BT-Drucksache 16/1551

Die Finanzierung militärischer Einsätze der Europäischen Union über den ATHENA Mechanismus

Vom 18. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1551
16. Wahlperiode 18. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Heike Hänsel, Katrin Kunert, Dr. Norman
Paech, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Die Finanzierung militärischer Einsätze der Europäischen Union über den
ATHENA-Mechanismus

Seit dem Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 28. Februar 2004
(2004/197/GASP, ABl. EU L 63, 28. Februar 2004) verfügt die EU über einen
Mechanismus zur Verwaltung und Finanzierung der gemeinsamen Kosten der
Operationen der Europäischen Union im Rahmen von GASP mit militärischen
oder verteidigungspolitischen Bezügen der den Namen ATHENA trägt.

Ergänzend beschloss der Rat der Europäischen Union am 28. April 2004 eine
Vereinbarung über die Vorrechte und Immunitäten, die im Zuge der Anwendung
des ATHENA-Mechanismus zum Tragen kommen sollen. Im Wesentlichen geht
es dabei darum, die Funktionsfähigkeit des ATHENA-Mechanismus vor Ein-
griffen, Abgabepflichten und Kontrollen der Staaten zu schützen, von deren
Territorien aus die militärischen Einsätze geführt werden.

ATHENA soll unter anderem gewährleisten, dass die notwendigen finanziellen
Mittel für die Planung und Durchführung gemeinsamer Interventionseinsätze
der EU von Anfang an verfügbar sind. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit, die
notwendige Infrastruktur und entsprechende Güter zu erwerben. Darüber hinaus
können aus dem Fonds auch militärische Übungen finanziert werden.

Der ATHENA-Mechanismus vergrößert den finanziellen Handlungsspielraum
des Europäischen Rates gegenüber den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten. Es
schränkt damit auch den Entscheidungsspielraum des Deutschen Bundestages
über militärische Auslandseinsätze im Rahmen der EU ein.

Die große Bedeutung, die der ATHENA-Mechanismus für die Planung und
Durchführung von EU-Auslandseinsätzen hat, geht bislang nicht einher mit
einer angemessenen Unterrichtung von Parlament und Öffentlichkeit durch die
Bundesregierung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bei welchen Auslandseinsätzen der Europäischen Union kam und kommt der
ATHENA-Mechanismus zum Einsatz?
2. Mit welchen finanziellen Mitteln wurde der ATHENA-Mechanismus für die
in Frage 1 angesprochen Auslandseinsätze ausgestattet (bitte in Euro und in
Prozent der Gesamtkosten des militärischen Einsatzes aufführen)?

3. Für welche der in den Anhängen des Ratsbeschlusses 2004/197/GASP auf-
geführten Aufgaben wurden die Gelder jeweils verwendet (bitte nach einzel-
nen Aufgaben aufgeschlüsselt aufführen)?

Drucksache 16/1551 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Umfasst der Posten „lokal angeheuertes Personal“, der im Anhang III-A
unter 1(g) des Beschlusses 2004/197/GASP aufgeführt wird, auch private
Sicherheitsdienste?

5. Wenn ja, wie viel Geld wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Rah-
men von Auslandseinsätzen mit Beteiligung der Bundeswehr, oder mit
Finanzierung durch deutsche Steuergelder für private Sicherheitsdienste
ausgegeben und mit welcher Begründung?

6. Welche „internationalen Berater“ haben im Rahmen des ATHENA-Mecha-
nismus bundesdeutsche Steuergelder erhalten, für welche Beratungstätig-
keiten und in welcher Höhe?

7. Welche Informationskampagnen wurden mit welchem finanziellen Auf-
wand bislang im Rahmen des ATHENA-Mechanismus in den Entsendestaa-
ten und den Einsatzgebieten finanziert?

8. Für welche geplanten militärischen Maßnahmen der EU wurde vorab die
Anwendung des ATHENA-Mechanismus beschlossen und in welcher Höhe
wurden finanzielle Mittel zugesagt?

