BT-Drucksache 16/14033

Aktuelle Entwicklungen und neue Erkenntnisse zur Ampelkennzeichnung

Vom 10. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14033
16. Wahlperiode 10. 09. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Aktuelle Entwicklungen und neue Erkenntnisse zur Ampelkennzeichnung

Im Juli 2009 veröffentlichte die Verbraucherorganisation foodwatch ein
Rechtsgutachten der Europarechtsexpertin Prof. Dr. Sabine Schlacke (Univer-
sität Bremen) mit dem Titel „Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Nähr-
wertkennzeichnung durch eine Ampelkennzeichnung nach dem Verordnungs-
entwurf der Kommission (KOM(2008) 40 endg)“. Im Fazit des Gutachtens
wird festgehalten:

„Eine Ampelkennzeichnung ist weder an Stelle der vorgeschriebenen Nähr-
wertangaben noch zusätzlich erlaubt.

Die Mitgliedstaaten können auch nicht von der vorgeschriebenen verbal-zah-
lenförmigen Darstellung von Nährwerten durch verbindliche oder unverbind-
liche Regelsetzung abweichen. Der Verordnungsentwurf ermöglicht den Mit-
gliedstaaten durch unverbindliche staatliche Empfehlungen oder Hinweise oder
die Unterstützung privater Regelsetzung bzw. Vereinbarungen abweichend zu
handeln. Allerdings ist diese Abweichungsmöglichkeit beschränkt auf eine
Darstellung mittels anderer, grafischer Formen oder Symbole. Ermöglicht wird
mithin etwa eine unverbindliche Bestimmung, die das „Guideline Daily
Amounts“-Konzept der Lebensmittelwirtschaft zur Nährwertkennzeichnung
vorsieht. Die darüber hinaus eine Bewertung des Lebensmittels enthaltende
Ampelkennzeichnung – wie i. Ü. auch die farbliche Unterlegung des GDA-Mo-
dells – wird hiervon nicht mehr erfasst und kann mithin nicht mittels unver-
bindlicher Regelung auf mitgliedstaatlicher Ebene festgeschrieben und prakti-
ziert werden. (…)“

Der EP-Ausschuss lehnt freiwillige, unverbindliche nationale Modelle mithin
vollständig ab. Danach wäre das GDA-Modell verboten und kann auch nicht
durch eine mitgliedstaatliche Maßnahme ermöglicht werden.“ (Quelle: http://
www.foodwatch.de/foodwatch/content/e10/e13946/e28788/e28929/
Rechtsgutachten_Ampel_Schlacke_20090717_ger.pdf).

Ende August 2009 traten der AOK Bundesverband, der GKV-Spitzenverband,
der Betriebskrankenkassen-Bundesverband GbR, der Bundesverband der In-
nungskrankenkassen, der Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialver-

sicherung und die Knappschaft mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit.
Darin fordert die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) eine verständliche
und verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung mit Ampelfarben.
Unter anderem heißt es dort:

„Der gegenwärtige Kommissionsentwurf lässt ausschließlich eine Nährwertin-
formation in Tabellenform zu. Aus Sicht der GKV werden die Informations-
bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher damit nicht befriedigt. Auf

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der Grundlage der aktuellen verfügbaren Evidenz muss es dazu eine Öffnungs-
klausel im EU-Kommissionsentwurf geben, die es den Mitgliedstaaten ermög-
licht, über die EU-einheitliche Kompromissregelung zur Nährwertkennzeich-
nung hinaus eine einzelstaatliche Regelung zu treffen. (…)

Die Information muss allen Bürgern ungeachtet ihrer Herkunft und sozialen
Stellung eine klare Orientierung über die Zusammensetzung des jeweiligen
Lebensmittels im Hinblick auf eine gesunde Ernährungsweise bieten. Lebens-
mittel sollten daher, z. B. mit Hilfe einer Ampel, im Hinblick auf ihren Gehalt,
beispielsweise an Fett, Zucker und Salz, gekennzeichnet werden (...).“ (Quelle:
http://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/politik/versicherte/
eu_lebensmittelkennzeichnung_brief.pdf).

