BT-Drucksache 16/13236

zu dem Unterrichtung durch die Bundesregierung -16/10700- Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13236
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 16/10700 –

Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

A. Problem

Mit dem Fortschrittsbericht 2008 will die Bundesregierung Nachhaltigkeit als
Leitprinzip ihres Handelns stärken. Inhaltliche Schwerpunkte des Fortschritts-
berichts sind die Themen Klima, Energie, Rohstoffe, soziale Chancen des demo-
grafischen Wandels sowie Welternährung.

B. Lösung

In Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung Annahme einer
Entschließung der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, mit der die Bundesregierung insbesondere aufgefordert werden soll,
die Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung
bei der Fortschreibung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zu berücksichtigen und die
für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele erforderlichen Ressourcen zur Ver-
fügung zu stellen.

Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/13236 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache
16/10700 folgende Entschließung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich bei der Konferenz der Vereinten
Nationen 1992 in Rio de Janeiro zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung
bekannt und sich mit der Agenda 21 ein globales Aktionsprogramm für das
21. Jahrhundert gegeben. Seitdem hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit bzw.
der nachhaltigen Entwicklung in vielen Politikfeldern als Leitbild etabliert. Leit-
gedanke ist, mit dem heutigen Denken und Handeln die Lebenssituation der der-
zeitigen Generation zu verbessern, ohne die Zukunftsperspektiven der kommen-
den Generationen zu verschlechtern. Diesem Gedanken fühlt sich der Deutsche
Bundestag verpflichtet. Der Deutsche Bundestag hat in der 13. Legislaturperiode
mit der Einsetzung der Enquete-Kommissionen „Schutz des Menschen und der
Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträg-
lichen Entwicklung“ wichtige inhaltliche Grundlagen geschaffen und Weichen
für eine Institutionalisierung des Nachhaltigkeitsansatzes in der Politik gestellt.
Diese Grundlagen wurden durch die Einsetzung des Parlamentarischen Beirats
für nachhaltige Entwicklung in der 15. und 16. Legislaturperiode erweitert.

Nicht zuletzt die ersten Aktivitäten des Deutschen Bundestages führten dazu,
dass die Bundesregierung 2001 den Rat für Nachhaltige Entwicklung eingesetzt
und im April 2002 unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ die natio-
nale Strategie für nachhaltige Entwicklung beschlossen hat. Die nationale
Nachhaltigkeitsstrategie beschreibt, in welche Richtung sich Deutschland ent-
wickeln soll und welche Weichenstellungen dafür notwendig sind. Sie setzt
Prioritäten für die nächsten Jahre, definiert konkrete Ziele und nennt Maßnah-
men und Indikatoren, um die Idee der nachhaltigen Entwicklung in die Praxis
umzusetzen. Im Jahr 2008 wurde die nationale Nachhaltigkeitsstrategie
Deutschlands mit dem Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeits-
strategie zum zweiten Mal umfassend fortgeschrieben.

Gegenüber dem ersten Fortschrittsbericht 2004 wurde dem Parlamentarischen
Beirat für nachhaltige Entwicklung nun ein eigener Abschnitt zur Verfügung
gestellt, in dem er seine Tätigkeit darstellen konnte. Die Bundesregierung hat
zudem Anregungen aus der Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats zum
Indikatorenbericht 2006 aufgenommen.

II. Der Deutsche Bundestag versteht es als seine besondere parlamentarische
Aufgabe, die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung
weiter kritisch zu begleiten und setzt sich zugleich für eine gesellschaftliche
Debatte zur nachhaltigen Entwicklung ein. Der Deutsche Bundestag wird den
Informationsaustausch, die Vernetzung sowie Kooperationen mit den anderen
politischen und gesellschaftlichen Akteuren der Nachhaltigkeit national wie in-
ternational verstärken. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwick-
lung hat nach intensiver Debatte des Fortschrittsberichts zur Nachhaltigkeits-
strategie der Bundesregierung eine Stellungnahme erarbeitet.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwick-

lung (siehe Anlage) bei der Fortschreibung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie
einzubeziehen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13236

● die für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele erforderlichen personellen
und finanziellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen;

● die Nachhaltigkeitsziele nicht anderen, kurzfristigen Zielen unterzuordnen,
wenn damit langfristig die soziale, ökologische und ökonomische Entwick-
lung gefährdet wird.“

Berlin, den 6. Mai 2009

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Petra Bierwirth
Vorsitzende

Andreas Jung (Konstanz)
Berichterstatter

Dr. Matthias Miersch
Berichterstatter

Michael Kauch
Berichterstatter

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

Frage sei eine ursoziale und urökonomische Frage. Die Zu-
kunftstechnologien gerade im Bereich der Ökologie brächten
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

Entwicklung hat Kenntnisnahme der Unterrichtung durch
die Bundesregierung auf Drucksache 16/10700 empfohlen.

Der Ausschuss für Tourismus hat Kenntnisnahme der

die Ökonomie maßgeblich in Schwung. Im politischen Dis-
kurs müsse stärker überlegt werden, wie der interdisziplinäre
Ansatz in den Beratungsabläufen berücksichtigt werde. Hin-
derlich sei die Kurzfristperspektive. Das Denken im poli-
Drucksache 16/13236 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Dr. Matthias Miersch, Michael
Kauch, Eva Bulling-Schröter und Sylvia Kotting-Uhl

I. Überweisung

Die Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Druck-
sache 16/10700 wurde in der 205. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 12. Februar 2009 zur federführenden Bera-
tung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit und zur Mitberatung an den Sportausschuss,
den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz, den Verteidigungsausschuss, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, den Aus-
schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung, den Ausschuss für Tourismus sowie den Ausschuss für
die Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Fortschrittsbericht 2008 will die Bundesregierung
Nachhaltigkeit als Leitprinzip ihres Handelns stärken. Inhalt-
liche Schwerpunkte des Fortschrittsberichts sind die Themen
Klima, Energie, Rohstoffe, soziale Chancen des demogra-
fischen Wandels sowie Welternährung.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Sportausschuss hat Kenntnisnahme der Unterrichtung
durch die Bundesregierung auf Drucksache 16/10700 emp-
fohlen.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz hat Kenntnisnahme der Unterrichtung
durch die Bundesregierung auf Drucksache 16/10700 emp-
fohlen.

Der Verteidigungsausschuss hat Kenntnisnahme der Un-
terrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache
16/10700 empfohlen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat Kenntnisnahme der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung auf Drucksache 16/10700 empfohlen.

Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
hat Kenntnisnahme der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung auf Drucksache 16/10700 empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat Kenntnisnahme der Unterrichtung
durch die Bundesregierung auf Drucksache 16/10700 emp-
fohlen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat Kenntnisnahme der Unterrichtung durch die Bun-
desregierung auf Drucksache 16/10700 empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat die Unterrichtung durch die Bundesregierung
auf Drucksache 16/10700 in seiner Sitzung am 22. April
2009 beraten und am 6. Mai 2009 abschließend behandelt.

Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, das Thema Nach-
haltigkeit sei nicht auf den Umweltbereich begrenzt. Es habe
sich bewährt, ein parlamentarisches Gremium für nachhal-
tige Entwicklung einzurichten. Die Erfolge belegten, dass
etwas erreicht worden sei und dass es notwendig sei, den
Beirat weiterzuentwickeln, damit er zu einem eigenständi-
gen Ausschuss mit eigenen Rechten heranwachse. Der Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit solle
die Bestrebung des Parlamentarischen Beirats für Nachhal-
tigkeit nach weitergehenden Rechten unterstützen. Die Stär-
kung des Gremiums für Nachhaltigkeit sei erforderlich, um
in alle relevanten Politikbereiche vorzudringen. Es sei ein
beachtlicher Fortschritt, wenn es gelinge, Maßnahmen für
ein Nachhaltigkeitsmanagement auf den Weg zu bringen, die
Nachhaltigkeit in der Gesetzesfolgenabschätzung zu veran-
kern und ihr einen Platz in der Tagespolitik zu verschaffen.
Diesen Weg und diese Bestrebung unterstütze die Fraktion
der CDU/CSU ausdrücklich. Bei den Nachhaltigkeitsindika-
toren sei es nicht erforderlich, Wohnungseinbrüche zu Nach-
haltigkeitsthemen zu machen. Die wirtschaftliche und sozia-
le Dimension solle man in Fragen der sozialen Sicherungs-
systeme und der öffentlichen Haushalte berücksichtigen. Der
Fortschrittsbericht zeige, dass es gerade im Umweltbereich
gelungen sei nicht nur Nachhaltigkeitsziele zu formulieren,
sondern diese auch zu erreichen und teilweise sogar überzu-
erfüllen. Dies gelte insbesondere für die Reduzierung von
Treibhausgasemissionen und den erreichten Stand beim
Ausbau erneuerbarer Energien. Es sei beachtlich, dass die
Energieproduktivität seit 1990 um 40 Prozent gestiegen sei.

Die Fraktion der SPD betonte, der Fortschrittsbericht müsse
zum Anlass genommen werden, die parlamentarische Arbeit
zu hinterfragen. Die Idee der nachhaltigen Entwicklung und
ihre Auswirkungen seien Leitbild für jeden, der politische
Verantwortung trage. Hervorzuheben sei der interdiszipli-
näre Ansatz des Parlamentarischen Beirats. Es gehe um viel
mehr als um ein kleines Fachgebiet. Das Schlüsselthema
Ökologie beeinflusse mehrere Politikfelder. Die ökologische
Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache
16/10700 empfohlen.

tischen Bereich werde auf Wahlperioden beschränkt. Erfor-
derlich sei ein Denken in anderen Dimensionen. Das setze

ordnung. Fraglich sei, wie die Nachhaltigkeitsprüfung um-
gesetzt und kontrolliert werde. Erforderlich seien personelle
Ressourcen, um mit der Regierung mithalten zu können.
Beim Thema Binnenschifffahrt gebe es gleich mehrere Son-
dervoten. Das mache exemplarisch deutlich, dass man sich
auch in der Nachhaltigkeitspolitik mit Zielkonflikten ausein-
andersetzen müsse, wie z. B. beim Thema Binnenschifffahrt
zwischen Klima- und Naturschutz.

Die Fraktion DIE LINKE. hob das konstruktive Klima im
Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung posi-
tiv hervor. Ohne Fraktionsdisziplin und Koalitionsverträge
seien Fortschritte zu erzielen. Bei der Nachhaltigkeitsprü-
fung sei Augenmerk darauf zu richten, ob die Kriterien
stimmten. Das Dreieck Soziales, Ökologie und Ökonomie
werde unterschiedlich ausgelegt. Im Fortschrittsbericht der
Bundesregierung werde eine solide Haushaltspolitik be-
schworen, die darauf abziele, Ausgaben für soziale Siche-
rung, insbesondere für die Rentenversicherung, zu deckeln.
Fraglich sei, ob dies wirklich nachhaltig sei. Nachhaltigkeit
bedeute zwar, Schulden für zukünftige Generationen nicht
unverhältnismäßig hoch anzuhäufen. Nachhaltigkeit bedeute
andererseits aber auch, Altersarmut zu verhindern. Wider-
sprüche weise auch der Verkehrssektor auf. Es gelte nach
alledem, offenkundige Widersprüche aufzulösen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lobte das
Konsensprinzip im Parlamentarischen Beirat für nachhal-

erfolgreich, wie dem Bund Steuerungsmöglichkeiten fehl-
ten. Bei vielen Indikatoren sei man nicht weitergekommen.
Im Jahr 2007 habe die Energieproduktivität zwar zugenom-
men, die Rohstoffproduktivität aber auch. Der Indikator
Artenvielfalt habe auch mit anderen Bereichen als nur mit
Naturschutz- und Umweltpolitik zu tun. Er müsse in die
Land,- Forst- und Fischereiwirtschaft sowie in der Ver-
kehrs- und Energiepolitik integriert werden. Da dies nicht
erfolge, handele es sich um ein deutliches Anzeichen dafür,
dass das Grundprinzip der Nachhaltigkeit selbst im Um-
weltbereich nicht verankert sei.

Die Bundesregierung stellte klar, dass durch die Abwrack-
prämie die CO2-Bilanz deutlich sinke, weil die neuen Fahr-
zeuge in der Regel verbrauchsärmer seien und geringere
CO2-Emissionen verursachten. Gerade in der augenblick-
lichen Situation der Neuformierung der Ökonomie bestehe
die Chance, dass die Nachhaltigkeit als Leitgedanke viel
stärker nach vorne komme.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE., dem Deutschen
Bundestag zu empfehlen, in Kenntnis der Unterrichtung der
Bundesregierung – Drucksache 16/10700 – die in der Be-
schlussempfehlung wiedergegebene Entschließung anzu-
nehmen.