9. Welche finanziellen Mittel sollen nach dem derzeitigen Planungsstand
(10. Mai 2006) über den ATHENA-Mechanismus für den Einsatz von EU-
Einheiten in der DR Kongo bereitgestellt werden und für welche Aufgaben?

10. Welche finanziellen Mittel sollen nach dem derzeitigen Planungsstand
(10. Mai 2006) über den ATHENA Mechanismus für den Einsatz von EU-
Einheiten im Sudan bereitgestellt werden und für welche Aufgaben sind
diese vorgesehen?

11. In welchem Unfang wurden Missionen oder Leistungen der NATO durch
ATHENA finanziert und um welche Auslandseinsätze handelt es sich da-
bei?

12. Wie hoch war bislang die finanzielle Beteiligung Deutschlands an der Aus-
stattung des ATHENA-Mechanismus (bitte nach Auslandseinsatz und Jahr
aufschlüsseln)?

13. Wie hoch ist der bundesdeutsche Anteil an den administrativen Kosten?

14. Aus welchen Haushaltstiteln welcher Einzelpläne wurden die deutschen
Ausgaben für ATHENA bestritten (bitte für die jeweiligen Auslandseinsätze
aufschlüsseln)?

15. Wie viel Geld hat die Bundesregierung bislang durch den ATHENA-
Mechanismus als Finanzierung für die Auslandseinsätze der Bundeswehr
erhalten?

16. Bei welchen deutschen Banken wurden bislang für welche Auslandseinsät-
ze der EU Konten eingerichtet, die für die Planung, Durchführung und Ab-
wicklung im Rahmen des ATHENA Mechanismus vorgesehen sind?

17. Wie viele Bedienstete der Bundesregierung wurden bislang im Rahmen der
Beteiligung am ATHENA-Mechanismus für welche Aufgaben abgestellt?

18. Welche direkten oder indirekten Kosten (auch in Form von Ausfällen in an-
deren Verwendungen) sind der Bundesregierung dadurch entstanden?

19. Welche Vermögensgegenstände und Liegenschaften wurden bei den jewei-
ligen Auslandseinsätzen aus Mitteln des ATHENA-Mechanismus erwor-
ben?

20. Welche Kauf- und Erwerbsgeschäfte im Rahmen des ATHENA-Mechanis-
mus wurden für welche Auslandseinsätze auf dem Territorium Deutsch-

lands und/oder unter Beteiligung Deutschlands außerhalb der Grenzen
Deutschlands getätigt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1551

21. Gewährleisten die derzeit gültigen Bestimmungen des ATHENA-Mecha-
nismus, dass in Deutschland hergestellte und/oder von Deutschland mitfi-
nanzierte militärische Güter nicht ohne Genehmigung gemäß des deutschen
Außenwirtschaftsgesetzes oder des Kriegswaffenkontrollgesetzes nach Be-
endigung des jeweiligen Auslandseinsatzes im Einsatzland verbleiben oder
von einem anderen Staat gekauft werden?

22. Welches militärisch nutzbare Gerät wurde bislang über den ATHENA-
Mechanismus erworben und nach Beendigung der entsprechenden militä-
rischen Mission an einen anderen Staat als den Herstellerstaat weitergege-
ben oder verkauft?

23. Um welche Einnahmen handelt es sich bei den in Artikel 18 Abs. 5b des Be-
schlusses 2004/197/GASR des Rates erwähnten sonstigen Einnahmen?

24. Welche im Rahmen der Europäischen Union durchgeführten militärischen
Übungen wurden in welcher Höhe über den ATHENA-Mechanismus ganz
oder teilweise finanziert?

25. Auf den Territorien welcher Staaten wurden diese Übungen durchgeführt?

26. Wie hoch war die finanzielle Beteiligung Deutschlands im Rahmen des
ATHENA-Mechanismus an diesen Übungen (bitte einzeln aufschlüsseln)?

