BT-Drucksache 16/14009

Bilanz der gesetzlichen "Altfallregelung" zum 30. Juni bzw. zum 31. August 2009

Vom 7. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14009
16. Wahlperiode 07. 09. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen,
Kersten Naumann und der Fraktion DIE LINKE.

Bilanz der gesetzlichen „Altfallregelung“ zum 30. Juni
bzw. zum 31. August 2009

Von den gut 35 000 im Rahmen der gesetzlichen „Altfallregelung“ nach § 104a
und b des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilten Aufenthaltserlaubnissen
wurden mehr als vier Fünftel nur „auf Probe“ erteilt, weil die Betroffenen kein
ausreichendes eigenes Einkommen nachweisen konnten (vgl. Bundestags-
drucksache 16/13163). Den Betroffenen droht ab dem 1. Januar 2010 der Ver-
lust des Aufenthaltstitels und die Abschiebung, obwohl sie dann zumeist seit
über zehn Jahren in Deutschland leben und alle übrigen Kriterien der „Altfall-
regelung“ erfüllten. Nur etwa 500 von 27 000 Personen ist es in den letzten
zwei Jahren gelungen, ihre zunächst „auf Probe“ erteilte Aufenthaltserlaubnis
in eine nach § 23 Absatz 1 AufenthG umzuwandeln, nachdem sie eine Arbeit
gefunden hatten (ebd., Frage 2f).

Zugleich werden über 62 000 der insgesamt etwa 100 000 in Deutschland le-
diglich geduldeten Personen bereits wieder länger als sechs Jahre geduldet
(ebd., Frage 6). Die Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz aus dem
Jahr 2006 und die gesetzliche „Altfallregelung“ waren offenkundig viel zu res-
triktiv, um der allseits kritisierten Praxis der „Kettenduldungen“ wirksam ent-
gegenwirken zu können.

Ungeachtet des absehbaren Scheiterns der „Altfallregelung“ – statt den in Aus-
sicht gestellten bis zu 60 000 Profiteuren der „Altfallregelung“ werden es letzt-
lich vermutlich weniger als 20 000 dauerhaft Bleibeberechtigte sein – waren
die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen nicht dazu bereit, die Re-
gelung noch in dieser Legislaturperiode nachzubessern. Entsprechende Gesetz-
entwürfe bzw. Anträge der Opposition wurden am 2. Juli 2009 mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU und SPD zurückgewiesen.

Die Gesetzesinitiative der Fraktion DIE LINKE., wonach eine einmal im Rah-
men der „Altfallregelung“ erteilte Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Nach-
weis eigenen Einkommens verlängert werden sollte, wurde von keiner anderen
Fraktion unterstützt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/12415, der Abgeordnete der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Josef Philip Winkler, war allerdings irr-
tümlich der Auffassung, dass DIE LINKE. „eine reine Verlängerung der Frist“
anstrebe, vgl. Plenarprotokoll 16/230, S. 25989f). Aus Sicht der Fragestellerin-

nen und Fragesteller ist diese ablehnende Haltung ein Beleg für die zunehmende
Tendenz, humanitäre bzw. menschenrechtliche Aufenthaltsrechte unter den Vor-
behalt einer nationalstaatlich-wirtschaftlichen „Bedarfsprüfung“ zu stellen und
den Umgang mit Migrantinnen und Flüchtlinge vorrangig nach Nützlichkeits-
erwägungen auszugestalten.

Drucksache 16/14009 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Abgeordnete der Fraktion der CDU/CSU, Reinhard Grindel, bestätigte im
Plenum des Deutschen Bundestages, dass die Fraktion der CDU/CSU die „Alt-
fallregelung“ schon immer mit einer „wirtschaftspolitischen Komponente ver-
bunden“ habe, d. h. die Betroffenen sollten ein Bleiberecht nur dann erhalten,
„wenn es auch ein wirtschaftliches Interesse an ihrem Aufenthalt in Deutsch-
land gibt“ (Plenarprotokoll 16/230, S. 25986). Er stellte zudem ein „klares
Junktim“ auf, wonach es künftige Änderungen bei der Altfallregelung nur ge-
gen Erleichterungen bei der Abschiebung Ausreisepflichtiger geben soll.