Berlin, den 6. Mai 2009

Andreas Jung (Konstanz)
Berichterstatter

Dr. Matthias Miersch
Berichterstatter

Michael Kauch
Berichterstatter

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13236

aber auch eine Veränderung des Arbeitens voraus. Neben
dem interdisziplinären und dem langfristigen Ansatz müsse
das Konsensualprinzip, wie es im Bereich des Beirates ver-
folgt werde, angestrebt werden. Es sei nicht hilfreich, sich in
Koalitionsverträgen am Anfang einer Periode als Parlamen-
tarier derart festlegen zu lassen. Anhand der Arbeit des Par-
lamentarischen Beirats sehe man, dass Vieles entstehen und
sich entwickeln könne. Der Fortschrittsbericht mache poli-
tisches Handeln überhaupt erst transparent. Nachhaltigkeits-
prüfungen seien auch in der Gesetzesberatung anzustellen.
Auch die Unterrichtungen des Sachverständigenrates für
Umweltfragen seien als strategische Ausrichtung in den Aus-
schussberatungen zu berücksichtigen.

Die Fraktion der FDP stellte klar, die Nachhaltigkeit müsse
im Parlament verankert werden. Voraussetzung hierfür sei
auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Geschäfts-

tige Entwicklung. Dieses sei nicht zu Lasten der kleineren
Fraktionen des Bundestages gegangen. Vielmehr fänden
sich alle in dem vorliegenden Entschließungsantrag wieder.
Eine Delegationsreise des Parlamentarischen Beirats für
nachhaltige Entwicklung nach Norwegen habe gezeigt, dass
sowohl die norwegische Gesellschaft als auch die Politik
den Nachhaltigkeitsbegriff viel stärker verinnerlicht hätten.
In Deutschland gebe es in dieser Hinsicht Nachholbedarf.
Problematisch sei die in dem Entschließungsantrag enthal-
tene Forderung, Nachhaltigkeitsziele nicht anderen kurz-
fristigen Zielen unterzuordnen, wenn damit langfristig die
soziale, ökologische und ökonomische Entwicklung gefähr-
det werde. Das sei gerade das, was Sitzungswoche für Sit-
zungswoche passiere. Die Abwrackprämie als Symbol des
Handelns gegen die Wirtschaftskrise sei alles andere als
nachhaltig. Beim Flächenverbrauch sei man solange nicht

Drucksache 16/13236 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anlage
Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum

Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt den vorliegenden Fort-

schrittsbericht 2008 als wichtigen Beitrag zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Fort-

schrittsbericht 2008 liefert eine breitgefächerte Grundlage für die weitere Diskussion der na-

tionalen Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland.

I. Leitlinien nachhaltiger Entwicklung und Nachhaltigkeitsmanagement

Leitlinien nachhaltiger Entwicklung

Nachhaltigkeit muss Leitprinzip der deutschen Politik sein sowie umfassend und konsequent

Berücksichtigung finden. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist eine Zukunftsstrategie: wenn Nach-

haltigkeit als politische, gesellschaftliche und ökonomische Querschnittsaufgabe begriffen

wird, kann sie zum Innovationsmotor werden. Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung be-

einflusst alle Politikfelder. Technologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Fortschritt

muss sich an diesem Prinzip messen lassen. Mit der Arbeit des Parlamentarischen Beirats

für nachhaltige Entwicklung leistet der Deutsche Bundestag einen Beitrag für den vertiefen-

den Diskurs einer nachhaltigen Entwicklung.

Mit dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung hat der Deutsche Bundestag

den regierungsseitigen Institutionen ein entsprechendes Gremium auf parlamentarischer E-

bene gegenüber gestellt. Dadurch nimmt das Parlament eine aktive Rolle in der Debatte um

Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit ein. Die Arbeit des Parlamentarischen Beirats ist darauf

gerichtet, die Interessen der nachhaltigen Entwicklung aus Umweltschutz, wirtschaftlicher

Leistungsfähigkeit und sozialer Verantwortung unter besonderer Berücksichtigung der Inte-

ressen kommender Generationen bestmöglich zusammen zu führen und im Deutschen Bun-

destag zu vertreten. Dabei ist eine langfristige und politikfeldübergreifende Sicht oberste Prä-

misse und Voraussetzung dafür, Aufgaben über die Tagespolitik und die laufende Wahlperi-

ode hinaus zu erfüllen.

Zu den Aufgaben des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung gehört die Be-

gleitung der Arbeit der Bundesregierung an der Fortschreibung der Nationalen Nachhaltig-

keitsstrategie. Eine der Aktivitäten des Parlamentarischen Beirats ist eine fraktionsübergrei-

fende Stellungnahme zum Fortschrittsbericht der Bundesregierung. Zum Inhalt der Stellung-

nahme gehören sowohl die Bewertung der erzielten Fortschritte als auch Kritikpunkte an der

Zwischenbilanz der Nachhaltigkeitsstrategie. Der Parlamentarische Beirat benennt konkrete
Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

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Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Zielkonflikte und kritisiert mangelnde Zielerreichung, er kommentiert sowohl die Ziele und In-

dikatoren der Nachhaltigkeitsstrategie als auch die ausgewählten Handlungsfelder.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung wird die Aktivitäten der Bundesre-

gierung weiter begleiten und in seinem Wirkungskreis für eine stärkere Berücksichtigung von

Nachhaltigkeit in der politischen Praxis werben.

Nachhaltigkeitsmanagement

Es ist zu begrüßen, dass die Zuständigkeit beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Der Par-

lamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung befürwortet außerdem die angestrebten

administrativen Reformen zur Verbesserung der Steuerung des Nachhaltigkeitsprozesses.

Der Parlamentarische Beirat begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, künftig eine

verpflichtende Nachhaltigkeitsprüfung in die Gesetzesfolgenabschätzung zu integrieren. Mit

dieser Maßnahme leistet die Bundesregierung einen entscheidenden Beitrag, politische Ent-

scheidungen in Deutschland aus der strukturellen Gegenwartsbezogenheit und der Kurzfris-

tigkeit von Legislaturperioden herauszulösen und den Horizont in der Gesetzesfolgenab-

schätzung deutlich zu erweitern. Mit der Einführung der Nachhaltigkeitsprüfung in die Geset-

zesfolgenabschätzung greift die Bundesregierung eine zentrale Forderung des Parlamentari-

schen Beirates für nachhaltige Entwicklung auf. Letztendlich leistet die Aufnahme der Nach-

haltigkeitsprüfung in die Gesetzesfolgenabschätzung und die Berücksichtigung der dabei

gewonnenen Erkenntnisse im Gesetzgebungsverfahren einen entscheidenden Beitrag zu

mehr Generationengerechtigkeit.

Nachdem die grundsätzliche Entscheidung getroffen worden ist, geht es jetzt darum, die

Nachhaltigkeitsprüfung mit Leben zu füllen und kurzfristig ein Prozedere zu entwickeln, das

inhaltlich und organisatorisch geeignet ist, die Nachhaltigkeitsprüfung bereits in die Entste-

hung eines Referentenentwurfes einzubeziehen und so langfristig auch im Bewusstsein der

Ministerialmitarbeiterinnen und –mitarbeiter zu verankern. Sinnvollerweise werden Konse-

quenzen auch aus Nachhaltigkeitsperspektive frühzeitig geprüft, um während der Entstehung

des Gesetzes noch reagieren zu können. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Ent-

wicklung wird seinerseits das Verfahren zur Entwicklung einer Nachhaltigkeitsprüfung beglei-

ten.

Voraussetzung für ein Gelingen der Reformen zur Verbesserung der Steuerung des Nach-

haltigkeitsprozesses ist ein Aufbau personeller Kapazitäten. Es wäre wünschenswert, wenn

die hochrangige Bedeutung des Themas auch beim Zuschnitt der Referate zum Ausdruck

käme und mittelfristig im Bundeskanzleramt ein eigenständiges Referat „Nachhaltige Ent-
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Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

wicklung“ eingerichtet würde, statt Nachhaltigkeit im Referat „Umwelt, Naturschutz und Re-

aktorsicherheit; Nachhaltige Entwicklung“ anzuhängen.

Eine klare Zuordnung des Themas in ein eigenständiges Referat des Bundeskanzleramtes

würde der Bedeutung Rechnung tragen und zudem das Thema Nachhaltigkeit noch klarer

fassen. Hierbei handelt es sich eindeutig und unbestritten um eine Querschnittsaufgabe, die

weit über den Bereich der Umweltbelange hinausgeht. Der Parlamentarische Beirat für nach-

haltige Entwicklung kann nachvollziehen, dass kurz vor einer Bundestagswahl keine struktu-

rellen Änderungen an der Organisation des Kanzleramtes durchgeführt werden. Wir verbin-

den dieses Verständnis mit der Hoffnung, dass der Bereich der nachhaltigen Entwicklung ab

der nächsten Legislaturperiode einen angemessenen Platz im organisatorischen Gefüge des

Kanzleramtes finden wird.

Unabhängig von der Ansiedlung der Nachhaltigkeitsstrategie im Bundeskanzleramt wäre in-

nerhalb der Bundesregierung die klare Benennung der Verantwortlichkeiten einzelner Res-

sorts für die jeweiligen ressortspezifischen Indikatoren zu begrüßen. Eine möglichst fachna-

he Zuordnung der Indikatorenbetreuung stellt sicher, dass Fehlentwicklungen frühzeitig fest-

gestellt und korrigiert werden können.

Für die Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist eine stärkere Verzahnung von

Bund, Ländern und Kommunen unerlässlich. Hier wären konkrete Vorschläge der Bundesre-

gierung für eine stärkere Verzahnung der Nachhaltigkeitsstrategien von Bund und Ländern

wünschenswert. Analog zur Ansiedlung der Nachhaltigkeitsstrategie im Bundeskanzleramt

sollten die Länder ihrerseits ebenfalls in den Staats- und Senatskanzleien im unmittelbaren

Umfeld der Regierungschefs die Nachhaltigkeitsstrategie auf Länderebene ansiedeln. Zu-

dem sollten die Bundesländer prüfen, inwieweit sie die nationale Nachhaltigkeitsstrategie in

eine eigenständige und themenübergreifende Arbeitsgruppe in der Ministerpräsidentenkonfe-

renz mit Querschnittsaufgaben integrieren können. Dies würde dem Thema auf Länderebene

eine größere Bedeutung einräumen und zudem die Möglichkeiten einer Bund-Länder-

Kooperation straffen und optimieren.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung versteht sich als Impulsgeber und

Begleiter der nationalen aber auch der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie. Um das

Nachhaltigkeitsmanagement im Deutschen Bundestag weiter auszubauen, sollte der Parla-

mentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung als dauerhaftes Gremium des Deutschen

Bundestages installiert werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass mit der anstehenden

Nachhaltigkeitsprüfung in der Gesetzesfolgenabschätzung eine zusätzliche Aufgabe auf das

parlamentarische Gesetzgebungsverfahren zukommt und diese Aufgabe zudem eine Quer-

schnittsaufgabe ohne eindeutige Zuordnungsmöglichkeit an einen Fachausschuss ist, kann

der Parlamentarische Beirat hier einen bedeutenden Beitrag zur nachhaltigen Gesetzgebung
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

in Deutschland leisten. Die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Ent-

wicklung werden sich in ihren Fraktionen dafür einsetzen, dass bis zum Ende der laufenden

Wahlperiode innerhalb des Kompetenzgefüges des Deutschen Bundestages die Vorausset-

zungen geschaffen werden, den Parlamentarischen Beirat als dauerhaftes Gremium zu ver-

ankern und unter anderem im Zuge des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens mit

der Begutachtung der Nachhaltigkeitsprüfung in der Gesetzesfolgenabschätzung zu betrau-

en.

II. Weiterentwicklung der Indikatoren

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung folgt dem Ansatz der Bundesregie-

rung, die Indikatoren aus Gründen der langfristigen Vergleichbarkeit weitestgehend aufrecht-

zuerhalten und nur dort, wo die Aussagekraft deutlich verbessert werden kann, anzupassen.

Allerdings ist fraglich, ob die Umsetzung – im Bereich der Indikatoren-Auswahl – wirklich

immer gelungen ist.

Sofern sich Ziele als unerreichbar herausstellen, sollte eine realistische Zielkorrektur vorge-

nommen werden. Dabei sind sowohl die Gründe für die Korrektur darzulegen als auch die

Handlungsoptionen aufzuzeigen, die sich für das neue Ziel ergeben. Das ursprüngliche Ziel

sollte weiterhin genannt werden, um die ursprüngliche Intention transparent und nachvoll-

ziehbar im öffentlichen Bewusstsein zu halten. Dort, wo die Ziele vorzeitig erreicht wurden

und aus Nachhaltigkeitsgründen eine weitere Verbesserung geboten ist, sollten diese ent-

sprechend angepasst werden.

