BT-Drucksache 16/1563

Die zukünftige Rolle des Bundeswehrstützpunkts Termes (Usbekistan)

Vom 18. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1563
16. Wahlperiode 18. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Heike Hänsel, Katrin Kunert, Dr. Norman
Paech, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Die zukünftige Rolle des Bundeswehrstützpunkts Termes (Usbekistan)

Seit 2002 unterhält die Bundeswehr in Termes (Usbekistan) einen Lufttransport-
stützpunkt für die in Afghanistan eingesetzten Soldaten. Der Flughafen in Ter-
mez wird auch von anderen NATO-Staaten als Transportstützpunkt genutzt.
Durch die anstehende Ausweitung der ISAF-Mission auf ganz Afghanistan, die
Integration von bislang im Rahmen der Operation Enduring Freedom eingesetz-
ten militärischen Einheiten in die NATO-Kommandostruktur in Afghanistan so-
wie die Übernahme der Führung des Regionalkommandos Nord mit Hauptquar-
tier in Mazaar-e-Sharif verändert sich auch die strategische Bedeutung des
Stützpunkts in Termez.

Obwohl der Europäische Rat am 17. November 2005 aufgrund des brutalen
Vorgehens usbekischer Sicherheitskräfte gegen Aufständische und Demonstran-
ten in Andischan im Mai 2005 mit mehreren Hundert Toten Sanktionen gegen
Usbekistan beschlossen hat, die ein Verbot der technischen und finanziellen
Unterstützung militärischer Aktivitäten Usbekistans einschließen (EU-Rats-
dokumente 10910/05 und 13294/05), vereinbarten das Bundesministerium der
Verteidigung (BMVg) und das usbekische Verteidigungsministerium einen
Monat später die Verlängerung der Überflug- und Nutzungsrechte um ein wei-
teres Jahr. Außerdem wurden Investitionen in die Infrastruktur in Millionenhöhe
zugesagt, die u. a. von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
koordiniert werden sollen.

Im April 2006 sagte der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig
Murray, vor einem Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments aus,
dass die Bundesregierung auch geheimdienstlich mit der usbekischen Regierung
zusammengearbeitet und von den unter Folter herausgepressten Informationen
von Gefangenen profitiert habe (vgl. SZ vom 21. April 2006).

Der Verbleib der Bundeswehr in Termes lässt vermuten, dass von der Bundesre-
gierung eine Beteiligung Deutschlands am „Krieg gegen den Terrorismus“ als
für so wichtig erachtet wird, dass die Beachtung von EU-Sanktionen und die
Einhaltung der Menschenrechte in Usbekistan dahinter zurücktreten.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie verträgt sich die Unterhaltung des „Einsatzgeschwaders Termez“ in
einem Land wie Usbekistan mit der Menschenrechtspolitik der Bundesre-
gierung?

2. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Erfordernisse von
militärischen Einsätzen der NATO politisch von größerer Bedeutung sind

Drucksache 16/1563 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

für Deutschland als Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union und die
menschenrechtspolitischen Grundsätze der Bundesregierung?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, das der Ausbau des Flughafens
in Termez ein falsches Signal an die usbekische Regierung ist und es daher
ratsam wäre, von einem Ausbau des Flughafens Termez Abstand zu neh-
men, bis sich die innenpolitische Lage verbessert hat, z. B. im Fergana Tal,
sowie die allgemeine Wahrung der Bürger- und Menschenrechte gewähr-
leistet werden kann?

4. In wie weit hat die Existenz des Bundeswehrstützpunktes Termes die Reak-
tion der Bundesregierung auf das Vorgehen der usbekischen Regierung ge-
gen Demonstranten in Andischan im Mai 2005 beeinflusst?

5. Welche Rolle spielten nach Kenntnis der Bundesregierung die Proteste der
USA gegen die Menschenrechtspolitik der Usbekistans beim Abzug der
US-Streitkräfte aus Usbekistan?

6. Wurde und wird die Infrastruktur des Lufttransportstützpunkts in Termes
auch Einheiten zur Verfügung gestellt, die im Rahmen der Operation Endu-
ring Freedom in Afghanistan eingesetzt werden?

Und wenn ja, wann und welchen Staaten?

7. Welche Aufgaben erfüllt der Stützpunkt in Termes für die Sicherstellung des
Nachschubs für die NATO Truppen in Afghanistan?