Während die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Heidi Merk,
sagte: „Es wäre zutiefst inhuman, zum Ende des Jahres all jenen geduldeten
Flüchtlingen das Bleiberecht zu entziehen, die es trotz aller Anstrengungen nicht
geschafft haben, eine Arbeit zu finden.“ (ots, 26. Mai 2009), vertrat der Ab-
geordnete der Fraktion der FDP, Hartfrid Wolff, im Plenum des Deutschen Bun-
destages eine andere Auffassung von „Humanität“. Es sei „zutiefst inhuman,
Menschen eine Aufenthaltsperspektive vorzugaukeln, die ihren Lebensunterhalt
hier nicht selbst verdienen können. Wer so etwas tut, der hält Alimentierung für
humane Politik.“ (Plenarprotokoll 16/230, S. 25987).

Was der Abgeordnete der Fraktion der SPD, Rüdiger Veit, zum Thema „Altfall-
regelung“ im Deutschen Bundestag sagte, könnte sich zu einer desaströsen
Eigenbilanz der Regierungspolitik der Fraktion der SPD im Bereich der Migra-
tions- und Flüchtlingspolitik entwickeln, denn: „Wenn … nun eine große Zahl
derer, die die Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten haben, zurück in die
Duldung fielen, so wäre dies für alle Beteiligten fatal: für die SPD-Fraktion, weil
sie dem Richtlinienumsetzungsgesetz trotz erheblicher Bedenken vor allem
deshalb zugestimmt hat, um die Altfallregelung zu erreichen …“ (Plenar-
protokoll 16/214, S. 23276). Der Abgeordnete der Fraktion der SPD, Dieter
Wiefelspütz, sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer drohenden „Ka-
tastrophe“, ein „zentrales humanitäres Projekt“ der Koalition der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD hätte in diesem Fall sein Ziel verfehlt (Frankfurter Rund-
schau vom 6. Mai 2009).

Es häufen sich die Anzeichen, wonach sich die „Altfallregelung“ zu einem Pro-
gramm zur erleichterten Abschiebung faktisch integrierter Flüchtlinge ent-
wickeln könnte. PRO ASYL hat in den letzten Monaten mehrfach Hinweise er-
halten, nach denen Behörden versuchen, Anwälte und ihre Mandanten im Zu-
sammenhang mit der Bleiberechtsregelung regelrecht auszutricksen. So wurde
in Niedersachsen einem Anwalt von der Ausländerbehörde mitgeteilt, die von
ihm vertretene syrische Familie erfülle die zeitlichen Voraussetzungen für die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Für die Prüfung des Antrags müssten jetzt
nur noch gültige syrische Pässe vorgelegt werden. In einem handschriftlichen
Vermerk, den der Anwalt allerdings nicht erhielt, notierte ein Mitarbeiter der
Ausländerbehörde, dass die betroffene Familie wegen Täuschung keine Aufent-
haltserlaubnis bekommen könne (vgl. PRO ASYL-newsletter Nr. 150).

Was in dem konkreten Fall rechtsstaatlich inakzeptabel verlief, wird in tausen-
den Fällen eine „normale“ Folge der „Altfallregelung“ sein. Viele Betroffene,
die sich zuvor Jahre lang vergeblich um einen Reisepass bemüht haben, erhielten
von ihren Herkunftsländern nur deshalb einen Reisepass, weil es so schien, als
ob sie nun dauerhaft in Deutschland bleiben könnten. Wenn dieses vorläufige
„Bleiberecht“ widerrufen wird, wird eine Abschiebung der Betroffenen auf-
grund der nun vorhandenen Reisepässe viel leichter möglich sein als vorher.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen haben bis zum 30. Juni 2009 nach Angaben der Bundes-
länder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a oder b AufenthG beantragt
(bitte nach Bundesländern differenzieren)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14009