Der Parlamentarische Beirat begrüßt, dass zahlreiche seiner Vorschläge aufgegriffen wur-

den. Das gilt für einzelne Indikatoren aber auch generell für die Verweise auf gegenseitige

Abhängigkeit einzelner Indikatoren.

Um sicherzustellen, dass die Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie bundesweit ein-

heitlich anerkannt und verfolgt werden, ist es erforderlich, die Indikatoren und Ziele – sofern

nicht bereits geschehen – zwischen Bund und Ländern abzustimmen. Nur wenn Bund und

Länder an denselben Zielen festhalten und arbeiten, lässt sich die nationale Nachhaltigkeits-

strategie effektiv verfolgen.

Ressourcenschonung

Indikator 1a – Energieproduktivität

Grundsätzlich ist es erfreulich, dass der Indikator sich in die richtige Richtung bewegt.

Deutschland steigert Jahr für Jahr seine Energieproduktivität – leider viel zu langsam. Die
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Drucksache 16/13236 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

deutliche Steigerung im letzten Berichtsjahr ist, wie auch von der Bundesregierung aner-

kannt, hauptsächlich durch einmalige Effekte begründet. Für eine nachhaltige Entwicklung ist

aber nicht nur die Energieeffizienz sondern auch die Verringerung des Energieverbrauches

insgesamt bedeutsam. Auch hier sind die Einmaleffekte deutlich auszumachen. Die Bundes-

regierung hatte mit den Eckpunkten für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm Maß-

nahmen vorgelegt, um den Energieverbrauch insgesamt zu verringern. Die Umsetzung der

Maßnahmen ist noch nicht abgeschlossen. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Ent-

wicklung empfiehlt weiterhin, die Ergebnisse der Maßnahmen in den Fortschrittsberichten zu

dokumentieren.

Indikator 1b – Rohstoffproduktivität

Die Bundesregierung benennt im Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstra-

tegie zwar das Problem knapper werdender Ressourcen grundsätzlich richtig, bei den vorge-

schlagenen Maßnahmen gibt es jedoch erheblich Defizite. Diese „weichen“ Instrumente sind

aus Sicht des Parlamentarischen Beirats in keiner Weise geeignet, um die Probleme zu lö-

sen, die sich aus der weltweiten Industrialisierung und der verschärften Konkurrenz um Roh-

stoffe ergeben. So muss die Rohstoffproduktivität einen echten Schub erfahren, um eine

Verdoppelung bis 2020 zu realisieren. Dass der Materialeinsatz zunehmend durch Importe

gedeckt wird, ist als bedenklich einzustufen, wenn dadurch vermehrt Umweltbelastungen ins

Ausland verlagert werden.

Um Ressourcen zu schonen, schlägt der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwick-

lung vor, materialeffizienter zu produzieren, Kreisläufe zu schließen, die Umstellung auf er-

neuerbare Rohstoffe zu vollziehen und die Forschung zu intensivieren. Dazu gilt es, sowohl

auf Seiten der Rohstoffe selbst, als auch auf der Seite der Produkte anzusetzen. Es braucht

eine Doppelstrategie, sowohl national als auch international, die einerseits durch die Interna-

lisierung externer Kosten direkten Einfluss auf die Rohstoffkosten nimmt und andererseits im

Sinne einer Produktverantwortung bei der Produktion von Waren ökonomische Anreize zu

Ressourceneinsparung, zur Wiederverwendbarkeit und zur Langlebigkeit setzt und somit

langfristig zu einer nachhaltigen Produktions- und Konsumweise beiträgt.

Die vorliegende Stellungnahme geht im Kapitel III. 2. „Schritte zu einer nachhaltigen Roh-

stoffwirtschaft“ noch einmal ausführlicher auf dieses Thema ein.

Klimaschutz

Indikator 2 – Treibhausgasemissionen

Das Angebot der Bundesregierung zum Klimaschutz ist gleichzeitig ambitioniert und notwen-

dig. Bis zum Jahr 2020 sollen in Deutschland 40 % an klimaschädlichen Emissionen bezo-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

gen auf das Jahr 1990 eingespart werden, wenn auch die anderen EU-Partnerländer ambiti-

onierte Verpflichtungen eingehen. Die Europäische Union hat mit dem Klima- und Energie-

paket die Vorreiterrolle der EU beim Klimaschutz in der Welt untermauert. Die vorgesehene

Reduktion der Treibhausgase in der EU und den dabei definierten Anteil Deutschlands an

diesen Anstrengungen sind wichtig, aber nicht ausreichend. Der Parlamentarische Beirat un-

terstreicht die Notwendigkeit, ein internationales Klimaabkommen so zu verhandeln, dass

durch Einbeziehung der Hauptemittenten in bindende Verpflichtungen eine Reduktion in der

EU um 30 % bis 2020 im internationalen Wettbewerb möglich wird. Erforderlich ist zudem,

dass die Entwicklungs- und Schwellenländer, wenn sie in ein internationales Klimaabkom-

men mit verbindlichen Pflichten eingebunden werden, bei ihren Anstrengungen von den In-

dustrieländern unterstützt werden. Dies halten wir für notwendig, um das Ziel zu realisieren,

die Klimaerwärmung auf 2 Grad zu begrenzen.

Der jüngst vermeldete Erfolg, wonach Deutschland das Kyotoziel schon erreicht hat, ist wie

beim Indikator 1a durch Einmaleffekte bedingt. Umso wichtiger wäre es, diese guten Zahlen

als Ansporn zu nehmen und nicht dahinter zurückzufallen. Keinesfalls darf diese vorzeitige

Zielerreichung, im Zusammenspiel mit der Finanzmarktkrise, als Hebel für weniger Klima-

schutz dienen. Der Parlamentarische Beirat ist der Ansicht, dass mit einem ambitionierten

und zielgerichteten Maßnahmenbündel aus ordnungsrechtlichen Vorgaben und ökonomi-

schen Instrumenten die vereinbarten Klimaschutzziele erreicht werden können. Zu den wich-

tigsten Maßnahmen gehören neben verstärkten Energieeffizienzanstrengungen der weitere

Ausbau der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung. Der Altbaubestand

muss sinnvoll in die energetische Sanierung einbezogen werden und vor allem im Verkehr

sind die CO2-Emissionen wirksam zu senken. So lässt sich erfolgreicher Klimaschutz betrei-

ben und zudem die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen reduzieren.

Bei allen Maßnahmen zum Klimaschutz sind die Instrumente weiterhin so zu wählen, dass

das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt. Der Parlamentarische Beirat spricht sich dafür aus, dass

Energie für alle bezahlbar bleibt.

Erneuerbare Energien

Indikator 3a, b – Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch

Der Teilindikator „Anteil am (Brutto-)Stromverbrauch“ hat bereits 2007 die Zielmarke von

12,5 % für 2010 um 1,7 % überschritten. Der Teilindikator „Anteil am Primärenergie-

verbrauch“ hat bereits zum Indikatorenbericht 2006 das Ziel von 4,2 % übertroffen und ist

seitdem weiter auf 6,7 % gestiegen. Der Parlamentarische Beirat begrüßt diese Entwicklung.
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Drucksache 16/13236 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Die Tatsache, dass die Bundesregierung die Ziele für 2020 der positiven Entwicklung der In-

dikatoren entsprechend angepasst hat, wird vom Parlamentarischen Beirat für nachhaltige

Entwicklung ebenfalls begrüßt.

Die Bundesregierung kündigt im Fortschrittsbericht 2008 an, den Indikator „Anteil am Pri-

märenergieverbrauch“ durch den Indikator „Anteil am Endenergieverbrauch“ zu ersetzen. Die

Nutzung des Indikators „Anteil am Endenergieverbrauch“ ist zu befürworten, da energieeffi-

zientere Anlagen dadurch eine höhere Gewichtung erhalten. Der Parlamentarische Beirat für

nachhaltige Entwicklung regt aber an, zur besseren Transparenz beide Indikatoren parallel

auszuweisen.

Flächeninanspruchnahme

Indikator 4 – Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt das stringente Festhalten

der Bundesregierung am Ziel, die tägliche Neuinanspruchnahme von Flächen auf 30 ha zu

reduzieren. Perspektivisch sollte, ohne dass daraus eine neue Zielvorgabe abgeleitet wird,

dieser Wert jedoch netto bei Null liegen. Denn selbst ein Flächenverbrauch von 30 ha pro

Tag wird langfristig zu einem vollständigen Verbrauch der Fläche führen. Ebenso ist zu be-

grüßen, dass die Umweltminister der Länder sich dafür ausgesprochen haben, denn der

Bund hat im Bereich der Flächenreduzierung eine begrenzte Kompetenz. Das gilt nicht nur

für die Ausweisung von Bauland, selbst bei der Bundesverkehrswegeplanung geben die

Länder zusammen mit den Kommunen die Prioritäten vor. Mit der Abschaffung der Eigen-

heimzulage und der Änderung des Baugesetzbuchs zur Verstärkung der Innenentwicklung

von Städten zum 1.01.2007 hat der Bund Möglichkeiten wahrgenommen, ohne dabei in die

Hoheit von Ländern und Kommunen einzugreifen.

Eine wichtige Überlegung will der Parlamentarische Beirat aus seiner Stellungnahme zum

Indikatorenbericht 2006 erneut aufgreifen. Der Indikator Flächeninanspruchnahme wird an-

hand der tatsächlichen Inanspruchnahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche gemessen. Ei-

ne ergänzende Information über die Entwicklung der zwar noch nicht bebauten aber jederzeit

bebaubaren Fläche, also der Baulandausweisung, wäre sinnvoll. Solange die Neuauswei-

sung nicht massiv reduziert wird, kann dem Flächenverbrauch nicht wirksam begegnet wer-

den. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung empfiehlt, bei der Bauland-

ausweisung anzusetzen. Hierfür sollten die Bundesregierung sowie die Länder und Kommu-

nen entsprechende Maßnahmen entwickeln. Der Parlamentarische Beirat begrüßt in diesem

Zusammenhang das „Nachhaltigkeitsbarometer Fläche“ und empfiehlt der Bundesregierung
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

den Indikator Fläche entsprechend zu ergänzen und eine regionale Verteilung des Flächen-

verbrauchs sowie die regionale demografische Entwicklung auszuweisen.

Darüber hinaus sind keine Rückschlüsse auf die Auswirkungen für biologische Vielfalt und

schützenswerte Gebiete möglich, weil die Zerschneidungswirkung keine Berücksichtigung

findet. Es ist deshalb eine differenzierte quantitative und qualitative Betrachtung und Zielbe-

stimmung von Flächennutzungsarten notwendig.

Im Fortschrittsbericht 2008 wird als ein „wesentlicher Grund“ der gestiegene Wohnflächen-

konsum pro Kopf genannt. Andererseits ist laut Bericht die Nachfrage nach Bauland rückläu-

fig. Der Parlamentarische Beirat fordert grundsätzlich keine gesetzlich normierte Einschrän-

kung des Wohnflächenkonsums. Er stellt aber fest, dass in vielen Innenstädten und im länd-

lichen Raum Wohnungen und Häuser leer stehen sowie Neubaugebiete und Gewerbegebie-

te noch nicht vollständig genutzt werden, während gleichzeitig neue Siedlungsgebiete er-

schlossen werden, häufig verbunden mit dem Bau neuer Verkehrswege. Es gilt deshalb ver-

stärkt Brachflächen zu nutzen sowie leerstehende Wohnräume wohnungstypengerecht, z.B.

familien- und/oder seniorengerecht umzubauen, statt auf der grünen Wiese stets neue Flä-

chen zu erschließen. Um dies zu erreichen, sollte der Bund sein eigenes Handlungsinstru-

mentarium, wie z.B. steuerliche Anreize oder Fördermittel, kritisch dahingehend überprüfen,

ob der gewünschte Subventionseffekt nicht kontraproduktiv auf das Flächenziel wirkt. Dort

wo der Bund über eigene Liegenschaften verfügt, ist er in besonderem Maße gefordert zu

vorbildhaftem Verhalten. So sollte er dort, wo dies eine positive Wirkung, z.B. auf die Arten-

vielfalt, hat, militärische Konversionsflächen verstärkt einer Renaturierung zur Verfügung

stellen.

Der Parlamentarische Beirat stellt zusammenfassend fest, dass umfangreiche Forschungs-

vorhaben, die auch im Fortschrittsbericht genannt werden, vorliegen und fordert die Bundes-

regierung sowie Länder und Kommunen auf, dafür zu sorgen, dass deren Ergebnisse in der

Praxis angewandt werden, um das wichtige Ziel der Reduzierung der täglichen Flächenneu-

inanspruchnahme wirksam in Angriff zu nehmen. Unerlässlich ist dabei ein umfassendes

Monitoring der in der Praxis umgesetzten Maßnahmen.

