worauf die Landeswahl-
leiterin zu Recht hinweist – nicht erkennbar, weshalb die
PARTEI sich nicht rechtzeitig um Werbeflächen hätte be-
mühen können. Eine Benachteiligung gegenüber anderen
Parteien lässt sich jedenfalls nicht bereits daraus ableiten,
dass die Stadt Ludwigshafen in ihrem Zuständigkeitsbereich
möglicherweise andere Regelungen für die Vergabe von
Werbeflächen getroffen hat als die Stadt Mannheim inner-
halb ihres Zuständigkeitsbereichs. Denn der Grundsatz der
Chancengleichheit schützt nicht davor, dass verschiedene
Hoheitsträger innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs unter-
schiedliche Normen erlassen bzw. Normen unterschiedlich
auslegen (vgl. BVerfGE 21, 54, 68; 76, 1, 73; 79, 127, 158;
93, 319, 351).

Der Einspruchsführer sieht in der beschriebenen Art der
Vorfaltung eine Verletzung der Chancengleichheit der auf

Die hier gewählte Art der Faltung verstieß – entgegen der
Ansicht des Einspruchsführers – auch nicht gegen die aus
Wähler dadurch, dass der letzte Abschnitt offen nach oben
gefaltet gewesen sei, erkennen können, dass offenkundig
noch weitere Wahlvorschläge folgten. Zum anderen habe je-

einem in gleich große Abschnitte gefalteten Stimmzettel
den letzten Falzabschnitt zu übersehen oder das – stets vor-
handene und schlichtweg unvermeidbare – Risiko, bei ei-
dem letzten, kurzen Abschnitt stehenden Bewerber. Denn
dadurch, dass dieser Abschnitt kleiner gewesen sei als die
anderen Abschnitte, habe die Gefahr bestanden, dass dieser
kleine Streifen beim Auffalten übersehen wird. So hätte ihm
eine Wählerin berichtet, dass sie und eine andere Wählerin
ihn nicht hätten wählen können, weil sie ihn auf dem
Stimmzettel nicht hätten finden können, und dies obwohl
sie von seiner Kandidatur gewusst hätten. Der Einspruchs-
führer ist der Ansicht, dass der untere Abschnitt auf einem
vorgefalteten Stimmzettel auf keinen Fall kleiner sein dürfe
als einer der anderen Abschnitte.

Die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen ist
demgegenüber der Ansicht, dass die Faltung den Vorgaben
des Wahlrechts entsprochen habe. Zum einen habe jeder

Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG folgende Chancengleichheit
der Wahlbewerber. Zwar befanden sich die drei Wahlbewer-
ber am unteren Rand des Stimmzettels nur auf einem 3,5 cm
großen Falzabschnitt, während die darüber stehenden Wahl-
bewerber sich auf 10,5 cm großen Falzabschnitten befan-
den. Doch durch diese ungleiche Zuteilung von Falzab-
schnitten wurden ihre Chancen, gewählt zu werden, nicht
beeinträchtigt. Die Landeswahlleiterin weist in diesem Zu-
sammenhang zu recht darauf hin, dass durch die „nach oben
offene“ Faltung und den gemäß § 48 Abs. 2 BWO aushän-
genden Musterstimmzettel unproblematisch hätte erkannt
werden können, dass der Stimmzettel nicht beim Wahlvor-
schlag 16 endete.

Das Risiko, dies gleichwohl nicht zu erkennen, war unter
diesen Umständen letztlich nicht größer als das Risiko, bei
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 249 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 249 – Drucksache 16/1800

Anlage 44

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. R., 51147 Köln
– Az.: WP 63/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 28. September 2005, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am 29. September 2005 eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt. Gegenstand
des Einspruchs ist die Art und Weise, in der die Stimmzettel
bei der Übergabe an die Wahlberechtigten im Wahllokal Be-
zirksamt Porz des Wahlkreises 94 (Köln I) gefaltet waren.

Die Stimmzettel waren in fünf Abschnitte gefaltet: In vier
gleich große Abschnitte von je ca. 10,5 cm Länge und einen
am unteren Rand befindlichen Abschnitt von ca. 3,5 cm
Länge. Dieser Abschnitt war – von der beschrifteten Seite
aus gesehen – nach vorn geklappt. Auf ihm standen die Na-
men der Kandidaten 15 bis 17, wobei es sich bei Kandidat
17 um den – als Einzelbewerber angetretenen – Einspruchs-
führer selbst handelte. Ein – vollständig entfaltetes –
Stimmzettelmuster hing im Wahllokal aus.

zettel aussieht und wo der gewünschte Kandidat zu finden
ist.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. In der vom Einspruchsführer gerügten Art der Faltung
des Stimmzettels liegt kein Wahlfehler.

Das Bundeswahlgesetz oder die Bundeswahlordnung ent-
halten weder ein Verbot, Stimmzettel vorgefaltet auszuge-
ben, noch machen sie Vorgaben, wie diese Faltung zu erfol-
gen hat.
der Wähler sich auch anhand des aushängenden Muster-
stimmzettels darüber informieren können, wie der Stimm-

nem ungefalteten Stimmzettel einen Wahlvorschlag schlicht
und einfach zu überlesen.

Wäre er sich dieses Umstands bewusst gewesen, hätte er ein
anderes Kennwort gewählt, nämlich eines, das in seinen Au- Schließlich ist der Einspruchsführer der Ansicht, seine Kan-
ken, für die Erststimme vorgesehenen Spalte, in der 10. Zeile
aufgeführt. In den Zeilen 1 bis 6 standen die Wahlkreisbe-
werber (linke Spalte) und Listenkandidaten (rechte Spalte)

Kennwörter der anderen Kreiswahlvorschläge im Sinne des
§ 20 Abs. 4 BWG an. Im Interesse der Übersichtlichkeit für
die Wähler richte sich die Reihenfolge der Kreiswahlvor-
gen seine Parteilosigkeit besser zum Ausdruck gebracht
hätte. Durch das Kennwort „ReGe“ sei, was ihm von eini-
gen Wählern bestätigt worden sei, indes der Eindruck ent-
standen, er sei Vertreter einer bis dato unbekannten Partei
aus dem rechten Spektrum. Dies habe die Wähler veran-
lasst, bevorzugt die bekannten Parteien zu wählen. Der Ein-
spruchsführer, der im Kreiswahlbüro angerufen hatte, um
sich nach den Modalitäten einer Wahlteilnahme als „anderer
Kreiswahlvorschlag“ im Sinne des § 20 Abs. 3 BWG zu er-
kundigen, ist der Ansicht, dass man ihn bei dieser Gelegen-
heit auch über die Funktion und Bedeutung des Kennworts
hätte informieren müssen, insbesondere darüber, dass das
Kennwort auf dem Stimmzettel erscheint. Stattdessen sei
ihm auf seine „Nachfrage hin, was dort hinein geschrieben
werden solle, mitgeteilt worden, dass es egal sei, und er sich
ein beliebiges Kennwort aussuchen könne.“

Auf dem Stimmzettel wurde der Einspruchsführer in der lin-

didatur sei durch die Erhebung einer Standgebühr bzw. von
Verwaltungsgebühren eines Teils der Kommunen (Frankfurt
[Oder] und Eisenhüttenstadt) erschwert worden, was die
Kandidatur im Vergleich zu den Parteien erschwert habe.

Der Landeswahlleiter des Landes Brandenburg, der zu dem
Einspruch Stellung genommen hat, ist der Ansicht, die vom
Einspruchsführer geforderte Beratung in Bezug auf das
Kennwort sei weder faktisch möglich noch rechtlich zuläs-
sig gewesen. Die Neutralitätspflicht des Kreiswahlleiters
verpflichte diesen, ein Kennwort unkommentiert zu über-
nehmen, wenn dieses – wie hier – wahlrechtlich unbedenk-
lich sei. Auch der Stimmzettel des Wahlkreises 63 habe den
gesetzlichen Vorschriften entsprochen. Die Reihenfolge der
Kreiswahlvorschläge richte sich nach der vom Landeswahl-
leiter festgelegten Reihenfolge der zugelassenen Landeslis-
ten. Die sonstigen Kreiswahlvorschläge schlössen sich in
alphabetischer Reihenfolge der Namen der Parteien oder der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 251 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 251 – Drucksache 16/1800

Anlage 45

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. K., 15236 Frankfurt/Oder
– Az.: WP 147/05 –

Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt T. K., 15230 Frankfurt/Oder

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 10. No-
vember 2005 hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag einge-
legt. Der Einspruchsführer ist der Ansicht, seine Kandidatur
als parteiloser Direktkandidat für den Wahlkreis 63 (Frank-
furt [Oder] – Oder-Spree) sei durch unzureichende Beratung
über die Bedeutung und Funktion des Kennworts gemäß
§ 20 Abs. 4 BWG, durch seine Platzierung auf dem Stimm-
zettel sowie durch die Erhebung von Gebühren beeinträch-
tigt worden.

Der Einspruchsführer hatte als Kennwort für seinen Kreis-
wahlvorschlag „ReGe“ angegeben, was für „Recht und Ge-
rechtigkeit“ stehen sollte. Dabei sei er allerdings davon aus-
gegangen, dass das Kennwort lediglich internen Zwecken
diene und nicht auf dem Stimmzettel erscheinen würde.

der rechten Spalte waren die Listenkandidaten der
GRAUEN, von 50 Plus und der MLPD aufgeführt. Der Ein-
spruchsführer meint, dass sich der „letzte, weit abgerückte
Platz in der unteren linken Ecke des Wahlzettels“ negativ
ausgewirkt habe. Diese Stelle sei schnell zu übersehen ge-
wesen und auch übersehen worden. Von dieser Positionie-
rung sei auch eine „faktische Herabsetzung“ des Ein-
spruchsführers ausgegangen, für die es keine Rechtsgrund-
lage gebe. Durch die erhebliche Absetzung von den übrigen
Bewerbern sei es zu einer „vom Wähler empfundenen nega-
tiven Aussage über die Qualität des Bewerbers“ gekommen,
von der er, der Wähler, sich habe leiten lassen. Ferner sei
eine Kandidatenaufstellung mit der Nummerierung 1 bis 6,
dann 10 keine Reihenfolge. Eine solche sei 1 bis 7. Der
Übersichtlichkeit gehe der Grundsatz der Wahlgleichheit
und Chancengleichheit gemäß Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG
in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 1 GG vor.
von SPD, CDU, Linkspartei, FDP, DIE GRÜNEN und
NPD. Die Zeilen 7 bis 9 blieben in der linken Spalte leer, in

schläge somit zunächst nach der Reihenfolge der Landes-
listen, so dass die Landesliste und der Kreiswahlvorschlag

Drucksache 16/1800 – 252 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 252 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

jeder Partei auf der gleichen Stufe und unter derselben
Nummer stünden. Trete eine Partei in dem betreffenden
Wahlkreis zwar mit einer Landesliste, nicht aber mit einem
Kreiswahlvorschlag an, bleibe das Feld auf der linken Seite

allgemein nach den Modalitäten einer Wahlteilnahme als
Einzelbewerber und fragte im Hinblick auf das Kennwort
lediglich, „was dort hinein geschrieben werden solle.“ Dar-
aus kann noch nicht geschlossen werden, dass der Bewerber
des Stimmzettels leer und werde nicht mitnummeriert
(Leernummer). Nach diesen Kreisvorschlägen (und ggf. lee-
ren Feldern) folgten alle sonstigen Kreiswahlvorschläge in
alphabetischer Reihenfolge der ausgeschriebenen Parteina-
men und Kennwörter.

Der Einspruchsführer hat in seiner Erwiderung auf die Stel-
lungnahme des Landeswahlleiters im Wesentlichen seinen
Rechtsstandpunkt noch einmal deutlich gemacht. Es wird
insoweit und im Hinblick auf den Sach- und Streitstand im
Übrigen auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Es kann kein Wahlfehler festgestellt werden.

1. So stellt es keinen Wahlfehler dar, dass der Einspruchs-
führer anlässlich seines Anrufs im Kreiswahlbüro nicht dar-
auf hingewiesen wurde, dass sein Kennwort auf dem
Stimmzettel erscheinen wird. Solch eine Hinweispflicht
lässt sich dem Wahlrecht nicht entnehmen. Gemäß § 32
Abs. 1 Satz 2 BWO haben die Kreiswahlleiter zwar auf die
Bestimmungen über Inhalt und Form der Kreiswahlvor-
schläge hinzuweisen. Diese Hinweispflicht beschränkt sich
jedoch zum einen auf die öffentliche Bekanntmachung nach
§ 32 Abs. 1 Satz 1 BWO. Zum anderen gehört zu den Be-
stimmungen über Inhalt und Form der Kreiswahlvorschläge
nur der die Angabe eines Kennworts vorschreibende § 20
Abs. 4 BWG, nicht der die Wiedergabe des Kennworts auf
dem Stimmzettel anordnende § 30 Abs. 2 Nr. 1 BWG. Dies
zeigt, dass es grundsätzlich dem von seinem passiven Wahl-
recht Gebrauch machenden Bewerber obliegt, sich über die
Bedeutung und Funktion des Kennworts und damit auch
darüber, dass es auf dem Stimmzettel erscheint, kundig zu
machen. Das gilt umso mehr als es keineswegs nahe liegt,
dass ein Bewerber – auch wenn er denkt, dass Kennwort
diene lediglich internen Zwecken – ein Kennwort angibt,
dass in seinen eigenen Augen geeignet ist, Missverständ-
nisse über das von ihm verfolgte politische Anliegen zu er-
zeugen.

Etwas anderes mag gelten, wenn der Bewerber direkt da-
nach fragt, ob das Kennwort auf dem Stimmzettel erscheint,
oder im Gespräch zu erkennen gibt, dass er davon ausgeht,
dass das Kennwort nicht auf dem Stimmzettel erscheint,
sondern nur internen Zwecken dient. Doch so liegt der Fall
hier nicht. Der Einspruchsführer erkundigte sich lediglich

davon ausgeht, dass das Kennwort nicht auf dem Stimmzet-
tel erscheint.

2. Die Platzierung des Einspruchsführers in der 10. Zeile
des Stimmzettels entsprach den gesetzlichen Vorgaben.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 3 BWG richtet sich die Reihenfolge
der Kreiswahlvorschläge nach der Reihenfolge der entspre-
chenden Landeslisten. Kreiswahlvorschläge, denen – wie
der des Einspruchsführers – keine Landesliste entspricht,
schließen sich nach § 30 Abs. 3 Satz 4 BWG an. Damit war
es ausgeschlossen, den Kreiswahlvorschlag des Einspruchs-
führers in die 7. Zeile neben die Landesliste der GRAUEN,
die keinen Kreiswahlvorschlag gemacht hatten, zu setzen.
Denn dann wäre angesichts der Regelung des § 30 Abs. 3
Satz 3 BWG, wonach die Reihenfolge der Kreiswahlschläge
der der entsprechenden Landeslisten folgt, der Eindruck
entstanden, es handele sich um einen Kreiswahlvorschlag
der GRAUEN. Es wäre aber auch nicht zulässig gewesen,
den Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers in die
7. Zeile zu setzen, die rechte – für die Landeslisten vorgese-
hene Spalte – frei zu lassen und ab der 8. Zeile die verblei-
benden Landeslisten (GRAUE, 50 Plus und MLPD) – be-
ginnend mit den GRAUEN – folgen zu lassen. Denn aus
§ 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 BWG folgt, dass die Landeslisten
in einer durchgehenden Reihenfolge aufgeführt werden.

Auch von einer Verletzung des Grundsatzes der gleichen
Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht auszugehen.
Abgesehen davon, dass sich die Platzierung des Einspruchs-
führers auf dem Stimmzettel zwingend aus gesetzlichen
Vorgaben ergab und die Feststellung der Verfassungswidrig-
keit von Wahlrechtsnormen dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten ist (vgl. nur Bundestagsdrucksache 14/1560,
Anlage 79, S. 209), ist auch eine rechtfertigungsbedürftige
Beeinträchtigung der Wahlchancen gegenüber weiter oben
platzierten Wahlvorschlägen nicht ersichtlich. Denn die
Wähler orientieren sich bei ihrer Wahlentscheidung regel-
mäßig nicht an der Reihenfolge der Wahlvorschläge auf
dem Stimmzettel, sondern an den jeweils verfolgten Zielen
der Parteien und Kandidaten (vgl. BVerfGE 29, 154 [164]
sowie Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002,
§ 30 Rn. 8).

