BT-Drucksache 16/14072

Ehrenmal der Bundeswehr

Vom 22. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14072
16. Wahlperiode 22. 09. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heike Hänsel, Inge Höger, Monika Knoche,
Kersten Naumann, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Ehrenmal der Bundeswehr

Das am 8. September 2009 eingeweihte „Ehrenmal der Bundeswehr“ ist das
erste Militärdenkmal, das explizit der Bundeswehr gewidmet ist. Die bisher
schon reichlich in Deutschland vorhandenen Kriegerdenkmäler reichen offen-
bar angesichts der Kriege, in die sich die „einsatzorientierte“ Bundeswehr be-
gibt und die letztlich auch für ihre Seite verlustreich sind, nicht mehr aus.

Diese „Einsatzorientierung“ soll, wie im Weißbuch der Bundeswehr vorgese-
hen, in Zukunft noch erweitert werden. Einsätze kriegerischer Art wie in
Afghanistan werden zunehmen. Krieg droht zum üblichen Mittel deutscher
Außen- und Wirtschaftspolitik zu werden.

Diese Militärkonzeption wird in Zukunft noch viele Menschenleben kosten.
Erst Anfang September 2009 sind nahe des afghanischen Kunduz rund 100
Menschen bei einem Bomberangriff, der von der Bundeswehr angefordert wor-
den war, ums Leben gekommen. Kritiker sprechen von einem Massaker.

Das Ehrenmal ist aber nur den eigenen Soldatinnen und Soldaten gewidmet, die
„in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten“ ihr Leben verloren haben, wie es
auf der Homepage der Bundeswehr heißt. Der Bedarf an einer Ehrung von „Ge-
fallenen“ steigt, je mehr die Bundeswehr Krieg führt.

Neben dem – von Kunsthistorikern wie beispielsweise dem „Ulmer Verein“
kritisierten – Mystizismus, der sich insbesondere in der Gestaltung der „Cella“
spiegelt, fällt auf, dass das Ehrenmal keine Stätte der privaten Trauer ist, son-
dern ein Ort für öffentliche Zurschaustellung. Der Spruch an der goldenen
Wand „Den Toten unserer Bundeswehr. Für Frieden, Recht und Freiheit“
zwingt den Besucherinnen und Besuchern ein Bekenntnis für die Bundeswehr
ab und ignoriert, dass längst nicht alle Angehörigen verstorbener Soldaten das
Gefühl haben müssen, die Bundeswehr sei „unsere“. Wer nicht der Ansicht ist,
ihre Kriege gälten „Frieden, Recht und Freiheit“, sondern vielmehr der
Ressourcensicherung und dem Machtausbau, für den ist das „Ehrenmal“ kein
annehmbarer Ort. Zweck des Bauwerks ist daher vorrangig die ideologische
Rechtfertigung der Kriegführung der Bundeswehr.
Bisher ist nicht ausreichend verdeutlicht worden, welche Kriterien bei der
Auswahl jener Verstorbenen angelegt worden sind, deren Namen für die Dauer
weniger Sekunden mittels Leuchtanzeige an die Wand des Gebäudes gestrahlt
werden sollen.

Zwar hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage der
Abgeordneten Ulla Jelpke am 11. September 2009 folgendes Kriterium

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genannt: „Es sind die Angehörigen der Bundeswehr auf dem Ehrenmal der
Bundeswehr namentlich zu nennen, die infolge der Ausübung ihrer Dienst-
pflichten für die Bundesrepublik Deutschland ums Leben gekommen sind. Für
die namentliche Nennung im Ehrenmal werden alle Angehörigen der Bundes-
wehr erfasst, die durch ein aktives Einwirken von außen (z. B. im Rahmen von
Gefechtshandlungen, Anschlägen oder Mineneinsatz) sowie durch Unfall in-
folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten ums Leben gekommen oder durch
eine dienstspezifische Krankheit gestorben sind.“

Unklar bleiben unter anderem der Umgang mit Selbsttötungen und der Begriff
der „dienstspezifischen Krankheiten“. Bislang unbekannt ist auch, wie viele
Soldaten, die zuvor in Wehrmacht oder Waffen-SS gedient haben, am Ehrenmal
genannt sind und wie sichergestellt wird, dass dort keine Kriegsverbrecher
geehrt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele verstorbene Bundeswehrangehörige werden derzeit insgesamt na-
mentlich am Ehrenmal genannt?

2. Wie lautet der volle Wortlaut der Kriterien, die für die namentliche Nennung
verstorbener Bundeswehrangehöriger formuliert worden sind?

a) Wann sind diese Kriterien formuliert und beschlossen worden?

b) Welche Abteilung bzw. Dienststelle war für die Ausformulierung zustän-
dig?

c) Welche Abteilung bzw. Dienststelle hat die Prüfung vorgenommen, ob
die Kriterien erfüllt sind, und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
waren über welchen Zeitraum mit der Prüfung beschäftigt?

d) Welche Abteilung bzw. Dienststelle ist dafür zuständig, Neueintragungen
in die Namensliste zu prüfen, und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter sind hierfür eingeplant?