8. Aus welchen Gründen ist der Ausbau des Flughafens in Termes notwendig
für die ISAF-Mission?

9. Welche Streitkräfte anderer NATO-Staaten haben Termes im Jahr 2005 im
Rahmen welches Mandats für welche Zwecke genutzt?

10. Mit welchen NATO-Staaten wurden Vereinbarungen über die Mitnutzung
des Flughafens Termes getroffen, und welche Form der Entschädigung
(finanziell oder durch Gegenleistungen) wurde darin vereinbart?

11. Wie viele militärische Transportflüge der Luftwaffe erfolgten von und nach
Termes seit 2002 (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

12. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung beim Ausbau des Flugha-
fens Termes?

13. In welchem Umfang soll das in Termes stationierte Bundeswehrkontingent
bis 2008 vergrößert oder verkleinert werden?

14. Wie viele Evakuierungseinsätze und Weiterflüge von verletzten Personen
erfolgten von Termes aus (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

15. Welchen Handlungsbedarf aus Gründen der Planungssicherheit angesichts
der geplanten Fortführung der ISAF-Mission sieht die Bundesregierung
aufgrund der instabilen innenpolitischen Lage in Usbekistan und der usbe-
kischen Menschenrechtspolitik für die Suche nach einem neuen Standort?

16. Welche alternativen Stützpunkte stehen für die Bundeswehr unter Wahrung
ihrer Einsatzaufgaben zur Verfügung, und welche Rolle spielt dabei der
Ausbau des Flughafens in Mazaar-e-Sharif für die Aufgabenerfüllung der
Bundeswehr in Afghanistan?

17. Welche Kosten veranschlagt die Bundesregierung für den Ausbau des Flug-
hafens in Mazaar-e-Sharif, und von wie vielen Starts und Landungen von
Bundeswehrflugzeugen dort geht die Bundesregierung aus?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1563

18. Welche Auswirkungen haben die von der EU am 14. Dezember 2005 ver-
hängten Sanktionen gegen Usbekistan auf die Funktionstüchtigkeit des
Stützpunkts?

19. Hat die Bundesregierung seit dem 14. Dezember 2005 technische und/oder
finanzielle Unterstützung für die militärischen Aktivitäten Usbekistans ge-
leistet?

Wenn ja, in welcher Art und in welchem Umfang, unter Miteinbeziehung
von Infrastrukturprogrammen, die militärisch genutzt werden?

20. Wie viel Lizenzen für den Export von Gütern der Ausfuhrlisten Teil 1 A, B
und C nach Usbekistan wurden seit 2002 von der Bundesregierung geneh-
migt (bitte aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Ausfuhrliste, den Posten der
Ausfuhrliste, dem Genehmigungswert sowie nach Jahren)?

21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Modernisierung des
genutzten Flughafens in Termes für den militärischen Betrieb eine Unter-
stützung der militärischen Aktivitäten in Usbekistan darstellt?

22. Plant die Bundesregierung beim Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Ter-
mes einen Rückbau des Flughafens und weitestgehende Entmilitarisierung?

23. Ist es gängige Praxis der Bundesregierung, die Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit (GTZ) mit dem Aufbau von militärisch genutzter Infra-
struktur zu beauftragen?

24. Welche Aufträge hat die GTZ zwischen 2002 und 2005 für die Bundeswehr
in Termes koordiniert und/oder ausgeführt?

Wie teuer waren diese Vorhaben, und welche Vorhaben sind für 2006
geplant?

25. Welche konkreten Projekte wurden seit Dezember 2005 im Rahmen der
Verlängerung der Nutzung von Termes von der Bundesregierung mit Usbe-
kistan vereinbart?

26. Welche Ergebnisse wurden bei den Verhandlungen mit der usbekischen Sei-
te im Februar 2006 erzielt?

27. Auf welchen Abkommen und Vereinbarungen basiert die militärische Zu-
sammenarbeit der Bundesregierung mit Usbekistan?

28. Wie viele usbekische Soldaten wurden seit 2002 von der Bundeswehr aus-
gebildet, und für welche Aufgaben?

29. Auf welche Art und Weise kooperieren Deutschland und Usbekistan beim
Kampf gegen den internationalen Terrorismus, und welche Maßnahmen
sind diesbezüglich für 2006 geplant?

Berlin, den 17. Mai 2006

Paul Schäfer (Köln)
Heike Hänsel
Katrin Kunert
Dr. Norman Paech
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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