3. Dem Vorbringen des Einspruchsführers, dass „durch die
Erhebung einer Standgebühr bzw. von Verwaltungsgebüh-
ren eines Teils der Kommunen“ die Kandidatur des Ein-
spruchsführers im Vergleich zu Parteien erschwert worden
sei, kann die substantiierte Darlegung eines Wahlfehlers
nicht entnommen werden. Es wird nicht erkennbar, ob und
ggf. wie sich eine Gebührenerhebung tatsächlich nachteilig
auf die Möglichkeiten des Einspruchsführers zur Wahlwer-
bung ausgewirkt haben kann.

teilweise sei mehr als 20 Minuten beraten worden. So sei
nach Beratung und mit knapper Mehrheit bei Stimmzetteln

er hat sich hierzu nicht geäußert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
Feststellung des Wahlergebnisses vorgetragen habe. Allein
die aus den Erörterungen im Wahlvorstand abgeleitete Mut-
maßung, dass das Wahlergebnis im gesamten Wahlkreis

fel an der korrekten Ermittlung der Wahlergebnisse stellen
sich nur als Mutmaßungen denkbarer Regelwidrigkeiten
dar. Derartige Mutmaßungen reichen nicht aus, um der An-
mit einer Erststimme und zwei Zweitstimmen nicht die ge-
samte Stimmabgabe als ungültig, sondern die Erststimme
als gültig und die Zweitstimme als ungültig gewertet wor-
den. Aus diesen Vorgängen folgert der Einspruchsführer,
dass zur Bewertung ungültiger Stimmen keine Einigkeit be-
standen und es keine einheitliche Verfahrensweise in allen
Wahllokalen des Wahlkreises 74 gegeben habe. Zu befürch-
ten sei daher, dass die Ergebnisse im gesamten Wahlkreis
unkorrekt seien. Gerügt wird weiterhin, dass die für die Er-
stellung der Protokolle geführten Strichlisten des Wahllo-
kals 5 vernichtet worden seien. Im Ergebnis hält der Ein-
spruchsführer eine Nachzählung aller gültigen und ungülti-
gen Stimmen für erforderlich.

Der Kreiswahlleiter betont in seiner Stellungnahme, dass
der Einspruchsführer keine unkorrekte Ermittlung oder

fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Die vom Einspruchsführer beschriebenen Einzelvorgänge
bei der Behandlung mehrerer Stimmzettel und die Beratun-
gen des Wahlvorstandes im angesprochenen Wahllokal zur
Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmen führen
nicht zur Feststellung von Fehlern bei der Durchführung der
Bundestagswahl im Wahlkreis 74 (Burgenland). Aus den
beschriebenen Vorgängen und Beratungen abgeleitete Zwei-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 253 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 253 – Drucksache 16/1800

Anlage 46

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. S., 06618 Naumburg
– Az.: WP 89/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem beim Kreiswahlleiter des Wahlkreises 74 am
7. Oktober 2005 eingegangenen und an den Deutschen Bun-
destag weitergeleiteten Schreiben hat der Einspruchsführer
gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Der Einspruchsführer berichtet, am 18. September 2005 die
Auszählung der Stimmen im Wahllokal 5 am Naumburger
Markt beobachtet und festgestellt zu haben, dass ein Stimm-
zettel mit angekreuzten NPD-Stimmen einem FDP-Stimm-
zettelstapel zugeordnet worden sei. Erst auf seine Aufforde-
rung sei dies korrigiert worden. Ebenso seien – bei der zu-
gleich stattfindenden Auszählung der Kreistagswahl –
Stimmzettel, die drei Stimmen auf mehrere Parteien aufge-
teilt hätten, einer Partei zugeordnet worden. Dies sei erst auf
seinen Hinweis in der Strichliste korrigiert worden.

Weiterhin trägt der Einspruchsführer Uneinigkeit des Wahl-
vorstandes bei der Prüfung der Gültigkeit von Stimmen vor;

§ 73 BWO regele abschließend, welche Wahlunterlagen der
Wahlvorstand der Gemeindebehörde zur Verwahrung zu
übergeben habe. Eventuelle Hilfsmittel, wie z. B. Strichlis-
ten, gehörten nicht zu diesen Unterlagen.

Abschließend führt der Kreiswahlleiter aus, dass die Wahl-
vorstände ordnungsgemäß in ihre Aufgaben eingewiesen
und mit Mustervordrucken und Hinweisen ausgestattet wor-
den seien. Üblicherweise seien die Wahlvorstände aus er-
fahrenen Mitgliedern und neuen Beisitzern zusammenge-
setzt worden.

Der Landeswahlleiter hat sich diesen Ausführungen ange-
schlossen. Weiterhin hat er den Einspruch als Anlass gese-
hen, die Kreiswahlleiter mit Blick auf die Landtagswahl am
26. März 2006 zu bitten, auf eine intensive Schulung der
Wahlvorstände zur Vermeidung von Irritationen bei der
Stimmenauszählung in der Öffentlichkeit hinzuwirken.

Dem Einspruchsführer sind die Stellungnahmen des Lan-
deswahlleiters und des Kreiswahlleiters übermittelt worden;
nicht korrekt sein könne, reiche für einen begründeten Wah-
leinspruch nicht aus.

forderung an die Begründung eines Wahleinspruchs aus § 2
Abs. 3 WPrüfG zu genügen. Diese Substantiierungspflicht

Drucksache 16/1800 destag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 destag – 16. Wahlperiode
– 254 – Deutscher Bun– 254 – Deutscher Bun

entspricht der Ausgestaltung der Wahlprüfung, die nicht von
Amts wegen und auch nicht in Gestalt einer Durchprüfung
der gesamten Wahl stattfindet, sondern nur auf Einspruch
erfolgt, der – wie auch vom Bundesverfassungsgericht aner-
kannt (vgl. zum Beispiel BVerfGE 40, 11, 30) – genügend
substantiierte Tatsachen zu enthalten hat.

Auch die Vernichtung von Strichlisten verletzt, wie vom
Landeswahlleiter zutreffend ausgeführt, nicht Bestimmun-
gen des Bundeswahlgesetzes oder der Bundeswahlordnung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 255 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 255 – Drucksache 16/1800

Anlage 47

Beschlussempfehlung

einmal nachgezählt, sondern lediglich in Zehnerstapel ein-
geteilt und dann nach Zehnerstapeln gezählt worden. Die

wahlleiters ist von einer korrekten Auszählung auszugehen.
Ein Wahlfehler scheidet somit aus. Ebenso wenig kann ein
FDP habe auf diese Weise zwei Stimmen mehr, die NPD
zwei Stimmen weniger erhalten.

Der Einspruchsführer beantragt eine Neuauszählung der
Stimmen im betroffenen Wahllokal und im gesamten Wahl-
kreis, da es nicht auszuschließen sei, dass es auch in anderen
Wahllokalen zu derartigen Pannen gekommen sei.

Der Kreiswahlleiter berichtet, dass aus Anlass des Ein-
spruchs die für die FDP und die NPD abgegebenen Erst-
und Zweitstimmen nachgezählt worden seien. Dabei habe
die Anschrift des Wahllokals nicht „Schillerstraße“ sondern

Wahlfehler aus der Vermutung des Einspruchsführers abge-
leitet werden, dass in anderen Wahllokalen des Wahlkreises
Stimmen falsch zugeordnet worden seien. Derartige Mut-
maßungen reichen nicht aus, um der Anforderung an die
Begründung eines Wahleinspruchs aus § 2 Abs. 3 WPrüfG
zu genügen. Diese Substantiierungspflicht entspricht der
Ausgestaltung der Wahlprüfung, die nicht von Amts wegen
und auch nicht in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten
Wahl stattfindet, sondern nur auf Einspruch erfolgt, der –
wie auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt (vgl.
zum Beispiel BVerfGE 40, 11, 30) – genügend substanti-
ierte Tatsachen zu enthalten hat.
Zum Wahleinspruch

des Herrn M. T., 06712 Zeitz
– Az.: WP 90/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem beim Kreiswahlleiter des Wahlkreises 74 einge-
gangenen und an den Deutschen Bundestag weitergeleiteten
Schreiben vom 8. Oktober 2005 hat der Einspruchsführer
gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Der Einspruchsführer berichtet, am 18. September 2005 von
17.55 Uhr bis 20.15 Uhr in einem Wahllokal in der Zeitzer
Schillerstraße anwesend gewesen zu sein und die Auszäh-
lung der Stimmen beobachtet zu haben. Zuerst seien die
Zweitstimmen bei Stimmzetteln, auf denen die Erst- und
Zweitstimme identisch gewesen seien, aussortiert worden.
Sodann seien die Zweitstimmen der Stimmzettel mit unter-
schiedlicher Stimmabgabe aussortiert worden. Dabei habe
ein Angehöriger des Wahlvorstandes einen Stimmzettel
vom noch auszusortierenden Stapel genommen, „NPD“ an-
gesagt und an eine Frau weitergereicht, die den Stimmzettel
auf den „FDP-Stapel“ gelegt habe. Das Gleiche sei später
noch einmal passiert. Die besagten Stapel seien nicht noch

„Pestalozzistraße“ gelautet. Die Überprüfung habe das vom
Wahlvorstand ermittelte Ergebnis bestätigt. Eine fehlerhafte
Beurteilung oder Zuordnung der Stimmzettel habe also
nicht festgestellt werden können. Der Landeswahlleiter hat
sich diesen Ausführungen angeschlossen. Dem Einspruchs-
führer sind die Stellungnahmen des Landeswahlleiters und
des Kreiswahlleiters übermittelt worden; er hat sich hierzu
nicht geäußert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Aufgrund der unwidersprochenen Darstellung des Kreis-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 257 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 257 – Drucksache 16/1800

habe. Die Einspruchsführerin fragt, ob die Wahlhelfer
schlecht vorbereitet oder überfordert gewesen seien und

Die von der Einspruchsführerin in Bezug genommenen Be-
ratungen des Wahlvorstandes im angesprochenen Wahllokal
gliedern und neuen Beisitzern zusammengesetzt worden. enthalten hat.
verlangt eine nochmalige Auszählung aller Stimmzettel un-
ter Kontrolle von Vertretern der Parteien.

Der Kreiswahlleiter ist in seiner Stellungnahme der Auffas-
sung, dass die Einspruchsführerin lediglich den unbegrün-
deten Verdacht mangelhafter Auszählungen in anderen
Wahllokalen geäußert habe. Allein diese Mutmaßung sei
weder ausreichend noch geeignet, den Wahleinspruch zu be-
gründen. Im Übrigen bezieht sich der Kreiswahlleiter auf
seine Stellungnahme zu einem Einspruch, der von dem
durch die Einspruchsführerin benannten Zeugen eingelegt
worden ist (WP 89/05). Demgemäß seien die Wahlvor-
stände ordnungsgemäß in ihre Aufgaben eingewiesen und
mit Mustervordrucken und Hinweisen ausgestattet worden.
Üblicherweise seien die Wahlvorstände aus erfahrenen Mit-

zur Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmen
führen nicht zur Feststellung von Fehlern bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahl im Wahlkreis 74 (Burgenland).
Aus den beschriebenen Beratungen abgeleitete Zweifel an
der korrekten Ermittlung der Wahlergebnisse stellen sich
nur als Mutmaßungen denkbarer Regelwidrigkeiten dar.
Derartige Mutmaßungen reichen nicht aus, um der Anforde-
rung an die Begründung eines Wahleinspruchs aus § 2
Abs. 3 WPrüfG zu genügen.

Diese Substantiierungspflicht entspricht der Ausgestaltung
der Wahlprüfung, die nicht von Amts wegen und auch nicht
in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl stattfin-
det, sondern nur auf Einspruch erfolgt, der – wie auch vom
Bundesverfassungsgericht anerkannt (vgl. zum Beispiel
BVerfGE 40, 11, 30) – genügend substantiierte Tatsachen zu
Anlage 48

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau C. K., 06712 Zeitz
– Az.: WP 91/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Kreiswahlleiter des Wahlkreises 74 ge-
richteten und von dort an den Deutschen Bundestag weiter-
geleiteten Schreiben vom 3. Oktober 2005 hat die Ein-
spruchsführerin gegen die Bundestagswahl am 18. Septem-
ber 2005 Einspruch eingelegt.

Die Einspruchsführerin trägt vor, dass laut Augenzeugenbe-
richten Unklarheiten bei der Auszählung der Stimmen in
einem Wahllokal am Markt in Naumburg aufgetreten seien,
und benennt insoweit einen Zeugen. Erst bei der Auszäh-
lung sei in einer ca. 20- bis 30-minütigen Diskussion die
Verfahrensweise zur Feststellung der Gültigkeit von Erst-
und Zweitstimmen festgelegt worden. So sei festgelegt wor-
den, dass beide Stimmen eines Stimmzettels unabhängig
voneinander als gültig oder ungültig zu werten seien. Es be-
stehe der dringende Verdacht, dass in anderen Wahllokalen
eine andere Handhabung erfolgt sei. Unverständlich sei,
dass es keine zentrale Regelung zur Auszählung gegeben

Der Landeswahlleiter hat sich diesen Ausführungen ange-
schlossen. Weiterhin hat er den Einspruch als Anlass gese-
hen, die Kreiswahlleiter mit Blick auf die Landtagswahl am
26. März 2006 zu bitten, auf eine intensive Schulung der
Wahlvorstände zur Vermeidung von Irritationen bei der
Stimmenauszählung in der Öffentlichkeit hinzuwirken.

Der Einspruchsführerin sind die Stellungnahmen des Lan-
deswahlleiters und des Kreiswahlleiters übermittelt worden;
sie hat sich hierzu nicht geäußert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

worden – teilweise erst nach langen Diskussionen und durch
Abstimmung über die Frage, welche Stimme bei Erst- und
Zweitstimme für gültig zu erklären seien.

sie derzeit in der Gemeinde wohnten, obwohl sie melde-
rechtlich in einer Gemeinde des Wahlkreises 72 erfasst und
dort auch im Wählerverzeichnis eingetragen gewesen seien.
sen. Hätte der Wahlvorsteher nicht noch seine Unterlagen
herangezogen, hätte es gar keine äußerst knappe Abstim-
mung über Stimmzettel mit mehr als zwei Kreuzen gege-

Stimmen unterliege erfahrungsgemäß immer Schwankun-
gen, die auch erheblich sein könnten. Schon die vom Ein-
spruchsführer herangezogene Bekanntmachung des Landes-
Nach Auffassung des Einspruchsführers habe es keine ein-
heitliche Verfahrensweise in den Wahllokalen des Burgen-
landkreises gegeben, so dass er ernsthafte Zweifel an der
Korrektheit der Ergebnisse gebe. Angeführt werden eine
„Verfünffachung“ der ungültigen Zweitstimmen von 1,7 auf
(8,4 Prozent in Löbitz, eine „Versiebenfachung“ von 0,7 auf
5 Prozent in Nonnewitz, eine mehr als „Verdoppelung“ von
1,7 auf 3,8 Prozent in Freyburg und von 1,3 bzw. 1,4 auf
2,9 Prozent in Naumburg und in Zeitz.

Weiterhin belegt der Einspruchsführer die von ihm ange-
nommene Unkenntnis über die richtige Verfahrensweise in
den Wahllokalen mit eigenen Beobachtungen im Wahllokal
5 in Naumburg. Dort sei er Zeuge einer knappen Abstim-
mung bei der Bewertung der Gültigkeit von Stimmen gewe-

Dort hätten sie, wie eine Nachfrage ergeben habe, nicht ge-
wählt, so dass es nicht zu einer doppelten Stimmabgabe ge-
kommen sei. Das Wahlergebnis sei aufgrund des Stimmen-
verhältnisses der Erststimmen in beiden Wahlkreisen nicht
beeinflusst worden.

Die Ursachen für die Erhöhung des Anteils der ungültigen
Stimmen gegenüber der Bundestagswahl 2002 können nach
Auffassung des Kreiswahlleiters nicht im Rahmen des
Wahlprüfungsverfahrens erörtert werden. Die Abweichun-
gen seien nicht durch überlastete oder unqualifizierte Wahl-
helfer zu begründen.