2. Wie vielen Personen wurden nach Angaben der Bundesländer bis zum
30. Juni 2009 Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a oder b AufenthG erteilt
(bitte – auch im Folgenden – nach Bundesländern differenzieren und Pro-
zentangaben im Vergleich zur Zahl der Anträge machen)?

a) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1
Satz 1 i. V. m. § 104a Absatz 1 Satz 2 AufenthG erhalten, weil der Le-
bensunterhalt durch Erwerbstätigkeit bereits gesichert war?

b) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a
Absatz 1 Satz 1 AufenthG (auf Probe) erhalten, weil der Lebensunterhalt
durch Erwerbstätigkeit noch nicht gesichert war?

c) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a
Absatz 2 Satz 1 AufenthG als bei der Einreise noch minderjährige, inzwi-
schen aber volljährige Kinder erhalten?

d) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a
Absatz 2 Satz 2 AufenthG als unbegleitete Minderjährige erhalten?

e) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104b i. V. m.
§ 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG als Minderjährige unter der Bedingung
der Zusage einer Ausreise der Eltern erhalten?

f) Bei wie vielen der nach § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a Absatz 1
Satz 2 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse war zuvor eine Aufent-
haltserlaubnis nach § 104a Absatz 1 Satz 1 AufenthG erteilt worden?

3. Wie viele der in Frage 1 benannten Anträge wurden bis zum 30. Juni 2009
abgelehnt (bitte nach Bundesländern differenzieren und Prozentangaben im
Vergleich zur Zahl der Anträge machen)?

4. Wie viele der in Frage 1 benannten Anträge sind noch nicht entschieden
worden (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

5. Wie viele Menschen befanden sich zum 31. August 2009 in Deutschland,
deren Aufenthalt lediglich geduldet oder gestattet wurde (bitte differenzie-
ren), und wie viele von ihnen lebten länger als sechs Jahre in Deutschland
(bitte nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern und den Bundesländern
differenzieren und jeweils die Quote der länger als sechs Jahre Geduldeten
an der Gesamtzahl der Geduldeten in Prozent angeben)?

6. Wie lauten die Angaben des Ausländerzentralregisters zum Stand 30. Juni
2009 und zum 31. August 2009 zu den nach der „Altfallregelung“ erteilten
Aufenthaltserlaubnissen (bitte entsprechend der Frage 2 und zusätzlich nach
den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?

7. Was sind die Gründe dafür, dass bei Verlängerungen von Aufenthaltserlaub-
nissen nach § 104a Absatz 1 Satz 1 AufenthG – anders als sonst üblich – die
so genannte Fiktionswirkung nicht gelten soll (Wiederholung der Frage 11a
auf Bundestagsdrucksache 16/13163, denn erfragt werden sollte ersichtlich
nicht die den Fragestellerinnen und Fragestellern bekannte Rechtsgrundlage
für die fehlende Fiktionswirkung, sondern die rechtssystematischen und ent-
stehungsgeschichtlichen Gründe dafür, warum diese Regelung getroffen
wurde), und welche Funktion und Bedeutung hat die Fiktionswirkung in den
anderen Fällen, in denen sie zur Anwendung kommt?