Artenvielfalt

Indikator 5 – Artenvielfalt und Landschaftsqualität

Die Staaten der Europäischen Union haben sich 2001 in Göteborg verpflichtet, den Verlust

der biologischen Vielfalt europaweit bis zum Jahr 2010 zu stoppen, deshalb hat die rot-grüne

Bundesregierung diese Verpflichtung 2005 in ihrem Wegweiser „Wegweiser Nachhaltigkeit“

zu einem weiteren Schwerpunktthema erklärt. Der Koalitionsvertrag 2005 nahm diesen dezi-
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Drucksache 16/13236 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

diert auf. 2007 wurde die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt präsentiert. Im Mai

2008 fand in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologi-

sche Vielfalt statt. Bis zum Herbst 2010 hat Deutschland die Präsidentschaft der Konvention

inne und übernimmt eine Vorreiterrolle für den weltweit nachhaltigen Biodiversitätsschutz.

Das Artensterben in Deutschland hält dennoch unvermindert an. Der Indikator erreicht nur

70 % des Zielwerts, die nationale Zielerreichung ist bis 2015 unwahrscheinlich. Der Parla-

mentarische Beirat bedauert, dass die Bundesregierung, weitere schon vorhandene Teilindi-

katoren nicht aufgenommen hat, sondern nur auf die Biodiversitätsstrategie verweist. Unver-

ständlich ist es vor allem, da in der Bewertung des Indikators auf einige Teilindikatoren ein-

gegangen wird, eine grafische Aufbereitung jedoch fehlt. Die vollständige Aufnahme der Teil-

indikatoren hätte jedoch aus Sicht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwick-

lung für eine Vertiefung und Verbreiterung dieses wichtigen Querschnittsthema über den

Umweltbereich und dem zuständigen Ressort hinaus gesorgt und zu einer genaueren Analy-

se geführt, welche Teilökosysteme einem besonderen Nutzungsdruck ausgesetzt sind. Die

Initiative der Bundesregierung, 500 Millionen Euro für den internationalen Waldschutz aus-

zugeben, steht im Gegensatz zu einer Politik, die Anreize setzen könnte, den Tropenwald

durch die Förderung nicht nachhaltig produzierter Futtermittel- und Biomasseimporte zu zer-

stören. Die Nachhaltigkeitskriterien der Europäischen Union müssen zügig in die Praxis um-

gesetzt werden.

Sondervotum DIE LINKE: Ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltig angebaute

Energiepflanzen ist kaum kontrollierbar und wird deshalb nicht wirksam greifen. Die Umset-

zung der EU-Nachhaltigkeitsverordnung wird die jetzige Entwicklung nicht stoppen. Die

Nachhaltigkeitskriterien der EU-Verordnung sind mangelhaft: So wird für die ersten Jahre nur

eine Treibhausgaseinsparung von 35 % vorgeschrieben, soziale Kriterien sind komplett aus-

genommen und indirekte Landnutzungsänderungen werden völlig ignoriert. (Ende Sondervo-

tum)

Biodiversitätspolitik wird trotz Strategie zur biologischen Vielfalt bisher nicht als Quer-

schnittsaufgabe verstanden. Die Belange des Natur- und Artenschutzes sind verstärkt so-

wohl in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zu integrieren, als auch in der Verkehrs-,

Klimaschutz- und Energiepolitik zu berücksichtigten. Die nationale Biodiversitätsstrategie

muss in den Ressorts sowie in Ländern und Kommunen konsequent umgesetzt werden. Die

Finanzierung, Betreuung und Ausweisung eines bundesweiten Netzes an Schutzgebieten

wäre hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Diese Maßnahmen erfordern einen

rechtlichen Rahmen durch ein ambitioniertes Umweltgesetzbuch, bei dem die bestehenden

materiellen Umweltstandards nicht abgesenkt werden. Nur so ist in absehbarer Zeit eine

wirkliche Verbesserung zu erwarten.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Staatsverschuldung

Indikator 6 – Staatsdefizit

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt, dass die Haushalte von

Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2007 einen Überschuss von 3,14 Mrd. Euro ausge-

wiesen haben. Auch wenn im Zuge der Finanzmarktkrise Ausgabenerhöhungen unumgäng-

lich sind, sollte am Ziel einer langfristigen Haushaltskonsolidierung festgehalten werden. Der

Parlamentarische Beirat empfiehlt, der Verschuldung öffentlicher Haushalte einen breiteren

Raum einzuräumen und sie zukünftig als Schwerpunktthema zu behandeln (vgl. Kapitel V

„Fehlende Aspekte“).

Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge

Indikator 7 – Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hatte in seiner Stellungnahme zum

Indikatorenbericht 2006 bereits auf den Zielkonflikt zwischen dem Verhältnis der Bruttoanla-

geinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf der einen Seite und dem Ressourcen-

und Flächenverbrauch auf der anderen Seite hingewiesen. Den Zielkonflikt gerade im Be-

reich der Bauinvestitionen greift der Fortschrittsbericht 2008 auf.

Innovation

Indikator 8 – Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung bedauert, dass die Entwicklung des

Indikators 8 in den zurückliegenden Jahren nur mäßig fortschreitet. Auch wenn die Differenz

zwischen dem aktuellen Stand von 2,5 % und dem für das Jahr 2010 angestrebten Ziel von

3,0 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf den ersten Blick gering erscheint, ist absehbar,

dass bei Fortsetzen der seit dem Jahr 2000 erfolgten langsamen Entwicklung die Zielmarke

verfehlt werden wird. Zwar liegt die übrige EU-Region noch weiter hinter dem vom Rat von

Barcelona im Jahr 2002 gesteckten Ziel zurück. Das verbessert die Perspektive auf die deut-

schen Anstrengungen jedoch nur bedingt. Gut wird man bei der Erreichung gesetzter Ziele

nicht dadurch, dass andere noch schlechter sind.

Vor dem Hintergrund, dass Bildung und Innovationen sowohl für eine nachhaltige Entwick-

lung in Deutschland als auch für die künftige Wettbewerbssituation Deutschlands in der Welt

unerlässlich sind und folgerichtig immer stärker in den Fokus politischer Aktivitäten rücken,
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Drucksache 16/13236 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

fordert der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung die Bundesregierung auf, ih-

re Anstrengungen zur Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu intensi-

vieren, um im Jahr 2010 zumindest möglichst nah an die gesetzte Zielmarke heranzukom-

men.

Bildung

Indikator 9a – 18- bis 24-Jährige ohne Abschluss

Im Bereich Bildung bleibt beim Indikator 9a weiterhin, wie auch schon in der Stellungnahme

zum Indikatorenbericht 2006 vom Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung kriti-

siert wurde, der Aspekt der Entwicklung (kognitive, soziale und emotionale Entwicklung) von

Kindern vor der Einschulung völlig außer Acht. Der Indikator 9a setzt erst mit Ende der

Schulzeit ein – die Qualifikation für einen guten Abschluss beginnt jedoch viel früher, so dass

hier ein Indikator 9d zur vorschulischen Entwicklung eingefügt werden sollte, um frühzeitig

Fehlentwicklungen absehen und entsprechend gegensteuern zu können. Ein einheitliches

Verfahren zur Feststellung der vorschulischen Entwicklung sollte erarbeitet und eingeführt

werden, um bundesweit vergleichbare Ergebnisse für einen Indikator „Vorschulische Ent-

wicklung“ zu erhalten. Bereits im Vorschulbereich werden Weichen gestellt, die elementar für

den weiteren Werdegang eines Menschen sind. In Anbetracht von Kinderarmut und der

nachgewiesenen geringen Durchlässigkeit des deutschen Schulsystems, in dem Kinder aus

sozial schwachen Familien nur geringe Chancen haben, sich in ihrer sozialen Stellung zu

verbessern, sollte ein entsprechend aussagekräftiger Indikator entwickelt werden. Ziel muss

es sein, benachteiligte Kinder frühzeitig zu fördern, um ihnen Entwicklungschancen zu eröff-

nen. Darüber hinaus sollte auch eine eventuelle überdurchschnittliche Begabung frühzeitig

festgestellt und gefördert werden.

Indikator 9b – 25-Jährige mit abgeschlossener Hochschulausbildung

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt, dass der Indikator 9 um

den Aspekt der 25-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulausbildung ergänzt worden ist.

Damit wird eine Forderung, die der Parlamentarische Beirat bereits in seinen Stellungnah-

men zum Fortschrittsbericht 2004 und zum Indikatorenbericht 2006 vorgetragen hatte, um-

gesetzt und eine größere Transparenz hinsichtlich der Erfolgsaussichten an Hochschulen

geschaffen.

Indikator 9c – Studienanfängerquote

Bei der Berechnung nach internationalem OECD-Standard fiel die Studienanfängerquote von

2004 bis 2007 von 37,5 % auf 34,4 %; somit wird bei einer Fortsetzung dieser Entwicklung

das Ziel von 40 % bis 2010 nicht erreicht. Dieses Ziel bleibt jedoch weit hinter dem OECD-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Durchschnitt von 56 % zurück. Darüberhinaus ist das langfristige Ziel eines „weiteren Aus-

baus und Stabilisierung auf hohem Niveau“ zu allgemein gehalten, um damit nach 2010

wirksame politische Forderungen zu verbinden. Daher fordert der Parlamentarische Beirat

die Bundesregierung auf, überdies ein verbindliches langfristiges Ziel zu benennen, anhand

dessen das Parlament die Arbeit der Bundesregierung bewerten kann.

Die Benennung der Studienanfängerquote nach zwei unterschiedlichen Berechnungsverfah-

ren im Fortschrittsbericht 2008, nach internationalem OECD-Standard einerseits und nach

nationalen Abgrenzungen andererseits, sorgt für erhebliche Verwirrung. Der Parlamentari-

sche Beirat für nachhaltige Entwicklung spricht sich für die einheitliche Verwendung der Be-

rechnungsmethode nach internationalem OECD-Standard im Indikatorenbericht aus, um für

statistische Übersichtlichkeit und transparente Studienanfängerzahlen zu sorgen.

Darüber hinaus fordert der Parlamentarische Beirat eine massive Erhöhung der Bildungs-

ausgaben in Deutschland. So müssten jährlich 18 Mrd. Euro mehr für Bildung zur Verfügung

gestellt werden, um allein auf den EU-Durchschnitt der Bildungsausgaben zu kommen (vgl.

„OECD-Studie: Bildung auf einen Blick 2007“) und die chronische Unterfinanzierung der

Hochschulen zu beenden. Für eine zukunftsgerichtete Haushaltspolitik sollten Bildungsaus-

gaben im Haushalt als investive und nicht als konsumtive Ausgaben behandelt werden.

Wirtschaftlicher Wohlstand

Indikator 10 – BIP je Einwohner

Wie bereits in der Stellungnahme zum Indikatorenbericht 2006 vom Parlamentarischen Bei-

rat für nachhaltige Entwicklung angemerkt wurde, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als al-

leiniger Maßstab für den wirtschaftlichen Wohlstand nicht ausreichend. Ein steigendes BIP

kann sogar, wie auch im Fortschrittsbericht 2008 erwähnt wurde, einen Umwelt belastenden

Faktor mit sich bringen. Da der Wohlstand einer Nation jedoch durch den Verbrauch der na-

türlichen Ressourcen negativ beeinflusst wird, ist das BIP als alleiniger Maßstab unzurei-

chend. Um Zielkonflikte mit anderen Indikatoren zu vermeiden, wird ergänzend ein Maßstab

benötigt, der eine differenzierte Betrachtung zulässt. Der Parlamentarische Beirat für nach-

haltige Entwicklung weist hier nochmals auf die bestehenden Indikatoren „Genuine Progress

Indicator“ (GPI) und „Human Development Index“ (HDI) als Möglichkeit hin.
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Drucksache 16/13236 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Mobilität

Indikator 11a – Gütertransportintensität

Die Gütertransportintensität entwickelt sich gegenläufig zum Ziel. Die Güterbeförderungslei-

tung ist sogar stärker gestiegen als das Bruttoinlandsprodukt. Günstig entwickelt hat sich da-

gegen der Energieverbrauch je Tonnenkilometer. Maßnahmen sind in diesem Sektor schwer

durchsetzbar. So wurde die Erhöhung der Lkw-Maut ab dem Jahr 2009 vom deutschen

Transportgewerbe heftig kritisiert, obwohl es für einheimische Spediteure begleitende er-

leichternde Maßnahmen gibt, wie z.B. eine Förderung zur Anschaffung emissionsarmer

Nutzfahrzeuge, die niedrigeren Mautsätzen unterliegen. Das dient gleichzeitig dem Ziel der

CO2-Reduzierung. Laut Bundesregierung wird das Güterfernverkehrsaufkommen von 2004

bis 2025 um 84 % zunehmen. Nur ein konsequentes Vorgehen schafft eine echte Wahlmög-

lichkeit zwischen den verschiedenen Transportmitteln. Deshalb unterstützt der Parlamentari-

sche Beirat für nachhaltige Entwicklung den Grundgedanken, die externen Kosten des Ver-

kehrs schrittweise zu internalisieren, lehnt jedoch die aktuellen bürokratischen Vorschläge

der Europäischen Kommission ab.