Die Wahlvorstände seien ausreichend besetzt gewesen, auf
ihre Aufgaben vorbereitet worden und hätten entsprechen-
des Informationsmaterial erhalten. Der Anteil an ungültigen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 259 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 259 – Drucksache 16/1800

Anlage 49

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. K., 06647 Billroda
– Az.: WP 95/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem beim Kreiswahlleiter des Wahlkreises 74 einge-
reichten und an den Deutschen Bundestag weitergeleiteten
Schreiben vom 10. Oktober 2005 hat der Einspruchsführer
gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt und diesen auf mehrere Gründe gestützt.

Der Einspruchsführer weist zunächst darauf hin, dass die
Zahl der Wahlberechtigten im Wahlkreis 74 (Burgenland-
kreis) in der Bekanntmachung des Statistischen Landesam-
tes zum vorläufigen Wahlergebnis 220 968 betragen habe,
während eine Bekanntmachung vom 28. September 2005 in
der Mitteldeutschen Zeitung von 220 967 ausgegangen sei.

Sodann trägt der Einspruchsführer vor, dass sich die ungül-
tigen Erst- und Zweitstimmen im Vergleich zur Bundestags-
wahl 2002 wesentlich erhöht hätten, bei den Zweitstimmen
sogar von 1,4 auf 2,4 Prozent bei nahezu identischer Wahl-
beteiligung. Mehreren Berichten zufolge seien in mehreren
Wahllokalen die Stimmzettel recht unterschiedlich bewertet

Schließlich hätten mehrere Wähler berichtet, dass die Wahl-
urne in einem Wahllokal in einer „Ökoschule“ in Weißen-
fels während des Nachmittags des Wahltags nicht verschlos-
sen gewesen sein solle.

Der Kreiswahlleiter berichtet in seiner Stellungnahme, dass
die Zahl der Wahlberechtigten nach Abschluss der Wähler-
verzeichnisse zunächst 220 966 betragen habe. Am Wahltag
habe die Stadt Naumburg einen zusätzlichen Wahlschein
nach § 25 Abs. 2 BWO ausgestellt. Dies habe die Zahl auf
220 967 erhöht, die vom Kreiswahlausschuss festgestellt
und durch den Kreiswahlleiter öffentlich bekannt gemacht
worden sei. Der Hinweis des Einspruchsführers auf am
Wahltag 220 968 Wahlberechtigte beruhe auf einer Informa-
tion des Statistischen Landesamtes zum vorläufigen Wahl-
ergebnis. Die Abweichung beruhe auf einer Schnellmeldung
der Gemeinde Schkopau vom Wahlabend, in der zwei Wahl-
berechtigte zusätzlich gemeldet worden seien. Diese beiden
an sich Wahlberechtigten seien vom Wahlvorstand nach-
träglich in das Wählerverzeichnis aufgenommen worden, da
ben, sondern alle Stimmen wären für ungültig erklärt wor-
den.

wahlleiters zeige, dass der prozentuale Anteil ungültiger
Erststimmen bei der Bundestagswahl 1998 nahezu identisch

Drucksache 16/1800 – 260 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 260 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

mit demjenigen von 2005 sei. Auch der Bekanntmachung
des endgültigen Wahlergebnisses im Land Sachsen-Anhalt
sei zu entnehmen, dass in anderen Wahlkreisen ähnliche
Anteile ungültiger Stimmen festgestellt worden seien. Bei
einer stochastischen Betrachtung der Wahlergebnisse sei es
nicht ausreichend, nur zwei aufeinander folgende Wahler-
gebnisse zu vergleichen. Allein die Beispiele des Ein-
spruchsführers ließen erkennen, dass bereits beim Vergleich
mit der Bundestagswahl 1998 weitaus geringere Abwei-
chungen zu verzeichnen seien, während die Landtagswah-
len 2002, die in der Stimmzettelbewertung analog zu be-

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Soweit der Einspruchführer auf unterschiedliche Angaben
zur Zahl der Wahlberechtigten aufmerksam gemacht hat, ist
die Differenz durch die Stellungnahme des Kreiswahlleiter
als aufgeklärt anzusehen. Auch die sich erst aus der Stel-
lungnahme des Kreiswahlleiters ergebende unzulässige
Teilnahme von zwei Wählern im Wahlkreis 74 stellt keinen
trachten seien, teilweise sogar prozentual höhere ungültige
Stimmen aufwiesen. Stichprobenartige Überprüfungen der
Wahlergebnisse hätten gezeigt, dass es keinen Anlass für
Zweifel an der korrekten Stimmauszählung gebe.

Soweit der Einspruch eine zeitweise nicht verschlossene
Wahlurne betrifft, bezieht sich der Kreiswahlleiter auf ein
Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft Weissenfelser
Land. Danach bestätigen zwei Mitglieder des Wahlvorstan-
des und eine Verwaltungsbedienstete, dass vor Beginn der
Wahlhandlung im Wahllokal der Ökowegschule die Wahl-
urne, nachdem sich anwesende Mitglieder das Wahlvorstan-
des davon überzeugt gehabt hätten, dass sie leer gewesen
sei, durch die stellvertretende Wahlvorsteherin mit einem
Vorhängeschloss verschlossen und erst um 18 Uhr wieder
geöffnet worden sei.

Der Landeswahlleiter sieht ebenfalls keine Grundlage für
eine Nachprüfung des Wahlkreisergebnisses und hebt her-
vor, dass bei den vom Kreiswahlleiter veranlassten Stich-
proben keine Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der
Stimmen festgestellt worden seien. Weiterhin hat er den
Einspruch als Anlass gesehen, die Kreiswahlleiter mit Blick
auf die Landtagswahl am 26. März 2006 zu bitten, auf eine
intensive Schulung der Wahlvorstände zur Vermeidung von
Irritationen bei der Stimmenauszählung in der Öffentlich-
keit hinzuwirken. Darüber hinaus sei beabsichtigt, in den
Erlass zur Vorbereitung und Durchführung der Landtags-
wahl erneut Beispiele für ungültige Stimmzettel aufzuneh-
men.

Dem Einspruchsführer sind die Stellungnahmen des Kreis-
wahlleiters und des Landeswahlleiters übermittelt worden;
er hat sich hierzu nicht geäußert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

für die Verteilung der Sitze im Bundestag erheblichen Wahl-
fehler dar.

Die vom Einspruchsführer beschriebenen unterschiedlichen
Anteile an ungültigen Stimmen im Vergleich zur Bundes-
tagswahl 2002 können nicht zur Feststellung von Fehlern
bei der Durchführung der Bundestagswahl im Wahlkreis 74
(Burgenland) führen. So hat auch der Kreiswahlleiter darauf
aufmerksam gemacht, dass einerseits im längerfristigen
Vergleich der Anteil an ungültigen Stimmen erfahrungsge-
mäß Schwankungen unterliegt und andererseits Stichproben
keine Unregelmäßigkeiten bei der Bewertung der abgegebe-
nen Stimmen haben erkennen lassen. Aus den unterschied-
lichen Zahlen abgeleitete Zweifel an der korrekten Ermitt-
lung der Wahlergebnisse in den einzelnen Wahllokalen stel-
len sich nur als Mutmaßungen denkbarer Regelwidrigkeiten
dar. Derartige Mutmaßungen reichen aber nicht aus, um der
Anforderung an die Begründung eines Wahleinspruchs aus
§ 2 Abs. 3 WPrüfG zu genügen. Diese Substantiierungs-
pflicht entspricht der Ausgestaltung der Wahlprüfung, die
nicht von Amts wegen und auch nicht in Gestalt einer
Durchprüfung der gesamten Wahl stattfindet, sondern nur
auf Einspruch erfolgt, der – wie auch vom Bundesverfas-
sungsgericht anerkannt (vgl. zum Beispiel BVerfGE 40, 11,
30) – genügend substantiierte Tatsachen zu enthalten hat.

Das Gleiche gilt für die Zweifel an der korrekten Ermittlung
der Wahlergebnisse, die der Einspruchsführer aus Beobach-
tungen Dritter oder eigener Beobachtung in einem Naum-
burger Wahllokal zur Vorgehensweise der Wahlvorstände
ableitet.

Auch die Behauptung einer zeitweise nicht verschlossenen
Wahlurne führt nicht zur Feststellung eines Wahlfehlers.
Abgesehen davon, dass der Einspruchsführer sich insoweit
nur auf Berichte Dritter, nicht aber auf eigene Anschauung
stützt, kann nach der u. a. von der stellvertretenden Wahllei-
terin abgegebenen schriftlichen Äußerung nicht von einem
derartigen Fehler ausgegangen werden.

Geheimhaltung der Wahl nicht mehr gewährleistet gewesen.
Denn das Gebot der geheimen Wahl fordere, dass von vorn-

Gemäß den den verfassungsrechtlichen Grundsatz der gehei-
rend der Kennzeichnung des Stimmzettels lege man diesen
üblicherweise in den Innenraum der Wahlkabine hinein und
beuge sich zudem über den Stimmzettel. Zwar sei es theore-

passiert wird. Denn unter diesen Umständen ist es dem diese
Wahlkabine passierenden Wähler i. d. R. ohne besondere
Mühe möglich, anhand der Armbewegung des in der Wahl-
herein ausgeschlossen werde, das Wahlverhalten eines Bür-
gers zu beobachten. Eine diesem Erfordernis entsprechende
Anordnung der Wahlkabinen sei auch durchaus möglich ge-
wesen. Man hätte die Wahlkabinen mit einem Vorhang ver-
sehen oder in der Mitte einen verlängerten Sichtschutz ver-
wenden können. Auch hätte dafür Sorge getragen werden
müssen, dass jede Kabine nur von einer Seite zugänglich
gewesen wäre. So habe man auch beim Abgang aus der
Wahlkabine problemlos in die des Nachbarn schauen kön-
nen.

Der Landeswahlleiter des Landes Mecklenburg-Vorpom-
mern, der zu dem Einspruch Stellung genommen hat, ist der
Ansicht, dass der Sichtschutz bei der Stimmabgabe ausrei-
chend gewesen sei und die vom Einspruchsführer gestellten
Anforderungen unverhältnismäßig erschienen. Denn wäh-

men Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG konkretisierenden
§ 33 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 50 Abs. 1 Satz 1 BWO sind Vor-
kehrungen dafür zu treffen, insbesondere die Wahlkabinen so
einzurichten, dass der Wähler seinen Stimmzettel unbeob-
achtet kennzeichnen und falten kann. Das heißt zwar nicht,
dass nicht erkennbar sein darf, welche Person sich gerade in
der Wahlkabine befindet, oder dass der Sichtschutz sonst un-
verhältnismäßigen Anforderungen genügen müsste. Ob und
wie der Wähler den Stimmzettel kennzeichnet, darf aber
unter normalen Umständen nicht zu sehen sein. Der Wähler
muss sich aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse
unbeobachtet fühlen können (vgl. Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 26 m. w. N.). Das ist beispielsweise nicht der
Fall, wenn ohne Vorhang versehene Wahlkabinen so ange-
ordnet sind, dass eine Wahlkabine nur dadurch erreicht wer-
den kann, dass eine andere Wahlkabine an ihrer offenen Seite
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 261 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 261 – Drucksache 16/1800

Anlage 50

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. H. R., 19288 Ludwigslust
– Az.: WP 142/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat am 7. November 2005 Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundes-
tag eingelegt. Gegenstand seines Einspruchs ist die räum-
liche Anordnung der beiden Wahlkabinen im Wahllokal des
Wahlbezirks 14 des Wahlkreises 13 (Schwerin – Ludwigs-
lust).

In diesem Wahllokal waren Tische in Form eines „U“ aufge-
stellt. An den jeweiligen Seiten war Platz für die Mitglieder
des Wahlvorstandes. An der Stirnseite des „U“ waren die
beiden Wahlkabinen angeordnet. Diese standen, mit dem
üblichen dreiwändigen Sichtschutz versehen, von beiden
Seiten zugänglich „Wand an Wand“ direkt nebeneinander
auf den Tischen. Der Wahlvorstand konnte die Wahlkabinen
überblicken.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass bei dieser Anord-
nung jeder, der es gewollt habe, ohne Probleme die Wahlka-
bine des Nachbarn habe einsehen und u. U. dessen Wahlver-
halten habe in Erfahrung bringen können. Dadurch sei die

er sich in diese hineinbeuge. Ein solcher Versuch würde je-
doch sicherlich von dem anderen Wähler bemerkt werden,
so dass dieser hierauf in geeigneter Weise reagieren könne.
Im Übrigen verstoße es noch nicht gegen das Wahlgeheim-
nis, wenn erkannt werden könne, welche Person sich in der
Wahlkabine aufhalte.

Der Einspruchsführer hat von der Möglichkeit, sich zu der
Stellungnahme des Landeswahlleiters schriftlich zu äußern,
keinen Gebrauch gemacht.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Die Anordnung der Wahlkabinen entsprach den Vorgaben
des Wahlrechts.
tisch möglich gewesen, dass ein Wähler versuche, den
Wahlvorgang in der Nachbarkabine zu beobachten, indem

kabine befindlichen Wählers zu erkennen, ob dieser den
Stimmzettel kennzeichnet (vgl. Bundestagsdrucksache 16/900,

Drucksache 16/1800 – 262 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 262 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anlage 26). Demgegenüber kann sich der Wähler noch un-
beobachtet fühlen, wenn die Wahlkabinen mit dem Rücken
zu einem Fenster stehen, hinter dem sich ein Schulhof befin-
det. Denn damit, dass sich am Wahlsonntag auf dem Schulhof
Personen aufhalten und insbesondere das Fenster zur Beob-
achtung des Wahlvorgangs nutzen, muss unter normalen Um-
ständen nicht gerechnet werden (vgl. Bundestagsdrucksache
15/4250, Anlage 11, S. 30).

Die hier in Frage stehende Anordnung der Wahlkabinen
„Wand an Wand“ genügte den dargelegten Anforderungen.

Wie der Wähler seinen Stimmzettel kennzeichnet, hätte –
wie der Landeswahlleiter im Einzelnen dargelegt hat – nur
unter besonderen Anstrengungen, etwa durch das Hinein-
beugen in dessen Wahlkabine, beobachtet werden können.
Die Wahlkabinen müssen aber nicht so beschaffen bzw. an-
geordnet sein, dass sie auch vor solchen aus dem Rahmen
fallenden Ausspähversuchen Schutz bieten. Dies ist viel-
mehr Aufgabe des Wahlvorstandes, der – um gegen solche
Verhaltensweisen einschreiten zu können – die Wahlkabi-
nen überblicken können muss (§ 50 Abs. 1 Satz 2 BWO)
und über die in den § 31 Satz 2 BWG und § 55 BWO gere-
gelten Ordnungsbefugnisse verfügt.

Auch ob ein Wähler den Stimmzettel kennzeichnet, konnte
unter normalen Umständen nicht beobachtet werden. Da-

durch, dass die Wahlkabinen „Wand an Wand“ standen, war
es zwar nicht ausgeschlossen, dass ein Wähler beim Heran-
treten an seine Wahlkabine sowie durch einen kurzen Sei-
tenblick beim Hinsetzen und Aufstehen Armbewegungen
des in der Nachbarkabine sitzenden Wählers wahrnimmt.
Ob diese auch dazu dienten, den Stimmzettel zu kennzeich-
nen (oder ob der Wähler beispielsweise nur mit dem Stift
auf dem Stimmzettel entlang fährt, um sich über die Kan-
didaten zu informieren), war bei dieser Anordnung, die nur
einen kurzen Blick von der Seite gestattete, hingegen nicht
ohne weiteres zu erkennen.