8. Wie stichhaltig ist das Argument, eine fehlende Fiktionswirkung solle

a) verhindern, dass allein durch einen Verlängerungsantrag eine schnelle
Abschiebung verhindert werden könnte, angesichts des Umstandes, dass
in diesen Fällen eine Abschiebung ohnehin zunächst schriftlich ange-
kündigt werden muss (so jedenfalls die Auffassung der Fragestellerinnen

und Fragesteller – vgl. jedoch die bislang noch unbeantwortet gebliebene

Drucksache 16/14009 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Frage 9d dieser Kleinen Anfrage) und es den Betroffenen offen steht,
gegen eine solche beabsichtigte Abschiebung Rechtsmittel einzulegen,
die nicht zuletzt angesichts des zu berücksichtigenden Rechts auf Pri-
vatleben nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK) nach über zehnjährigem Aufenthalt in vielen Fällen auch nicht
von vornherein unbeachtlich sein dürften,

b) verhindern, dass allein durch einen Verlängerungsantrag eine schnelle
Abschiebung verhindert werden könnte, angesichts des Umstandes, dass
es in den Händen der Behörden liegt, Verlängerungsanträge schnell zu
bearbeiten und Widerspruch und Klage gegen eine Ablehnung auf Ver-
längerung eines Aufenthaltstitels ohnehin keine aufschiebende Wirkung
haben (vgl. § 84 Absatz 1 Nummer 1 AufenthG),

c) die gesetzgeberische Intention unterstreichen, dass eine Verlängerung
nicht in Betracht kommt, wenn die Verlängerungsvoraussetzungen erst
nach dem 31. Dezember 2009 erfüllt werden, angesichts des Umstan-
des, dass sich dieses ohnehin unmittelbar aus dem insofern eindeutigen
Wortlaut des Gesetzes ergibt

(bitte jeweils getrennt beantworten und begründen)?

9. Was sind nach Auffassung der Bundesregierung die konkreten Folgen der
fehlenden Fiktionswirkung bei „auf Probe“ erteilten Aufenthaltserlaubnis-
sen, und ist es insbesondere zutreffend,

a) dass die Betroffenen zum 1. Januar 2010 unmittelbar ausreisepflichtig
werden und ihr Aufenthalt nicht mehr rechtmäßig ist,

b) dass die Betroffenen kraft Gesetz (vgl. § 50 AufenthG) ausreisen müs-
sen und andernfalls abgeschoben werden (vgl. § 58 Absatz 1 und Ab-
satz 2 Nummer 2 AufenthG),

c) dass die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts negative Folgen
für spätere Anträge auf Aufenthaltsverfestigung (z. B. Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis) hat, weil die vor der Unterbrechung des recht-
mäßigen Aufenthalts liegenden Aufenthaltszeiten nicht berücksichtigt
werden,

d) und muss eine geplante Abschiebung in solchen Fällen zuvor zwingend
angekündigt oder angedroht werden

(bitte jeweils begründen und die Rechtslage darlegen)?

(Wiederholung der Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 16/13163; der
bloße Verweis der Bundesregierung auf die „einschlägigen Vorschriften
des Aufenthaltsgesetzes“ stellt keine ausreichende Antwort dar, da die
„einschlägigen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes“ auslegungsbedürftig
sind und die Fragestellerinnen und Fragesteller insbesondere die Rechts-
auffassung der Bundesregierung zu diesen Rechtsfragen interessiert.)

10. Sieht die Bundesregierung den Ausschluss der Fiktionswirkung im Rah-
men der „Altfallregelung“ inzwischen als kritisch an, nachdem sie selbst
eine Änderung der „Altfallregelung“ für die Zukunft nicht mehr aus-
schließt und das Fehlen der Fiktionswirkung für die Betroffenen, aber auch
für die Aufnahmegesellschaft (etwa, wenn Betroffene ihre selbständige
Tätigkeit nicht mehr ausüben dürfen), mit Nachteilen verbunden ist (vgl.
hierzu die noch unbeantwortet gebliebene vorherige Frage; bitte begrün-
den), und wie bewertet sie insbesondere den Nachteil, dass es für die An-
wendung der Regelung nach § 25 Absatz 4 Satz 2 AufenthG, die gerade für
den Personenkreis der nach § 104a AufenthG vorläufig Bleibeberechtigten,
deren Aufenthaltserlaubnis nicht zum 1. Januar 2010 verlängert wurde, von

Bedeutung sein wird, Voraussetzung ist, dass eine Aufenthaltserlaubnis
oder eine Fiktionsbescheinigung vorliegt (bitte begründen)?