3. Ist bei sämtlichen Bundeswehrangehörigen, die durch Selbsttötungen aus
dem Dienst schieden, geprüft worden, inwiefern der Dienst in der Bundes-
wehr und damit möglicherweise verbundene Belastungen ein Motiv für die
Selbsttötung waren, und wenn nein, warum nicht, wenn ja, in wie vielen
Fällen erfolgte nach der Prüfung der Beschluss, die Namen zu nennen, in
wie vielen Fällen erfolgte der gegenteilige Beschluss?

a) Welche Möglichkeiten standen zur Verfügung, um einen kausalen Zu-
sammenhang zwischen Dienst und Selbsttötung zu ergründen?

b) Inwiefern sind im Rahmen dieser Prüfung auch psychologische Sachver-
ständige zu Rate gezogen worden?

4. Werden auch Bundeswehrangehörige, die infolge von Drogenmissbrauch
ums Leben kamen, am Ehrenmal geehrt?

5. Ist bei jenen Bundeswehrangehörigen, die infolge Drogenmissbrauchs ums
Leben kamen, geprüft worden, inwiefern der Dienst in der Bundeswehr und
damit möglicherweise verbundene Belastungen ein Motiv für den Drogen-
missbrauch waren, und wenn nein, warum nicht, wenn ja, in wie vielen Fäl-
len erfolgte nach der Prüfung der Beschluss, die Namen zu nennen, in wie
vielen Fällen erfolgte der gegenteilige Beschluss?

a) Welche Möglichkeiten standen zur Verfügung, um einen kausalen
Zusammenhang zwischen Dienst und Drogenmissbrauch zu ergründen?

b) Inwiefern sind im Rahmen dieser Prüfung auch medizinische Sachver-

ständige zu Rate gezogen worden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14072

6. Welche Krankheiten sind nach Auffassung der Bundesregierung für den
Bereich der Bundeswehr „dienstspezifisch“, und wie viele der am Ehren-
mal Genannten sind infolge einer solchen Krankheit verstorben?

7. Zählen sämtliche Bundeswehrangehörige, die Dienst vor Radarschirmen
geleistet haben, wo sie einer übermäßigen Strahlenbelastung ausgesetzt
waren und später an Krebs verstarben, zu den am Ehrenmal namentlich Ge-
nannten?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Anhand welcher Kriterien wurde überprüft, ob die Krebserkrankung als
Folge der Strahlenbelastung einzuschätzen ist, und welche Abteilung
bzw. Dienststelle hat diese Prüfung vorgenommen?

8. Zählen tödliche Wegeunfälle zwischen Kaserne und Wohnung von Bundes-
wehrangehörigen als Tode „infolge der Dienstausübung“, und wenn ja,
welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen, wie viele der
namentlich genannten Verstorbenen solchen Unfällen zum Opfer fielen?

9. Zählen auch tödliche Unfälle außerhalb des Dienstverhältnisses als Tode
„infolge der Dienstausübung“, und wenn ja, welche Angaben kann die
Bundesregierung darüber machen, wie viele der namentlich genannten Ver-
storbenen solchen Unfällen zum Opfer fielen?

10. Wie wurde hinsichtlich der Namensnennung in Zweifelsfällen verfahren,
wenn die Kausalität zwischen Diensterfüllung und Tod nicht eindeutig auf
der Hand lag?

11. Sind die Angehörigen der namentlich im Ehrenmal Genannten alle gefragt
worden, ob sie mit der Namensnennung einverstanden sind, und war ihre
Zustimmung Voraussetzung für die Namensnennung?

Haben manche Angehörige ihr Einverständnis verweigert, und wenn ja, in
wie vielen Fällen?

12. Wie viele jener Bundeswehrangehörigen, die namentlich am Ehrenmal ge-
nannt werden, hatten zuvor in der Wehrmacht bzw. der Waffen-SS gedient
(bitte einzelne Namen angeben und den letzten Dienstgrad in der Wehr-
macht/SS sowie in der Bundeswehr nennen)?

13. Wurde bei Wehrmachts- bzw. SS-Soldaten eine besondere Prüfung ihrer
„Vorzeigbarkeit“ vorgenommen und insbesondere geprüft, ob sie Dienst in
Einheiten geleistet haben, die sich an Kriegsverbrechen beteiligten oder
sonst überzeugte Vertreter des faschistischen Regimes waren, und wenn ja,

a) wann fand diese Prüfung statt,

b) welche Abteilung bzw. Dienststelle hat diese Prüfung durchgeführt, und
welche Kapazitäten standen ihr dabei zur Verfügung,

c) wie viele Wehrmachts- bzw. Waffen-SS-Soldaten, die später infolge ih-
rer Dienstausübung bei der Bundeswehr ums Leben kamen, wurden we-
gen Beteiligung an Kriegsverbrechen von der namentlichen Nennung
ausgeschlossen,

d) wie stellt die Bundesregierung für den Fall, dass historische Forschun-
gen belastende Erkenntnisse zu einzelnen dieser „Doppeltgedienten“ er-
bringen, sicher, dass ihre Streichung aus der Namensliste erfolgt?