Obwohl rechtlich zulässig, kann die hier vorgenommene
Anordnung der Wahlkabinen „Wand an Wand“ indes nicht
als ideal und empfehlenswert angesehen werden. Dies gilt
umso mehr, als es in der Regel unproblematisch und ohne
unverhältnismäßigen Aufwand möglich sein dürfte, die
Sichtblenden etwas weiter auseinander zu rücken und so
eine zusätzliche „Sicherheitszone“ zu schaffen, die nicht nur
dem Wähler mehr Freiraum verschafft, sondern auch dem
Wahlvorstand die Wahrnehmung seiner Aufgaben erleich-
tert. Denn die Anordnung „Wand an Wand“ erfordert ein
unablässiges sehr aufmerksames Beobachten jedes die
Wahlkabine betretenden und verlassenden Wählers.

und bewusst“ über 1,3 Millionen Auslandsdeutsche an der
Wahlteilnahme gehindert worden seien. An der Wahl hätten

hörigkeit vermittelt bekommen haben, sei nach mehrmals
bestätigter Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht
rekt an die ausländischen Landsleute versendet würden. Im
Hinblick auf die deutsche Botschaft in Paraguay rügt der
Einspruchsführer zudem, dass man bewusst erst mit Verspä-

rers hervor, dass er seine Briefwahlunterlagen rechtzeitig er-
halten habe und es ihm auch gelungen sei, den ausgefüllten
Wahlbrief der Botschaft in Asunciòn zur Weiterleitung an
nur rund 39 000 Auslandsdeutsche teilgenommen. 97 Pro-
zent der wahlberechtigten Auslandsdeutschen seien von der
Wahl ausgeschlossen gewesen. Deutsche, die sich – auch
nur vorübergehend – im Ausland befunden hätten, hätten
um die Zusendung ihrer Wahlunterlagen betteln müssen. So
sei in seinem Falle die Post aus Deutschland trotz rechtzeiti-
ger Beantragung so spät bei ihm angekommen, dass sein
Wahlbrief bei normalen Postrücklaufzeiten zu spät in
Deutschland angekommen wäre. Er habe deshalb 15 Stun-
den Autofahrt in Kauf nehmen müssen, um den Brief per-
sönlich in der deutschen Botschaft abzugeben, damit er über
den Kurierdienst noch rechtzeitig in Deutschland ankomme.
Der Einspruchsführer wirft vor diesem Hintergrund die
Frage auf, weshalb es in deutschen Botschaften keine Wahl-
vorstände gebe und weshalb die Wahlunterlagen nicht – wie
es andere Nationen handhabten – von den Botschaften di-

Berlin das Bundesverwaltungsamt als die zuständige Staats-
angehörigkeitsbehörde. Die Auslandsvertretungen seien als
Passbehörden zur Klärung solcher Statusfragen nach ihrer
Aufgabenstellung nicht in der Lage und vom Gesetzgeber
damit auch nicht betraut worden. Dies gelte gleichermaßen
für das Auswärtige Amt. Daher müsse sich der Einspruchs-
führer zur Klärung der maßgeblichen Frage des Erwerbs der
deutschen Staatsangehörigkeit für die von ihm in Paraguay
adoptierten Kinder an das Bundesverwaltungsamt wenden.
In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass
der Einspruchsführer vor dem Verwaltungsgericht Berlin
ein Verfahren auf Ausstellung eines Kinderausweises durch
die Botschaft in Asunciòn für eines der von ihm anerkann-
ten Kinder gegen das Auswärtige Amt führe.

Ansonsten gehe aus den Ausführungen des Einspruchsfüh-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 263 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 263 – Drucksache 16/1800

Anlage 51

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. H., Asuncion, Paraguay
– Az.: WP 36/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird teilweise als unzulässig,
teilweise als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem am 30. September 2005 übermittelten Telefax hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.

Der in Paraguay lebende Einspruchsführer trägt vor, er habe
für über 600 volljährige Kinder die Vaterschaft gemäß
§ 1592 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aner-
kannt. Die deutsche Botschaft in Paraguay habe jedoch die
Beurkundung der Vaterschaften abgelehnt. Ferner habe sie
„seinen Kindern“ die Ausstellung deutscher Reispässe ver-
weigert. Damit sei „bewusst und vorsätzlich“ eine Kandida-
tur seiner Kinder in Deutschland verhindert worden. Denn
es sei beabsichtigt gewesen, an der Bundestagswahl in je-
dem Wahlkreis mit jeweils zwei Kindern aus seiner „Fami-
lie“ als Bewerber teilzunehmen. Durch diese „Nichtzulas-
sung zur Kandidatur“ sei das Wahlergebnis in allen Wahl-
kreisen ungültig.

Daneben trägt der Einspruchsführer vor, dass „vorsätzlich

der Auslandsdeutschen zu erreichen. Unverzüglich nach
Bestimmung des Wahltages seien zwar Anzeigen in spa-
nischsprachigen Zeitungen veröffentlicht worden, in
deutschsprachigen Zeitungen sei dies aber erst „auf Druck“
hin geschehen.

Schließlich kritisiert der Einspruchsführer, dass die deut-
sche Botschaft ihm keine Liste der wahlberechtigten Bun-
desbürger ausgehändigt habe, obwohl in Deutschland jede
Partei die Unterlagen erhalte, um zum Beispiel gezielt Wäh-
ler werben zu können.

Das Auswärtige Amt, das zu dem Einspruch Stellung ge-
nommen hat, führt im Hinblick auf die vom Einspruchsfüh-
rer erwähnten über 600 Personen, für die er die Vaterschaft
anerkannt hätte, aus, dass diese gemäß den §§ 12, 15 BWG
weder aktiv noch passiv wahlberechtigt seien, wenn sie
nicht die deutsche Staatsangehörigkeit aufwiesen. Zustän-
dige Behörde zur Klärung der Frage, ob die vom Ein-
spruchsführer anerkannten Kinder durch die in Paraguay
erfolgte Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsange-
tung eine Anzeige in den deutschsprachigen Zeitungen des
Landes geschaltet habe, um eine niedrige Wahlbeteiligung

die zuständige Gemeindebehörde in der Bundesrepublik
Deutschland zu übergeben. Der Einspruchsführer habe

Drucksache 16/1800 – 264 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 264 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

demnach mit Hilfe der Botschaft sein Wahlrecht ausüben
können, so dass ein diesbezüglicher Wahleinspruch offen-
kundig nicht begründet sei.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme bekannt ge-
geben worden ist, stellt in seiner am 24. November 2005
übermittelten Gegenäußerung klar, dass er die Kinder entge-
gen der Aussage des Auswärtigen Amtes nicht adoptiert,
sondern die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB anerkannt
habe, und bekräftigt seine Ansicht, dass die deutsche Bot-
schaft die Vaterschaftsanerkennungen hätte beurkunden
müssen. Es wird insoweit auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Darüber hinaus trägt der Einspruchsführer vor, dass mehrere
hunderttausend Bundesbürger, die im Ausland lebten, da-
durch an einer Beteiligung an der Wahl gehindert worden
seien, dass die Botschaften für die Weiterversendung der
Wahlbriefanträge an die zuständige Gemeindebehörde deut-
sche – im Ausland nur schwer zu erlangende – Briefmarken
verlangt hätten. Dies sei aus „chronischer Faulheit“ gesche-
hen und stelle einen „vorsätzlichen Wahlbetrug“ dar.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1, 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig, im Übrigen offen-
sichtlich unbegründet.

I.

Die Weigerung der deutschen Botschaft in Paraguay, die
Vaterschaftsanerkennungserklärungen des Einspruchsfüh-
rers zu beurkunden und den betroffenen Personen Reise-
pässe auszustellen, stellt keinen Wahlfehler dar. Denn selbst
wenn die Botschaft die Beurkundungen vorgenommen hätte
und selbst wenn die Vaterschaftsanerkennungen damit wirk-
sam geworden wären, hätten die Betroffenen dadurch nicht
die deutsche Staatsangehörigkeit und damit gemäß § 15
Abs. 1 BWG das passive Wahlrecht erlangt. Da es sich bei
den Betroffenen nach Aussage des Einspruchsführers um
Volljährige, mithin um vor dem 1. Juli 1993 geborene Per-
sonen, handeln soll, hätte gemäß § 5 StAG der Erwerb der
deutschen Staatsangehörigkeit neben einer nach den deut-
schen Gesetzen wirksamen Anerkennung der Vaterschaft
außerdem vorausgesetzt, dass die Betreffenden erklärt ha-
ben, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben zu wollen,
dass sie seit drei Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im
Bundesgebiet gehabt und die Erklärung vor Vollendung des
23. Lebensjahres abgegeben haben. Das Vorliegen keiner
dieser Voraussetzungen lässt sich dem Vortrag des Ein-
spruchsführers entnehmen.

Damit kann sowohl die Frage, ob die Beurkundungen zu
Recht verweigert wurden, dahingestellt bleiben als auch die
Frage, ob und ggf. unter welchen Umständen Maßnahmen,
die dazu führen, dass jemand nicht die deutsche Staatsange-

II.

Auch soweit der Einspruchsführer behauptet, die Rahmen-
bedingungen der Bundestagswahl seien für Auslandsdeut-
sche unzureichend gewesen, kann seinem Vortrag die Darle-
gung eines mandatsrelevanten Wahlfehlers nicht entnom-
men werden.

Seine Behauptung, trotz rechtzeitiger Beantragung seiner
Wahlunterlagen seien diese so spät bei ihm angekommen,
dass sein Wahlbrief bei einer Beförderung mit der Post nicht
rechtzeitig in Deutschland angekommen wäre, lässt nicht
erkennen, aufgrund welcher Umstände die späte Ankunft
der Unterlagen in den Verantwortungsbereich der deutschen
Wahlbehörden fallen soll. Denn die Gemeindebehörde hat
den nicht rechtzeitigen Zugang nur dann zu vertreten, wenn
sie den Wahlschein und die Briefwahlunterlagen nicht
rechtzeitig ausstellt, zu spät zur Post gibt oder diese Unter-
lagen, soweit sie – wie hier – in ein außereuropäisches Ge-
biet versandt werden, entgegen § 28 Abs. 4 Satz 4 BWO
nicht per Luftpost versendet (vgl. Bundestagsdrucksachen
11/1805, Anlage 18; 12/1002, Anlage 42, 60; 13/3927, An-
lage 24; Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
7. Auflage 2002, § 36 Rn. 8). Nichts dergleichen wird hier
vorgetragen. Selbst wenn man aber unterstellt, dass die Ge-
meindebehörde für den späten Zugang verantwortlich war,
wird sich dies nicht auf die Wahlteilnahme des Einspruchs-
führers ausgewirkt haben. Denn dem Einspruchsführer ist es
– worauf das Auswärtige Amt zu Recht hinweist – nach sei-
nem eigenen Bekunden noch gelungen, seine Stimme abzu-
geben, indem er den Brief persönlich zur deutschen Bot-
schaft brachte, damit diese ihn per Kurierdienst nach
Deutschland befördern konnte.

Die vom Einspruchsführer vermisste frühzeitige Schaltung
von Anzeigen in deutschsprachigen Zeitungen in Paraguay
durch die dortige Botschaft wird vom Wahlrecht nicht ver-
langt. § 20 Abs. 2 BWO fordert lediglich, dass unverzüglich
nach der Bestimmung des Wahltags von den Botschaften
mindestens eine deutschsprachige Anzeige in jeweils einer
überregionalen Tages- und Wochenzeitung geschaltet wird,
nicht jedoch, dass es sich dabei um eine deutschsprachige
Zeitung handelt.

Schließlich entspricht es auch dem geltenden Wahlrecht,
dass im Ausland lebende Wahlberechtigte ihre Stimme nicht
vor Wahlvorständen in deutschen Botschaften abgeben kön-
nen, sondern sich – sofern sie nicht persönlich zur Teil-
nahme an der Urnenwahl im Bundesgebiet erscheinen wol-
len (vgl. § 14 Abs. 2, 3a BWG) – hierzu der Briefwahl be-
dienen müssen (vgl. § 14 Abs. 3b BWG). Ebenso wenig
kennt das Wahlrecht eine Pflicht der deutschen Auslands-
vertretungen, jeden im Ausland lebenden Wahlberechtigten
einzeln über Wahltermine und Wahlrechtsvorschriften zu
informieren und ihm Wahlunterlagen zuzusenden. Vielmehr
müssen die im Ausland lebenden Wahlberechtigten selbst
aktiv werden, insbesondere die Eintragung ins Wählerver-
zeichnis beantragen (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BWO), um ihr
Wahlrecht ausüben zu können (vgl. Bundestagsdrucksache
15/1850, Anlage 25). Die Auslandsvertretungen sind ledig-
lich verpflichtet, die Voraussetzungen und Modalitäten der
Wahlteilnahme für Auslandsdeutsche unverzüglich nach der
hörigkeit und infolge dessen auch nicht das Wahlrecht er-
wirbt, überhaupt Wahlfehler darstellen können.

Bestimmung des Wahltags in der in § 20 Abs. 2 BWO gere-
gelten Weise öffentlich bekannt zu machen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 265 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 265 – Drucksache 16/1800

III.

Ein Wahlfehler kann schließlich auch nicht darin gesehen
werden, dass die deutsche Botschaft in Paraguay dem Ein-
spruchsführer keine Liste der wahlberechtigten Bundesbür-
ger aushändigte. Denn hierzu war die Botschaft nicht ver-
pflichtet. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 des Melderrechtsrah-
mengesetzes (MRRG) darf zwar die Meldebehörde Parteien,
Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen
im Zusammenhang mit Bundestagswahlen Auskunft aus dem
Melderegister über bestimmte Daten – unter anderem Namen
und Anschriften von Gruppen von Wahlberechtigten – er-
teilen. Jedoch war weder die deutsche Botschaft eine Mel-
debehörde, noch war der Einspruchsführer Träger eines
Wahlvorschlags.

IV.

Soweit der Einspruchsführer seine Wahlanfechtung auf die
Behauptung stützt, deutsche Botschaften hätten für die Wei-
terversendung von Wahlbriefanträgen an die zuständigen
deutschen Gemeindebehörden deutsche Briefmarken ver-
langt und dadurch hunderttausende Auslandsdeutsche an
einer Wahlbeteiligung gehindert, ist der Einspruch verfris-
tet. Denn gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 WPrüfG muss der Ein-
spruch binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Bundestag eingehen. Die fragliche Behaup-
tung des Einspruchsführers findet sich aber erstmals in der
Äußerung des Einspruchsführers vom 24. November 2005
zur Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, während die
Frist des § 2 Abs. 3 Satz 1 WPrüfG bereits am 18. Novem-
ber 2005 abgelaufen war.

nachteiligten Auslandsdeutschen gehe in die Millionen.
Selbst wenn man die Verfassungsmäßigkeit der Eintra-

Nr. 5 und § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO müssen Auslandsdeut-
sche, die ihr Wahlrecht wahrnehmen wollen, bei der Ge-
,status activus‘ rein praktisch und logistisch unterlaufen“
werde. Das habe er am eigenen Leibe erfahren, als er für die
PDS noch am 18. August 2005 eine Kandidatur für den

geltende Wahlrecht hingegen nicht.

Abgesehen davon hätte die Weiterleitung dem Einspruchs-
gungsfrist des § 18 BWO unterstelle, habe sie aber nicht vor
dem 25. August 2005, dem Tag der Verkündung der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfas-
sungsmäßigkeit der Anordnungen des Bundespräsidenten,
den 15. Deutschen Bundestag aufzulösen und Neuwahlen
auf den 18. September 2005 anzuordnen (BVerfG 2 BvE 4/
05, BVerfG 2 BvE 7/05), zu laufen begonnen. Dem hätte die
Botschaft im Falle des Einspruchsführers Rechnung tragen
müssen, da sie kein Verwaltungsgericht sei und deshalb je-
der vertretbaren Rechtsauffassung Folge zu leisten habe.

