BT-Drucksache 16/13317

Gerichtsinterne Mediation

Vom 8. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13317
16. Wahlperiode 08. 06. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Neskovic, Ulla Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann,
Petra Pau, Bodo Ramelow und der Fraktion DIE LINKE.

Gerichtsinterne Mediation

Bei der gerichtsinternen Mediation handelt es sich um eine spezielle Form der
konsensualen Streitbeilegung im gerichtlichen Verfahren. Dabei streben die
streitenden Parteien durch Vermittlung eines neutralen Dritten ohne Entschei-
dungsbefugnis (dem richterlichen Mediator) freiwillig, vertraulich und eigen-
verantwortlich eine einvernehmliche Lösung an.

Außergerichtliche Mediation durch Soziologen, Psychologen, Anwälten etc. gibt
es in Deutschland schon seit geraumer Zeit, gerichtsinterne Mediation hingegen
ist hierzulande ein relativ neues Phänomen. Eine ausdrückliche gesetzliche Re-
gelung gibt es bisher nicht. Über den von Bayern im Bundesrat eingebrachten
Gesetzentwurf (Bundesratsdrucksache 747/04) wurde bis heute nicht beraten.
Dennoch werden seit einigen Jahren Modellprojekte in unterschiedlichen Bun-
desländern und Gerichtsbarkeiten durchgeführt. Hiergegen wird verschiedent-
lich Kritik vorgebracht (vgl. Arig, Gerichtsnahe Mediation – Gesetzesgehorsam
oder Kotau vor dem Zeitgeist?, Mitt.Blatt Nds. Richterbund, 2006; Busemann,
Überlegungen zur gerichtsinternen Mediation im arbeitsgerichtlichen Verfahren,
Arbeit und Recht 2009, S. 118 ff.; Härting, Für eine mediationsferne Justiz,
AnwBl. 2007, S. 700; Spellbrink: Mediation im sozialgerichtlichen Verfahren –
Baustein für ein irrationales Rechtssystem, in DRiZ 2006, 88).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchen Bundesländern und Gerichtsbarkeiten haben nach Kenntnis der
Bundesregierung Modellprojekte zur Einführung einer gerichtsinternen
Mediation stattgefunden, worin unterschieden sie sich, und mit welchen Er-
gebnissen haben sie geendet?

2. Hält die Bundesregierung den für einige Modellversuche analog angewand-
ten § 278 Absatz 5 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) für eine geeignete
Rechtsgrundlage für gerichtsinterne Mediation?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung, die gerichtsinterne Mediation auf eine
ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu stellen?

a) Beabsichtigt die Bundesregierung § 278 Absatz 5 Satz 1 ZPO dahin-
gehend zu ergänzen, dass das Gericht die Parteien für die Güteverhand-
lung nicht nur vor einen beauftragten und ersuchten, sondern auch vor

einen als Mediator tätigen Richter verweisen kann?

b) Beabsichtig die Bundesregierung die gerichtsinterne Mediation an einer
anderen Stelle im Gesetz zu regeln?

Wenn ja, an welcher, und wie?

c) Hat es bereits Gespräche mit dem Bundesministerium der Justiz (BMJ)
und den Justizministerien der Länder gegeben?

Drucksache 16/13317 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Hält die Bundesregierung die gerichtsinterne Mediation mit dem Richterbild
des Grundgesetzes (GG) für vereinbar?

a) Wie ist die von Freiwilligkeit, Eigenverantwortung und Ergebnisoffen-
heit geprägte gerichtsinterne Mediation nach Auffassung der Bundes-
regierung mit der Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Artikel 20
Absatz 3 GG) zu vereinbaren?

b) Ist der Mediationsrichter verpflichtet, die Rechtmäßigkeit einer gefunde-
nen Vereinbarung zu überprüfen?

c) Wie verträgt sich die Mediation mit der richterlichen Erörterungs-, Frage-
und Hinweispflicht und mit der richterlichen Prozessführung?

e) Wie wird der Schutz der schwächeren Partei, wie wird ein faires Verfah-
ren gewährleistet?

e) Hält die Bundesregierung nichtöffentliche Mediationssitzungen mit dem
Prinzip der Öffentlichkeit für vereinbar?

Sieht die Bundesregierung hier eine Missbrauchsgefahr?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung zum Zwecke der Einführung der gerichts-
internen Mediation das GG zu ändern?

6. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Richter ohne Weiteres in der Lage
sind, fortwährend zwischen der Rolle als rechtlich sauber subsumierendem
Streitrichter und Mediationsrichter zu wechseln?

a) Wenn ja, worauf stützt sie diese Auffassung?

b) Wie lassen sich nach Auffassung der Bundesregierung in diesem Zusam-
menhang Rechtsanwendungsfehler vermeiden?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung den Nutzen der gerichtsinternen Media-
tion?

a) Welchen Bedarf sieht die Bundesregierung für gerichtsinterne Media-
tion?

b) Welche sind die Vorteile der gerichtsinternen Mediation gegenüber der
bereits existierenden Güteverhandlung bzw. gegenüber der außergericht-
lichen Streitschlichtung i. S. d. § 278 Absatz 5 ZPO?

c) Inwiefern spielen hier finanzielle Erwägungen eine Rolle?

8. Welche Streitfälle eignen sich nach Auffassung der Bundesregierung zur
gerichtsinternen Mediation?

9. Hält die Bundesregierung die Besonderheiten eines Gerichtsverfahrens mit
den Grundsätzen der Mediation für vereinbar?

a) Wie verträgt sich das Prinzip der Freiwilligkeit damit, dass ein Richter
eine Mediation vorschlagen kann?

Sieht die Bundesregierung hier die Gefahr, dass sich eine Partei aufgrund
der Autorität des Richters oder aus Angst vor Nachteilen im Falle der Ab-
lehnung des Mediationsangebotes zu einer Mediation genötigt fühlen
kann?

b) Ist es mit dem Prinzip der Eigenverantwortung zu vereinbaren, wenn man
davon ausgeht, dass der Richtermediator auf die Rechtmäßigkeit der Ver-
einbarung achten muss bzw. hierzu Stellungnahmen abgibt?

c) Hält es die Bundesregierung für plausibel, dass sich die Parteien über alle
erheblichen Tatsachen und Rechtsfragen gegenseitig umfassend infor-

mieren (Grundsatz der Informiertheit), wenn zu befürchten ist, dass es bei
einem Scheitern der Mediation zu einem streitigen Verfahren kommt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13317

10. Handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei der gerichts-
internen Mediation um eine richterliche Tätigkeit oder um eine Aufgabe
der Justizverwaltung?

a) Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang Artikel 97 GG?

b) Welche Bedeutung hat Artikel 101 Satz 2 GG?

c) Was folgt daraus für die Haftung des Richters?

11. Ist der richterliche Mediator nach Auffassung der Bundesregierung in den
Geschäftsverteilungsplan aufzunehmen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 3. Juni 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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