Sondervotum FDP: Die durchgängige Erhöhung der Mautsätze durch die Bundesregierung

ist kein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Wie der Einbruch bei den Zulassungszahlen

zeigt, führt die Mauterhöhung nicht zur ökologischen Erneuerung des LKW-

Fahrzeugbestandes. Vielmehr kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen, die auch durch die

zugesagten Harmonisierungsmaßnahmen nicht ausgeglichen werden. (Ende Sondervotum)

Ein nicht beleuchteter Bereich in diesem Rahmen ist der Schadstoffausstoß bei der Binnen-

schifffahrt sowie negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt beim weiteren Ausbau von Bin-

nenschifffahrtskanälen. Der Parlamentarische Beirat wünscht sich hier eine entsprechende

Ergänzung des Fortschrittsberichtes, um eine echte Vergleichbarkeit in Bezug auf Nachhal-

tigkeit des Transports herstellen zu können.

Indikator 11b – Personentransportintensität

Der Parlamentarische Beirat erkennt die positive Zielentwicklung an. Das Ziel, die Personen-

kilometer in Relation zur Bruttoinlandsentwicklung zu senken, erfordert nicht nur enorme An-

strengungen in der bisherigen Strategie, sondern komplett neue Konzepte. Zum einen sollte

daran gearbeitet werden, die zurückgelegten Personenkilometer zu reduzieren, indem bei

der Stadtentwicklung stärker das Zentrale-Orte-System umgesetzt wird. Das würde bedeu-

ten: Kürzere Wege zum Arbeitsplatz und kürzere Einkaufswege. Allerdings ist das Potenzial

zur Reduzierung von zurückgelegten Personenkilometern sehr begrenzt. Von daher sollten

die Anstrengungen mehr darauf gerichtet werden, die Wege mit möglichst umweltfreundli-

chen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Hier würden zusätzliche Teilindikatoren, die den Anteil
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

des öffentlichen und energieeffizienten Verkehrs angeben, das Erreichen von Nachhaltig-

keitszielen im Bereich der Personenbeförderung besser wiedergeben. Möglich wären insbe-

sondere Aussagen über den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, über den Anteil zugelasse-

ner Fahrzeuge mit umweltfreundlichen Antrieben und Kraftstoffen, über den Radverkehr so-

wie den Verkehrslärm.

Indikator 11c, d – Anteile des Schienenverkehrs und der Binnenschifffahrt

Seit Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie ist der Anteil des Schienengüterverkehrs

nur unmerklich gestiegen, der Anteil der Binnenschifffahrt ist sogar gesunken. Mit der her-

kömmlichen Gütertransportstrategie können die Ziele nicht einmal annähernd erreicht wer-

den. Hinzu kommt, dass lediglich der Binnengüterverkehr nicht aber der durchfahrende Gü-

terverkehr erfasst wird.

Mit dem Masterplan Güterverkehr und Logistik wird erstmals ein Gesamtkonzept angestrebt,

das der besonderen geografischen Lage Deutschlands als Verkehrsknotenpunkt in Europa

Rechnung trägt. Der Masterplan beschreibt vielfältige Ziele, wie die Vermeidung unnötiger

Verkehrswege, die optimale Nutzung von bestehenden Verkehrswegen, die weitestgehende

Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf Schiene und Binnenwasserstraße so-

wie die schrittweise Einführung von energieeffizienteren Fahrzeugen, und die soziale Kom-

ponente, einer guten Ausbildung und Arbeit im Transportgewerbe. Die im Masterplan vorge-

schlagenen Maßnahmen bewerten die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats für nachhal-

tige Entwicklung unterschiedlich. Der Parlamentarische Beirat geht davon aus, dass die

Bundesregierung die Maßnahmen des Masterplans Güterverkehr und Logistik regelmäßig

den aktuellen Verkehrsprognosen anpasst.

Landbewirtschaftung

Die Umbenennung des Indikators von „Ernährung“ in „Landbewirtschaftung“ ist angesichts

der beiden Teilindikatoren schlüssig, genauso wie die Zuordnung des Themenbereichs „Er-

nährung“ zur „Gesundheit“.

Indikator 12a – Stickstoffüberschuss

Die Umstellung des Teilindikators auf das gleitende Dreijahresmittel wird vom Parlamentari-

schen Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt, weil dies der statistischen Darstellungs-

weise im Bereich Landwirtschaft entspricht; witterungsbedingte Ausreißer werden damit aus-

geglichen. Was die Zielerreichung anbelangt, so geht die Reduzierung der Stickstoffüber-

schüsse zwar in die richtige Richtung, allerdings viel zu langsam, so dass das Ziel von

80 kg/ha im Jahr 2010 bei weitem nicht erreicht wird. Stickstoffüberschüsse gehen mit ho-
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Drucksache 16/13236 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

hem Viehbestand einher, entstehen aber auch durch mangelndes Düngemanagement. Eine

weitere Reduzierung wird deshalb nicht ohne verstärkte Optimierungsanstrengungen mög-

lich sein. Die Wirkung der seit dem Jahr 2006 geltenden neuen Düngeverordnung ist bislang

im Indikator noch nicht erfasst und könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.

Der Parlamentarische Beirat hält weiterhin eine Erweiterung der Indikatoren für erforderlich,

damit das Ziel, die gesamten Umwelteinwirkungen in der Landwirtschaft zu minimieren, stär-

ker zum Ausdruck kommt. Nur so können die verschiedenen Bewirtschaftungsmethoden op-

timiert werden.

Indikator 12b – Ökologischer Landbau

Mit der Streichung der Zeitvorgabe für die Erreichung von 20 % Flächenanteil ökologischer

Landbau hat die Bundesregierung zum ersten Mal faktisch ein konkretes Ziel der Nachhaltig-

keitsstrategie aufgegeben. Dieses 20 %-Ziel soll nun „in den nächsten Jahren“ erreicht wer-

den. Was dieses wirklich bedeutet, bleibt unklar. Dies ist umso verwunderlicher, denn nach-

haltige Entwicklung im Bereich des ökologischen Landbaus ist ein Querschnittsziel, welches

sich positiv auf viele andere Indikatoren auswirkt. Die steigende Nachfrage nach ökologisch

erzeugten Lebensmitteln zeigt, dass der Nachhaltigkeitsgedanke in der Bevölkerung zuneh-

mend Verbreitung findet. Die Tatsache, dass Lebensmittel aus ökologischem Anbau auf

Grund der hohen Nachfrage teilweise importiert werden, bedeutet, dass hier noch unter-

nehmerische Potenziale für die Landwirte vorhanden sind für die angestrebte Erhöhung des

Anteils von derzeit 5,1 % (im Jahr 2007) auf 20 %. Eine entsprechende Produktinformation

sowie Informationskampagnen könnten helfen, das Bewusstsein für regionale und ökolo-

gisch produzierte Lebensmittel zu schärfen.

Der Parlamentarische Beirat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, die Rahmenbedin-

gungen für die ökologische Landbewirtschaftung nunmehr wieder zu verbessern. Dies hat

gleichzeitig weitere positive Effekte auf die Artenvielfalt und die Beschäftigung.

Luftqualität

Indikator 13 – Schadstoffbelastung der Luft

Die Luftqualität hat sich seit dem Basisjahr 1990 zwar verbessert, in den vergangenen Jah-

ren allerdings nur unwesentlich. Dennoch könnte das Ziel in 2010, eine Reduzierung um

70 %-Punkte gegenüber 1990, erreicht werden.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hatte in seiner Stellungnahme zum

Indikatorenbericht 2006 angeregt, den Indikator um den Aspekt der Feinstaubpartikel zu er-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

gänzen. Leider ist dies bislang nicht erfolgt, so dass der Parlamentarische Beirat seine Anre-

gung wiederholt.

Gesundheit und Ernährung

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt, dass der ehemalige Indi-

kator „Zufriedenheit mit der Gesundheit“, der auf subjektivem Empfinden basierend kaum

Aussagekraft entfalten konnte, durch andere Indikatoren ersetzt worden ist. Gleichwohl be-

dauert der Parlamentarische Beirat, dass nach wie vor kein Indikator enthalten ist, der Aus-

sagen darüber enthält, welchen Zugang die Bürgerinnen und Bürger zur medizinischen Ver-

sorgung haben, wie sie am medizinischen Fortschritt teilhaben und wie sich der Bereich der

Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennung entwickelt.

Indikator 14a, b – Vorzeitige Sterblichkeit

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt die Tendenz der beiden In-

dikatoren. Es ist erfreulich, dass die Lebenserwartung in Deutschland weiter zugenommen

hat. Allerdings zeigt die Entwicklung der vorzeitigen Sterblichkeit, dass hier noch weitere An-

strengungen erforderlich sind, um das gesetzte Ziel tatsächlich zu erreichen. Der Zugang zur

medizinischen Versorgung und vor allem die Entwicklung der Vorsorgeuntersuchungen und

Früherkennung können dazu beitragen.

Indikator 14c, d – Raucherquote von Jugendlichen und Erwachsenen

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hält die „Raucherquote von Jugend-

lichen und Erwachsenen“ für einen wenig aussagekräftigen Indikator, weil er Jugendliche un-

ter 12 Jahren nicht mit einbezieht und bei den Jugendlichen nicht zwischen weiblichen und

männlichen Rauchern unterscheidet. Dadurch kann die Präventionswirkung nicht ausrei-

chend festgestellt werden. Denn es kommt vor allen darauf an, Jugendliche vom frühen Ein-

stieg in das Rauchen abzuhalten. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung

regt an, den Indikator 14c, d dahingehend zu ändern, sich auf die Raucherquote Minderjähri-

ger zu konzentrieren und diese Quote getrennt nach weiblich und männlich auszuweisen.

Indikator 14e – Anteil der Menschen mit Adipositas:

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hatte in der Stellungnahme zum In-

dikatorenbericht 2006 empfohlen, den Aspekt ungesunder Ernährung aufzunehmen und den

Indikator um eine Kennziffer „Anteil adipöser Kinder“ zu ergänzen. Dadurch würde man ein

frühzeitiges Warninstrument schaffen, Fehlentwicklungen, die bei Kindern neben ungesunder

Ernährung häufig auch auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind, entgegenzuwirken. Den

Anteil adipöser Kinder könnte man über die Vorsorgeuntersuchungen bzw. die Einschu-
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Drucksache 16/13236 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

lungsuntersuchung erhalten. Statt der Berücksichtigung adipöser Kinder wurde jedoch beim

Indikator 14 eine Ergänzung 14e – Anteil der Menschen mit Adipositas eingefügt, wodurch

leider der Akzent verschoben wird und das angestrebte Ziel, die Weichen gegen Fettleibig-

keit und Adipositas bereits im Kindesalter richtig stellen zu können, nur bedingt erreichbar ist.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung regt nochmals an, den Indikator

„Anteil der Menschen mit Adipositas“ zu ersetzen durch einen Indikator „Anteil adipöser Kin-

der und Jugendlicher unter 18 Jahren“.

Darüber hinaus sollte dem Indikator „Anteil adipöser Kinder und Jugendliche“ auch ein Indi-

kator zur Seite gestellt werden, der Aspekte von Untergewicht / Magersucht bei Kindern und

Jugendlichen berücksichtigt. Immerhin waren im Jahr 2005 14 % der 18 bis 20-jährigen

Frauen untergewichtig - und nur 2,8 % der Frauen in derselben Altersklasse hatten Adiposi-

tas zu verzeichnen. Auch Untergewicht führt zu erheblichen gesundheitlichen Einschränkun-

gen und verursacht erhebliche Kosten für das Gesundheitswesen. Die Spätfolgen der Unter-

ernährung sind hier noch gar nicht einbezogen.

Kriminalität

Indikator 15 – Wohnungseinbruchsdiebstahl

Nach wie vor wird im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung das Augenmerk vornehmlich auf

den Bereich der Wohnungseinbrüche gelegt, obwohl dieser Straftatbestand im Jahr 2006 nur

einen Anteil von 1,7 % an den insgesamt 6,3 Millionen durch die Polizei registrierten Delikten

ausmachte. Über die Lage der Sicherheit in Deutschland lässt diese Zahl kaum aussagekräf-

tige Rückschlüsse zu.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hatte in seiner Stellungnahme zum

Indikatorenbericht 2006 bereits angeregt, den Indikator Kriminalität nicht auf Wohnungsein-

brüche zu reduzieren, sondern vor allem Gewaltdelikte einzubeziehen.