Ferner meint der Einspruchsführer, dass „das Unterschrif-
tenquorum gemäß § 18 BWG mithin die ex-ante-Offenba-
rung der Wahlpräferenz“ gegen das Wahlgeheimnis ver-
stoße und wiederum die Auslandsdeutschen diskriminiere,
„weil ihr passives Wahlrecht und somit ihr politischer

meindebehörde, bei der sie vor ihrem Fortzug aus dem
Wahlgebiet zuletzt gemeldet waren, bis zum 21. Tag vor der
Wahl einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis
stellen. Vordrucke und Merkblätter für die Antragstellung
können nach § 18 Abs. 5 Satz 2 BWO bei den diplomati-
schen oder berufskonsularischen Vertretungen der Bundes-
republik Deutschland im Ausland, beim Bundeswahlleiter
und bei den Kreiswahlleitern angefordert werden. Gemäß
§ 20 Abs. 2 BWO obliegt den diplomatischen und berufs-
konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutsch-
land im Ausland ferner die Verpflichtung, rechtzeitig vor
der Wahl die Voraussetzungen und Modalitäten des Wahl-
rechts für Deutsche im Ausland durch deutschsprachige An-
zeigen in der Tages- und Wochenpresse bekannt zu geben.
Eine Pflicht der Auslandsvertretungen, Anträge auf Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis weiterzuleiten, kennt das
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 267 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 267 – Drucksache 16/1800

Anlage 52

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. R., A-1040 Wien
– Az.: WP 107/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2005, das am 18. Oktober
2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der in
Wien lebende Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.

Zur Begründung führt er aus, dass die Einreichung seines
Antrags auf Eintragung in das Wählerverzeichnis beim Be-
zirksamt Hamburg-Mitte durch die deutsche Botschaft in
Österreich vereitelt worden sei. Er habe dort am 31. August
2005 seinen Antrag einreichen wollen, als man ihm erklärte,
die Wahlsammelsendung sei bereits am 26. August 2005
nach Deutschland abgegangen. Dabei sei die Übermittlung
seines Antrags mit der am 31. August 2005 ausgehenden
amtlichen Depesche noch mühelos möglich gewesen.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, die für den Antrag auf
Eintragung ins Wählerverzeichnis geltende „21-Tage-Guil-
lotine“ des § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO, die den meisten Wahl-
berechtigten mit außerdeutschem Domizil unbekannt sei,
verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Die Zahl der so be-

sich mindestens zu einem Platz mehr in der Landesliste ge-
rechnet.“

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

In der Weigerung der deutschen Botschaft in Wien, den An-
trag des Einspruchsführers auf Eintragung in das Wähler-
verzeichnis an das Bezirksamt Hamburg-Mitte weiterzulei-
ten, kann kein Wahlfehler erblickt werden.

Zu einer solchen Weiterleitung war die Botschaft nämlich
nicht verpflichtet. Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 2
Wahlkreis 182 eingereicht habe. Er „hätte dort nach einem
Präzedenzfall mindestens 10 000 Stimmen geholt, das hätte

führer ohnehin nicht mehr zur Eintragung ins Wählerver-
zeichnis verhelfen können. Denn als der Einspruchsführer

Drucksache 16/1800 – 268 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 268 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

am 31. August 2005 mit seinem Anliegen an die Botschaft
herantrat, war die Antragsfrist des § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO
bereits abgelaufen. Der 21. Tag vor der – vom Bundespräsi-
denten gemäß § 16 Satz 1 BWG auf den 18. September
2005 festgesetzten – Wahl war nämlich der 28. August
2005. Der Umstand, dass die den Wahltag festsetzende An-
ordnung des Bundespräsidenten im Wege des Organstreits
vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen wurde, än-
dert – entgegen der Ansicht des Einspruchsführers – am
Ablauf der Frist des § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO nichts. Denn
anders als z. B. die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen
einen Verwaltungsakt hat die Einleitung eines Organstreit-
verfahrens als solche keine aufschiebende Wirkung. Eine
dem § 80 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) entsprechende Regelung fehlt nämlich im Bundes-
verfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG).

II.

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die in § 18
Abs. 1 BWO verankerte 21-Tage-Frist sowie „das Unter-
schriftenquorum gemäß § 18 BundeswahlG“ – gemeint ist
offensichtlich das des § 20 Abs. 3 BWG – verstoße gegen
Vorschriften der Verfassung, ist zunächst daran zu erinnern,
dass der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss sich in ständiger Praxis nicht dazu berufen sehen, die
Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften festzustellen.
Diese Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vor-
behalten worden (vgl. nur Bundestagsdrucksache 14/1560,
Anlage 79, S. 209).

Davon abgesehen vermögen die vom Einspruchsführer vor-
getragenen verfassungsrechtlichen Bedenken aber auch
nicht zu überzeugen.

1. Die Geltung der 21-Tage-Frist des § 18 Abs. 1 Satz 1
BWO für Auslandsdeutsche verstößt nicht gegen Artikel 3
Abs. 1 GG bzw. den in Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG veran-
kerten Grundsatz der Gleichheit der Wahl, der als speziel-
lere Regelung Artikel 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die
Bundestagswahl grundsätzlich verdrängt (vgl. BVerfGE 99,
1 [7, 10 ff.]).

Zunächst ist es eine sachlich gerechtfertigte Differenzie-
rung, dass im Gegensatz zu Wahlberechtigten, die bei einer
deutschen Meldebehörde gemeldet sind und deshalb gemäß
§ 16 Abs. 1 BWO von Amts wegen in das Wählerverzeich-
nis eingetragen werden, Auslandsdeutsche überhaupt einen
Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen müs-
sen und somit dem Risiko der Verfristung ausgesetzt sind.
Denn es fehlt im Falle der Auslandsdeutschen an einem
ähnlich verlässlichen Anknüpfungspunkt für eine Eintra-
gung von Amts wegen, wie ihn die Meldung bei einer Mel-
debehörde darstellt.

Es ist darüber hinaus nicht zu beanstanden, dass für Aus-
landsdeutsche dasselbe Fristerfordernis gilt wie für andere
nur auf Antrag ins Wählerverzeichnis einzutragende Wahl-
berechtigte. Denn es gibt zwischen beiden Gruppen von
Wahlberechtigten keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht, die in dieser Frage eine Differenzierung
gebieten würden. Auslandsdeutsche mögen sich zwar auf-
grund ihrer Entfernung vom Wahlgebiet in einer besonderen
Situation gegenüber sich im Wahlgebiet aufhaltenden Wahl-

der Gesetzgeber jedoch bereits hinreichend Rechnung getra-
gen. Zum einen können Wahlberechtigte, die nachweislich
ohne Verschulden die Antragsfrist nach § 18 Abs. 1 BWO
versäumt haben, noch bis zum Wahltag, 15.00 Uhr, einen
zur Wahlteilnahme berechtigenden Wahlschein (vgl. § 14
Abs. 1 BWG) beantragen (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 1 und § 27
Abs. 4 Satz 2 BWO). Zum anderen müssen, wie bereits er-
wähnt, die Auslandsvertretungen gemäß § 20 Abs. 2 BWO
und § 18 Abs. 5 Satz 2 BWO über die Voraussetzungen und
Modalitäten der Wahlteilnahme informieren und entspre-
chende Vordrucke und Merkblätter bereithalten. Dass die
Frist gleichwohl unbekannt bleibt und deshalb nicht einge-
halten wird, stellt wiederum ein Risiko dar, das beide Grup-
pen von Wahlberechtigten gleichermaßen trifft. Deshalb
kann es – entgegen der Ansicht des Einspruchsführers –
kein Grund für Differenzierungen hinsichtlich der Länge
der Frist sein.

2. Das Unterschriftenquorum des § 20 Abs. 3 BWG ver-
stößt weder gegen den Grundsatz der geheimen Wahl noch
verletzt es das passive Wahlrecht oder die Wahlrechtsgleich-
heit von Auslandsdeutschen.

a) Der in Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Grundsatz
der geheimen Wahl, der auch für das Stadium der Wahlvor-
bereitung Geltung beansprucht (vgl. BVerfGE 4, 375
[386 f.]; 12, 135 [139]), wird zwar durch das Unterschrif-
tenquorum berührt. Denn durch ihre Unterschrift unter dem
Wahlvorschlag geben die Unterzeichner zwangsläufig ihre
Anhängerschaft für den Bewerber zu erkennen.

Diese Einschränkung des Grundsatzes der geheimen Wahl
wird aber durch das mit dem Unterschriftenquorum ver-
folgte Anliegen gerechtfertigt und hält sich damit im Rah-
men des dem Gesetzgeber durch Artikel 38 Abs. 3 GG ein-
geräumten Ermessenspielraums bei der Ausgestaltung und
Konkretisierung der Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 38
Abs. 1 Satz 1 GG (zum Ermessenspielraum BVerfGE 3, 19
[24]; 59, 119 [124]; 95, 335 [349]). Durch das Unterschrif-
tenquorum soll nämlich – letztlich im Interesse der Siche-
rung des Charakters der Wahl als eines auf die Bildung
funktionsfähiger Verfassungsorgane gerichteten Integrati-
onsvorgangs (BVerfGE 14, 121 [135]) – einer Zersplitte-
rung der Stimmen und einer Bildung von Zwergparteien
vorgebeugt werden (vgl. BVerfGE 12, 135 [137]; 41, 399
[421]). Nicht ernst gemeinte oder von vornherein aussichts-
lose Wahlvorschläge sollen ausgeschlossen werden (vgl.
BVerfGE 12, 135 [137]; 14, 121 [135]). Zwar darf bei der
Verfolgung dieses Anliegens das Wahlgeheimnis nicht in
weiterem Umfange preisgegeben werden als es zur ord-
nungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist (vgl.
BVerfGE 3, 19 [32]; 5, 77 [82]; 12, 33 [35 f.]; 125 [139]).
Dies ist aber beim Unterschriftenquorum des § 20 BWG
auch nicht der Fall (vgl. Bundestagsdrucksache 9/316, An-
lage 15, S. 38; vgl. ferner Bundestagsdrucksache 13/3531,
Anlage 18, S. 42; Schreiber, Kommentar zum BWG, 7.
Auflage 2002, § 20 Rn. 8 und 9). Um die von § 20 BWG für
einen Kreiswahlvorschlag geforderten 200 Unterschriften
zu sammeln, benötigte man nämlich bei der Bundestags-
wahl 2005 selbst im Wahlkreis mit der geringsten Anzahl
der Wahlberechtigen (Wahlkreis 228 – Deggendorf – mit
154 154 [Statistisches Bundesamt, Wahl zum 16. Deutschen
berechtigten, die ihre Eintragung ins Wählerverzeichnis be-
antragen müssen, befinden. Dieser besonderen Situation hat

Bundestag, Heft 3, 2005, S. 140]) nur die Unterstützung von
nicht ganz 0,13 Prozent der Wahlberechtigten. Das liegt

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 269 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 269 – Drucksache 16/1800

deutlich unter der vom Bundesverfassungsgericht noch für
verfassungsrechtlich unbedenklich erklärten Quote von 0,25
Prozent (vgl. BVerfGE 4, 375 [386]; ferner Leibholz/Rink/
Hesselberger, Grundgesetz, Kommentar, Loseblatt, Arti-
kel 38 Rn. 149 [Stand 1991]).

b) Letztlich aus denselben Gründen kann in dem Unter-
schriftenquorum des § 20 BWG auch keine Verletzung des
passiven Wahlrechts oder der Wahlrechtsgleichheit (Arti-
kel 38 Abs. 1 Satz 1 GG) von Auslandsdeutschen gesehen
werden. Zwar mag das Sammeln der 200 Unterstützungsun-
terschriften aufgrund der Entfernung vom Wahlgebiet für
Auslandsdeutsche regelmäßig schwieriger sein als für im
Wahlgebiet Ansässige. Eben dieser Umstand – der gewöhn-
liche Aufenthalt außerhalb des Wahlgebiets – lässt es aber
im Regelfall auch als legitim erscheinen zu fragen, ob die
Kandidatur eines Auslandsdeutschen wirklich ernst gemeint
ist bzw. ob sie nicht von vornherein aussichtslos ist. Wenn
es Auslandsdeutschen also aufgrund dieses Umstandes nicht
gelingt, genügend Unterschriften beizubringen, so ent-
spricht der Ausschluss ihrer Wahlbewerbung gerade dem

Sinn des Unterschriftenquorums, von vornherein aussichts-
lose Bewerbungen auszuschließen (vgl. BVerfGE 82, 353
[364]). Die besonderen Schwierigkeiten, welche die Bei-
bringung der Unterstützungsunterschriften Auslands-
deutschen bereitet, sind mithin kein Grund, Auslands-
deutsche von diesem Erfordernis zu befreien, sondern
sprechen – ganz im Gegenteil – sogar im besonderen Maße
dafür, hier auf der Einhaltung dieses Erfordernisses zu
bestehen.

Die Argumentation des Einspruchsführers, die angebliche
Verletzung des passiven Wahlrechts und der Wahlgleichheit
durch das Unterschriftenquorum sei in seinem Falle beson-
ders deutlich erkennbar geworden, „als er für die PDS […]
eine Kandidatur für den Wahlkreis 182 eingereicht habe“,
ist im Übrigen nicht nachvollziehbar. Denn die PDS bzw.
die Linkspartei gehörte zu den Parteien, die nicht unter § 18
Abs. 2 BWG fielen und deshalb gemäß § 20 Abs. 2 BWG
Kreiswahlvorschläge einreichen konnten, ohne hierfür Un-
terstützungsunterschriften beibringen zu müssen.

Ausland lebenden Bundesbürger. vor ihrem Fortzug aus dem Wahlgebiet zuletzt gemeldet wa-
ren, bis zum 21. Tag vor der Wahl einen Antrag auf Eintra-
Vertretungen im Ausland zu den in § 20 Abs. 2 BWO fest-
gelegten öffentlichen Bekanntmachungen verpflichtet ge-
wesen. Im Hinblick auf weitere Einzelheiten der Stellung-

Abs. 1 Satz 1 BWO. Denn im Unterschied etwa zur Erhe-
bung einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt
gemäß § 40 ff. VwGO hat die Einleitung eines Organstreit-
Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg ist
der Ansicht, dass es dem Einspruchsführer wie anderen
Auslandsdeutschen auch durchaus möglich gewesen sei,
den Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis fristge-
recht, d. h. bis zum 28. August 2005, zu stellen. Sie verweist
in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass der
Bundeswahlleiter frühzeitig (z. B. durch Pressemitteilung
vom 17. Juni 2005) darauf hingewiesen habe, dass in sei-
nem Internetangebot Informationen zum Wahlrecht für
Deutsche im Ausland für eine etwaige Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag einschließlich der erforderlichen Antrags-
formulare abrufbar gewesen seien und Anträge ab sofort
hätten gestellt werden können. Darüber hinaus seien nach
der Anordnung des Bundespräsidenten vom 21. Juli 2005
über den 18. September 2005 als Wahltag (BGBl. I S. 2170)
die deutschen diplomatischen und berufskonsularischen

gung in das Wählerverzeichnis stellen. Der 21. Tag vor der
Wahl war vorliegend der 28. August 2005. Denn „Tag der
Wahl“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO ist der vom
Bundespräsidenten gemäß § 16 Abs. 1 BWG festgesetzte
Wahltag. Das war gemäß der Anordnung des Bundesprä-
sidenten vom 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2170) hier der
18. September 2005.

Der Umstand, dass seit dem 29. Juli bzw. 1. August 2005
beim Bundesverfassungsgericht Organklagen (BVerfG 2
BvE 4/05, BVerfG 2 BvE 7/05) anhängig waren, mit denen
beantragt wurde festzustellen, dass die Anordnungen des
Bundespräsidenten vom 21. Juli 2005, den 15. Deutschen
Bundestag aufzulösen und am 18. September 2005 Neu-
wahlen durchzuführen (BGBl. I S. 2169 f.), verfassungs-
widrig sind, ändert nichts am Ablauf der Frist des § 18
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 271 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 271 – Drucksache 16/1800

Anlage 53

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. M., A-9560 Feldkirchen, Österreich
– Az.: WP 39/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem vom Bundeswahlleiter an den Wahlprüfungsaus-
schuss des Deutschen Bundestages weitergeleiteten und hier
am 27. September 2005 eingegangenen Schreiben hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.

