BT-Drucksache 16/13698

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/11643- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht

Vom 1. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13698
16. Wahlperiode 01. 07. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Frank
Schäffler, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/11643, 16/13669 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des
zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der
Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Verbraucherkredit-
richtlinie. Als eine der ersten Richtlinien im Bereich des Verbraucherver-
tragsrechts folgte die Verbraucherkreditrichtlinie dem Prinzip der Maximal-
harmonisierung. Der dem nationalen Gesetzgeber verbleibende Gestaltungs-
spielraum ist daher denkbar gering. Er hat die Richtlinie 1:1 umzusetzen und
darf das vorgeschriebene Schutzniveau weder über- noch unterschreiten. Ins-
gesamt ist die Umsetzung passabel gelungen. Gleichwohl gibt es Bereiche, in
denen gesetzgeberischer Korrekturbedarf besteht. Im Einzelnen:
a) Die Verbraucherkreditrichtlinie sieht in Artikel 16 vor, dass ein Verbrau-
cher jederzeit seine Verbindlichkeiten ganz oder teilweise tilgen darf. Im
Gegenzug kann der Kreditgeber eine Entschädigung verlangen, wenn die
vorzeitige Rückzahlung in einen Zeitraum fällt, für den ein fester Sollzins-
satz vereinbart wurde. Beträgt der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und
der vereinbarten Rückzahlung mindestens ein Jahr, darf die Vorfällig-

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keitsentschädigung 1 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrages nicht
überschreiten, anderenfalls sogar nur 0,5 Prozent des zurückgezahlten Be-
trages. Allerdings gibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit,
eine volle Entschädigung vorzusehen. Hiervon macht der Entwurf der
Bundesregierung keinen Gebrauch. Das ist zu kritisieren. Die Folge ist
eine Ungleichbehandlung von Immobiliardarlehen, für die die Richtlinie
nicht gilt, und Verbraucherkrediten. Eine solche Ungleichbehandlung ist
in der Sache nicht gerechtfertigt, zumal bei Verbraucherkrediten anders als
bei Immobiliarkrediten auf Seiten des Darlehensnehmers nicht einmal
„berechtigtes Interesse“ (§ 490 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –
BGB) vorliegen muss, welches die vorzeitige Vertragsbeendigung recht-
fertigt. Die Deckelung der Vorfälligkeitsentschädigung wird bei den Kre-
ditinstituten zu Ausfällen führen, die letztlich von allen Kunden mit der
Folge zu tragen sein werden, dass sich Verbraucherkredite verteuern wer-
den. Dies ist eine Privilegierung einzelner Bankkunden, die der Sache
nach nicht geboten ist, da bei Vertragsabschluss ohnehin über die Kon-
sequenzen einer vorzeitigen Rückzahlung aufzuklären ist.

b) Ebenfalls zu kritisieren sind die im Entwurf der Bundesregierung vor-
gesehenen Sanktionen für den Fall einer unzureichenden Berechnung der
Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 Absatz 2 Nummer 2 BGB-E) sowie im
Falle eines Verstoßes gegen Informationspflichten im Zusammenhang mit
einer geduldeten Überziehung (§ 505 Absatz 3 BGB-E). Im ersten Fall
entfällt der Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung voll-
ständig. Im zweiten Fall soll das Kreditinstitut über die Rückzahlung des
Darlehens hinaus Zinsen und Kosten nicht verlangen dürfen. Das geht zu
weit und fügt sich nicht in das Sanktionssystem des Bürgerlichen Gesetz-
buchs im Allgemeinen und des Verbraucherkreditrechts im Besonderen
ein. Das gilt umso mehr, als derzeit beispielsweise noch völlig offen ist,
welche Anforderungen die Gerichte an die Erläuterung der Berechnung
der Vorfälligkeitsentschädigung stellen werden. In beiden Fällen wäre
eine Reduktion, nicht aber ein vollständiger Wegfall des Gegenleistungs-
interesses der Kreditinstitute sachgerecht gewesen. Auch hier wird die Pri-
vilegierung Einzelner letztlich zu Lasten der Gesamtheit der Verbraucher
gehen.