Im Zusammenhang mit dem Verordnungsvorschlag vertritt die Bundesregierung
die Auffassung, „dass für die über die obligatorische Nährwertkennzeichnung
hinausgehenden freiwilligen Darstellungen ein harmonisiertes System auf
EU- Ebene etabliert werden sollte“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/13141/
Antwort zu Frage 11).

Kürzlich veröffentlichte die britische Food Standards Agency (FSA) die sehr
umfangreiche Studie „Comprehension and use of UK nutrition signpost label-
ing schemes“ (Malam; Sally et al, 2009) zu Verständnis und Anwendung ver-
schiedener Nährwert-Kennzeichnungssysteme durch Verbraucher in der Praxis
(beim Einkauf und bei der Verwendung von Lebensmitteln im privaten Haus-
halt).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die rechtliche Analyse und die inhaltlichen Schluss-
folgerungen des o. g. Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Sabine Schlacke, und
welche inhaltlichen Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus (Ant-
wort bitte mit detaillierter Begründung und unter Berücksichtigung sowohl
des Kommissions-Verordnungsentwurfes als auch des EP-Ausschussberichts-
entwurfes)?

2. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der von Prof.
Dr. Sabine Schlacke vorgeschlagenen Öffnungsklausel für den Verord-
nungsentwurf (Antwort bitte mit detaillierter Begründung)?

3. Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine derartige
Öffnungsklausel im Verordnungsentwurf einsetzen (falls nein, bitte mit
detaillierter Begründung sowie ggf. Handlungsalternativen; und falls ja,
bitte detailliert Handlungsebenen und -schritte mit Zeithorizonten aufschlüs-
seln)?

4. Wie hat sich die Bundesregierung zu dem Offenen Brief der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) verhalten, und welche Konsequenzen will die
Bundesregierung ziehen?

5. Welche konkreten Ergebnisse erbrachte die Arbeitsgruppe zum Thema Nähr-
wertkennzeichnung unter Federführung des Bundesministeriums für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die am 2. April 2009
tagte (bitte aufschlüsseln)?

6. Sind – nach wie vor – keine weiteren Treffen der Arbeitgruppe vorgesehen
(Antwort bitte mit Begründung)?

7. Sind – nach wie vor – weitere Treffen des Runden Tisches „Nährwertinfor-
mation“ geplant?
Falls nein, warum nicht?

Falls ja, wie viele, und mit welchem Ziel?

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8. Wann wird der für den 4. Juni 2009 geplante, aber kurzfristig vom BMELV
abgesagte Folgetermin des Runden Tisches „Nährwertinformation“ statt-
finden?

9. Was versteht die Bundesregierung unter „profunden Ereignissen“ in der
von ihr in Bezug auf den Folgetermin gewählten Formulierung „sobald
profunde Ergebnisse erreichbar scheinen“ (vgl. Antwort der Bundesregie-
rung auf die schriftliche Frage 6/30)?

10. Was genau meint die Bundesregierung mit „über die obligatorische Nähr-
wertkennzeichnung hinausgehenden freiwilligen Darstellungen“ (vgl. Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/13141/Antwort zu Frage 11)?

11. Was versteht die Bundesregierung konkret unter einem „harmonisierten
System auf EU-Ebene (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/13141/
Antwort zu Frage 11)?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Studie der FSA?

13. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen
dieser Studie für ihre eigene Verhandlungsposition im Ministerrat und für
die Diskussion in Deutschland (Antwort bitte mit detaillierter Begrün-
dung)?

14. Warum hat die Bundesregierung die gemeinsam von Bund und Ländern im
Rahmen der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) geforderte
Nährwertkennzeichnung mit Ampelfarben nicht von sich aus auf europäi-
scher Ebene thematisiert (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/13141/
Antwort zu den Fragen 12 und 13)?

Berlin, den 10. September 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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