Als in Österreich lebender deutscher Staatsangehöriger habe
er, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 25. August
2005 entschieden habe, dass die Anordnung von Neuwahlen
für den 18. September 2005 rechtens sei, am 29. August
2005 bei seiner früheren Wohngemeinde Asperg angerufen,
um Wahlunterlagen anzufordern. Dabei habe er zu seiner
Verwunderung erfahren, dass die Frist hierfür bereits am
28. August 2005, also bereits drei Tage nach der Bundes-
verfassungsgerichtsentscheidung, abgelaufen sei. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, dass mit dieser Fristsetzung
vielen Auslandsdeutschen die Möglichkeit genommen wor-
den sei, an der Wahl teilzunehmen. Hierin sehe er eine ekla-
tante Benachteiligung aller auf Briefwahl angewiesenen im

Der Einspruchsführer hat von der Möglichkeit, sich zu der
Stellungnahme der Landeswahlleiterin schriftlich zu äu-
ßern, keinen Gebrauch gemacht.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Der Ablauf der Frist für die Stellung von Anträgen auf
Eintragung ins Wählerverzeichnis am 28. August 2005 ent-
sprach den gesetzlichen Vorgaben und führte insbesondere
nicht zu einer Benachteiligung von im Ausland lebenden
Wahlberechtigten.

Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 5 und § 18 Abs. 1
Satz 1 BWO müssen Auslandsdeutsche, die ihr Wahlrecht
wahrnehmen wollen, bei der Gemeindebehörde, bei der sie
nahme der Landeswahlleiterin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

verfahrens nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5,
63 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG)

Drucksache 16/1800 – 272 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 272 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

als solche keine aufschiebende Wirkung. Eine dem § 80
Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechende Regelung fehlt nämlich
im BVerfGG. Um den Fortgang der Wahlvorbereitungen
oder den Lauf von Fristen bis zur Entscheidung in der
Hauptsache zu stoppen, hätte es deshalb einer einstweiligen
Anordnung nach § 32 BVerfGG bedurft.

Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass durch den Ablauf
der Frist für die Stellung der Anträge auf Eintragung ins
Wählerverzeichnis nur drei Tage nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die erwähnten Organkla-
gen Auslandsdeutschen nicht die Möglichkeit genommen
wurde, an der Wahl teilzunehmen. Denn da die Pflicht der
Gemeindebehörden, Anträge auf Eintragung ins Wählerver-
zeichnis zu bearbeiten, wie dargelegt, durch die Erhebung
der Organklagen nicht suspendiert wurde, waren Auslands-
deutsche – anders als der Einspruchsführer offenbar an-
nimmt – keineswegs gezwungen, mit der Stellung ihrer An-
träge auf Eintragung ins Wählerverzeichnis bis zur Ent-

scheidung des Bundesverfassungsgerichts zu warten. Ein
solcher Eindruck wurde auch nicht von Seiten der Wahlbe-
hörden erweckt. Denn die bereits angelaufenen Wahlvorbe-
reitungen wurden auch nach Erhebung der Organklagen
fortgesetzt und es wurde – wie die Landeswahlleiterin des
Landes Baden-Württemberg im Einzelnen dargelegt hat –
insbesondere auch frühzeitig über die Voraussetzungen und
Modalitäten einer Wahlteilnahme für Auslandsdeutsche in-
formiert.

Gleichwohl mag es, um Missverständnisse der vorliegenden
Art künftig zu vermeiden, zweckmäßig sein, dass die Wahl-
behörden bei vergleichbaren Konstellationen in der Zukunft
gesondert darauf hinweisen, dass gegen die Anordnung von
Neuwahlen bzw. die Festsetzung des Wahltags beim Bun-
desverfassungsgericht eingereichte Anträge als solche auf
den Fortgang der Wahlvorbereitungen keinen Einfluss
haben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 273 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 273 – Drucksache 16/1800

Anlage 54

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn E. K., LV 2016 Funnala, Lettland
– Az.: WP 78/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG

von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 30. September 2005 und 18. Oktober
2005 hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.

Der in Litauen lebende Einspruchsführer moniert, dass er
keine Wahlunterlagen bekommen hat. Sein letzter Wohnsitz
in Deutschland war Bensheim. Dort meldete er sich im No-
vember 2004 ins Ausland ab. Einen Antrag auf Eintragung
ins Wählerverzeichnis stellte er nicht.

Der Landeswahlleiter für Hessen, der zu dem Einspruch
Stellung genommen hat, macht darauf aufmerksam, dass der
Einspruchsführer einen Antrag auf Eintragung ins Wähler-
verzeichnis hätte stellen müssen, um an der Wahl teilneh-
men zu können.

Der Einspruchsführer hat von der Möglichkeit, sich zu der
Stellungnahme des Landeswahlleiters zu äußern, keinen
Gebrauch gemacht.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Dem Einspruchsführer wurden zu Recht keine Wahlun-
terlagen übersandt, da er keinen Antrag auf Eintragung ins
Wählerverzeichnis oder Erteilung eines Wahlscheins ge-
stellt hat.

Wählen kann gemäß § 14 Abs. 1 BWG nur, wer in ein Wäh-
lerverzeichnis eingetragen ist oder einen Wahlschein hat.
Beides hätte hier die Stellung eines entsprechenden Antrags
vorausgesetzt. Wahlscheine werden nämlich gemäß § 17
Abs. 2 BWG grundsätzlich nur auf Antrag erteilt. Eine Ein-
tragung ins Wählerverzeichnis erfolgt zwar gemäß § 16
Abs. 1 BWO auch von Amts wegen, aber nur, wenn der
Wahlberechtigte bei einer deutschen Meldebehörde gemel-
det ist. Wer hingegen – wie der Einspruchsführer – im Aus-
land lebt, muss seine Eintragung ins Wählerverzeichnis ge-
mäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 BWO und § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG
beantragen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 275 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 275 – Drucksache 16/1800

dass eine Zustellung von Postsachen, insbesondere die Zu-
stellung von Briefwahlunterlagen „von Anfang an wir-
kungslos“ gewesen sei. Zur Untermauerung seiner Auffas-

barn von Neuhausen auf den Fildern nach Spanien ist nicht
geeignet, Zweifel an deren Wahlrecht, an der Rechtsmäßig-
habe, hätten sich die Personen zum Zeitpunkt der Aufstel- zuständig.
sung verweist der Einspruchsführer auf eine Kommentie-
rung zu § 7 BGB in der 33. Auflage des Palandts.

Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 262 (Esslingen) hat
unter Einbeziehung der Gemeinde Neuhausen zu dem Ein-
spruch eine Stellungnahme abgegeben, die von der Landes-
wahlleiterin des Landes Baden-Württemberg gemeinsam
mit der Einspruchsschrift an den Wahlprüfungsausschuss
weitergeleitet worden ist. Darin wird ausgeführt, dass die in
Rede stehenden Personen als Wahlberechtigte in das Wäh-
lerverzeichnis aufgenommen worden seien. Sie hätten einen
Antrag auf Ausstellung eines Wahlscheines gestellt, der kor-
rekt und abschließend bearbeitet worden sei. Am Wahlrecht
dieser Personen habe unabhängig vom Melderecht kein
Zweifel bestanden. Wie der Einspruchsführer beobachtet

keit ihrer Eintragung ins Wählerverzeichnis der Gemeinde
Neuhausen oder der Rechtmäßigkeit der Ausstellung von
Wahlscheinen und Briefwahlunterlagen für sie durch die
Gemeinde Neuhausen zu wecken. Denn gemäß § 12 Abs. 2
Nr. 2 BWG können auch im Ausland lebende Deutsche an
der Bundestagswahl teilnehmen, sofern das Land, in dem
sie wohnen, Mitgliedstaat des Europarats ist und sie vor
ihrem Fortzug mindestens drei Monate ununterbrochen in
der Bundesrepublik Deutschland gewohnt haben. Einzutra-
gen sind solche Wahlberechtigte gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2
und § 17 Abs. 2 Nr. 5 BWO in das Wählerverzeichnis der
Gemeinde, in der sie nach ihrer Erklärung vor ihrem Fort-
zug aus dem Bundesgebiet zuletzt gemeldet waren. Diese
Gemeinde ist gemäß den §§ 26, 28 Abs. 3 BWO auch für
die Ausstellung von Wahlscheinen und Briefwahlunterlagen
Anlage 55

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. S., 73765 Neuhausen
– Az.: WP 80/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben an den Bürgermeister der Gemeinde Neuhau-
sen auf den Filden, das von der Landeswahlleiterin des Lan-
des Baden-Württemberg an den Deutschen Bundestag wei-
tergeleitet wurde und am 11. Oktober 2005 beim Wahlprü-
fungsausschuss eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag eingelegt. Gegenstand des Einspruchs ist
das Wahlrecht der Nachbarn des Einspruchsführers.

Zur Begründung führt der Einspruchsführer an, dass die
Bewohner seines Nachbarhauses im Oktober 2003 nach
Spanien ausgewandert seien und ihr Haus in Neuhausen hät-
ten leer stehen lassen. In Spanien hätten sie bis Mitte April
2004 195 Tage gelebt. Vom 16. April 2004 bis zum 6. Sep-
tember 2005 hätte das Ehepaar wieder in Neuhausen ge-
wohnt und sei dann wiederum in sein Domizil nach Spanien
gezogen. Dies sei ohne Abmeldung und postalischen Nach-
sendeauftrag erfolgt. Der Einspruchsführer ist der Ansicht,

lung des Wählerverzeichnisses in Neuhausen aufgehalten.
Abgesehen davon hätten auch im Ausland lebende Deutsche
ein Recht auf Aufnahme ins Wahlverzeichnis. Zuständig
wäre ebenfalls die Gemeinde Neuhausen gewesen. Daher
sei der Einspruch als unbegründet zurückzuweisen.

Dem Einspruchsführer wurde die Stellungnahme übermit-
telt, er hat sich dazu aber nicht erneut geäußert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Der vom Einspruchsführer behauptete Umzug seiner Nach-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 277 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 277 – Drucksache 16/1800

Anlage 56

Beschlussempfehlung

unten anzupassen. In gleicher Weise müsse die Sitzvertei-
lung korrigiert werden. Die auf die Nichtwähler entfallen-

schieden. Wie schon früher im Rahmen einer Wahlprüfung
festgestellt, sind keinerlei Anhaltspunkte für eine Verfas-
den Sitze müssten frei bleiben, damit der Bürger nicht für
Abgeordnete Steuergelder bezahle, die er nicht gewählt
habe. Da dem Anteil der Nichtwähler ca. 155 Mandate ent-
sprächen, wären nur ca. 458 Mandate zu verteilen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ab-
zusehen.

sungswidrigkeit erkennbar (Bundestagsdrucksache 15/1150,
Anlage 39, Seite 122). Für eine grundsätzlich konstante
Zahl der Mitglieder wird als Begründung genannt, dass sie
unvorhersehbare Schwankungen in den Mehrheitsverhält-
nissen verhindere und damit einen stabilisierenden Faktor
für die Grundlage politischer Entscheidungen bilde (vgl.
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 1
Rn. 1).

Im Übrigen bleiben die Nichtwähler nicht unberücksichtigt.
Die Höhe der Wahlbeteiligung wird nicht nur bei der Fest-
stellung des vorläufigen oder des endgültigen Wahlergeb-
nisses festgehalten; sie stößt auch in den Medien auf große
Aufmerksamkeit.
Zum Wahleinspruch

des Herrn R. B., 28325 Bremen
– Az.: WP 130/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag Einspruch eingelegt.

Gerügt wird, dass die Nichtwähler beim Wahlergebnis un-
berücksichtigt geblieben sind. Als Wähler, der sich von kei-
ner der angetretenen Parteien vertreten sieht und daher auch
keine dieser Parteien habe wählen können, habe er nur
durch Verweigerung einer Stimmabgabe an die Parteien auf
die Politik Einfluss nehmen können. Die Nichtberücksichti-
gung der Nichtwähler sei, da ihnen das demokratische
Recht auf Einfluss auf die Politik genommen werde, eine
verfassungswidrige Handlung, gegen die sich der Ein-
spruchsführer ggf. gemäß Artikel 20 Abs. 4 GG wehren
will.

Im Ergebnis verlangt der Einspruchsführer in einer Aufstel-
lung, den Anteil der Nichtwähler (22,3 Prozent) in das auf
100 Prozent bezogene Gesamtergebnis einzubeziehen und
die Prozentwerte der einzelnen Parteien entsprechend nach

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Die Ermittlung des Wahlergebnisses beruht ebenso wie die
Verteilung der Sitze auf einer ordnungsgemäßen Anwen-
dung der Bestimmungen des Wahlrechts. Diese stellen bei
der Ermittlung des Endergebnisses sowie bei der Verteilung
der Sitze auf die abgegebenen Stimmen ab. So ist im Wahl-
kreis derjenige gewählt, der die meisten Stimmen auf sich
vereinigt (§ 5 BWG). Ebenso wird für die Verteilung der
nach Landeslisten zu besetzenden Sitze auf die jeweils
abgegebenen Zweitstimmen abgestellt (§ 6 Abs. 1 BWG).
Dabei wird von der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bun-
destages ausgegangen, die in § 1 BWG festgelegt ist und
sich vorbehaltlich der aus dem Gesetz ergebenden Abwei-
chungen auf 598 Abgeordnete beläuft. Mit dieser Festle-
gung hat sich der Gesetzgeber für eine von der Zahl der
Staatsbürger, der Zahl der Wahlberechtigten und der Wahl-
beteiligung losgelösten Bemessung der Mitgliederzahl ent-

Entsprechend der Anlage 26 zur Bundeswahlordnung sei
dort zu lesen gewesen, dass man nur zwei Stimmen, eine

Erstmals in einem Schreiben vom 17. November 2005, das
erst am 23. November 2005 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, wendet sich der Einspruchsführer gegen die
delt –, zweifle er die Gültigkeit der Bundestagswahl an und
erhebe insoweit einen „bedingten Einspruch“.

Ebenfalls in den beiden Schreiben vom 15. und 16. Novem-

Wohnungsanschrift angegeben. Auf einigen Schreiben fin-
den sich zwar eine Postleitzahl und ein Wohnort, aber nie
eine Straße und eine Hausnummer. Der Einspruchsführer
Erst- und eine Zweitstimme, habe.

Soweit in der Ausgabe der Stimmzettel ein eigener exekuti-
ver Akt liege, lege er gegen diese „Beschränkung auf eine
ungeteilte (= nicht teilbare) Zweitstimme Widerspruch (im
Sinne des VwVfG)“ ein. Dabei nehme er durchaus zur
Kenntnis, dass der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg nach
überwiegender Ansicht nicht der richtige sei und ein spe-
zieller Rechtsweg, das Wahlprüfungsverfahren, gegeben sei.
Dies sei aber unbefriedigend, weil es zwischen „nichts zu
machen“ und „Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl“
durchaus etwas „Ordentliches“ geben müsse. Auch § 49
BWG sei insoweit „zu undifferenziert bzw. zu ungenü-
gend.“ Soweit Zweitstimmen, die „gesplittet“ abgegeben
wurden, als ungültig gezählt worden seien – der Einspruchs-
führer schätzt, dass es sich um 500 bis 1000 Stimmen han-

Nichtberücksichtigung der Parteien bei der Sitzverteilung,
die unter der „5-Prozent-Hürde“ geblieben seien. Hiergegen
lege er Einspruch ein.

Der Einspruchsführer hat in einer Reihe weiterer Schreiben,
die nach dem 18. November 2005 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen sind, in erster Linie Anregungen zur weite-
ren verfahrensmäßigen Behandlung seines Einspruchs
sowie zur Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens ins-
gesamt gegeben. Diese hat der Einspruchsführer auch im
Laufe mehrerer fernmündlicher Gespräche gegenüber den
Mitarbeitern des Sekretariats des Wahlprüfungsausschusses
erläutert. Es wird insoweit auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

In keinem seiner Schreiben hat der Einspruchsführer seine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 279 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 279 – Drucksache 16/1800

Anlage 57

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. G., 53332 Bornheim
– Az.: WP 193/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird teilweise als unzulässig,
teilweise als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat sich mit einer Reihe von auf die
Bundestagswahl am 18. September 2005 bezogenen Schrei-
ben an den Deutschen Bundestag gewandt.