27. Unter welchen Bedingungen können die finanziellen Mittel des ATHENA-
Mechanismus auch für die Anmietung von Lufttransportkapazitäten ver-
wendet werden, z. B. für die Inanspruchnahme der Kapazitäten der SALIS
GmbH?

28. Befürwortet die Bundesregierung die Finanzierung von Lufttransporten
durch den ATHENA-Mechanismus, wenn ja, unter welchen Bedingungen?

29. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, im Rahmen des
ATHENA-Mechanismus nicht abgerufene, aber bereits eingezahlte finanzi-
elle Mittel für zuvor nicht definierte militärische Operationen oder die stän-
dige Materialbevorratung auszugeben?

30. Ist im Falle der Weiterverwendung deutscher Steuergelder nach Auffassung
der Bundesregierung die Zustimmung des Deutschen Bundestages oder zu-
mindest des Haushaltsausschusses einzuholen, und wenn nicht, mit welcher
Begründung?

31. Welchen Standpunkt vertritt die die Bundesregierung gegenüber der Auffas-
sung, dass die nachträgliche Flexibilisierung von ursprünglich zweckgebun-
denen Mitteln für Auslandseinsätze im Rahmen des ATHENA-Mechanis-
mus eine Umgehung der Haushaltshoheit des Parlaments darstellt?

32. Wurde die Umwidmung von ATHENA-Mitteln bereits genutzt, und wenn
ja, bei welchem Auslandseinsatz und in welcher Höhe?

33. Welche Ressorts vertreten die Bundesregierung im für den ATHENA-
Mechanismus zuständigen Sonderausschuss?

34. Wer legt die mutmaßlichen Kosten eines Auslandseinsatzes fest, die im
Rahmen des ATHENA-Mechanismus anfallen?

35. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Europäische Parlament
und die Parlamente der einzahlenden EU-Mitgliedsstaaten nicht ausrei-
chend in die Bewilligung der über ATHENA verteilten Mittel einbezogen
sind und, wenn nicht, mit welcher Begründung?

36. Plant die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag in Zukunft angemes-
sen über die Verwendung deutscher Steuergelder im ATHENA-Mechanis-

mus zu informieren, wenn nein, mit welcher Begründung?

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37. Welche Möglichkeiten stehen dem Bundesrechnungshof bei der Überprü-
fung der Ausgabenpolitik der Bundesregierung im Rahmen des ATHENA-
Mechanismus offen, und in welchem Ausmaß werden diese genutzt?

38. Wie bewertet die Bundesregierung bislang die Wirkung des ATHENA-
Mechanismus in der Praxis, und welche Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung daraus?

39. In welcher Höhe hat die Bundesregierung durch die Beteiligung am
ATHENA-Mechanismus bislang Steuergelder eingespart?

40. Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag in Zukunft einen Jah-
resbericht über die Verwendung deutscher Steuergelder im Rahmen des
ATHENA-Mechanismus vorlegen, und wenn nicht, mit welcher Begrün-
dung?

41. Werden die Einzahlungen in den ATHENA-Fonds verzinst, und wenn ja,
wie hoch waren die dadurch zusätzlich erzielten Zinsgewinne, und wie wur-
den sie ausgegeben?

42. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung, dass im ausschließlich
intergouvernmentalen Zuständigkeitsbereich des Rates der Europäischen
Union zunehmend Schattenhaushalte eingerichtet werden, obwohl eigent-
lich die Europäische Kommission und damit auch das sie kontrollierende
Europäische Parlament für sämtliche haushälterischen Entscheidungen der
EU zuständig sind?

43. Käme nach Auffassung der Bundesregierung die Einrichtung eines 40 Mio.
Euro umfassenden Vorfinanzierungspool für die Durchführung von wenigs-
tens zwei militärischen EU-Missionen im Rahmen des ATHENA-Mecha-
nismus einem eigenständigen Haushalt gleich, und wenn nicht, mit welcher
Begründung?

Berlin, den 17. Mai 2006

Paul Schäfer (Köln)
Heike Hänsel
Katrin Kunert
Dr. Norman Paech
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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