c) Der Deutsche Bundestag begrüßt das Anliegen des Entwurfs der Bundes-
regierung, im Zuge der Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs-
und Rückgaberecht Rechtssicherheit dadurch zu schaffen, dass gesetzli-
che Muster zur Verfügung gestellt werden, bei deren Verwendung die In-
formationspflicht als erfüllt gilt (§ 360 Absatz 3 Satz 1 BGB-E). Die Bun-
desregierung hat damit eine Initiative der Fraktion der FDP (vgl. Antrag
„Rechtssicherheit schaffen – Musterwiderrufsbelehrung für Verbraucher-
verträge überarbeiten“ auf Bundestagsdrucksache 16/4452) aufgegriffen,
was ausdrücklich anerkannt wird. Der Deutsche Bundestag hält die Schaf-
fung eines entsprechenden Musters auch für den Verbraucherkreditvertrag
für wünschenswert und bedauert die fehlende Bereitschaft der Bundes-
regierung, dem rechtspolitischen Bedürfnis nach einem gesetzlichen Mus-
ter auch im Verbraucherkreditrecht im Entwurf der Bundesregierung
selbst Rechnung zu tragen.

d) Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass es bei der Berechnung des effek-
tiven Jahreszinses für die von der Verbraucherkreditrichtlinien nicht er-
fassten Immobiliardarlehen bei der geltenden Rechtslage bleiben soll,
wonach Kosten für Sicherheiten nicht einzubeziehen sind. Dies begegnet
der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen und trägt dem Umstand Rech-
nung, dass sich die Europäische Kommission bereits mit dem Regelungs-

bedarf bei Hypothekenkrediten befasst und zu erwartenden europäischen
Regelungen nicht vorgegriffen werden sollte. Die von der Bundesregie-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13698

rung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats geäußer-
ten Bedenken, dass der effektive Jahreszins dann seiner Funktion als
„Preis“ nicht mehr gerecht werde und den Vergleich grundpfandrechtlich
und anderweitig gesicherter Angebote nicht mehr uneingeschränkt ermög-
liche, treten dahinter zurück. Dieses Argument überzeugt nicht, weil
grundpfandrechtlich und anderweitig gesicherte Kredite regelmäßig nicht
als alternative Finanzierungsform in Betracht kommen.

2. Mit der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie wird es erstmals sowohl für
inländische als auch für grenzüberschreitende Zahlungsverfahren einheit-
liche Regelungen geben.

a) Grundsätzlich zu begrüßen ist der für den 1. November 2009 geplante
Start der SEPA-Lastschrift (SEPA: Single Euro Payments Area), die – an-
ders als das deutsche Einzugsermächtigungslastschriftverfahren – auch
grenzüberschreitend eingesetzt werden kann. Noch ist offen, auf welche
Akzeptanz die SEPA-Lastschrift am Markt und bei den Verbrauchern sto-
ßen wird. Um nicht in jedem Einzelfall ein neues SEPA-Mandat einholen
zu müssen, liegt es nahe, eine gesetzliche Umstellungserleichterung vor-
zusehen. Der Deutsche Bundestag hält es daher für geboten, kurzfristig
den Fortschritt der Einführung der SEPA-Lastschrift zu untersuchen und
über die Frage der Notwendigkeit einer gesetzlichen Umstellungshilfe zu
entscheiden, nachdem die Bundesregierung hierzu im Gesetzgebungsver-
fahren nicht bereit war.

b) Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass mit der Streichung von § 675f Ab-
satz 5 BGB-E die Option genutzt wird, die Artikel 52 Absatz 3 Satz 2 der
Zahlungsdiensterichtlinie den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Erhebung
von Zusatzentgelten für die Nutzung bestimmter Zahlungsauthentifizie-
rungsinstrumente („Surcharging“) einräumt. Er ist der Auffassung, dass
der Zahlungsdienstleister – wie es auch der derzeitigen Rechtslage
entspricht – weiterhin grundsätzlich das Recht haben soll, dem Händler
(Zahlungsempfänger) die Erhebung von Zusatzentgelten vertraglich zu
untersagen und die diesbezüglich bestehende Vertragsfreiheit insoweit
fortbestehen soll. Mit der Ausübung der Option wird der Wettbewerb und
die Nutzung effizienter Zahlungsauthentifizierungsinstrumente gefördert.
Im Falle der Freigabe von Zusatzentgelten bestünde die Gefahr, dass der
bargeldlose Zahlungsverkehr zu Gunsten der – für den Zahlungsempfän-
ger ebenso mit Kosten verbunden – Bargeldzahlung zurückgedrängt wer-
den könnte. Gerade die Nutzung von Kreditkarten könnte hierdurch für
Verbraucher unattraktiv werden.