In zwei Schreiben vom 15. und 16. November 2005, die am
17. und 18. November 2005 beim Deutschen Bundestag
eingegangen sind, rügt der Einspruchsführer zunächst, dass
er „nur die Wahl mit zwei Stimmen (Erststimme und Zweit-
stimme je ein Kreuz), insbesondere also nur eine unteilbare
Zweitstimme“ gehabt habe. Das geltende Wahlrecht habe
ihm insoweit „unangemessen einschränkend und fehlerhaft“
das Recht versagt, „zwei Parteien mit einer Stimme zu
wählen (Stimmensplitting)“. Dies betreffe einen „grundsätz-
lichen, fundamentalen Aspekt der gegebenen Souveränität
(als Wähler)“. „Eine nicht zwingend erforderliche Be-
schränkung des Wahlaktes“ verstoße aber „gegen Art. 20 II
S. 1 GG und das Prinzip der Chancengleichheit“. Diese Ver-
sagung des „Stimmensplittings“ im Hinblick auf die Zweit-
stimme habe sich auf den Stimmzetteln widergespiegelt.

den Einsatz von Wahlgeräten. Hierbei moniert er zunächst
wiederum, dass diese es nicht zulassen würden, mit der
Zweitstimme zwei Landeslisten zu wählen. Sodann könne
bei der Auszählung durch das Wahlgerät nicht jeder mitver-
folgen, wie viele Stimmen auf welche Partei entfallen seien.
Insoweit seien die Stimmen nicht nachvollziehbar gewesen.
Außerdem rügt der Einspruchsführer, „dass offenbar in
mehreren Gemeinden (in NRW) die Stimmabgabe in den
Stimmbezirken vollständig umgestellt wurde auf die Stimm-
abgabe am Wahlgerät.“ Dies widerspreche der Intention der
§§ 34, 35 BWG, wonach mit Stimmzettel und Urnenwahl
abgestimmt werde und Wahlgeräte nur zur Erleichterung
der Stimmabgabe eingesetzt werden könnten. Es sei deshalb
ein Fehler bei der Durchführung der Wahl, wenn Wahlbe-
rechtigten die Alternative „Stimmzettel mit Urnenwahl (in
ihrer Gemeinde)“ nicht gegeben werde. Soweit der Einsatz
der Wahlgeräte zu einem signifikanten Rückgang der Wahl-
beteiligung geführt habe, erhebt der Einspruchsführer wie-
derum einen „bedingten Einspruch“.
ber 2005 wendet sich der Einspruchsführer mit einer „Rüge,
(teils) Widerspruch (subjektives Recht betreffend)“ gegen

hat insoweit fernmündlich auf „berechtigte Interessen“ ver-
wiesen, sich aber geweigert, diese näher darzulegen. Für ihn

Drucksache 16/1800 – 280 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 – 280 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bestimmte Post solle an die Landeswahlleiterin des Landes
Nordrhein-Westfalen geschickt werden. Mit Schreiben vom
19. Januar 2006 hat er dann eine Adresse angegeben, an die
man ihm postlagernd schreiben könne.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 und 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig, im Übrigen offen-
sichtlich unbegründet.

A.

Soweit der Einspruchsführer rügt, dass Parteien, die weni-
ger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten haben, bei
der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nicht berück-
sichtigt werden (vgl. § 6 Abs. 6 BWG), ist der Einspruch
verfristet. Denn gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG sind Ein-
sprüche nur zulässig, wenn sie binnen einer Frist von zwei
Monaten nach dem Wahltage, vorliegend also bis zum 18.
November 2005, beim Deutschen Bundestag eingegangen
sind. Die Nichtberücksichtigung der Parteien, die weniger
als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten haben, hat der
Einspruchsführer aber erst in seinem Schreiben vom 17.
November 2005, das am 23. November 2005 beim Deut-
schen Bundestag eingegangen ist, gerügt.

B.

Auch im Übrigen bestehen Bedenken an der Zulässigkeit
des Einspruchs (I). Diese können aber dahingestellt bleiben,
weil der Einspruch insoweit jedenfalls offensichtlich unbe-
gründet ist (II).

I.

1. Es steht der Zulässigkeit des Einspruchs nicht entgegen,
dass der Einspruchsführer diesen nur „bedingt“ erhoben hat.
Zwar ist die Erhebung eines Wahleinspruchs wie jede Pro-
zesshandlung grundsätzlich bedingungsfeindlich (vgl. Zöl-
ler/Greger, Zivilprozessordnung, Kommentar, 25. Auflage
2005, Vor § 128 Rn. 20). Eine Bedingung im eigentlichen
Sinne liegt hier jedoch nicht vor. Dies wäre nur dann der
Fall, wenn der Einspruchsführer die Wirksamkeit der Erhe-
bung des Einspruchs vom ungewissen Eintritt eines zukünf-
tigen Ereignisses abhängig machen würde (vgl. Stein-Jonas/
Leipold, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Auflage
2005, vor § 128 Rn. 266). Der Einspruchsführer bringt je-
doch lediglich seine Unsicherheit darüber zum Ausdruck,
ob bestimmte in der Vergangenheit liegende und damit
grundsätzlich dem Beweis zugängliche Ereignisse, die er
für den Erfolg seines Einspruchs für relevant hält, tatsäch-
lich eingetreten sind. Denn die „Bedingungen“, an die der
Einspruchsführer seinen Einspruch knüpft, sind zum einen,
dass „gesplittete“ Zweitstimmen als ungültig gewertet wur-
den und zum anderen, dass der Einsatz von Wahlgeräten zu
einem signifikanten Rückgang der Wahlbeteiligung geführt
hat.

2. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist aber deshalb zweifel-
haft, weil der Einspruchsführer nicht seine Wohnungsan-

– einen Grund zu nennen. Zwar wird die Angabe einer sog.
ladungsfähigen Anschrift vom Wortlaut des WPrüfG nicht
ausdrücklich verlangt. Dies ist aber im Falle der Zivilpro-
zess- und der Verwaltungsgerichtsordnung nicht anders.
Gleichwohl ist für beide Prozessarten anerkannt, dass eine
ordnungsgemäße Klageerhebung grundsätzlich die Angabe
einer ladungsfähigen Anschrift voraussetzt (vgl. BGH, NJW
1988, S. 2144 f.; BVerwG, NJW 1999, S. 2608 [2609 ff.];
Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, Kommentar, 25. Auf-
lage 2005, § 253 Rn. 8; Kopp/Schenke, Verwaltungsge-
richtsordnung, Kommentar, 14. Auflage 2005, § 82 Rn. 3 f.;
BVerfG, NJW 1996, S. 1272).

Es gibt gewichtige Gründe, dies auch für die Erhebung
eines Wahleinspruchs anzunehmen. Zwar treffen nicht alle
für den Zivil- und Verwaltungsprozess vorgetragenen Argu-
mente auch auf das Wahlprüfungsverfahren zu. So kann das
Erfordernis, die Wohnungsanschrift anzugeben, hier nicht
mit einer Kostenpflicht des Einspruchsführers im Falle des
Unterliegens begründet werden (vgl. BGH, NJW 1988,
S. 2144; BVerwG, NJW 1999, S. 2608 [2610]). Denn die
Verfahrenskosten der Wahlprüfung trägt gemäß § 19 Abs. 1
Satz 1 WPrüfG stets der Bund. Dafür greift jedoch das Ar-
gument, dass die Vorschriften der ZPO über die Zustellung
und die Ladung, die gemäß § 9 WPrüfG auch für das Wahl-
prüfungsverfahren gelten, voraussetzen, dass der Wohnort
dessen, der das Verfahren einleitet, grundsätzlich bekannt ist
(vgl. BGH, NJW 1988, S. 2144 f.; BVerwG, NJW 1999,
S. 2608 [2609]). Hinzu kommt bei der Wahlprüfung, dass
das Verfahren selbst dann fortgeführt werden kann, wenn
der Einspruchsführer seinen Einspruch zurückgenommen
hat (vgl. § 2 Abs. 6 WPrüfG). Das heißt, der Einspruchsfüh-
rer muss wegen des öffentlichen Interesses an der Wahlprü-
fung bereit sein, seinen Einspruch selbst dann noch „zu füh-
ren“, wenn er persönlich hieran gar kein Interesse mehr hat.
Das legt es nahe, von ihm zu verlangen, diese Bereitschaft
grundsätzlich dadurch zu bekunden, dass er seine Woh-
nungsanschrift angibt, und darauf zu verzichten, den Ein-
spruch aus dem „Verborgenen“ heraus zu führen.

Letztlich kann die Frage, ob der Einspruchsführer seine
Wohnungsanschrift hätte angeben müssen, hier aber dahin-
stehen, weil der Einspruch jedenfalls offensichtlich unbe-
gründet ist.

II.

1. So stellt es keinen Wahlfehler dar, dass jeder Wähler ne-
ben der Erststimme nur eine Zweitstimme hat und dass dies
auf dem Stimmzettel so wiedergegeben wird. Beides wird
nämlich eindeutig von § 4 BWG bzw. § 45 Abs. 1 Satz 2
BWO so angeordnet.

Soweit der Einspruchsführer in dieser „Beschränkung auf
eine … Zweitstimme“ einen Verstoß gegen das in Artikel 20
Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Prinzip der Volkssouveränität
und gegen das Prinzip der Chancengleichheit sieht, ist zu-
nächst daran zu erinnern, dass der Deutsche Bundestag und
der Wahlprüfungsausschuss sich in ständiger Praxis nicht
dazu berufen sehen, die Verfassungswidrigkeit von Rechts-
vorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten (vgl. nur Bundes-
tagsdrucksache 14/1560, Anlage 79, S. 209). Abgesehen da-
schrift angegeben hat und zwar ohne hierfür – von einem
pauschalen Hinweis auf „berechtigte Interessen“ abgesehen

von ist an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 BWG aber
auch nicht zu zweifeln.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 281 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 281 – Drucksache 16/1800

Artikel 38 Abs. 3 GG räumt dem Gesetzgeber einen breiten
Spielraum bei der Ausgestaltung des Wahlsystems ein
(BVerfGE 3, 19 [24]; 59, 119 [124]; 95, 335 [349]). Schon
deshalb können aus allgemeinen verfassungsrechtlichen
Grundsätzen wie dem in Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 GG nie-
dergelegten Prinzip der Volkssouveränität nicht derart kon-
krete – weit über das von Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG Ge-
forderte hinausgehende – Vorgaben wie die Anzahl der
jedem Wähler zustehenden Zweitstimmen abgeleitet wer-
den (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommen-
tar, Artikel 20 II Rn. 10 a. E.). Ebenso wenig ist ersichtlich,
wessen Chancengleichheit § 4 BWG, der ja keinerlei Diffe-
renzierungen vornimmt, berühren soll.

2. Auch dem Vortrag des Einspruchsführers, dass bei der
Auszählung durch Wahlgeräte nicht jeder mitverfolgen
könne, wie viele Stimmen auf welche Parteien entfielen,
kann die schlüssige Darlegung eines Wahlfehlers nicht ent-
nommen werden. Denn während der nach den Vorgaben der
§§ 13, 14 der Bundeswahlgeräteverordnung (BWahlGV) er-
folgenden Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnis-
ses, insbesondere auch während des lauten Ablesens der
Anzeigen des Wahlgeräts gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1
BWahlGV, hat gemäß § 5 BWahlGV in Verbindung mit § 54
BWO jedermann Zutritt zum Wahlraum.

3. Schließlich trifft auch die Einschätzung des Einspruchs-

tative Anforderung an den Einsatz von Wahlgeräten, keine
quantitative Restriktion.

Ebenso wenig lässt sich daraus entnehmen, dass jeder Wahl-
berechtigte die Alternative der Urnenwahl in seiner Ge-
meinde haben müsse. § 35 Abs. 1 BWG spricht ausdrück-
lich von der Benutzung von Wahlgeräten „anstelle“ von
Stimmzetteln und Wahlurnen. Zwar heißt es, diese „kön-
nen“ benutzt werden. Doch damit soll nicht dem Wähler,
sondern den Wahlbehörden Ermessen im Hinblick auf die
Frage des Einsatzes von Wahlgeräten eingeräumt werden.
Dies ergibt sich schon aus dem Sinnzusammenhang mit den
nachfolgenden Absätzen, welche die Voraussetzungen für
den Wahlgeräteeinsatz näher regeln und dabei ausschließ-
lich an Wahlbehörden adressiert sind. Zudem hätte der
Wähler sogar einen Anspruch auf die Benutzung und damit
auf die Zur-Verfügung-Stellung von Wahlgeräten, wenn
sich das „können“ in § 35 Abs. 1 BWG auf ihn und nicht
auf die Wahlbehörden bezöge.

C.

Soweit der Einspruchsführer gegen die Beschränkung auf
eine „ungeteilte Zweitstimme“ neben seinem Wahleinspruch
auch „Widerpruch (im Sinne des VwVfG)“ – gemeint ist of-
fenbar Widerspruch im Sinne von § 68 ff. Verwaltungsge-
richtsordnung (VwGO) – erhebt, ist – abgesehen von den aus
führers nicht zu, die vollständige Umstellung der Stimm-
abgabe auf Wahlgeräte in mehreren Gemeinden in Nord-
rhein-Westfalen widerspreche der Intention der §§ 34, 35
BWG. Es ist zwar richtig, dass nach § 35 Abs. 1 BWG
Wahlgeräte nur zur Erleichterung der Abgabe und Zählung
der Stimmen anstelle von Stimmzetteln und Wahlurnen be-
nutzt werden dürfen. Doch das ist eine ausschließlich quali-

§ 49 BWG resultierenden Bedenken – nicht zu erkennen,
welches über die Wahlanfechtung hinausgehende Ziel damit
verfolgt werden soll. Im Übrigen fehlte dem Deutschen Bun-
destag und dem Wahlprüfungsausschuss, deren Sache aus-
schließlich die Wahlprüfung nach Maßgabe des Artikels 41
Abs. 1 Satz 1 GG und des WPrüfG ist, auch die Zuständig-
keit, hierüber zu entscheiden.

Ausführungen so schnell wie möglich folgen würden. Es
sind beim Deutschen Bundestag jedoch keine weiteren

richts (vgl. BVerwG, NJW 1998, S. 1175 [1176 f.]; Greger,
in: Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, 2005, § 130
schrift gültig“ sei.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und

brechen gehindert ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu
falten oder selbst in die Wahlurne zu werfen, sich der Hilfe
einer anderen Person bedienen darf. Er gibt jedoch keinen An-
Schreiben des Einspruchsführers eingegangen.

Der Einspruchsführer hatte auch schon gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag 2002 sowie der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland 2004 Einspruch eingelegt
(vgl. Bundestagsdrucksachen 15/2400, Anlage 13, 15/4750,
Anlage 14).

Das Schreiben trägt keine eigenhändige Unterschrift, son-
dern in Maschinenschrift den Namen des Einspruchsführers
mit einem vorangestellten „gez“. Zur Erklärung wird ausge-
führt, dass wegen einer „Schwerstverletzung“ des Ein-
spruchsführers das Schreiben nach Diktat in einem Schreib-
büro maschinell erstellt und daher „ohne Originalunter-

Rn. 19) vom Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift
deshalb abzusehen, weil sich aus anderen Anhaltspunkten
eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheber-
schaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu
bringen, ergibt. Diese Frage kann vorliegend jedoch dahin-
gestellt bleiben, weil der Einspruch jedenfalls offensichtlich
unbegründet ist.

2. Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nämlich nicht ersichtlich.

Der vom Einspruchsführer in der Sache geltend gemachte
Anspruch auf Bereitstellung einer Hilfsperson zum Zwecke
der Wahlteilnahme ergibt sich weder aus dem Bundeswahl-
gesetz noch aus der Bundeswahlordnung. § 33 Abs. 2 BWG
erlaubt lediglich – in Ausgestaltung des Grundsatzes der ge-
heimen Wahl –, dass ein Wähler, der durch körperliche Ge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 283 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 283 – Drucksache 16/1800

Anlage 58

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. S., 26802 Moormerland
– Az.: WP 23/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem vom Niedersächsischen Landeswahlleiter an den
Deutschen Bundestag weitergeleiteten Schreiben vom 18.
September 2005, das am 23. September 2005 beim Wahl-
prüfungsausschuss des Deutschen Bundestages eingegan-
gen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am
18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass ihn die verantwortlichen
Wahlleiter „vorsätzlich daran gehindert“ hätten, an der Wahl
teilzunehmen. Die „Unmöglichkeit der persönlichen Teil-
nahme“ sei dadurch herbeigeführt worden, dass er „weder
eine Kostendeckungszusage für die gerichtlich rechtskräftig
verordnete Fremdpflegekraft (täglich drei Std. + 20 Min.)
schriftlich erhalten“ habe „noch eine entsprechende tägliche
Pflegekraft direkt von der Gemeindeverwaltung Moormer-
land bzw. von der Landkreisverwaltung Leer entsandt“ wor-
den sei. In dem Schreiben wird angekündigt, dass weitere

Entscheidungsgründe

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des
Einspruchs, die jedoch zurückgestellt werden können, da
der Einspruch jedenfalls offensichtlich unbegründet ist.