Beschäftigung

Indikator 16a, b – Erwerbstätigenquote

Der Indikator Erwerbstätigenquote hat sich seit dem Indikatorenbericht 2006 weiter positiv

entwickelt. Dies und die Erhöhung des Ziels für 2010 auf 73 % sowie die Festsetzung eines

Ziels für 2020 werden vom Parlamentarischen Beirat begrüßt. Die zusätzliche Ausweisung

der Kennzahlen für 55 bis 64-Jährige unterstreicht die Notwendigkeit, auch ältere Beschäftig-

te in den Arbeitsmarkt zu integrieren mittelfristig sollten die Kennzahlen allerdings auf die bis
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

66-Jährigen ausgedehnt werden. Leider wurde die Anregung des Parlamentarischen Beirats,

einen Teilindikator „Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit“ einzuführen, nicht aufgegriffen.

Perspektiven für Familien

Indikator 17a, b – Ganztagsbetreuung für Kinder

Das Vorhaben, die Ganztagsbetreuung für Kinder auszubauen ist ein wichtiger Schritt dahin,

Familien mit Kindern mehr Stellenwert in der Gesellschaft beizumessen. Zur Darstellung des

Ziels, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, liefert der Indikator wertvolle

und wichtige Ergebnisse. Der Indikator lässt allerdings keinen Rückschluss auf den tatsächli-

chen Bedarf an Ganztagsbetreuung zu, was jedoch unerlässlich für eine bedarfsorientierte

Zielvorgabe ist. Er gibt zudem keine Auskunft über jene Betreuung, die freiwillig durch Eltern

oder Großeltern aber auch durch Tagesmütter oder andere geleistet wird.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung schlägt vor, den Indikator Ganz-

tagsbetreuung für Kinder durch die Abbildung der Entwicklung der Geburtenrate zu ergän-

zen. Diese ergänzende Information gibt einen Hinweis darauf, wie schnell der demografische

Wandel vonstatten geht. Eine Zielvorgabe für die Geburtenrate kann es nicht geben, da die

Entscheidung für eigene Kinder eine höchstpersönliche Entscheidung ist. Der Staat muss

Rahmenbedingungen schaffen, die es Menschen mit Kinderwunsch ermöglicht, diesen auch

zu realisieren. Eine bestimmte Geburtenrate ist keine Voraussetzung für nachhaltige Ent-

wicklung. Vielmehr muss eine schrumpfende Bevölkerung frühzeitig bei politischen Ent-

scheidungen berücksichtigt werden, um etwa Infrastruktur und Sozialversicherungssysteme

zukunftsfest zu machen.

Gleichberechtigung

Indikator 18 – Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern

Nachdem die Bundesregierung im Entwurf des Fortschrittsbericht 2008 das Ziel der Vermin-

derung der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zur Diskussion gestellt hatte,

hat sie sich im Fortschrittsbericht 2008 zu diesem Ziel bekannt. Konkrete Maßnahmen zum

Erreichen dieses Ziels werden im Bericht jedoch nicht genannt. Nicht erfasst wird zudem

vom Indikator, dass Frauen in derselben Position meist weniger verdienen als ihre männli-

chen Kollegen.

Bei einem Verdienstabstand von 23 % im Jahr 2007, der im EU-Durchschnitt nur 17 % be-

trägt, nimmt die Bundesrepublik Deutschland den siebtletzten Rang unter den 27 EU-Staaten
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Drucksache 16/13236 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

im Hinblick auf die Angleichung der Einkommen von Männern und Frauen ein.

(Quelle: Eurostat Destatis, 14.11.2008).

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung fordert die Bundesregierung auf, im

Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Verringerung des geschlechterspezifischen Ver-

dienstabstandes einzuwirken.

Integration

Indikator 19 – Ausländische Schulabgänger mit Schulabschluss

Der Parlamentarische Beirat nimmt zur Kenntnis, dass die Bundesregierung die Anregung,

den Indikator „Integration“ nach Schulabschlüssen zu differenzieren und positiv zu wenden,

aufgenommen hat und transparent die Defizite ausländischer Jugendlicher in ihrer Bildungs-

biographie dokumentiert. Jedoch findet die berufliche Qualifizierung oder das Erreichen ei-

nes Hochschulabschlusses, die für eine gelungene Integration genauso wichtig sind, keinen

Niederschlag in den Indikatoren.

Die Erfahrungen zeigen, dass mit der Integration bereits im Vorschulalter begonnen werden

muss. Selbst die in Deutschland geborenen Kinder von Migrantinnen und Migranten in zwei-

ter und dritter Generation erlernen die deutsche Sprache häufig nicht im Elternhaus. Vorhan-

dene Sprachschwierigkeiten ziehen sich dann durch die gesamte Schulzeit. Der Parlamenta-

rische Beirat empfiehlt deshalb, einen Indikator einzuführen, der die Sprachkompetenz bei

der Einschulung darstellt. Dabei ist eine ehrgeizige Zielsetzung dringend erforderlich. Investi-

tionen in der Vorschulphase helfen, spätere und in der Regel höhere Ausgaben für mangeln-

de Arbeitsplatzqualifikation einzusparen.

Darüber hinaus sollte geprüft werden, inwieweit Kinder von Migranten mit deutscher Staats-

angehörigkeit erfasst werden können, weil die Staatsangehörigkeit alleine keine zuverlässige

Aussage über eine gelungene Integration gibt.

Entwicklungszusammenarbeit

Indikator 20 – Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen

Der Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben (die sog. Official Development Aid- / ODA-

Quote) am Bruttonationaleinkommen (BNE) stieg durch Erhöhung der Haushaltsmittel auf

0,37 % im Jahr 2007. Knapp ein Drittel der deutschen ODA entfiel 2007 auf anrechenbare

Schuldenerlasse und kalkulatorische Studienplatzkosten für Studierende aus Entwicklungs-

ländern. Wenn aber 2009 der Erlass von Schulden mangels weiterer Masse fast völlig ver-

schwindet, ist ein Fall ins „ODA-Quotenloch“ unvermeidlich.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Ohne erheblich größere mehrjährige Anstrengungen werden weder die 0,51 % im Jahr 2010,

noch gar die 0,7 % im Jahr 2015 erreicht werden können. Zur Zielerreichung von 0,51 % bis

2010 müsste die ODA um mehr als 3 Mrd. Euro steigen.

Märkte öffnen

Indikator 21 – Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern

Der Parlamentarische Beirat begrüßt, dass die Bundesregierung die Datengrundlage des In-

dikators „Märkte Öffnen“ von Einfuhren aus Entwicklungsländern in die EU-15 auf Deutsche

Einfuhren aus Entwicklungsländern umgestellt und dabei die sogenannten fortgeschrittenen

Entwicklungsländer wie Südkorea, Israel oder Singapur herausgenommen hat und zwischen

Einfuhren aus AKP-Ländern und übrigen Entwicklungsländern differenziert. Dies ermöglicht

eine bessere Analyse der Daten für die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Im Sinne größe-

rer Transparenz der Statistik zeigt auch das Herausrechnen chinesischer Importe, dass der

Anteil der Entwicklungsländer an deutschen Importen fast gleich geblieben ist.

Der Parlamentarische Beirat hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode reklamiert,

dass sich hinter einer Steigerung des Indikators auch Rohstoffausbeutung verbergen kann.

Außerdem kann diese aus reinen Preissteigerungen insbesondere bei Öl und Gas resultie-

ren. Zudem ist keine Aussage möglich über die Art der Produktion, d.h. über eine umwelt-

freundliche Produktion oder faire Arbeitsbedingungen. Für eine realistische Aussage ist eine

Ergänzung des Indikators erforderlich. (vgl. hierzu auch Kapitel III. 2. „Schritte zu einer nach-

haltigen Rohstoffwirtschaft“)

III. Bewertung der Handlungsfelder der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

1. Klima und Energie

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt, dass die Bundesregierung

das Thema Klima und Energie im Fortschrittsbericht 2008 erneut zu einem Schwerpunkt-

thema gemacht hat. In den Ausführungen in Kapitel II zur Entwicklung der Indikatoren „Treib-

hausgasemissionen“ und „Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch“ betont der

Parlamentarische Beirat seine positive Grundhaltung gegenüber einer energetischen Nut-

zung von Biomasse. Biomasse ist ein zumindest ergänzend nutzbarer heimischer Energie-

träger, der in der Stromversorgung grundlastfähig ist und hohe technologische Entwick-

lungspotentiale aufweist.

Zu bedenken ist allerdings, dass die Anbauflächen für zusätzliche energetisch zu nutzende

Biomasse begrenzt sind und diese daher mit Futter- und Nahrungsmitteln in Konkurrenz um
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Drucksache 16/13236 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Anbaufläche treten kann. Der Sicherung der Ernährung sollte dabei grundsätzlich der Vor-

rang eingeräumt werden. Um solche Nutzungskonkurrenzen weitestgehend auszuschließen,

empfiehlt der Parlamentarische Beirat, anhand von Nachhaltigkeitskriterien die energetische

Nutzung pflanzlicher und tierischer Biomasse vorrangig auf Substrate zu konzentrieren, von

deren Gewinnung die Nahrungsmittelversorgung und die Biodiversität so wenig wie möglich

betroffen sind. Beispiele sind Reststoffe aus der land- und forstwirtschaftlichen Produktion

sowie aus der Erzeugung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln, ferner der Einsatz bei-

spielsweise von Holz aus nachhaltigen Agro-Forstsystemen, von Algen oder von Biomasse,

die auf Böden erzeugt wird, die zur Nahrungsmittelerzeugung von vornherein nicht geeignet

sind und eine geringe biologische Vielfalt aufweisen.

Durch importierte Biomasse (z. B. Palmöl) können massive ökologische und soziale Proble-

me verursacht werden. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung fordert da-

her, dass bei energetisch zu nutzender Biomasse verlässliche Zertifizierungssysteme auf der

Grundlage glaubwürdiger und transparenter Nachhaltigkeitskriterien aufgebaut, etabliert und

durchgesetzt werden. Zertifizierungssysteme für die gesamte Lieferkette von Anbau über

Verarbeitung bis zum Handel müssen einer wirksamen und transparenten supranationalen

Kontrolle unterliegen, die beispielsweise auch unangemeldete Kontrollen auf allen Plantagen

ermöglicht. Biomasse darf erst dann und nur unter der Voraussetzung auf die Erfüllung ge-

setzlicher Zielvorgaben angerechnet werden, wenn eine wirksame und glaubwürdige Zertifi-

zierung in den jeweiligen Lieferländern etabliert ist.

Sondervotum DIE LINKE: Ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltig angebaute

Energiepflanzen ist kaum kontrollierbar und wird deshalb nicht wirksam greifen. Die indirekte

Verdrängung, das zentrale Problem der Zertifizierung, lässt sich auf diese Weise nicht fas-

sen. (Ende Sondervotum)

Durch die energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe muss auch die Emission von

Treibhausgasen verringert werden. Es ist zu bedenken, dass die verstärkte energetische

Nutzung nachwachsender Rohstoffe per saldo unter Umständen gering oder sogar negativ

sein kann: Die Rodung von Regenwäldern, insbesondere die Brandrodung von Wäldern auf

Torfböden, und die Trockenlegung von Mooren setzen große Mengen Treibhausgase frei.

Rodung und landwirtschaftliche Nutzbarmachung könnten also nicht nur unersetzliche Bioto-

pe für Tiere und Pflanzen gefährden, sondern zu erheblichen zusätzlichen Freisetzungen

von Treibhausgasen führen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

2. Schritte zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft

Der Parlamentarische Beirat stimmt mit der Bundesregierung überein, dass das Bewusstsein

um die Begrenztheit nicht erneuerbarer Ressourcen viel stärkeres Gewicht bekommen muss,

damit rechtzeitig Alternativen entwickelt werden können. Nach wie vor steigt jedoch der ab-

solute Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen trotz der Anstrengungen bei der Material-

einsparung in fast allen Branchen weiter an.

Es geht darum, eine höhere Materialeffizienz, eine verstärkte Kaskaden- bzw. Koppelnut-

zung, eine verstärkte Rohstoffrückgewinnung und die Entwicklung sowie den umweltverträg-

lichen Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zu erreichen. Ziel muss es dabei sein, so-

wohl den Ressourcenverbrauch als auch die Entwicklung von Alternativen wirtschaftlich,

ökologisch und sozial zu gestalten.

