BT-Drucksache 16/13451

Systematik und Transparenz in die Hauptstadtkulturförderung bringen

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13451
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Antrag
der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund
Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp,
Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Systematik und Transparenz in die Hauptstadtkulturförderung bringen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist die Bundeshauptstadt nicht
nur eines der bedeutendsten Zentren für Kunst und Kultur in Deutschland, son-
dern gehört auch weltweit zu den wichtigsten Kulturmetropolen. Wenn auch
diese künstlerische und kulturelle Blüte Berlins vor allem auf die vielen enga-
gierten Menschen in der Kulturszene zurückzuführen ist, wird diese Entwick-
lung zu einem großen Teil durch die öffentliche Förderung getragen. Nicht nur
das Land Berlin gibt im Jahr etwa 420 Mio. Euro für Kunst und Kultur aus, auch
der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) fördert
Kunst und Kultur in der Bundeshauptstadt jährlich mit etwa 440 Mio. Euro. Im
Vergleich der Bundesländer erhält Berlin damit fast die Hälfte der Kulturaus-
gaben des BKM. Der indirekte Finanzmittelfluss über andere Förderinstitutio-
nen des Bundes wie die Kulturstiftung des Bundes und die Bundeskulturfonds
müssen zu diesen Ausgaben noch addiert werden. Auch hier erhält Berlin knapp
die Hälfte der Kulturausgaben der Kulturstiftung des Bundes.

Derzeit fördert der Bund kulturelle Einrichtungen und Projekte in Berlin über-
wiegend auf Basis von Gesetzen (z. B. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Stif-
tung „Deutsches Historisches Museum“), aufgrund eines unabhängig von der
Hauptstadtfunktion bestehenden gesamtstaatlichen Interesses (z. B. im Fall der
Gedenkstätten) oder auf Basis des Hauptstadtfinanzierungsvertrages aus dem
Jahr 2007.
Als Nachfolger der bisherigen Hauptstadtkulturverträge wurde der Hauptstadt-
finanzierungsvertrag im Jahr 2007 zwischen dem Bund und dem Land Berlin auf
Grundlage von Artikel 22 Absatz 1 und Artikel 106 Absatz 8 des Grundgesetzes
sowie auf Basis des Vertrages über die Zusammenarbeit von Bundesregierung
und Berliner Senat zum Ausbau Berlins als Bundeshauptstadt und zur Erfüllung
seiner Funktion als Sitz von Bundestag und Bundesregierung aus dem Jahr 1992

Drucksache 16/13451 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

geschlossen. Durch den Vertrag wird die finanzielle Unterstützung verschiede-
ner Berliner Kultureinrichtungen durch den Bund – darunter beispielsweise der
Akademie der Künste, des Martin-Gropius-Baus wie auch des Hauptstadtkultur-
fonds – bis zum 31. Dezember 2017 festgeschrieben. Der Vertrag hat ein Volu-
men von mehreren hundert Mio. Euro.

Gemäß Artikel 22 Absatz 1 des Grundgesetzes, auf den sich der Vertrag bezieht,
muss die konkrete Ausgestaltung der Repräsentation des Gesamtstaates in der
Hauptstadt durch ein Bundesgesetz erfolgen. Diese Anforderung erfüllt der vor-
liegende Hauptstadtfinanzierungsvertrag jedoch nicht. Dem Hauptstadtfinanzie-
rungsvertrag fehlt damit die erforderliche verfassungsrechtliche Grundlage. Des
Weiteren lässt der Vertrag selbst keine klaren Kriterien für die Förderung des
Bundes erkennen. Vielmehr stellt das durch den Vertrag abgedeckte Portfolio an
unterstützten Kultureinrichtungen ein disparates und damit mehr oder weniger
willkürliches Bild dar. In vielen Fällen lässt sich kein besonderer Grund er-
kennen, warum gerade der Bund unterstützend tätig werden muss. Dieses „Pot-
pourri“ ist nicht nur durch die Finanznot des Landes Berlin, sondern auch damit
zu erklären, dass der Vertrag nicht unter Beratung durch die Parlamente zustande
gekommen ist. Auch eine öffentliche Debatte über den Vertrag blieb weitest-
gehend aus. In weiterer Berücksichtigung des hohen Volumens und der im Ver-
gleich zu den vorangegangenen Verträgen verhältnismäßig langen Laufzeit des
Vertrages ist die derzeitige Regelung äußerst bedenklich und letztendlich nicht
haltbar.