3. Die Verbraucherkreditrichtlinie ist dem Konzept der Maximalharmonisie-
rung verpflichtet. Dieser Weg soll nach dem Willen der Europäischen Kom-
mission fortgesetzt werden. Das zeigt beispielsweise der Vorschlag der Euro-
päischen Kommission vom 8. Oktober 2008 betreffend eine Richtlinie über
Rechte der Verbraucher (KOM(2008) 614), mit der zentrale Bereiche des
Verbraucherschutzrechts neu geordnet werden sollen (zu den Einzelheiten
vgl. zur Vermeidung von Wiederholungen: Antrag der Fraktion der FDP
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats
über Rechte der Verbraucher“ auf Bundestagsdrucksache 16/12327). Ohne
die Vorteile einer Maximalharmonisierung grundsätzlich in Abrede stellen zu
wollen, haben doch der Gesetzgebungsprozess wie auch die endgültig verab-
schiedete Verbraucherkreditrichtlinie gezeigt, dass hier weiterer Erörterungs-
und Reflektionsbedarf besteht. Namentlich betrifft dies erstens die Frage,
welche Auswirkungen der Vollharmonisierungsansatz auf die politisch er-
reichbare Mindestharmonisierung hat. Bei der Vollharmonisierung müssen

die Mitgliedstaaten die europäischen Vorgaben 1:1 umsetzen. Das befördert
die Tendenz, den Anwendungsbereich einer Richtlinie einzuschränken, um in

Drucksache 16/13698 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
den ausgeklammerten Bereichen den eigenen Stand der Gesetzgebung halten
zu können. Die Folge kann ein niedrigeres Niveau der Rechtsangleichung
sein, als es im Falle einer Mindestharmonisierung vielleicht politisch erreich-
bar gewesen wäre. Das betrifft zweitens den Umstand, dass mangels natio-
naler Korrekturmöglichkeiten Änderungen – auch solche, die nur von natio-
naler Bedeutung sind – nur auf europäischer Ebene möglich sind. Und das
betrifft schließlich die verbindlich nur vom Europäischen Gerichtshof zu
klärende Frage, wie weit der verbleibende Gestaltungsspielraum des nationa-
len Gesetzgebers reicht, inwieweit die Richtlinie also abschließend ist. Hier
drohen Rechtsunsicherheit und Staatshaftung wegen fehlender oder falscher
Richtlinienumsetzung. Diese Aspekte gilt es bei anstehenden Richtlinienvor-
haben zu berücksichtigen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. zu Beginn der 17. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf mit einem Muster
für eine Information über das Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen
mit Gesetzlichkeitsfiktion in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen;

2. zu untersuchen, zu welchen Mehrkosten die Deckelung der Vorfälligkeitsent-
schädigung für die Gesamtheit der Verbraucherkreditkunden führt;

3. zu untersuchen, zu welchen Mehrkosten die Sanktionen in § 502 Absatz 2
Nummer 2 BGB-E und in § 505 Absatz 3 BGB-E für die Gesamtheit der Ver-
braucherkreditkunden führen;

4. kurzfristig eine Untersuchung zum Fortschritt der Einführung der SEPA-
Lastschrift auf dem deutschen Markt im Hinblick auf verbleibenden Bedarf
nach einer gesetzlichen Umstellungshilfe durchzuführen;

5. die Erfahrungen mit dem Prinzip der Maximalharmonisierung bei der laufen-
den Diskussion der „Richtlinie über die Rechte der Verbraucher“ zu berück-
sichtigen.

Berlin, den 30. Juni 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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