1. Es entspricht ständiger Praxis des Wahlprüfungsaus-
schusses und des Deutschen Bundestages, dass zur Schrift-
form des § 2 Abs. 3 WPrüfG grundsätzlich auch die eigen-
händige Unterschrift des Einspruchsführers bzw. seines Ver-
fahrensbevollmächtigen gehört (vgl. nur Bundestagsdruck-
sachen 15/1850, Anlage 41; 16/900, Anlage 31). An einer
solchen fehlt es hier. Jedoch gilt das Unterschriftserforder-
nis – wie auch bei anderen Prozessordnungen – nicht aus-
nahmslos. So haben Wahlprüfungsausschuss und Deutscher
Bundestag die Formgerechtigkeit einer per Telefax übermit-
telten Einspruchsschrift anerkannt, sofern deren Original
handschriftlich unterzeichnet wurde (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 13/2800, Anlage 16; 14/1560, Anlage 6). Vorliegend
könnte in Betracht gezogen werden, in Anlehnung insbe-
sondere an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

spruch gegen den Staat auf Bereitstellung oder Finanzierung
solch einer Hilfsperson. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 BWO

Drucksache 16/1800 destag – 16. WahlperiodeDrucksache 16/1800 destag – 16. Wahlperiode
– 284 – Deutscher Bun– 284 – Deutscher Bun

sollen die Wahlräume nach den örtlichen Verhältnissen so
ausgewählt und eingerichtet werden, dass auch behinderten
und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung die
Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Auch hier-
aus kann kein Anspruch auf Bereitstellung oder Finanzierung
einer Hilfsperson abgeleitet werden.

Die Frage, ob für ganz besondere Konstellationen, in denen
die Stimmabgabe des Wählers ohne eine staatlicherseits zur
Verfügung gestellte Hilfsperson absolut nicht möglich wäre,
die Ableitung solch eines Anspruchs unmittelbar aus dem
objektivrechtlichen Gehalt des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG, ggf. in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Arti-
kel 20 Abs. 1 GG) und Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 GG, denkbar
wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Denn eine solche
Fallgestaltung hat der Einspruchsführer nicht vorgetragen.
Hierzu hätte zumindest substantiiert dargelegt werden müs-
sen, weshalb sich der Einspruchsführer nicht der Hilfe von
Bekannten, Freunden oder Familienmitgliedern hätte bedie-
nen können. Auf gar keinen Fall ist ersichtlich, weshalb für
die bei der Stimmabgabe ggf. erforderlichen Unterstüt-
zungshandlungen eine Pflegekraft im zeitlichem Umfange
von 3 Stunden und 20 Minuten täglich zur Verfügung ge-
stellt bzw. finanziert werden müssen sollte.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 285 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 285 – Drucksache 16/1800

Anlage 59

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn S. P., 30165 Hannover
– Az.: WP 194/05 –

durch die statistische Erhebung gegen den Grundsatz der
geheimen Wahl verstoßen worden sei. Wegen des weiteren

spruchsführers ging aber erst am 29. November 2005 beim
Deutschen Bundestag ein. Die Frage, ob die Einlegung eines
Vortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

In seinem Schreiben vom 25. November 2005 behauptet der
Einspruchsführer, dass er seine Einspruchsschrift bereits am
18. November 2005 in gescannter Form an den Deutschen
Bundestag geschickt habe. Trotz entsprechender Nachfor-
schungen konnte der Eingang einer E-Mail des Einspruchs-

Einspruchs im Hinblick auf das Schriftformerfordernis des
§ 2 Abs. 3 WPrüfG auch per E-Mail mit eingescannter
Unterschrift des Einspruchsführers zulässig ist (vgl. auch
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 31), kann hier dahin-
gestellt bleiben. Denn der Eingang einer E-Mail des Ein-
spruchsführers beim Deutschen Bundestag konnte nicht fest-
gestellt werden.
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. November 2005, das am 29. No-
vember 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Zur Begründung führt der Einspruchsführer aus, dass die
Stimmzettel in seinem Stimmbezirk am oberen linken Rand
gekennzeichnet gewesen seien. Auf seine Nachfrage hin
habe er erfahren, dass diese Kennzeichnung „Teil einer sta-
tistischen Erhebung“ sei. Trotz Beharrens habe man ihm
keinen ungekennzeichneten Stimmzettel ausgehändigt.
Über diese statistische Erhebung habe es seiner Kenntnis
nach keine Informationen gegeben, insbesondere nicht auf
der Wahlbenachrichtigungskarte oder beim Aushändigen
der Stimmzettel. Daneben habe auch kein Muster eines
Stimmzettels am Eingang des Gebäudes gehangen. Durch
die fehlende Information sieht der Einspruchsführer das Ge-
bot der Öffentlichkeit verletzt. Weiter führt er aus, dass

führers aber nicht festgestellt werden. Nachdem dies dem
Einspruchsführer mitgeteilt wurde, erwiderte dieser, dass er
die E-Mail nicht unter seinem Namen, sondern unter dem
Namen eines gewissen „R. O.“ an den Deutschen Bundestag
geschickt habe. Auch der Eingang einer E-Mail unter die-
sem Namen konnte aber nicht festgestellt werden.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist unzulässig.

Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprüche
binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag beim
Deutschen Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag am 18. September 2005 lief diese Frist am
18. November 2005 ab. Die Einspruchsschrift des Ein-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 287 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 287 – Drucksache 16/1800

Anlage 60

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. T., 46459 Rees
– Az.: WP 189/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.
Tatbestand

Mit Schreiben vom 16. November 2005, das am 21. No-
vember 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass „ge-
mäß einer eidesstattlichen Versicherung der FDP-Isselburg“
der Deutsche Bundestag „Entscheidungen zur Durchfüh-
rung von Rechtsverordnungen im Bereich Abfallwirtschaft,
wie Verpackungsverordnung,“ und weitere Rechtsverord-
nungen herbeigeführt habe, die „der private und gewerb-
liche Endverbraucher wegen technischer und finanzieller
Uneinlösbarkeiten nicht praktizieren“ könne. Mit seiner
Einspruchsschrift hat der Einspruchsführer zur Darstellung
seines Vortrags weitere Presseartikel und umfangreiche Do-
kumentationen von Gerichtsverfahren und von Schriftwech-
seln, die er mit dem Bundesministerium für Umwelt, Natur-

schutz und Reaktorsicheheit und anderen Stellen geführt
hat, vorgelegt. Insoweit wird auf den Inhalt der Akten Be-
zug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist unzulässig.

Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG müssen Wahleinsprüche
binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag
beim Deutschen Bundestag eingehen. Bei der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 lief diese
Frist am 18. November 2005 ab. Der Einspruch ging aber
erst am 21. November 2005 beim Deutschen Bundestag ein.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 289 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 289 – Drucksache 16/1800

werden. Zudem könne beim Wähler der Eindruck entstehen,
dass Berufspolitiker mit besonderer Qualifikation gegen Be-

zu beurteilen, ob der Bewerber Erfahrungen und Kenntnisse
besitzt, die für die parlamentarische Arbeit nützlich sein
hen müssen.
werber ohne politische Erfahrung, also mit geringerer Qua-
lifikation antreten würden. Damit werde das Gebot der
Chancengleichheit der Bewerber in hohem Maße verletzt.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist unzulässig, da er erst am 5. April 2006
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist. Gemäß § 2
Abs. 4 Satz 1 WPrüfG hätte der Einspruch aber binnen einer
Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag, also spätestens
am 18. November 2005, beim Deutschen Bundestag einge-

können (vgl. Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsaus-
schusses, Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 93,
S. 256). Diesem Zweck entspricht es, dass im Falle von Ab-
geordneten auch die Abgeordnetentätigkeit als Beruf ange-
geben werden kann und der Abgeordnete nicht – wie es dem
Einspruchsführer offenbar vorschwebt – auf die Angabe sei-
nes ursprünglichen Berufs, in dem er möglicherweise schon
lange Zeit nicht mehr tätig war, oder seiner Nebentätigkeit
festgelegt wird. Eine Beeinträchtigung der Chancengleich-
heit der anderen Wahlbewerber kann hierin nicht gesehen
werden. Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet
nicht, dass Fakten, deren Kenntnis den Wähler dazu veran-
lassen könnte, einem bestimmten Wahlbewerber den Vorzug
zu geben, unterdrückt werden.
Anlage 61

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. J. Z., 27612 Loxstedt
– Az.: 01/06 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem vom Kreiswahlleiter des Wahlkreises 30 (Cuxha-
ven – Osterholz) an den Deutschen Bundestag weitergelei-
teten und dort am 5. April 2006 eingegangenen Schreiben
vom 12. März 2006 hat der Einspruchsführer Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass bei zwei auf seinem
Stimmzettel stehenden Kandidaten als Berufsbezeichnung
„Bundestagsabgeordneter“ angegeben gewesen sei. Dies sei
unzulässig, weil Bundestagsabgeordneter kein Beruf sei,
sondern ein politischen Amt, das vom Wähler in Form eines
Mandats auf bestimmte Zeit vergeben werde. Üblicherweise
kehrten die Abgeordneten danach wieder in ihren Beruf zu-
rück, einige übten ihren Beruf auch während der Dauer des
Mandats weiterhin aus. Werde auf dem Stimmzettel statt der
Angabe des wirklichen Berufes die Bezeichnung „Abgeord-
neter“ verwendet, könne der Wähler über die tatsächliche
Ausbildung und Qualifikation des Bewerbers getäuscht

Im Übrigen wäre der Einspruch auch offensichtlich unbe-
gründet. Die Berufsbezeichnung „Bundestagsabgeordne-
ter“ auf dem Stimmzettel ist nicht zu beanstanden. § 45
Abs. 1 Nr. 1 BWO fordert, dass bei Kreiswahlvorschlägen
auf dem Stimmzettel Beruf oder Stand des Bewerbers ange-
geben werden. Die Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten
ist vom Bundesverfassungsgericht im Kontext der verfas-
sungsrechtlichen Beurteilung von Diätenregelungen mehr-
fach als ein den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordernder
Beruf bezeichnet worden, für die der Abgeordnete daher
legitimerweise ein Entgelt beanspruchen könne, mit dem er
seinen und seiner Familie Lebensunterhalt zu bestreiten ver-
mag (BVerfGE 32, 157 [164 f.]; 40, 296 [311]). Es ist kein
Grund ersichtlich, für die Zwecke der Interpretation des
§ 45 Abs. 1 Nr. 1 BWO von dieser Charakterisierung der
Abgeordnetentätigkeit abzuweichen (so im Ergebnis auch
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage 2002, § 26
Rn. 4d). Denn der Beruf soll deshalb auf dem Stimmzettel
angegeben werden, weil das Wissen darum, mit welcher Tä-
tigkeit der Bewerber sein Geld verdient, dabei helfen kann,

Land Niedersachsen aufgenommen und mit gültigem Visum
im September 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein-

sehen.
Volk auszuschließen, heute nicht in einer Benachteiligung
einzelner Antragsteller auswirken“ dürfen. Habe „ein jüdi-
scher Antragsteller an Umsiedlungsaktionen unmittelbar

dürftigen Frage nachzugehen, ob der Einspruchsführer am
Wahltag u. a. vor dem Hintergrund der von ihm herangezo-
genen Bestimmungen Deutscher im Sinne des Artikels 116
gereist. In weiteren beigefügten Unterlagen bezieht sich der
Einspruchsführer auf einen Beschluss der Ministerpräsiden-
tenkonferenz vom 9. Januar 1991 zur Einwanderung sowje-
tischer Juden in die Bundesrepublik Deutschland, wonach
bei den Einzelfallentscheidungen auf Gestattung der Ein-
reise auch die Erhaltung der Lebensfähigkeit jüdischer Ge-
meinden eine Rolle spielen soll.

Beigefügt ist weiterhin ein Auszug aus einer baden-
württembergischen Verwaltungsvorschrift zu dem die
Volkszugehörigkeit regelnden § 6 des Bundesvertriebenen-
gesetzes (BVFG). Aus dieser Verwaltungsvorschrift hebt
der Einspruchsführer die Bestimmungen hervor, wonach
sich bei jüdischen Antragstellern „die vielfältigen bis in die
ost- und südosteuropäischen Staaten reihenden Bestrebun-
gen nationalsozialistischer Politik, Juden aus dem deutschen

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist unzulässig, da er nicht dem Schriftformer-
fordernis des § 2 Abs. 3 WPrüfG entspricht.

Gemäß § 2 Abs. 3 WPrüfG sind Wahleinsprüche schriftlich
beim Bundestag einzureichen. Zur Schriftform gehört nach
ständiger Auffassung des Bundestages auch die eigenhän-
dige Unterschrift des Einspruchsführers (vgl. z. B. Be-
schlussempfehlungen – Bundestagsdrucksachen 15/1850,
Seite155, 14/1560, Seite 21). Hieran fehlt es, da sich nur der
Vermerk „gez.“, aber keinerlei Namenszug findet.

Wegen Unzulässigkeit des Einspruchs ist nicht der für eine
Eintragung in das Wählerverzeichnis ansonsten klärungsbe-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 291 – Drucksache 16/1800Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 291 – Drucksache 16/1800

Anlage 62

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn V. A., 76137 Karlsruhe
– Az.: WP 185/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 22. Juni 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2005 – eingegangen am
18. November 2005 – hat der Einspruchsführer gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag Ein-
spruch eingelegt und gerügt, dass er nicht ins Wählerver-
zeichnis eingetragen worden ist. Das Schreiben trägt keine
Unterschrift sondern allein den Vermerk „gez.“.

Unter einem Briefkopf als Vorsitzender des „Kontrollrats
einer Militärregierung des Bundeskönigreichs Weltall“ rügt
der Einspruchsführer u. a. als „König V. A. homo“ unter
Beifügung mehrerer Unterlagen in deutscher und teilweise
ukrainischer Sprache, dass er nicht in das Wählerverzeich-
nis der Stadt Karlsruhe eingetragen worden ist. Laut Mit-
teilung der Stadt Karlsruhe ist die Eintragung abgelehnt
worden, da der Einspruchsführer nach dortigen Unterlagen
kein Deutscher i. S. d. Artikels 116 GG, sondern ukraini-
scher Staatsbürger sei. Nach einem Schreiben der Landes-
aufnahmestelle Bramsche vom 2. Oktober 2002 ist der Ein-
spruchsführer als jüdischer Emigrant aus der Ukraine vom

schen Volkszugehörigkeit“. Schließlich wird auf das Gesetz
Nr. 303 des Landes Württemberg-Baden vom 14. Februar
1947 über die Aufnahme und Eingliederung deutscher
Flüchtlinge verwiesen. Danach erhielten alle in den Gel-
tungsbereich des Gesetzes fallenden Personen das aktive
und passive Wahlrecht unter den gleichen Voraussetzungen
wie die übrige Bevölkerung. Der Regelung dieses Gesetzes
unterlagen als Flüchtlinge nicht nur alle Personen deutscher
Staats- und Volkszugehörigkeit mit näher bestimmter Ein-
grenzung, sondern auch „Personen, auf die – ohne dass sie
zu den vorgenanten Gruppen gehören – das Gesetz durch
das zuständige Ministerium ganz oder teilweise für anwend-
bar erklärt wird“. Weitere beigefügte Unterlagen lassen
keinen Bezug zur Frage der Staatsangehörigkeit und des
aktiven Wahlrechts erkennen; insoweit wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2 WPrüfG
von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abzu-
vor und während des zweiten Weltkriegs nicht teilgenom-
men, bleibe dies ohne Einfluss auf die Beurteilung der deut-

GG war oder ob er – wie von der Stadt Karlsruhe vertreten –
ausschließlich die ukrainische Staatsangehörigkeit besaß.

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