Die zunehmende Knappheit von begrenzten Ressourcen führt tendenziell zu deren Verteue-

rung. Wirtschaftlich wachsende Nationen dürfen dadurch nicht ausgegrenzt werden. Das

kann nur durch die zügige Entwicklung von Alternativen zu den begrenzten Rohstoffen ver-

mieden werden. Hier ist künftig ein nachhaltiger Ansatz auf nationaler und globaler Ebene er-

forderlich. Der Parlamentarische Beirat empfiehlt das 2007 vorgestellte Strategiepapier

„Elemente einer deutschen Rohstoffstrategie“ um die auch im Fortschrittsbericht genannten

umweltpolitischen und menschenrechtlichen Ziele zu ergänzen und die vorgeschlagenen

Ansätze zu schärfen.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung befürwortet den Vorschlag der Bun-

desregierung, den Indikator „Ressourcenschonung“ mit Daten zu ergänzen, die Auskunft ge-

ben über die Umwelt- und Nachhaltigkeitswirkungen des Abbaus von Rohstoffen.

Damit gute Ideen praxistauglich werden, bedarf es politischer Unterstützung. Der Parlamen-

tarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt in diesem Zusammenhang die Einfüh-

rung eines Gütesiegels nachhaltiges Bauen, wie es das Bundesministerium für Verkehr, Bau

und Stadtentwicklung zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen

entwickelt hat. Bewertet wird anhand von sechs Themenfeldern: Ökologie, Ökonomie, sozio-

kulturelle und funktionale Aspekte, Technik, Prozessqualität sowie Standortfaktoren. Der

Parlamentarische Beirat wird die Anwendungstauglichkeit des Gütesiegels kritisch begleiten.

Um die Transparenz bei der Ressourcengewinnung und –verarbeitung zu erhöhen, sollten

die auf globaler Ebene bereits vorhandenen Zertifizierungen der breiten Öffentlichkeit ver-

stärkt zugänglich gemacht werden. Nur so besteht die Möglichkeit, zwischen alternativen

Produkten die nachhaltiger produzierten zu kaufen. Das setzt Anreize an die Unternehmer,

die laut Fortschrittsbericht ihre Material- und Energieeffizienz noch erhöhen könnten.
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Drucksache 16/13236 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

3. Demografischer Wandel – Chancen für stärkeren sozialen Zusammenhalt

Der Parlamentarische Beirat begrüßt, dass die Bundesregierung das Thema „Demografi-

scher Wandel“ als Schwerpunktthema der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie mit aufge-

nommen hat. Die Bundesregierung befasst sich hierin hauptsächlich mit den Chancen des

sozialen Zusammenhalts. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung spricht

sich dafür aus, auch ein Augenmerk auf die bauliche und verkehrliche Infrastruktur zu legen.

Selbst die Bundesregierung spricht in diesem Berichtsabschnitt von der Notwendigkeit der

barrierefreien Anpassung von Wohnungen.

Auf Grund der langen Lebensdauer von Gebäuden und Straßen ist eine langfristige Planung

erforderlich, damit auf den veränderten Bedarf durch den demografischen Wandel rechtzeitig

reagiert werden kann. Schließlich finanziert der Staat nicht nur den Bau von Straßen und

Gebäuden, sondern er fördert auch den Rückbau und Umbau leer stehender Gebäude. So

wichtig die Mittel für den Rück- und Umbau sind, darf es dennoch nicht zur Regel werden,

dass der Bau von Infrastruktur heute gefördert wird, wenn bereits absehbar ist, dass die de-

mografische Entwicklung zu einer Minderauslastung bzw. zum Leerstand führen wird. Dar-

über hinaus gibt es insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern bereits heute erhebli-

che Mehrkosten durch nicht mehr bedarfsgerechte Leitungsnetze, die letztlich dem Nutzer

aufgebürdet werden.

So fordert der Parlamentarische Beirat in seinem bereits vorgelegten Bericht „Demografi-

scher Wandel und nachhaltige Infrastrukturplanung“ (BT-Drs. 16/4900) unter anderem eine

verstärkte Prüfung von geplanten öffentlichen Infrastrukturinvestitionen auf ihre künftige Aus-

lastung hin sowie bei der Vergabe von Fördermitteln an Kommunen, insbesondere im Rah-

men der Städtebauförderung die Region verstärkt mit einzubinden, damit interkommunale

Konkurrenz nicht zu kontraproduktiven Investitionen führt. Weiterhin empfiehlt der Parlamen-

tarische Beirat für nachhaltige Entwicklung unter anderem, zu prüfen ob und inwieweit Ange-

bote der öffentlichen Daseinsvorsorge und des öffentlichen Personennahverkehrs flexibler

erbracht werden und im Bereich der Ver- und Entsorgung (Energie, Wasser, Abwasser, etc.)

dezentrale Systeme zum Einsatz kommen können.

4. Förderung von freiwilligem und bürgerschaftlichem Engagement

In der Gesellschaft gibt es eine große Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement. Mit

dem Schwerpunkt „Demografischer Wandel - Chancen für stärkeren sozialen Zusammen-

halt“ gibt die Bundesregierung innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie diesem Querschnitts-

thema den entsprechenden Stellenwert. Dies begrüßt der Parlamentarische Beirat, denn nur

wenn es gelingt, die Bürgerinnen und Bürger bei Veränderungsprozessen beispielsweise bei
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

der technischen und sozialen Infrastruktur einzubinden, wird das Gemeinwesen und der lo-

kale Zusammenhalt gestärkt und die Effizienz, Qualität und Legitimität von politischen Ent-

scheidungen erhöht. Oftmals besteht von Seiten der Bürgerinnen und Bürger die Sorge, bür-

gerschaftliches Engagement könne als Lückenbüßer und Ersatz für professionelle Infrastruk-

tur und staatliche Verantwortung missbraucht werden. Deshalb findet es der Parlamentari-

sche Beirat wichtig, dass die Bundesregierung betont, „dass sie nicht Ausfallbürgen für staat-

liche Aufgaben, sondern unverzichtbare mündige Bürger sind, die mitgestalten können“.

In diesem Sinne wäre es ein gutes Zeichen, wenn im Rahmen des Ehrenamtes künftig auch

das freiwillige Engagement im Umweltbereich in die steuerliche Begünstigung mit einbezo-

gen würde. Dies wurde im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung des bürgerschaftlichen En-

gagements leider ausgeklammert.

Allerdings darf sich die Förderung ehrenamtlichen Engagements auch nicht nur auf die fi-

nanzielle Seite beschränken. Ein Rahmen mit finanziellen Vergünstigungen und allein mone-

täre Unterstützung genügen eindeutig nicht. Oft bedarf es noch nicht einmal des Geldes, um

zu helfen. Es genügen Zeit und Aufmerksamkeit. Deshalb sollten Politik und Wirtschaft mit

allen gesellschaftspolitischen Akteuren Konzepte entwickeln, um eine bessere zeitliche Ver-

einbarkeit von beruflicher Tätigkeit und ehrenamtlichem Engagement zu schaffen. Das

schließt unter anderem auch Fragen flexibler Arbeitszeiten ein.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Bürgerschaftliches Engagement nachhalti-

ge Rahmenbedingungen und Anlaufstellen, z.B. in Form von Freiwilligenbüros und Senio-

renbüros braucht, besonders in Regionen die bereits heute schrumpfen. Der Ansatz der Bun-

desregierung „Infrastrukturen zu vernetzen und Synergien zu nutzen“ sowie „die einzelnen

Politikbereiche stärker miteinander zu verknüpfen“ findet der Parlamentarische Beirat für

nachhaltige Entwicklung unterstützenswert.

IV. Bewertung weiterer Politikfelder der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

1. Nachhaltiger Verkehr

Die Bundesregierung hebt im Fortschrittsbericht hervor, dass der Transport von Gütern mit

Bahn oder Binnenschiffen mit deutlich weniger Umweltbelastungen je Tonnenkilometer ver-

bunden sei als der Lufttransport oder der Transport auf der Straße. Sie stellt fest, dass die

Güterbeförderungsleistung der Binnenschifffahrt zwischen 1999 und 2006 absolut um

1,3 Mrd. tkm gestiegen ist, sich aber ihr Anteil an der gesamten Güterbeförderungsleistung

von 13,5 % auf 10,8 % vermindert hat. Ziel sei es jedoch, diesen Anteil bis 2015 auf 14 % zu

steigern.
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Drucksache 16/13236 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung unterstreicht die negativen Umwelt-

folgen des steigenden Güterverkehrsaufkommens und des wachsenden Anteils des Straßen-

und Lufttransportes. (vergleiche hierzu auch Kapitel II Indikator 11 „Mobilität“). Er konzent-

riert sich im Folgenden auf zwei Aspekte, die häufig unterbelichtet sind, jedoch Potenzial

enthalten: Das Konfliktfeld Binnenschifffahrt und Biodiversität sowie die Elektromobilität als

neue Variante im umweltfreundlichen Individualverkehr.

Der Parlamentarische Beirat weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass auch der Transport

auf dem Wasser unakzeptable Umweltbelastungen nach sich ziehen kann, sofern er einen

weiteren Ausbau der Flüsse zur Grundlage hat. Die wenigen naturbelassenen oder naturna-

hen Flüsse und Auen Deutschlands sind Lebensräume unzähliger gefährdeter Tier- und

Pflanzenarten. Sie fungieren darüber hinaus als Erholungsgebiete für den Menschen. Ihre

weitere Zerstörung durch den fortgesetzten Ausbau oder ausbauähnliche Unterhaltungs-

maßnahmen widerspricht nachhaltiger Verkehrs- und Umweltpolitik. Vielmehr muss der Ü-

bergang zu einer den Flüssen angepassten Binnenschifffahrt vollzogen werden.

Der Rückgang des Anteils der Binnenschifffahrt fußt nach Auffassung des Parlamentari-

schen Beirats in der Regel nicht auf einem unzureichenden Ausbaustand der jeweiligen

Flüsse, sondern auf mangelnder Nachfrage: Der Gütertransport mit dem Schiff hat eine ver-

gleichsweise geringe Raumerschließung und ist mit zusätzlichen Umschlagkosten sowie Be-

triebsunterbrechungen durch Hoch- und Niedrigwasser sowie Eis verbunden. Der fortschrei-

tende Klimawandel mit seinen ausgedehnten Niedrigwasserperioden im Sommer zwingt

noch mehr zu der Überlegung, inwiefern der Ausbau der letzten naturnahen Gewässer sinn-

voll und vertretbar ist.

Im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung sind alle Infrastrukturvorhaben für die Ver-

kehrsträger nach gleichen ökologischen und ökonomischen Maßstäben sorgfältig zu bewer-

ten, so auch die Wasserstraßen mit entsprechendem Transportpotenzial. Darüber hinaus

sind an den Flüssen naturnahe, mit allen zuständigen Verantwortlichen abgestimmte Ge-

wässerunterhaltungspläne umzusetzen, so dass ein naturnaher Gewässererhalt ohne inak-

zeptable Umweltbelastungen gesichert ist.

Sondervotum FDP: Die FDP-Fraktion teilt die negative Bewertung der Binnenschifffahrt nicht.

Hier müssen Kriterien des Klimaschutzes und des Naturschutzes abgewogen werden. Eine

mangelnde Nachfrage hat durchaus Ursachen im Ausbaustand der Wasserstraßen: Zu nied-

rige Brückenbauwerke, zu niedrige Wasserstände trotz ökologisch verträglicher Ausbauopti-

onen. Wir brauchen eine Abwägung im Einzelfall. Bei Elbe und Donau lehnt die FDP Stau-

stufen ab. Eine generelle Ablehnung jeder Ausbaumaßnahme in Deutschland würde aber

klimapolitische Ziele konterkarieren. (Ende Sondervotum)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung spricht sich für ein modernes Netz-

und Betriebsmanagement unter Einschluss des „Hinterlandes“ der Binnenhäfen aus und un-

terstützt die Forderung von Umweltverbänden nach einem regelmäßigen Netzzustandsbe-

richt für Wasserstraßen sowie nach der Erarbeitung eines integrierten Konzepts für lebendi-

ge Flüsse.

Sondervotum Bündnis 90 / Die Grünen und DIE LINKE: Die Fraktionen Bündnis 90 / DIE

Grünen und DIE LINKE wenden sich gegen die Anpassung der Flüsse an immer größere

Schiffe. Den weiteren Ausbau von Havel und Spree, Saale, Elbe, Oder, Main, Weser und

Donau sowie die Hohensaatener-Friedrichsthaler-Wasserstraße für Schiffe mit immer größe-

ren Abmessungen und Tiefgang halten sie für eine Sackgasse. (Ende Sondervotum)

Perspektivisch können Elektroautos einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität leisten, da

Elektromotoren bei der Fahrt keine Abgase ausstoßen. Dabei dürfen Einführungszeiträume

und Kosten für den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur allerdings nicht unterschätzt

werden.

