BT-Drucksache 16/13783

Konsequenzen aus dem Bildungsstreik 2009

Vom 13. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13783
16. Wahlperiode 13. 07. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Wolfgang Neskovic,
Volker Schneider (Saarbrücken) und der Fraktion DIE LINKE.

Konsequenzen aus dem Bildungsstreik 2009

Vom 15. bis zum 19. Juni 2009 haben über eine Viertel Million Studierende,
Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Lehrerinnen und Lehrer sowie
Hochschulbeschäftigte in mehr als 90 Städten in Deutschland für eine bessere
Bildung demonstriert. Der Protest richtete sich gegen Studiengebühren, gegen
die Umsetzung des so genannten Bologna-Prozesses, gegen den Mangel an
Lehrerinnen und Lehrern und gegen zu große Klassen. Die Proteste haben ein-
drucksvoll verdeutlicht, wie groß die Unzufriedenheit über das Bildungssystem
ist. Auf Kundgebungen, Flugblättern und im Internet wurde vielfach darauf
hingewiesen, dass die öffentlichen Bildungsinstitutionen dramatisch unter-
finanziert seien. In symbolischen Banküberfällen machten Studierende,
Schülerinnen und Schüler ihren Unmut darüber deutlich, dass Bund und Länder
kurzfristig Milliarden für die Rettung der Banken mobilisiert haben, Ausgaben
für die Bildung hingegen auf sich warten lassen.

Viele Verbände und Organisationen haben die Demonstrantinnen und Demons-
tranten bei ihren Protesten und in ihren Forderungen unterstützt. Auch viele
Lehrerinnen und Lehrer sowie Lehrende an den Hochschulen haben sich den
Protesten angeschlossen oder die Diskussion mit den Protestierenden gesucht.
Andere allerdings haben versucht, die Proteste durch Androhung von Repres-
sionen oder etwa durch die Ankündigung von Prüfungen an den Bildungs-
streiktagen zu verhindern.

Am 7. Juli hat sich die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette
Schavan, mit Vertreterinnen und Vertretern des Aktionsbündnisses Bildungs-
streik, Studierendenvertreterinnen und -vertretern sowie weiteren Repräsentan-
tinnen und Repräsentanten des Hochschulsystems über die Umsetzung des so ge-
nannten Bologna-Prozesses in Deutschland ausgetauscht. Im Anschluss an das
Gespräch hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung einen 5-Punkte-
Plan für die Weiterentwicklung dieses Prozesses vorgestellt (vgl. Pressemittei-
lung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom 7. Juli
2009).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Bildungsstreik 2009?

b) Hält die Bundesregierung die Proteste für begründet (bitte begründen)?

2. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Protestierenden, dass es im
jetzigen Bildungssystem erhebliche Probleme gibt (bitte begründen)?

Drucksache 16/13783 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

b) Was sind aus Sicht der Bundesregierung die drängendsten Probleme im
Bildungssystem?

3. a) Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um die
durch die Protestierenden angesprochenen Probleme im Bildungssystem
zu lösen?

b) Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung als Konsequenz aus dem
Bildungsstreik noch in dieser Legislaturperiode ergreifen?

4. a) Plant die Bundesregierung mit den Ländern Gespräche über die Konse-
quenzen aus dem Bildungsstreik zu führen (bitte begründen)?

b) An welchen Terminen sollen entsprechende Gespräche stattfinden?

c) Mit welchen Zielen geht die Bundesregierung in diese Gespräche?

5. Wie groß beziffert die Bundesregierung den zusätzlichen Finanzbedarf, um
die angesprochenen Probleme im Bildungssystem zu lösen (bitte aufschlüs-
seln nach Bildungsbereichen sowie nach Bund und Ländern)?

6. a) Hält die Bundesregierung in Anbetracht der aktuellen Finanz- und Wirt-
schaftskrise an allen auf dem Bildungsgipfel am 22. Oktober 2008
definierten Zielen fest (bitte begründen)?

b) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Umsetzung der Ziele
des Bildungsgipfels unbedingt notwendig ist, um den Problemen im
Bildungssystem zu begegnen, oder sollten diese von der weiteren wirt-
schaftlichen oder steuerpolitischen Entwicklung abhängig gemacht
werden (bitte begründen)?

7. a) Hält die Bundesregierung in Anbetracht der aktuellen Finanz- und Wirt-
schaftskrise an den von den Ministerpräsidenten am 4. Juni 2009 bestä-
tigten Hochschulsonderprogrammen fest (bitte begründen)?

b) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Umsetzung der Hoch-
schulsonderprogramme unbedingt notwendig ist, um den Problemen im
Bildungssystem zu begegnen, oder sollten diese von der weiteren wirt-
schaftlichen oder steuerpolitischen Entwicklung abhängig gemacht
werden (bitte begründen)?

8. a) Hält die Bundesregierung die Proteste gegen Studiengebühren für
begründet (bitte begründen)?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der sozialen
Zusammensetzung der Studierenden in den vergangenen Jahren?

c) Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung notwendig, um
zu erreichen, dass die soziale Zusammensetzung der Studierenden
stärker die soziale Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegelt?

9. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Protestierenden, dass die
Bologna-Reform grundlegend reformiert werden muss (bitte begrün-
den)?

b) Wo sieht die Bundesregierung in der Umsetzung die größten Probleme?

c) Hält die Bundesregierung die hohe Arbeitsbelastung der Studierenden in
Bachelor- und Masterstudiengängen für problematisch (bitte begründen)?

d) Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um die
angesprochenen Probleme zu lösen?

10. a) Wie groß schätzt die Bundesregierung den auf uns zu kommenden
Lehrermangel für die nächsten zehn Jahre ein?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13783

b) Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um dem
Lehrermangel zu begegnen?

11. a) Gehört es aus Sicht der Bundesregierung zum Zusammenleben in einer
demokratischen Gesellschaft dazu, dass Schülerinnen und Schüler so-
wie Studierende öffentlich gegen Missstände im Bildungssystem protes-
tieren (bitte begründen)?

b) Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass einzelne Schulen und
Hochschulen die Teilnahme an den Demonstrationen als unentschul-
digtes Fehlen gewertet haben (bitte begründen)?

c) Hält die Bundesregierung es für angemessen, wenn einzelne Schulen und
Hochschulen ihre Prüfungstermine auf die Termine der zentralen De-
monstrationen legen und so den Schülerinnen und Schülern bzw. den Stu-
dierenden die Teilnahme de facto unmöglich machen (bitte begründen)?

12. a) Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus den Protesten im
November 2008 gezogen, als bereits über 100 000 Schülerinnen und
Schüler für eine bessere Bildung demonstrierten?

b) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung als Reaktion auf die Pro-
teste im November 2008 ergriffen, und inwieweit konnten diese bereits
zu erheblichen Veränderungen im Bildungssystem beitragen?

13. a) Welche Personen haben an der von der Bundesministerin für Bildung
und Forschung eingeladenen Bologna-Konferenz am 7. Juli 2009 teilge-
nommen?

b) Welche Ergebnisse hat die Bologna-Konferenz am 7. Juli 2009 ge-
bracht?

c) Welche politischen Maßnahmen hält die Bundesregierung als Ergebnis
der Bologna-Konferenz am 7. Juli 2009 für notwendig?

d) Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung als Konsequenz aus der
Bologna-Konferenz am 7. Juli 2009 noch in dieser Legislaturperiode
ergreifen?

14. a) Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass die Studienstruktur-
reform mit einer Erneuerung der Curricula verbunden wird?

b) Wie will die Bundesregierung darauf hinwirken, dass von der Möglich-
keit, Bachelor-Studiengänge mit einer Regelstudienzeit von sieben oder
acht Semestern einzurichten, künftig stärker Gebrauch gemacht wird?

c) Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass der Übergang vom
Bachelor zum Master künftig problemlos möglich ist und Studierende
selbst entscheiden können, ob sie einen Master machen wollen oder
nicht?

d) Wird die Bundesregierung sich gegenüber der Kultusministerkonferenz
dafür einsetzen, dass die Aufnahme eines Master-Studienganges künftig
nicht mehr von besonderen Zugangsvoraussetzungen abhängig gemacht
wird, um damit allen Studierenden einen problemlosen Übergang vom
Bachelor in den Master zu ermöglichen (bitte begründen)?

e) Halten die Hochschulen nach Einschätzung der Bundesregierung derzeit
ausreichend Kapazitäten in den Master-Studiengängen vor, damit alle
Bachelor-Absolventinnen und - Absolventen problemlos einen Master-
Studiengang anschließen können, oder in welchem Umfang müssten
diese Kapazitäten nach Einschätzung der Bundesregierung ausgebaut
werden?

Drucksache 16/13783 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
f) Welche Studiendauer wurde der Kalkulation der Studienplatzkosten im
Rahmen des Hochschulpakts zwischen Bund und Ländern zugrunde ge-
legt und hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund des auf der
Bologna-Konferenz am 7. Juli 2009 vereinbarten Ziels, dass der Über-
gang vom Bachelor in den Master künftig problemlos möglich sein soll,
Veränderungen in dieser Kalkulation für notwendig (bitte begründen)?

g) Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass die Beratung und Be-
treuung der Studierenden wesentlich verbessert wird?

h) Wann wird die Bundesregierung die auf der Bologna-Konferenz am
7. Juli 2009 angekündigte Studie über den Berufseinstieg von Bachelor-
Absolventinnen und - Absolventen vorlegen?

15. a) Sind auf der Bologna-Konferenz am 7. Juli 2009 Folgetreffen in dieser
oder ähnlicher Zusammensetzung vereinbart worden?

b) Wie will die Bundesregierung die auf der Bologna-Konferenz am 7. Juli
2009 eingebundenen Interessenträger an der Weiterentwicklung des
Bologna-Prozesses beteiligen?

c) Plant die Bundesregierung, die gewählten Studierendenvertretungen in
den Ländern zu möglichen Folgetreffen einzuladen, und/oder wie will
sie diese an der Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses beteiligen?

Berlin, den 13. Juli 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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