14. Trifft es zu, dass die einzelnen Namen nur jeweils 5,5 Sekunden an die
Wand gestrahlt werden (bitte ggf. korrekte Dauer nennen), und wie lange
wird voraussichtlich bei derzeitigem Stand der Namensliste ein Durchlauf

sämtlicher Namen dauern?

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15. Ist beabsichtigt, diesen Durchlauf so zu organisieren, dass Angehörige
einen ungefähren Zeitpunkt abschätzen können, wann der Name ihrer Ver-
storbenen an die Wand projiziert wird?

16. Wird der Namensdurchlauf abends bei Schließung des Ehrenmals gestoppt
und am nächsten Morgen an der gleichen Stelle fortgesetzt?

17. Ist die Namensliste im Internet einzusehen, oder ist dies geplant, und wenn
ja, auf welcher Homepage (bitte URL angeben)?

18. In welchem Verhältnis stehen nach Auffassung der Bundesregierung pri-
vate Trauer und öffentliches Gedenken am Ehrenmal?

19. Warum wurde am Ehrenmal keine neutrale Inschrift formuliert, die keine
Zustimmung zur Bundeswehr einfordert und nicht behauptet, die Toten
seien für „Frieden, Recht und Freiheit“ gestorben, um eine Instrumentali-
sierung trauernder Angehöriger für die offizielle Sicherheitsdoktrin auszu-
schließen?

20. Warum erscheint das Ehrenmal auf den bislang präsentierten Homepages
des Bundes stets golden schimmernd, wo das Bronzekleid tatsächlich
braun-rostig aussieht?

Soll das Bronzekleid diesen Farbton behalten, oder ist eine Änderung beab-
sichtigt?

21. Ist von Expertinnen und Experten geprüft worden, ob die in Auftrag gege-
bene Eides-/Gelöbnisformel in codierter Form tatsächlich auf der Bron-
zeumhüllung angebracht wurde, und wenn ja, um welche Expertinnen oder
Experten welcher Institution handelt es sich?

22. Welche Überlegungen gibt es hinsichtlich einer „offiziellen“ Nutzung des
Ehrenmals im Rahmen von Appellen, Staatsbesuchen usw.?

Wird es im Ehrenmal Trauerveranstaltungen geben, und wenn ja,

a) zu regelmäßigen Terminen (welchen?) oder

b) zu unregelmäßigen Terminen (welcher Art)?

23. Treffen die in manchen Tageszeitungen veröffentlichten Öffnungszeiten für
das Ehrenmal (werktags von 9 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, am Wo-
chenende von 10 bis 18 Uhr) zu (wenn nicht, bitte korrekte Öffnungszeiten
angeben)?

a) Unterscheiden sich die Öffnungszeiten in Winter- und Sommermonaten,
oder sind sie abhängig von Witterungsbedingungen (bitte vorgesehene
Regelungen erläutern)?

b) Welche Überlegungen führten zu der Entscheidung, ausgerechnet am
Wochenende, wenn Angehörige am ehesten Zeit hätten, das Ehrenmal
zu besuchen, verkürzte Öffnungszeiten anzubieten?

24. Wie viele Personen dürfen sich gleichzeitig im Ehrenmal (und insbeson-
dere der „Cella“) aufhalten?

a) Wird die Einhaltung dieser Regelung kontrolliert?

b) Ist es von Seiten des Bundesministeriums der Verteidigung erwünscht
oder gar verbindlich vorgesehen, dass sich größere Besuchergruppen
zuvor anmelden?

c) Welche Maßnahmen wurden für den Fall getroffen, dass die Anreise
größerer Besuchergruppen Behinderungen in der Hildebrandtstraße ver-
ursacht?

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d) Werden für Besucherinnen und Besucher des Ehrenmals ausreichend
kostenlos benutzbare sanitäre Anlagen bereitgestellt, und wenn ja, wo
befinden sich diese?

e) Ist beabsichtigt, Sitzgelegenheiten für Besucherinnen und Besucher an-
zubieten, oder befinden sich diese bereits vor Ort (bitte den Ort genau
angeben), oder soll die Trauer nur im Stehen erfolgen?

25. Welche Art von Gegenständen darf auf der Bodenplatte in der „Cella“ ab-
gelegt werden, und zählen dazu auch Gegenstände, mit denen Angehörige
persönliche Erinnerungen an die Verstorbenen verbinden?

a) Wird kontrolliert, ob die Gegenstände dort abgelegt werden dürfen?

b) Wie lange sollen diese Gegenstände dort liegen bleiben dürfen?

c) Was geschieht mit diesen Gegenständen, wenn sie weggeräumt werden?

26. Welche Kosten sind durch das Ehrenmal bisher entstanden, und welche
laufenden Betriebskosten sind pro Jahr veranschlagt (bitte nach einzelnen
Posten aufschlüsseln)?

Berlin, den 22. September 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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