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11. Bis zu welchem Datum kann bzw. konnte nach Auffassung der Bundesre-
gierung ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Rahmen
der gesetzlichen „Altfallregelung“ gestellt werden (bitte begründen)?

(Wiederholung der Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 16/13163; der Ver-
weis der Bundesregierung auf die Vollzugskompetenz der Bundesländer
stellt keine ausreichende Antwort dar, weil ausdrücklich nach der „Auffas-
sung der Bundesregierung“ gefragt worden war und die Bundesregierung
der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE., Sevim Dag˘delen, auf ihre
schriftliche Frage 2/83 vom 6. Februar 2009 bereits geantwortet hat, dass
das Bundesministerium des Innern bei einer Bund-Länder-Besprechung am
13. Januar 2009 seine „bisherige Position“ überprüft und daraufhin seine
„Auslegung“ geändert habe und diese in die weiteren Besprechungsrunden
zur Abstimmung der Verwaltungsvorschriften zum AufenthG eingebracht
werden sollte – d. h. die Bundesregierung hat offenkundig eine Auffassung
zu der obigen Frage, wie auch die Bemerkung des Vertreters des Bundes-
ministeriums des Innern im Innenausschuss des Deutschen Bundestages
am 28. Januar 2009, „die Antragsfrist laufe noch“, zeigt.)

12. In welcher Weise und mit welchem Ergebnis hat das Bundesministerium
des Innern seine geänderte Auslegung zur Frage eines Antragsstichtages in
die weiteren Besprechungsrunden zu den Verwaltungsvorschriften (VwV)
zum AufenthG eingebracht (vgl. vorherige Frage), und warum findet sich
in der auf Bundesratsdrucksache 669/09 dem Bundesrat übermittelten Ver-
waltungsvorschrift – anders als noch im 2. Entwurf der VwV – keine aus-
drückliche Regelung mehr, wonach ein Antrag bis zum 31. Dezember 2009
gestellt werden kann, und welche Bundesländer haben sich gegebenenfalls
in den Besprechungsrunden gegen eine solche Vorschrift ausgesprochen?

13. Welche Kenntnisse zu dem ungefähren Anteil derjenigen, deren nur „auf
Probe“ erteilte Aufenthaltserlaubnis zum 1. Januar 2010 vermutlich nicht
verlängert werden wird, hat die Bundesregierung inzwischen, nachdem sie
an die zuständigen Länder herangetreten ist (vgl. Antwort zu Frage 14 auf
Bundestagsdrucksache 16/13163), und was konkret haben die für Mitte Juli
2009 angekündigten, genaueren Erhebungen einer „repräsentativen“ Aus-
länderbehörde bezüglich des Sozialhilfebezugs von Personen, die eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG erhalten haben, erbracht?

14. Welche vergleichbaren Auskünfte und Einschätzungen kann die Bundes-
regierung zu der Frage machen, wie viele der nach § 104a und b i. V. m.
§ 23 Absatz 1 AufenthG und der nach der IMK-Bleiberechtsregelung (bitte
getrennt beantworten) erteilten Aufenthaltserlaubnisse voraussichtlich über
den 31. Dezember 2009 hinaus nicht verlängert werden?

15. Wann ist der Zeitpunkt gekommen bzw. wovon ist es abhängig, dass sich
die Bundesregierung „zu gegebener Zeit unter Einbeziehung aller relevan-
ten Gesichtspunkte entscheiden [wird], ob sie im Hinblick auf die gesetz-
liche Stichtagsregelung des § 104a Absatz 5 AufenthG dem Parlament ei-
nen Regelungsvorschlag unterbreiten“ wird (vgl. Vorbemerkung der Bun-
desregierung zu Bundestagsdrucksache 16/13163), und wird dies insbeson-
dere noch vor dem 31. Dezember 2009 der Fall sein, und wenn ja, wie wird
sie ein Inkrafttreten ihres Regelungsvorschlages zum 1. Januar 2010
sicherstellen, um negative Auswirkungen für die Betroffenen zu vermei-
den, und wenn nein, wie sollen die negativen Folgen, die sich z. B. aus der
Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts und aus der ab 1. Januar
2010 dann drohenden Abschiebungsgefahr ergeben, vermieden werden?