Ähnlich problematisch verhält es sich mit dem durch den Hauptstadtfinanzie-
rungsvertrag abgesicherten Hauptstadtkulturfonds. Dieser erhält jährlich vom
Bund etwa 10 Mio. Euro, um Einzelmaßnahmen und Veranstaltungen zu för-
dern, „die für die Bundeshauptstadt Berlin bedeutsam sind, nationale und inter-
nationale Ausstrahlung haben bzw. besonders innovativ sind“, so Artikel 2
Absatz 4 der Geschäftsordnung des Fonds. Mit diesem Generalkriterium lässt
sich letztendlich jedoch jegliche Projektförderung begründen. Ein besonderer
Grund, warum gerade der Bund in diesen Fällen tätig werden muss, ist auch hier
wiederum nicht erkennbar. Die Kriterien für die Förderung durch den Haupt-
stadtkulturfonds und damit durch Bundesmittel bedürfen dringend einer Präzi-
sierung. Auch die organisatorische Anbindung des Fonds an den Regierenden
Bürgermeister von Berlin wird der Bedeutung der Herkunft der Mittel nicht ge-
recht.

Angesichts der aufgezeigten Probleme ist es daher weiterhin dringend geboten,
bei der Hauptstadtkulturfinanzierung zu mehr Systematik und Transparenz zu
gelangen, damit endlich ein nachhaltiges Fundament für ein dauerhaftes, verant-
wortliches und zielgerichtetes Engagement des Bundes für Kunst und Kultur in
der Bundeshauptstadt errichtet werden kann.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zur Stärkung der allgemeinen Transparenz der Bundeskulturpolitik eine jähr-
liche Übersicht zu veröffentlichen, aus der hervorgeht, welche Einrichtungen
im Bereich Kunst und Kultur vom Bund in der Bundeshauptstadt sowie in
den einzelnen Bundesländern in welcher Höhe gefördert werden sowie eine
Übersicht, aus der hervorgeht, wie sich die Vergabe von Bundesmitteln über
weitere Kulturfördereinrichtungen des Bundes wie zum Beispiel der Kultur-
stiftung des Bundes und der Bundeskulturfonds auf die einzelnen Bundeslän-
der verteilt;

2. ein transparentes, systematisches und schlüssiges Gesamtkonzept des Enga-
gements des Bundes für Kunst und Kultur in der Bundeshauptstadt zu ent-
wickeln und vorzulegen, das klare Kriterien für eine Förderung durch den

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13451

Bund enthält und das Maßnahmen beinhaltet, um die Sichtbarkeit der Her-
kunft der Fördermittel deutlich zu erhöhen;

3. eine Neuverhandlung der Hauptstadtfinanzierung in Form eines Staatsvertra-
ges zwischen dem Bund und dem Land Berlin unter Beteiligung der Parla-
mente zu bewirken, um die Hauptstadtkulturfinanzierung auch verfassungs-
rechtlich einwandfrei abzusichern;

4. davon unabhängig die organisatorische Verlagerung des Hauptstadtkultur-
fonds in die Obhut der Kulturstiftung des Bundes zu bewirken, um auf diese
Weise die Autonomie des Fonds zu stärken, und in diesem Zuge zugleich für
eine Präzisierung der Förderkriterien, aus denen die besondere Verantwor-
tung des Bundes klar hervorgeht, Sorge zu tragen.

Berlin, den 17. Juni 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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