Für die Ökobilanz der Elektromotoren ist es entscheidend, auf welche Art und Weise der

Strom erzeugt wurde. Rechnet man mit dem durchschnittlichen europäischen Strom-Mix, er-

reichen Elektroautos keine wesentlich besseren CO2-Werte als Autos mit modernen Verbren-

nungsmotoren. Insofern muss sichergestellt werden, dass der Strom für Elektroautos aus er-

neuerbaren Energiequellen stammt.

Die größten Potentiale sieht der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung zurzeit

mittelfristig im Kurz- und Mittelstreckenverkehr bis 200 km als Ergänzung zum Angebot des

öffentlichen Personenverkehrs und zur Aufrechterhaltung der umweltfreundlichen Mobilität

im ländlichen Raum.

2. Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressource Wasser

Die Versorgung mit Wasser wird in Zukunft in vielen Regionen Deutschlands von essentieller

und nicht mehr selbstverständlicher Bedeutung sein. Schon heute ist absehbar, dass Regio-

nen in Brandenburg künftig in den Sommermonaten unter stärkeren Dürreperioden leiden

werden. Die Auswirkungen vor allem für die Landwirtschaft waren bei vereinzelten Dürrejah-

ren in der Vergangenheit bereits zu erkennen. Dass im Gegenzug dafür Wissenschaftler ei-

nen deutlichen Niederschlagsanstieg in den Herbst- und Wintermonaten prognostizieren,

nutzt nur bedingt, wenn das Wasser nicht für die trockeneren Monate verfügbar gehalten

werden kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass in Regionen in denen mit ei-

nem Wassermangel zu rechnen ist, die bisherige Praxis „Wasserableitung vor Wasserrück-
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Drucksache 16/13236 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

halt“ in der Landschaft aufgehoben wird. Eine Neuregelung des Wasserrechts könnte hierfür

einen wichtigen Beitrag leisten.

Vor dem Hintergrund, dass Wasser als essentielle Ressource genannt wird und auch hier

das Bewusstsein besteht, dass es durch sinkende Grundwasserpegel gerade in Ostdeutsch-

land nicht zu Versorgungsunsicherheiten kommen darf, ist es unverständlich, weshalb Was-

ser – im Gegensatz zur Luftqualität – im Indikatorensystem nicht aufgenommen worden ist.

Es handelt sich hier – ebenso wie bei Nahrungsmitteln und der Versorgung mit Energie – um

eine der lebensnotwendigsten Ressourcen.

Saubere Gewässer und funktionierende Abwassersysteme sind ein Indikator für den Grad

des Umweltschutzes. Darauf machte auch schon die Stellungnahme des Parlamentarischen

Beirats für Nachhaltige Entwicklung zum Indikatorenbericht 2006 aufmerksam und empfahl

die Aufnahme von Wasser in das Indikatorensystem. Wasser hat eine ökologische Dimensi-

on. Wasser hat zusätzlich eine soziale Dimension, weil weltweit Entwicklungschancen vom

Zugang zu sauberem und bezahlbarem Trinkwasser abhängig sind. Eine ökonomische Di-

mension wird sichtbar bei der Kostenfrage und bei der Frage, ob eine Privatisierung Vorteile

bringt oder Nachteile in sich birgt. Dies rechtfertigt eine Aufnahme von Wasser in das Indika-

torensystem. Da die Aufnahme im Fortschrittsbericht 2008 nicht erfolgt ist, regt der Parla-

mentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung an, dieses Thema als permanenten Schwer-

punkt auf der Tagesordnung zu belassen.

3. Gesundheit und Prävention:

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung begrüßt den Ansatz der Bundesre-

gierung, im Gesundheitsbereich verstärkt die Prävention in den Mittelpunkt politischer Ent-

scheidungen zu rücken. Allerdings folgt die Bundesregierung – auch wenn sie sich ausdrück-

lich auf die Empfehlungen des Parlamentarischen Beirats bezieht, nur bedingt dem Ansatz,

der in der Stellungnahme zum Indikatorenbericht 2006 zum Ausdruck gebracht worden ist.

Nicht zuletzt auf Grund des demografischen Wandels und der dadurch älter werdenden Ge-

sellschaft gilt es, die Möglichkeiten der Prävention als Investition in die Zukunft des Gesund-

heitssystems stärker zu nutzen. Zum einen gilt es, die Kompetenzen der Patienten zu stär-

ken, Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen und Früh-

erkennungsmaßnahmen, die sich als effektiv erwiesen haben, flächendeckend zu etablieren.

Zum anderen kann betriebliche Prävention dazu beitragen, Krankheiten zu verhindern, die

Arbeits- und Lebenszufriedenheit zu erhöhen und Frühverrentung zu verhindern. Dazu ge-

hört auch die altersgerechte Gestaltung von Arbeitsprozessen und –abläufen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

Die Aufnahme der Indikatoren zum Rauchverhalten und zum Übergewicht folgt entgegen der

Auffassung der Bundesregierung keinesfalls den Empfehlungen des Parlamentarischen Bei-

rats für nachhaltige Entwicklung. (vgl. Kap. II, Indikator 14 „Gesundheit und Ernährung“)

Zu begrüßen ist, dass die Bundesregierung hinsichtlich der Präventionsverbesserung einen

strukturellen Rahmen schaffen will, „in dem u.a. Maßnahmen der Sozialversicherungsträger

und Sozialversicherungszweige besser koordiniert und qualitativ aufgewertet werden.“ Eine

vorsorgende Gesundheitspolitik trägt ganz entscheidend dazu bei, gesundheitliche Risiken

zu minimieren. Dazu gehören auch Vorsorgeuntersuchungen beispielsweise zur Früherken-

nung von Krebserkrankungen. Je eher das potentielle Risiko erkannt werden kann, um so

eher kann das gesundheitliche Risiko begrenzt werden. Der Parlamentarische Beirat für

nachhaltige Entwicklung fordert die Bundesregierung daher auf, sich im Rahmen der Mög-

lichkeiten dafür einzusetzen, dass regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen unabhängig von

der Frage familiärer Disposition bereits für jüngere Menschen zum Regelangebot zählen.

Prävention sollte als Investition in die Zukunft verstanden werden, damit das Gesundheits-

system nicht zuletzt im Hinblick auf die Herausforderungen durch den demografischen Wan-

del für alle Bürger bezahlbar und leistungsfähig bleibt.

V. Fehlende Aspekte

Obwohl der Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sehr umfang-

reich ist und auf sehr viele Fragen nachhaltiger Entwicklung eingeht, bleiben einige Aspekte

von nachhaltiger Bedeutung unberücksichtigt. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige

Entwicklung fordert die Bundesregierung auf, diese Aspekte künftig ebenfalls in die Überle-

gungen zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie einzubeziehen.

1. Soziale Sicherungssysteme und öffentliche Haushalte

Die finanziellen Lasten, die durch unser heutiges Handeln künftigen Generationen aufgebür-

det werden, werden bislang in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie lediglich durch den

Indikator „Staatsverschuldung“ abgebildet. Damit rückt die Staatsverschuldung im Vergleich

zu anderen nachhaltigkeitsrelevanten Aspekten in den Hintergrund. Angesichts der Tatsa-

che, dass die öffentlichen Haushalte im Jahr 2007 einen Schuldenstand von 1,5 Billionen Eu-

ro aufwiesen, entsprechend 62 % des BIP (vgl. Statistisches Jahrbuch 2008, S. 786 u. 615),

ist eine Behandlung als Schwerpunkt in der Nachhaltigkeitsstrategie angemessen. Zudem

vernachlässigt die reine Betrachtung der Staatsverschuldung die impliziten Verbindlichkeiten,

welche etwa durch Sozialversicherungssysteme und Beamtenpensionen von zukünftigen

Generationen geschultert werden müssen. Um hier mehr Transparenz herzustellen, würde
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Drucksache 16/13236 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

es der Parlamentarische Beirat begrüßen, wenn die Bundesregierung als weiteren Schwer-

punkt eine Nachhaltigkeitsanalyse ihrer Finanzpolitik in Form von Generationenbilanzen

durchführen würde. Generationenbilanzen basieren darauf, alle bestehenden Finanzbezie-

hungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und ihrem Staat innerhalb eines Ausgangs-

jahres zu erfassen, altersgemäß zuzurechnen und schließlich zu saldieren. Wird die Genera-

tionenbilanzierung mit einer langfristigen Bevölkerungsprognose verknüpft, lassen sich dau-

erhafte Belastungen bzw. Überschüsse im Staatshaushalt errechnen. Es ist dabei zu beden-

ken, dass die Zinsen und Tilgungen aus der öffentlichen Schuldenlast auf Grund des demo-

grafischen Wandels künftig von immer weniger Steuerzahlern getragen werden müssen. Im

Gegensatz zu der jährlichen Ausweisung von Finanzierungsdefiziten ermöglichen Generati-

onenbilanzen damit eine Projektion der Entwicklung der politischen Handlungsfähigkeit bei

Fortführung der gegenwärtigen Finanzpolitik über einen längeren Zeitablauf.

Sondervotum DIE LINKE: Generationenbilanzen sind nicht geeignet, eine sozial gerechte Fi-

nanzpolitik zu gestalten und stellen einen Vorwand für eine Politik des radikalen Sozialab-

baus und der Privatisierung sozialer Risiken dar. (Ende Sondervotum)

2. Atomare Abfall-Endlagerung

Das Thema der atomaren Endlagerung wird im Fortschrittsbericht bisher trotz bestehender

dringlicher Notwendigkeit nicht berücksichtigt. Die Wichtigkeit einer sicheren Endlagerung

des hoch-radioaktiven Mülls ist aber für heutige und zukünftige Generationen lebenswichtig

und fundamental. Daher muss dies als Thema aufgegriffen werden.

3. Bildung für nachhaltige Entwicklung

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung soll dazu beitragen, die Verantwortung eines jeden

für künftige Generationen zu erhöhen. Erziehung zur Nachhaltigkeit trägt positiv zur Prägung

von Lebensstilen bei. Dies würde die Konsumhaltung entscheidend beeinflussen können und

von dieser Seite eine nachhaltige Lebensweise fördern. Im Bericht wird dem nachhaltigen

Konsum ein eigener Abschnitt gewidmet wird, in dem auf die Bedeutung des Konsumverhal-

tens und die Wechselwirkung von Konsum und Produktion hingewiesen wird. Die vom Rat

für Nachhaltige Entwicklung erstellte Broschüre über die Nachhaltigkeitswirkung der unter-

schiedlichen täglichen Gebrauchsgegenstände ist eine gute Informationsmöglichkeit, wenn

sie größere Verbreitung finden würde. In der derzeitigen Energieverknappung und den damit

einhergehenden Preissteigerungen liegt eine gute Chance, die Verbraucher über die Nach-

haltigkeitswirkung von Produkten zu informieren. Ergänzend dazu sollte die Nachhaltigkeits-

zertifizierung von Produkten verstärkt werden. Damit würde ein Weg beschritten, die Bildung
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/13236

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008 4. März 2009

für Nachhaltigkeit nicht nur den Engagierten in Initiativen zu überlassen, sondern sie in den

konkreten Alltag zu transportieren.

Der Bildung kommt im Bereich der nachhaltigen Entwicklung laut Bundesregierung „eine

Schlüsselrolle“ zu. Das sehen auch die Vereinten Nationen so und haben 2002 in Johannes-

burg die Weltdekade 2005 bis 2014 „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung stellt fest, dass der Bedeutung des

Themas im Fortschrittsbericht 2008 zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wichtiger je-

doch ist eine Umsetzung in der breiten Gesellschaft. Was die Schulen anbetrifft, sind nach

der Föderalismusreform mit Ausnahme der beruflichen Bildung verstärkt die Länder gefor-

dert. Doch sollte sich dieses Thema nicht auf den Schulbereich alleine konzentrieren. Hier ist

das Bundesministerium für Bildung und Forschung aufgerufen, geeignete Maßnahmen zu

entwickeln, um eine stärkere Öffentlichkeitswirksamkeit zu erreichen. In ihrem Bericht zur

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung für den Zeitraum 2002 bis 2005 (BT-Drs. 15/6012)

hat die Bundesregierung vorgeschlagen, ein Indikatorensystem für nachhaltige Entwicklung

zu schaffen, um Fortschritte feststellen zu können. Die zahlreichen Aktivitäten, die im Inter-

netportal zusammengefasst sind, sind zwar lobenswert, dennoch ist in der breiten Masse

noch keine entscheidende Veränderung festzustellen.
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