16. Wie schätzt die Bundesregierung die Bereitschaft der Bundesländer zu einer
Änderung der „Altfallregelung“ ein, vor dem Hintergrund, dass der Vorsit-

zende der Innenministerkonferenz, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer,

Drucksache 16/14009 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

eine zweijährige Verlängerung der Frist für den Nachweis der Lebensunter-
haltssicherung (epd, 1. Juni 2009) und Berlins Innensenator Erhart Körting
eine Verlängerung auch für diejenigen, „die sich ernsthaft um ihren Lebens-
unterhalt bemühen“ (taz vom 28. Mai 2009), gefordert haben, und welche
Position hat die Bundesregierung in den diesbezüglichen Gesprächen im
Rahmen der Innenministerkonferenz bislang vertreten?

17. Welche Kenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung zu der
Frage, in welchem Umfang bzw. in welchen Relationen Personen, von
denen zunächst kein (gültiger) Reisepass vorlag, erst im Zuge der Altfall-
regelung einen Reisepass erhalten haben, und was folgt nach Ansicht der
Bundesregierung daraus, dass in vielen Fällen Reisepässe nur deshalb er-
teilt wurden, weil die Behörden der Herkunftsländer davon ausgingen, dass
die Pässe für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland benötigt wür-
den, sich dies nun aber zum 1. Januar 2010 in vielen Fällen als unzutref-
fend erweisen wird (bitte ausführen und begründen)?

18. Wie bewertet es die Bundesregierung und welche Schlussfolgerungen zieht
sie hieraus, dass sich durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
26. August 2008 zur Berücksichtigung der Freibeträge nach dem SGB II bei
der Einkommensberechnung, das in Nummer 2.3.3 auch in die Verwal-
tungsvorschrift zum AufenthG aufgenommen wurde, auch die Vorausset-
zungen zur Erlangung eines Bleiberechts nach § 104a AufenthG faktisch im
Nachhinein und ohne Zutun des Gesetzgebers verschärft haben, da sich die
Höhe des nachzuweisenden oder prognostisch zu erzielenden Einkommens
hierdurch um bis zu ca. 30 Prozent nach oben verschoben hat?

19. Wie ist die Haltung der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und
Integration, Dr. Maria Böhmer, bezüglich der Notwendigkeit einer Ände-
rung der gesetzlichen Bestimmungen zur Lebensunterhaltssicherung vor
dem Hintergrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Au-
gust 2008, nachdem die schriftliche Urteilsausfertigung nunmehr seit länge-
rem vorliegt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/10215, schriftliche Frage der
Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE., Sevim Dag ˘delen, Antwortsatz 2)?

a) Was hat die von ihr in diesem Zusammenhang angekündigte Beobach-
tung der Behördenpraxis ergeben?

b) Wie bewertet es die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und
Integration, Dr. Maria Böhmer, dass die negativen Auswirkungen des
Urteils des Bundesverwaltungsgerichts durch Nummer 2.3.3 der Ver-
waltungsvorschrift der Bundesregierung zum AufenthG (Bundesrats-
drucksache 669/09) in Zukunft für alle Ausländerbehörden und in allen
Fallkonstellationen, in denen die Einkommensermittlung von Belang ist
(d. h. nicht nur beim Kindernachzug, zu dem das Bundesverwaltungs-
gericht geurteilt hatte), verbindlich festgeschrieben sein werden?

Berlin, den 7. September 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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